Let the good Times roll - Hardy Hardenberg - E-Book

Let the good Times roll E-Book

Hardy Hardenberg

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Beschreibung

Zu lesen gibt es lebhafte Geschichten aus den Swinging Sixties und darüber hinaus! Voll mit spannenden Verläufen über eine turbulente Zeitenwende, mit Rock 'n Roll, Beat Musik, Flower-Power und viel Tingeltangel. In zahlreichen Kapiteln lebt das Sittenbild einer vergangenen Epoche wieder auf. Zwischen bezaubernden Komplizinnen, windigen Strolchen, cleveren Strategen, redebegabten Leitwölfen und diabolischen Scharlatanen, die alle auf der Suche nach Rollen und Spielen waren, erlebte ich die Gnade der Verführbarkeit und noch vieles mehr. Es sind stürmische Erinnerungen an die Stadt am Meer, nahe dem florierenden Überseehafen mit seinem pulsierenden Barlicht Betrieben. Dem exklusiven Club für Salonlöwen und den ständig geöffneten Kneipen für Glückssucher aus aller Welt. Mit ihren blanken Gläsern und gefüllten Flaschen im Schatten einer Heerschar verfügbarer Traumtänzerinnen und den damit verbundenen Erwartungen. Jene Amüsierbetriebe waren oft brechend voll, denn die dollarschweren Fremden haben viel gefeiert, getanzt und geliebt.

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Seitenzahl: 648

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Hardy Hardenberg

Let the good times roll

(Notizen eines Komplizen)

Impressum:

Serien Titel: Let the good times roll

Band 1: Vom Glanz des Geldes

Autor/Rechteinhaber: Der Autor

Copyright: 2023

Erscheinungsdatum: Dezember 2024

Bildmaterial: Auswahl durch Autor

Kontaktdaten:

Publikationsservice Eggers

Am Kurpark 22

27777 Ganderkesee

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung

ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung

des Autors gestattet.

Diese Geschichten sind inspiriert von realen Menschen

und wahren Begebenheiten.

Der Autor

Kapitel

01. Landgang der Seewölfe

02. Einleitende Worte

03. Der Hafen, die Bars, die Mädchen

04. Der Glanz des Geldes

07. Die Barlicht Innung

05. Abrakadabra/eine phantastische Bescherung

06. Die Geschichte vom Bierkistenkönig

08. Das gelbe Haus der Schlangen

09. Lonely Leonie

10. Der Zauberberg

11. The King Size Dragon Club

12. Angie und der Jägermeister

13. Musik aus verflogenen Zeiten

14. Mein Führungsoffizier

15. Tante Greta, Onkel Gerhard

16. Strategen, Strolche, Scharlatane

17. Düsentrieb Rehm

18. Schwarze Riesen in dunkle Kontinente

19. Vom Spiel mit dem Feuer und den Mächten der Finsternis

20. Rückzug in den Rauchsalon

21. Elfie ist gekommen

22. Lore, Lore Hannelore

23. Eisen Erich geht von Bord

24. Wahnsinn und Methode

25.Der Mai ist gekommen

26. Leicht wie eine Feder, schwer wie ein Leben

27. Dollar Days

28. Summer Time

29. Die Liebe ist ein seltsames Spiel

30. Blond, blonder, Marlies

31.Zwischen Wiesen und Feldern

32.Lulu kommt an Bord

33. Bildergalerie

34. Nachtrag

Landgang der Seewölfe

Ich habe in meinem Leben eine Menge Geld

Für teure Autos, Alkohol und Frauen ausgegeben

Und den Rest habe ich sinnlos verprasst.

-Georg Best, nordirischer Fußball Nationalspieler-

Manche Leser werden das fast Unglaubwürdige jener Vorfälle kritisieren, aber soll ich lügen oder die Wahrheit verschweigen? Nur, weil andere Zeitgenossen weniger Kenntnis von den Launen der menschlichen Natur haben? Wie auch immer: Entscheiden heißt verzichten, wusste schon Runen Rudi, ein Mitglied der - wilden 13 -, zu berichten. Ich habe mich entschieden, nicht zu verzichten. Hier mein Bericht über die Silvesternacht von 1967 auf 1968.

Die ganze Nacht war Schnee gefallen und das tat es bis in den Vormittag hinein. Ein kühles Leichentuch über dem vergangenen Herbst. Es war diese Sorte Schnee, die einzigartig klang, wenn man mit Schuhen drüber stampfte. Dieses Knirschen habe ich noch im Ohr, obwohl dieser besondere Schnee in unseren Breiten nicht mehr vorkommt. Geblieben ist mir nur die Erinnerung. Nach langem himmlischen Flockentreiben lag die Küste unter einer weißen Decke, die erst im nächsten Jahr schmelzen wird. Vater, mein persönlicher Führungsoffizier, sowie die Elite der Wilden 13 werden am Nachmittag auf der Domäne in Stellung gehen. Wie jedes Jahr beim Oberst im Herrensalon mit dem Kaminzimmer, mit heißem Grog, Zigarren und ewig gleichem Gerede über Kriegserlebnisse, die an Silvester mit einem noch größeren Schimmer Romantik behaftet sein werden. In dem mystisch anmutenden Salonbereich, mit einem majestätischen Marmorklotz als dekorativer Kamin, herrschte übrigens noch das tausendjährige Reich, wie man unschwer erkennen durfte. Die Männer der abendländischen Idealisten Vertretung gingen zum Trinken und Feiern nicht in andere Kneipen der nahen Stadt. Wenn nicht auf der Domäne gefeiert wurde, dann höchstens noch beim Ex-Geheimdienstler Kuddel im Deutschen Haus. Alles andere hätten sie sich als Fahnenflucht ausgelegt. Wozu auch, alles wurde vor Ort organisiert und dekoriert. Vor allem gab es Trost, für das erlittene Schicksal und Bestätigung in der gemeinschaftlichen Weltanschauung, unter ewigen Kameraden. Woanders hockten trübsinnige Veteranen, wie verlorene Vagabunden im Abseits der Weltgesichte, die Angst vor dem nachhause kommen hatten. Die Stimmung auf der Domäne war dagegen hell und idealistisch.

Nein, meine Mutter war kein Fan der übriggebliebenen Mitläufer vom Anstifter zum Weltenbrand, deren Ehre die Treue war und ist. Und sie fragte sich oft, wann jemals diese dumme Besoffenheit verflogen wäre? Sie hatte dem Füh.rer und Reichskanzler diese blödsinnigen Kriege nie verziehen und dass sie ihre Heimat, die mecklenburgische Seenplatte, an den Iwan verloren hatte auch nicht. Dabei fing alles so blendend an, damals in den Dreißigern, gab sie freimütig zu. Es ärgerte sie, dass Überlebende der großen Todesspirale die unsägliche Vergangenheit nicht in den Gräbern der Schlachten ruhen lassen konnten. Weil das Anzetteln von Kriegen immer ein Blödsinn von Männern war, hätte der Schreihals aus Österreich ohne seine Ja-Sager-Blechbüchsen-Arme keinen einzigen Panzer bewegt, so Mutter. >Auch Klugheit schützt vor Dummheit nicht, meine Herren! <, Das war so ein Spruch, den meine Mutter gerne bei passenden Gelegenheiten, welche eigentlich ständig vorhanden waren, in die Runde der wilden 13 platzierte.

Doch selbst die Gewissheit, dass Männer selten das kultivierte Niveau einer Frau erreichten, war ihr kein Trost. Wenn ihr verblendeter Ehemann zum Gutshof abmarschiert war, sagte meine Mutter gerne: >Dein Vater hat sich auf die hiesige Wolfsschanze kommandiert, wieder die Weltgeschichte umdichten. Das wird ein endloses Gesabbel von Trunkenbolden und es wird über Halunken schwadroniert, die gerne auf neue Gemetzel zusteuern möchten. < Wenn Vater im Verlauf des Jahres sich (und manchmal auch mich) zu anderen Ritualen der letzten Getreuen abkommandierte, bemerkte Mutter auch gerne: >Das Rudel kreist wieder um den Blocksberg und der Brandstifter mag tot sein, aber viele seiner Schüler sind es nicht! < Wenigstens blieben die Krawallmacher unter ihresgleichen und holten nicht etwa verdorbene Weiber zum Zechgelage hinzu, das glaubte sie zumindest. Nach solchen defätistischen Äußerungen konterte Vater mit der Androhung in ihrem geliebten Garten einen Bunker zu graben. Sowas sei zukunftssicher und eine Erinnerung an die Tage in Rechlin. >Jedenfalls werden Heimatland Bewahrer nicht der Versuchung folgen ihre Glaubenssätze zu verraten und überzulaufen, zu gerade populären Ansichten. Nach Canossa gehen wir jedenfalls nicht! Eher verkaufen die Roten dem Papst ein Doppelbett <, so Vater.

Um was für einen Vater es sich handelte, bekam ich wieder schwarz auf weiß zu lesen. Gerade heute schrieb er im Aufgabenheft der Schule an den aufrechten Erich, meinem grauhaarigen Klassenlehrer. Aus gutem Grunde auch Gottes Konfirmanden Feldjäger genannt. Vater wollte an seine Anregung erinnern, den Schülern im Unterricht eine historische Großtat zu erklären: Die Befreiung Deutschlands von den Versailler Knebelverträgen durch Reichskanzler Hitzer! Darüber könne es keine zwei Meinungen geben, egal was die Quasselbude in Bonn davon hält. Gerade jetzt, wo die rote Kapelle ihre Agitatoren in die Klassenzimmer schleust. Wie üblich, mit keinem neuen Propagandamaterial seit den Dreißigern, allerdings verbirgt ihre heutige Maskerade die gewetzten Krallen Moskaus besser als damals in Berlin. Ich Dödel hatte ihm dummerweise davon erzählt, dass Rote Locke, Leitwolf der kommunistischen Dorfjugend, im Klassenzimmer ein Bild von A. Paul Weber (Das Gerücht betitelt) herumgehen ließ. Jedenfalls bot sich Vater weiterhin als Referent für die Darstellung geschichtlicher Zusammenhänge an. Inklusive lebhafter Front Berichte, von denen Reservist Erich nichts erzählen konnte. Interpretierte Tatsachen und Tatsachenberichte, sozusagen. Zumal schon Direktor -Stuka- Riester uns heroisches Material aus seinen Luftkämpfen erzählerisch näherbrachte. Denn die Schule wird ja heutzutage mehr und mehr zum Amt ohne Ehrgeiz, fürchtete nicht nur mein Vater!

An diesem Nachmittag versuchte ich gerade den Beat-Club im Fernsehen zu schauen, als Vater mir mein Aufgabenheft zurückbrachte und das laufende Programm sah. Damit begann sein heutiger Monolog Fahrt aufzunehmen: >Hör mal, Junge: Dieses Ami Gejaule, von diesem dicken Trompeter, (er meinte Louis Armstrong, der aber nicht im Beat Club zu sehen war), dass sie uns unterjubeln, geht wenigstens nur 5 Minuten und wahrscheinlich gibt es da eine ständige Abnahmeverpflichtung der deutschen Rundfunkanstalten, von den Besatzungsmächten per Dekret erlassen. Das besiegte Deutschland muss jetzt Baumwollpflücker Musik aus den Kultur Hochburgen der Südstaaten genießen lernen. Zur Vernichtung letzter abendländischer Vermächtnisse. Dieser Kulturverfall führt uns direkt in den Urwald. So ist dieser Rock´ Roll erklärbar. Brauchst nur ins entlegene Urwaldgebüsch vom schwarzen Kontinent ein Mikrophon reinhalten. Über die Surfboys aus Amerika landet das letztendlich bei uns. Was dieses Beat Gejaule betrifft, so ist es möglicherweise von ständig im Urlaub befindlichen Adeligen, aus den englischen Kolonien, importiert. Da holt man die finstersten Strolche, welche ein Instrument festhalten können, aus ihren Höhlen und presst ihre Geräusche auf Schallplatten. Vielleicht fing alles nur als Experiment von Primaten Forschern an. Dann geriet das wissenschaftliche Projekt außer Kontrolle und fand den Weg in die Zivilisation, als eine Art Volksbelustigung. Leider fand es die unkontrollierte Jugend mindestens teilweise toll und man machte im Kapitalismus selbstverständlich ein Geschäft daraus. Kassiert jetzt ganz groß ab, aber mit welchen Folgen? Weil, im ungezügelten Kapitalismus geht Geschäft bekanntermaßen immer vor Vernunft!

Ebenso könnte man bei wilden Volksstämmen nach Inspirationen für das Aussehen von Bekleidung trachten, was scheinbar erste Früchte trägt, wenn ich mich so umsehe. Und was als Tanzen deklariert wird, gleicht sichtbar dem ausgesetzt sein von Stromstößen, was ja aber nicht zutrifft. Weil im finstersten Busch eine Stromanbindung unbekannt ist. Es soll allerdings Eingeborene geben, die ihre Feinde durch trommeln und Gebrüll töten. Wie auch immer, es verblödet das wichtigste Kapital einer Nation bei rhythmischen Zuckungen. Die schreien sich mit schmerzverzerrtem Gesicht in Ekstase und fallen schließlich in Ohnmacht<, meinte mein Führungsoffizier und zeigte mit dem Finger auf die laufende Beat-Club Sendung. >Sowas habe ich vorher nur bei Mädels und Frauen erlebt, wenn der Füh.rer in ihre Nähe kam. Dafür hat man Verständnis. Schließlich habe ich selbst begeisterte Mädels die Reifen des Füh.rer Mercedes küssen sehen, wenn es leider nicht möglich war seine Hand zu ergreifen. Kollektive Hysterie, wie so oft, wenn er sich zeigte. So ähnlich soll es ja bei Konzerten von diesem Elvis in Amerika zugegangen sein. Übrigens auch ein Beispiel für den Verfall der Werte, mein Junge. Ich meine, dieses frenetische Bejubeln eines Schreihalses, der mit den Hüften wackeln kann. Das ist doch erbärmlich! < Ich dachte mir: Schreihälse sind meinetwegen beide, aber besser nur singen und mit den Hüften wackeln, als die Welt in Schutt und Asche legen.

Ich behielt diese Überlegung besser für mich und außerdem war mein Führungsoffizier noch nicht fertig. Er meinte noch: >Da habe ich im Fernsehen diesen zappelnden Suppenkasper (er meinte Mick Jagger) mit einem flugunfähigen Vogel an seiner Seite gesehen, der seine Freundin spielte. Die liefen frei im sogenannten Swinging London umher. Diese abendländische Kulturstadt ist bereits zum Freimarkt der Weltuntergangskulturen geworden, wohin sie aus allen Löchern der Welt angereist kommen. Nach einer vernünftigen Rauschgiftkontrolle wären viele von denen sicher nicht mehr auf freiem Fuß. Keine Chance! Also, wenn mal richtig durchgegriffen würde. Als ob die paar Kulturnationen nicht schon genug Probleme hätten, ruinieren jetzt subversive Elemente unsere Jugend mit Love, Peace und Happiness Blödsinn. Gebärden sich dabei naiv, frei und klassenlos. Sie werden unsere Hochkultur vergessen und begeistert etwas Primitiveres übernehmen. Aber, aber, aber, - mein Junge, merk dir das eine: Die Erde ist manchmal doch eine Scheibe und Schwache und Dumme werden an den gefährlichen Rand gedrängt! < Es passte alles zusammen: Ende vom Vortrag, Ende vom Beat-Club und Vater ging die Leuchtpistolen suchen.

Meine Mutter hatte dieses Jahr ein Freilos gezogen und kam nicht mit auf die Domäne. Denn zum gemeinsamen Festessen wurden Frauen gelegentlich zugelassen, wenn die Herren es denn wollten, was aber bei der eigenen Ehefrau selten der Fall war. Zum Glück brauchte niemand von uns Jungs an diesem Abend beim Oberst Dienst schieben. Dafür konnte Rudi diesmal die Petra gewinnen. Petra, die wir nur Helga nannten, weil sie große Ähnlichkeiten mit der Schauspielerin Helga Anders besaß. Sie war Mitte zwanzig und bediente in der Bahnhofswirtschaft, welche Gentos Vater erworben und geschlossen hatte. Der alte Besitzer konnte, oder wollte, nicht die Auflagen des Gesundheitsamtes erfüllen, welche aber zwingend sein müssten, so Bürgermeister Hans. Es kaufte der Bauunternehmer Hans das Haus am Bahnhof samt Grundstück in exponierter Lage und wir waren gespannt, was ihm dazu noch einfallen würde. Die hübsche Helga war im Büro seiner Baufirma untergekommen, als Mädchen für alles. Ein lukratives Angebot, als Mädchen für alles, beim spendablen Talente Förderer Alfredo, hatte sie bisher ignoriert.

Der interessante Siedlungsnachbar, Kapitän Reinhold, war diesmal nicht nachhause gekommen. Dümpelte mit seinem Kahn irgendwo in einem fremdländischen Hafen, oder kämpfte sich gerade durch schwere See. An solchen Tagen, wie Silvester, fehlte er uns besonders, denn er hatte immer was Außergewöhnliches in der Hinterhand. Kann sein, dass die Schneemengen die Menschen freundlicher machten. Kann sein, dass es unsere Erwartungshaltung war, welche uns diesen Tag wie einen zweiten Heiligabend vorkommen ließ. Die Zeit der Weihnachtsmänner und der Geschenkeverteilung war gerade erst vorbei. Doch in dieser Nacht wollten wir uns selbst beschenken, wollten verlockende Türen öffnen und in die leichtsinnige Welt der frivolen Wohltaten eintauchen. Die Tingeltangel Straße war uns durch manche Begebenheit am Tage, oder belauschten Berichten im Umfeld der gelben Villa, wahrlich keine Unbekannte mehr. Wir unmündigen Randfiguren waren leider noch nicht in den Genuss gekommen die Gehsteige der Hexenhöhlen in der Nacht abzulaufen. Um zu suchen, um zu finden, um zu erleben! Wie es tausende Glückssucher, aus allen Herren Ländern, über das ganze Jahr taten. Aber dieses Silvester fühlten wir uns reif und stark genug, die anrüchigen Schauplätze des beliebten Gewerbes in Augenschein zu nehmen. Unsere Zeit war gekommen den Versuchungen aufgehübschter Glitzer Girls, aus dem Dunstkreis vom Hafenmilieu, wohlwollend nachzugeben. Zumal einige Lasterhöhlen in diesem lebhaften Milieu von Brandos Vater, dem stadtbekannten Boss vom Zweckverband der Betreiber gastronomischer Läden, betrieben wurden. Auch deshalb haben Gento, Brando und ich den Stallgeruch vom Vergnügungsviertel aus kurzer Distanz zugeweht bekommen.

Vor allem durch Alfredos knusprige Komplizinnen, die uns im Privatgehege, dem gelben Haus der Schlangen, begegneten. Durch die Strahlkraft der hübschen Wesen, mit denen Alfredo seinen Lebensstandard bestritt, waren wir unaufhaltsam gereift für den Empfang unmissverständlicher Signale. Das meine besten Freunde sich als ziemlich erwachsen betrachteten, erkannte man an den neuen Rufnamen, die sie für sich aussuchten. Wie Brando, nach dem coolen Hollywood Schauspieler und Gento, nach dem Fußballstar von Real Madrid. Irgendwie passten diese Namen auch zu meinen Freunden. Mich nannte man weiterhin nur Junge! Ich wirkte nicht erwachsen genug für starke Männernamen und mir viel selbst keiner ein, der hätte passen können. Auch, wie ich mir dürftig einzureden versuchte, weil ich, wie ein guter Schüler, zuhören und schweigen konnte. Schweigen und zuhören, was mehr sagen kann als eine lange Reihe von Worten. Gento lag das überhaupt nicht. Er kam mehr nach seinem Vater, dem Baulöwen und Bürgermeister in Personalunion. Der Brando wurde, durch die verführerische Branche seines Vaters, von uns als privilegiert angesehen und hatte deshalb die besten Anführer Qualitäten, wenn das nicht auch Gento übernommen hätte. Ab dieser Zeit nahmen Mädchen, Frauen, Jungen und Männer mich gerne beiseite und erklärten mir die Welt. Zuerst dachte ich, sie würden instinktiv zum Unterricht meines Führungsoffiziers einen Gegenpol bilden. Aber das war es nicht, denn sie konnten in ihm nur den normalen Zollbeamten erkennen, der sich um den Zollgrenzbezirk sorgte und besonders nett zu jungen Fräuleins war. Also im normalen Fahrwasser der Vätergeneration schwamm.

Wir waren 9 oder 10 Jahre alt, als wir uns füreinander entschieden, uns Freunde nennen wollten. Es passte einfach und wir gönnten uns die Errungenschaften tiefer Freundschaft. Wenn etwas die Größe einer Verbundenheit unterstreichen kann, dann ist es die Zeit der Jugend. Nur selten lassen sich in späteren Jahren neue Freundschaft finden, welche eine derartige Qualität und Beständigkeit aufweisen können. Womit ich nicht sagen kann, dass viele Jugendfreundschaften noch lange in die Erwachsenenwelt hineinreichen. Ihre Ehefrauen versuchen alsbald die alten Freunde zu ersetzen, vor allem, um den Ehemann besser in ihrem Bannstrahl zu halten. Schwache Exemplare der männlichen Gattung lassen das mit sich geschehen und geben einen der größten Schätze ihrer Jugend preis: Die alten Freunde!

Silvester ist wahrlich nicht der beste Zeitpunkt, um ins lärmende Barlichtviertel abzutauchen. Auch damals war in dieser Nacht keine normale Betriebstemperatur angesagt. Trotzdem, es ließ sich nicht mehr aufschieben. Unser Hunger nach gewissen Möglichkeiten war groß und es war ein guter Tag um Alfredos Kontrolleuren nicht zu begegnen. Chefstratege Alfredo, der zwar wusste, wie nah wir seinen Appetithappen oft kamen, aber uns für alles vertiefendes mit ihnen disqualifizierte. Wenigstens hatte sein Sohn in unserem Kreis einen ungefähren Überblick, was die Tingeltangel Läden anging. Aber in dieser Nacht gab es mehr Außergewöhnliches als wir uns vorgestellt hatten. Auch heute war selbstverständlich die Neonlicht Reklame von Lucifers Vorhöllen für alle Entgleisung Suchenden weit sichtbar und beleuchtete ihren Weg. Für alle, die hier nachts ein Vergnügen suchten, dass ihr Alltag so nicht anbot. Für alle, die sich dabei halbwegs benehmen konnten. Ja, diese beliebte Animiermeile glich einer Freihandelszone speziell motivierter Geselligkeit, in der ständig unzählige Seeräuber zum Plündern einfielen, um dann (von ihren geschmeidigen Opfern ebenfalls ausgeplündert) wieder Segel in die weite Wasserwelt zu setzen. Jede verruchte Bar glich dabei einem sympathischen Dschungel, mit motivierenden Schlangen, Vöglein und Libellen.

Für jede Vorliebe, in unterschiedlichster Gestalt, Form und Farbe, war gesorgt. Ein inszeniertes Spektakel von Möglichkeiten außergewöhnliche Stunden zu erleben. Der Kapitän nannte die dafür unbedingt notwendigen Freizeitbegleiterinnen respektvoll: Enterhaken! Er sagte auch: >An Land braucht der Seemann etwas feuriges, wie echten karibischen Schnaps und eine höllisch feurige Braut. Je feuriger, desto besser! < Diese Enterhaken sendeten mit signalstarker Schminke, mit kräftigem Parfüm und mit raffinierter Kleidung, direkt ins Genusszentrum eines Männergehirns. Ihr ermunterndes Lächeln strahlte und lockte an, weil überall auf der Welt für Schönheit bezahlt werden darf. Im Angesicht des vom Zweckverband der Spaßbetriebe angebotenen, internationalen, Flirtgirls hatten Minderwertigkeitskomplexe der fremden Beutejäger keine Chance sich störend auszubreiten. Die inspirierende Suche nach einer verfügbaren Komplizin kann höchst hypnotisieren wirken! Mag sein: Schöne Körper mit leeren Köpfen! Mag sein: Eine Reihe hohler Puppenaugen! Mag sein: Die wollen nicht dich, die wollen deine Moneten! Was soll´s und wie auch immer! Die waren aber sonnenklar unser Beuteschema heute Nacht und ihre optischen Signale trafen zwar nicht unser Herz, aber unsere stärksten Instinkte.

Von nah und fern wurde die weibliche Besatzung der Amore Tempel vom mystischen Dr. Mabuse, für die Innung und andere Teile der westlichen Welt, ausgesucht und angeheuert. Trotz aller seiner Erfolge habe ich diesen Herrn nur selten lachen gesehen oder gutgelaunt erlebt. Es umgab ihn eine gewollte Dunkelheit, wie beim Schurken aus dem bekannten Krimi, weshalb man ihn Dr. Mabuse nannte, was ihm scheinbar ganz recht war. Am Türschild seiner versteckt liegenden Praxisräume stand Dr. Laffert, natürlich ohne irgendwelche Sprechzeit preiszugeben. Er machte ständig ein nachdenkliches Gesicht, dass noch älter wirkte, als er zu sein schien. Vielleicht, weil ihm nichts mehr fremd war und er alles Mögliche auf der Welt gesehen oder getan hatte. Seine undurchsichtigste Lebensphase war die Zeitspanne bis 1955, wenn ich Siggi Salonlöwe glauben darf. Mit seiner Loyalität, seinen Fremdsprachenkenntnissen und seiner medizinischen Ausbildung war Mabuse der ideale Problemlöser, für die an Fachkräften interessierte Beutegemeinschaft. Lange habe ich es nicht verstanden, wie der Doktor so viele formschöne Geschöpfe aus den Hafenstädten der Welt an unsere Küste holen konnte. Es war wohl so, dass sein grüner Dollar Daumen, ein vertrauliches Gespräch mit dem Vermittler (was durchaus die Familie sein konnte) und rosarote Vorstellungen eine weite Reise vernünftig erscheinen ließen. Das wichtigste und verlässlichste Handwerkszeug bei solchen Anwerber-Reisen war sein Kennerblick. Zu wissen, welche interessierte Schönheit sich für den angebotenen Flirt Job im kalten Europa der Jahreszeiten eignen würde. Außerdem konnte er jeden Maulhelden (von nah und fern) unter den Tisch trinken, was ihn noch mehr als Hexenmeister erscheinen ließ. Vielleicht verfügte der geheimnisumwitterte Doktor über ein unbekanntes Elixier, wie es der Leinwand Schurke Mabuse extra für seine cleveren Verbrechen erfand. Doch zurück ins Silvester von 1967:

Die lodernden Barlicht Hexenheime platzten in dieser Nacht mal wieder aus allen Nähten. Reizvoll zurechtgemachte lovely Girls tanzten sich in den Live-Shows die Seele aus den jungen Figuren. Die verqualmte Luft war von Raubtiergeruch, Parfüm, Sehnsucht und Musik geschwängert. Wir konnten an der Zusammenrottung der vergnügungssüchtigen Gesellen grob feststellen, welche Nationalitäten die Stadt und seine Kneipen Sylvester belagerten. Die Stimmung hatte sichtlich Fahrt aufgenommen, auch weil Möglichkeiten Suchende zueinander gefunden hatten. Die Tingeltangel Läden waren so brechend voll, dass wir Debütanten kein Bein über die Türschwelle bekamen und vom Gehsteig aus uns das Getriebe zu Gemüte führten. Es wurde nicht nur heftig gefeiert, währenddessen wechselten auch viele Moneten ihre Besitzer. Für den einen war es ein teurer Spaß, für den anderen ein billiges Vergnügen. Die Meinungen darüber gingen weit auseinander. Die Attraktion der Silvesternacht an der Hauptstraße im Hafenviertel war weit sichtbar die neu eröffnete Happy Ending Bar und Brando meinte, dass Kater Carlo eigentlich mit einem heftigeren (nicht mehr zweideutigen) Namen aufmachen wollte. Aber dafür bekam er von der Stadt kein grünes Licht. So eine Ending Bar sei grenzwertig genug. Auch wurde Carlos Antrag auf Betreiben eines oben-ohne Restaurants von der Stadt abgelehnt, obwohl es nur im Vergnügungsviertel betrieben werden sollte. Wird er halt mit dieser zündenden Idee ein Club Restaurant daraus machen und noblen Lebemännern eine kostenintensive Mitgliedschaft zukommen lassen. Ladys hätte natürlich eine kostenlose Mitgliedschaft zu erwarten. Für den Kater gab es kaum etwas, das letztendlich nicht käuflich wäre, wenn nur der Lockstoff stimmte. Das hat ihm das Leben beigebracht, fürchte ich.

Kater Carlo, von dem erzählt wurde er streichle seine Katzen mehr als jede Freundin.

Kater Carlo, der sein Revier gerne die ewigen Jagdgründe nannte.

Kater Carlo, ein Rummelplatz Artist, der eine Rummelplatz Atmosphäre ausstrahlte.

Kater Carlo, der, wenn er lächelte, tadellose Zähne zeigte - und er lächelte oft.

Doch bei seinen zweibeinigen Katzen zeigte der Kater eine Angewohnheit, die man ihm heutzutage als klaren Fall von Belästigung auslegen darf, aber keinesfalls als harmlose Bezeugung der Bewunderung für die aufgehübschten Freizeitbegleiterinnen der beliebten Barlicht Szene, wie er sich das vorstellte. Damals machte es sich als eine Art Markenzeichen des Katers bemerkbar und wurde nicht sonderlich beachtet. Er tat es gerne und häufig, wobei die Betroffene keine Missbilligung zeigte. Nun war es nicht so, dass die Mädels deshalb Schlange standen, sondern es ergab sich aus einer Laune, in flüchtigen Momenten, heraus. Ich weiß ja, heute ist das verdächtig nah an Körperverletzung und ist zusätzlich diskriminierend. Doch vor Jahrzehnten kultivierte dieser Unhold so seine Begeisterung für einen schönen Körperteil seiner wichtigsten Aktivposten. Erst rieb er seine Handfläche in kreisender Bewegung übern Kleiderstoff an den wohlgeformten Hinterbacken der Auserwählten warm, um spontan mit einem kurzen Klaps auf das edle Teil seine persönliche Wertschätzung abzuschließen. Ich denke diese Symbiose funktionierte, weil alle was davon hatten. Der Kater machte es fachmännisch und genießerisch, die lockeren Flirt Girls registrierten es als Kompliment und den Zuschauern gefiel es auch. Gento hat übrigens später dieses Kunststück übernommen und weiterentwickelt. Irgendwie hatte jeder der alten Bosse seine Vorlieben im zärtlichen Umgang mit dem weiblichen Personal. Alfredo agierte dabei im klassischen Stil, mit Handkuss und feinen Manieren. Gerne streichelte er die Wangen der appetitlichen Musen und küsste danach ihre Stirn. Das war sehr beliebt, auf beiden Seiten. Aufgeklärte Geister unter den Lesern werden diese Sugar (D)addy Show als das enttarnen, als was es war: Ein billiger Trick, um die sensiblen Kätzchen hochmotiviert anschaffen zu lassen. Eine simple Effektivitätssteigerung Maßnahme, obwohl alle Beteiligten es damals so nicht verstanden haben wollten, dazu lief das Geschäft zu gut.

Siggi Salonlöwe erzählte mir, dass der Kater seit einem ärgerlichen Vorfall öfter den Spruch von sich gab: >Tiere sind doch die besseren Menschen! < Das kam so: Kollege Bokassa hatte seinen protzigen Sportwagen in sengender Sonne abgestellt. Samt großem Hund auf dem kleinen Rücksitz und ausgerechnet vor Carlos Büro, was schon provokant genug war. Jener Bokassa, der als Ramblin Gamblin Man in der Szene einen zweifelhaften Ruf besaß und seine spezielle Kundschaft mit unstatthaften Versprechungen lockte. Sowas war offiziell tabu und verletzte ein moralisches Gesetz der Innung! Trotzdem soll er entsprechend talentierte Schauspielerinnen gefunden haben, die Bokassa bis zu fünfzigmal erfolgreich als Kandidatinnen zur Reifeprüfung für unberührte Teens angeboten habe. Das nur zum besseren Verständnis, was Kollege Bokassa anging. Manche haben für Kartenspiele gar nichts übrig, andere würden sich deshalb ruinieren. Poker war für Bokassa, dem passionierten Tunichtgut, der süchtig machende Kick. Ebenso galt das für teure Autos. Die gesammelten Währungsreserven, welche seine Zugpferdchen er-zwitscherten, flossen in verrauchten Hinterzimmern schnell wieder in andere Taschen hinein. Das war ihm aber egal, denn es floss ständig frisches Geld aus dem Ponyhof (wie Bokassa sein Etablissement gerne nannte) in seine großen Taschen zurück. Als nun das arme Tier in seinem Auto sichtlich unter der Hitze zu leiden begann, ließ der besorgte Kater den verantwortlichen Bokassa suchen, leider ohne Erfolg. Der verantwortungslose Strolch blieb wie vom Erdboden verschwunden. Also ließ der Kater eine Autoscheibe einschlagen und das hechelnde Tier retten. Tierquäler konnten einen motivierten Kater sehr, sehr böse machen.

Als Bokassa irgendwann auftauchte und sich über die zerstörten Scheibe beschwerte, fragte der Kater ihn erstmal nach seiner Lebensberechtigungskarte. >Sowas habe ich nicht, sowas gibt es nicht und sowas brauche ich nicht<, erwiderte ein trotziger Bokassa, sichtlich müde vom stundenlangen Kartenspiel. Nun war wieder das Böse in Bokassa aufgekeimt und erfüllte ihn mit Genuss. Des Katers Bullenfigur schien die Nähte des Anzuges sprengen zu wollen und die Wucht hinter dieser Bewegung gab ihm das Aussehen eines gereizten Ebers. Jene Aura, welche die Persönlichkeit umgibt und im Dienst erworben wird. Es war die eindrucksvolle Verkörperung eines eventuellen Verhängnisses für den schwer zu beeindrucken Bokassa. >Dachte ich mir gleich<, wusste der Kater zu antworten. >Wer einen Hund so vernachlässigt, besitzt auch keine Lebensberechtigungskarte<, fügte er hinzu. Wer sich in dieser Form an einem Tier verging, wurde vom Kater bereits auf eine Stufe mit spanischen Toreros gestellt. Er hielt diese spanischen Torero Teufel für hochgradig feige und von kranker Moral zerfressen, um sowas überhaupt tun zu können. Sich dafür feiern zu lassen eine chancenlose Kreatur, in einem abscheulichen Publikums Spektakel, langsam zu Tode zu foltern. Was dabei für Mut und Ruhm gehalten wird, sei nichts Weiteres als ein Armutszeugnis grausamer, dummer, menschlicher Entgleisung. Ja, er träumte laut davon, mit den entgleisten Matadoren in einem ernsten Rollenspiel die Rollen zu vertauschen. Zur Abwechslung spielt mal ein anderer den Satan und stößt ihnen das Tor in die Hölle auf. Diese ehrlosen Gestalten, anstelle der missbrauchten Stiere, im Sand der Kampfstätte auf Überlebensfähigkeit zu prüfen, mit vorbestimmtem Ergebnis. Danach wären die zahlenden Zuschauer dran. Einer nach dem anderen dürfte sein Blut dem ausgetrockneten spanischen Boden anvertrauen. Sozusagen, um im Staub der Arena ins Gras zu beißen. In grauenvoller Erwartung einer weiteren Züchtigung, durch die himmlische Gerechtigkeit im baldigen Jenseits.

Der gläubige Kater glaubte zu wissen, dass dies beim Meister im Jenseits ein Wohlgefallen auslösen würde. Denn dieses Pack sei einfach zu degeneriert, um noch im Besitz einer göttlichen Lebensberechtigungskarte zu sein. Wenn er erfuhr, dass es einen Torero im unfairen Kampf doch mal erwischt hatte, rief er laut: "Hossa, Hossa, Hossa" aus und spendierte eine Lokalrunde. Das passiere leider viel zu selten, meinte Carlo jedes Mal. Für Bokassa konnte sich der Kater noch vor dem Weltenlenker schämen, aber selbst das gelang ihm nicht bei den hirnlosen Matadoren, aus dem Land der Stierkampf Arenen. Nur weil man zur Gattung Mensch gehöre, sei man nicht automatisch ein vernunftbegabtes Wesen. Bokassa und die mutigen Feiglinge aus Spanien zeigten hier klar die Grenzen auf, so der Chef vom Siggi.

Der Kater war schon deshalb an genau diesem Tage nicht gut auf Bokassa zu sprechen, weil man ihm zutrug, dass dieser herumerzähle, der Kater trage einen Schnurrbart aus Lackleder. Für Bokassa mag es ein Spaß gewesen sein, für andere kam es einer Majestätsbeleidigung gleich. >Hast du dich für einen echten Freund, das ist nämlich ein Hund, entschieden, hast du Verantwortung! Er ist dir von unserem größten Chef schutzbefohlen anvertraut. Jetzt hör genau zu: Weil ich möchte, dass es dem Hund und dir gut geht, überlässt du mir das Tier! Soll ich das für dich tun? < fragte der Kater, um eine Antwort zu bekommen. Bokassa war sofort klar: Hätte er, wie sonst üblich, mit großer Fresse geantwortet: Was regst du dich so auf, ist doch nur ein Hund, wäre es eine 50 zu 50 Wette geworden, ob er heute noch betoniert bei den Fischen landen würde, so sauer kam ihm der Kater vor. Das war die Sache keinesfalls wert, soll er doch die Töle behalten, wenn ihm so viel daran liegt. Dem Halbweltboss lief ja das Gerücht hinterher, er habe sein Handwerk, als junger Mann, bei den ungarischen Pfeilkreuzlern gelernt und das auch am Donau Ufer. Oh ja, diese Reputation wog schwer. Viel schwerer, als die Schandtaten von Bokassa in den französischen Kolonien je gewesen sein konnten. Zusätzlich war der Kater ein zwei Zentner Klotz, dem diese menschliche Enttäuschung (so Alfredo über Bokassa) wenig entgegenzusetzen hatte. Siggi behauptete auch: Stellst du Bokassa auf den Kopf, fallen mindestens fünf Spielkarten aus ihm heraus. Wenn der Kater sich in seinem Seeräuber Gesicht an die alte Narbe fasste, wussten Kenner dieser signalstarken Situation, dass eine Entscheidung bevorstand und die Beweisaufnahme als abgeschlossen galt. Grabesruhe kehrte ein, man hörte nur den Straßenverkehr und je nach aktueller Tageszeit das erwartungsvolle Geprahle vorbeiziehender Schiffsbesatzungen auf Landgang. Kollege Bokassa durfte eine angemessene Geldstrafe für den hiesigen Tierschutzverein an den Kater zahlen und wurde auf Bewährung entlassen. Der Kater hatte ein Urteil gesprochen, gegen das es keine Berufung gab. Mit außergewöhnlich viel Gefühl in der Stimme garnierte der vermutlich ehemalige Pfeilkreuzler das Ende der Verhandlung mit den Worten: >Hilf uns doch dich zu mögen, Kollege Bokassa! < Oh ja, der Kater Carlo war wirklich die uneingeschränkte Nummer zwei im Distrikt der Amüsierbetriebe und verstand was von seinem Metier.

Als Monsieur Bokassa an Land ging hatte er mehr Glück als Verstand, denn er kam genau zum richtigen Zeitpunkt in unsere Hafenstadt geflohen. Auf Bitten gewisser Stellen, sollte die Innung ein Lokal eröffnen, dass von einem dunkelhäutigen Geschäftsführer geleitet werden sollte. Man hoffe dadurch, als weltoffene Seestadt, den vielen Nationalitäten im Amüsierviertel besser gerecht zu werden und auch Streitigkeiten zwischen den Hautfarben zu minimieren. Zähneknirschend musste Alfredo dieser politischen Bitte nachkommen, obwohl er sich nichts davon versprach. Leider stellte sich schnell heraus, dass Berufsschwindler Bokassa die falsche Wahl für den sensiblen Posten war. Jener Monsieur Bokassa fiel nicht allein in den Norden ein, sondern brachte den braunen Zumba mit, seine rechte Hand. Der lief ihm im tiefsten Afrika auf einem Marktplatz über den Weg. Er kaufte Zumba für kleines Geld und hatte sich somit einen zweiten Schatten angeschafft. Allerdings lebte sich jener Zumba, der Probleme mit gängigen Sprachen hatte und schlecht französisch sprach, nie wirklich im Norden ein. Zu kalt, zu rational und zu geschäftig kam ihm dieser Erdteil vor. Auch ärgerte er manche Anlieger im Viertel, weil er nicht ganz von seinen heimatlichen Bräuchen und Ritualen ablassen konnte. Einmal hatte er die Reifen vom Zwölfzylinder Leichenwagen des Salonlöwen platt gelegt, weil sich in den Reifen die Geister vieler transportierter Toter befanden, die sich nicht selbst befreien konnten. Schade, dass er dazu ein Messer benutzte und es nicht beim Öffnen der Ventile bewenden ließ.

Die Attraktion war ein besonders ausgeprägtes Körperteil am nicht missionierten Zumba. Es soll sich um den größten Zauberstab gehandelt haben, den Siggi je gesehen hat und pechschwarz soll er gewesen sein. Vielleicht war dieses Prachtstück auch Bokassas Motiv gewesen, den Naturburschen, zum Zwecke einer speziellen Vermarktung, mit nach Europa zu nehmen. Womöglich für ein Weltstadt Varieté oder Cabaret, die einem exklusiven Publikum gerne außergewöhnliche Attraktionen auf der Bühne darboten. Aber im normalen Vergnügungsmilieu war mit dem schwarzen Riesen nicht viel zu anzufangen. Die Flirt Girls hatten Angst und lehnten jede Zusammenarbeit mit dem Monsterspieß schlichtweg ab. Und dem Alfredo wäre eine überraschende Showeinlage mit dem XXL-Teil in der exklusiven Drachenburg zu vulgär gewesen. Auch galt es keine Minderwertigkeitskomplexe beim zahlenden Club Publikum zu fördern. Aber für Gento, mit seinen Filmkunst Ambitionen, wäre Zumbas Instrument sicher interessant gewesen. Doch das lag noch in ferner Zukunft und der schwarze Riese blieb nicht lang genug in der Stadt am Meer. Insider behaupteten, Bokassa musste Zumba aufgeben, weil der sich nicht disziplinieren konnte und mit seinem waffenscheinpflichtigen Colt auf die gesunden Pferdchen im Stall losging, sie regelrecht krank polierte. Das war sehr, sehr geschäftsschädigend und nicht tragbar! Als sich keine gangbare Einigung zwischen Herrn und Diener abzeichnete und Zumba drohte einen eigenen Stall aufzumachen, war die rote Linie vollends überschritten, auch hinsichtlich der Geduld der Beutegemeinschaft.

Offiziell hieß es, der Bokassa hätte seinen Zumba an einen Kapitän weitervermittelt, der die Ostindien Route befuhr, wo es deutlich wärmer ist. Gewisse Andeutungen, wonach man den Super-Schlauch-Inhaber eher bei den Fischen finden könnte, als auf anderen Kontinenten, ließen sich nicht beweisen. Noch im selben Jahr verlor die Hafenstadt den Neubürger und Gastarbeiter, mit Rufnamen Bokassa, an die Fremdenpolizei, welche den Herrn an Frankreich überstellte. Es war nämlich der französische Inhaber vom Pass Port, mit dem Bokassa unkorrekter Weise gereist war, offiziell für tot erklärt worden. Das warf gewisse Fragen auf und Nachfragen wurden eingeleitet. Eine Neuverpflichtung, mit Rufnamen Taifun, übernahm den so plötzlich führungslosen Ponyhof und dann lief es endlich ruhig und normal in der Hydra Höhle ab.

Für uns blieben Bokassa und Zumba auf ewig Verschollene und Siggi meinte dazu: >Eines Tages kommt die Wahrheit doch nach oben und meistens als Leiche! Und hätten die Tiere eine Religion, dann wäre der Mensch der Satan<, so sage der Kater. Der Chef sei eben ein sensibler Hund, < verriet mir der Salonlöwe. Immer wenn sein Lieblingskater krank wurde, konnte der Chefkater mit keinem seiner lovely Girls etwas biblisch Unstatthaftes anfangen. Und als im letzten Jahr sein Dienstältester Kater, der Jopi, im stolzen Alter von 19 Jahren friedlich in Carlos Armen entschlief, ja da trug der knallharte Stratege einen Monat lang die Trauerbinde. Die Beerdigungsfeier, in seinem großen Garten auf dem Lande, wurde eine Veranstaltung mit cellospielenden Musikanten vom Stadttheater. Wer Kater Carlo schätzte, der zeigte seine Anteilnahme am Grabe vom Jopi. Ein zusätzlicher Gedenkstein ziert nun seinen schönen Garten mit dem kleinen Friedhof für die geliebten Vierbeiner vom engagierten Tierliebhaber. >Sollen sich nur die entrückten Kirchenfürsten mit Unverständnis darüber aufregen, oder in ihrem Grabe umdrehen, das bestimmt viel pompöser ausfällt wie der einfache Marmorstein vom Jopi<, meinte der trauende Kater am Rande der Feier. Dann setzte er noch hinzu: >So schlau bin ich auch, dass ich aus Erfahrungen sagen kann: Tiere sind nun mal die besseren Menschen und wer das nicht einsieht hat ein Brett vorm Kopf, wo immer das auch herkommt! <

Oh ja, der Kater pflegte für sich das Image: Mild in der Art, stark in der Tat! Besonders als Vermittler auf dem Flirt Girl Sektor, in vielen Formen und Spielarten, als lukrative Geschäftsidee und mit überlegenem Equipment den heimischen Ehefrauen gegenüber. Weil vertiefende Spielchen mit einer Fremden reizvoller sind und zumeist freizügiger. Auch glaubte er ein Herz aus Gold zu besitzen, doch manche Komplizin hielt es eher für Blattgold. Der beliebte Stratege meinte, mit schnell vergänglichen Blickfängen zu handeln, welche zwar unverkäuflich, aber für amüsante Stunden auf Mietbasis erhältlich waren. Das sei durchaus die bessere Lösung, als jahrelang mitanzusehen, wie sich ein an die Veränderungen der Zeit gebundenes Kunstwerk unschön verformte. Ein chromblitzendes Symbol für sichtbaren Erfolg, dass er als Stallbesitzer auf die richtigen Pferdchen setzte, war zweifelsohne sein Heckflossen Cadillac, Coupe de Ville. 1959er oder 1960er Baujahr, das kann ich nicht mehr genau sagen. Der Manager einer lukrativen Schattenwelt glaubte jedenfalls, dieses übergroße Auto erfülle seine Vorstellung von Eleganz und verleihe seinem Prestige einen passenden Ausdruck. >Dem kann man kaum widersprechen<, meinte Siggi. Aber wieder zurück zur Silvesternacht 1967!

Im Dunstkreis der Tingeltangel Straßen angekommen, sahen wir schon vom weiten die Trauben der dollarstarken, erlebnishungrigen Happy-Ending-Sucher vor überfüllten Läden stehen und auf baldigen Einlass hoffend. Etwas entfernt standen zwei MP-Fahrzeuge der Amerikaner und beobachteten abwartend die brodelnde Szene. Zwei Wagen bedeuteten mindestens acht durchtrainierte Militärpolizisten mit Peacemaker-Knüppeln in Bereitschaft. Schon ihre sichtbare Präsenz schaffte mehr Ruhe und Ordnung unter den Wartenden. Vor allem unter den anwesenden Amerikanern, denn andere Nationen kannten die Qualität dieser mobilen Eingreiftruppe weniger und mein Vater sagte einmal anerkennend zu Captain-Walker: >Schon sehr nahe am ehemaligen deutschen Eliteeinheiten Standard, habt ihr also doch was von uns gelernt! < Dabei saßen sie trinkend und rauchend, wie so oft nach einem nicht alltäglichen Geschäft, in der Jagdhütte der wilde 13 und erzählten sich tiefe Wahrheiten. (Später mehr davon). Allerdings gab es auch Ordnungshüter direkt von der Beutegemeinschaft gestellt. Zwei sandalenfilmtaugliche Muskelpakete, die im Viertel lebten und ständig ihre Runde machten. Bestens in der Szene bekannt unter den Namen die Turbine und der Major. Beide legten keinen Wert auf die Bekanntheit ihrer wirklichen Namen und der Kater konnte das nur zu gut verstehen. Er brachte dazu den Spruch: >Ich bin nichts Besseres als die Beiden! < So bürgte Carlo bei der Innung für diese Mitarbeiter und hielt seine Hand schützend über diese effektiven Ordnungshüter.

Harte Schicksalsschläge hatte das dynamische Duo an diesen Ort der erfüllbaren Wünsche landen lassen. Bei Turbine fing es damit an, dass eine Quarantäne, am Ende der Welt, ihn für eine Passage ausfallen ließ. Als er das nächste Mal wieder an Bord ging, erfuhr er erst auf hoher See und rein zufällig von dem Verhältnis seiner Frau mit dem Kapitän. So verprügelte er im Dienst seinen Vorgesetzten und die Mannschaft konnte nur mit Mühe verhindern, dass er ihn über Bord warf. Dieser Vorfall beendete seine Seefahrerzeit und auch seine Pläne eine Frau fürs Leben zu haben. Er tauchte ab und beim Kater wieder auf. Seine Herkunft blieb mir schleierhaft, auch weil er es mit Worten nicht so hatte. 10 deutsche und 10 englische Sätze reichten ihm völlig zur Verständigung aus, jedenfalls im Dienst. Dafür waren diese recht kernig und richtungsweisend. Zum Beispiel sagt er bei aufkommenden Tumulten: >Ist jetzt Ruhe hier im Zirkus oder muss der Krankenwagen kommen? < Das verfehlte seine Wirkung nur selten. Ansonsten blieb Turbine unauffällig und man sah ihn gelegentlich auf einem Fahrrad das Revier abfahren. Den Namen Turbine soll er schon auf dem Schiff bekommen haben, weil er leicht aufbrausend war und dann enorme Kräfte abrufen konnte.

Beim Feuerwehrmann, den sie Major nannten, lief es ungefähr so ab: Er kam aus dem Norden der USA und soll als Feuerwehrmann in New York gearbeitet haben. Dort muss der kräftige Kerl aufgefallen sein, so landete er bei den Green-Berets und mit ihnen in Vietnam. Als sie ihn später nach Deutschland ausflogen, hatte er eine Kugel im Kopf. Aber auch im besten U-S Armee Hospital hielt man es für zu riskant die Kugel heraus zu operieren. Mit Glück würde sie nicht anfangen im Gehirn herumzuwandern und alles bliebe unauffällig. Das war nur die halbe Wahrheit, denn der Major zog, seit er sich die Kugel eingefangen hatte, etwas das Bein nach und seine Farberkennung unterlag Tagesform Schwankungen. Er hat sich immer wieder gefragt, woher damals der Feuerstoß gekommen sein konnte, denn er hielt es nicht für unmöglich, dass die Kugel aus einer amerikanischen Waffe stammte. Der Dschungel, die Dunkelheit, die Angst und der Stress können den besten Soldaten irritieren. Die Armee entschied jedenfalls, er habe genug Krieg abbekommen und dürfe seiner Wege gehen. Nach Amerika zurück kam nicht in Frage, denn auch als Feuerwehrmann war er nicht mehr zu gebrauchen. Unter diesen Voraussetzungen in Amerika neu anzufangen wäre nicht leicht. Zufällig traf er in Wiesbaden, bei einer Abschiedsfeier im Offiziersclub, den Talentscout Rex mit seinen Akteurinnen, die dort mindestens tanzten und flirteten.

Der Rex sah in ihm gutes Verwendungspotenzial für die Innung, wenn der Major nicht schon andere Pläne geschmiedet hätte. Hatte der aber nicht und so telefonierte Rex mit dem Kater, dem Mann für das Organisieren von Sicherheit im Tagesgeschäft der Beutegemeinschaft. Kater Carlo brauchte einsatzfähige Männer, mit Beulen und Schrammen im Lebenslauf, sowie Eiern in der Hose. Der ausschweifende Barlichtbetrieb boomte gerade derartig, dass in mehreren Schichten gearbeitet wurde und Turbine sich ständig im Einsatz befand. Außerdem suchte der Kater für die gefährlichsten Gaststätten am Fischereihafen einen zusätzlichen Killertypen. Eine Erscheinung, welche die einfallenden Verbrecher Visagen von den Fischtrawlern respektieren würden. Aber da waren ein oder zwei Peacemaker trotzdem oft chancenlos und so war es auch das Einsatzgebiet der Drachenburger Lotsen. Konfliktsuchende Kerle im Lederdress und mit mindestens schweren Motorrädern bewaffnet. Das dynamische Duo, Major und Turbine, sorgte also schwerpunktmäßig für Ruhe und Ordnung im Barlichtbetrieb des Überseehafens. Oft in Zusammenarbeit mit der MP der Amerikaner und gelegentlich mit der Seestadt Polizei, die es aber nach Möglichkeit vermied sich mit den vielen Fremden herumzuschlagen. Zu ungewöhnlich, undurchsichtig und derbe waren die Konflikte im Animationsgewerbe am Hafenrandgebiet. Als deutscher Polizist war es zudem nicht einfach sich in der Szene durchzusetzen, würde man nicht laufend geltende Gesetze verletzen. Da waren Turbine, Major, die Drachenburger Lotsen und die MP freier in der Wahl der Mittel, welche schlagartig halfen. Der Major hatte schnell einen guten Draht zu den Boys seines alten Arbeitgebers. Es dauerte nicht lange, da fuhr der Major mit einem ausgemusterten Armee Jeep durch das Viertel. Eine Sammlung von Nightsticks bekam er gratis dazu. Nightstick, so nannte man den beliebten Schlagstock der amerikanischen Militärpolizei. Dieser harte Knüppel war der MP wirklich eine große Hilfe in dieser turbulenten Zeit, mit ständig neuen Soldaten, die mit den Schiffen ankamen oder fortgingen. Oft brauchten sie die vom Nightstick reisefertig gestalteten Heißsporne nur noch zu ihrem Einsatzwagen begleiten und ab ging es in die Ausnüchterungszelle der amerikanischen Garnison.

Alle aktiven Flirt Girls von der Szene mochten besonderes den charmanten Major. Er sah so kompetent aus und von seiner Nähe ging ein Strahl wärmender Sicherheit auf sie über. Egal, wie hoch es her ging, oder die angeheizte Stimmung gerade einen gefährlichen Siedepunkt erreicht hatte. Tja und manchmal wurde es tatsächlich sehr ungemütlich. Ich kann mich an eine Geschichte mit der schönen Paloma erinnern. Die Paloma war ein hellbraunes Geschöpf aus der Karibik. Kein Gramm zu wenig, zu viel, oder am falschen Platz. Ein tropisches Vöglein, das niemals mehr zurück in die allzu bekannte Armut wollte. Für sie waren die hiesigen Amüsierbetriebe wahrlich nicht der schlimmste Ort für die erlebnisreichsten Jahre ihres Lebens, da kannte sie andere Stätten. Und für Liebhaber von Mulattinnen war diese lovely Lady geradezu aus dem siebenten Himmel gefallen. Die zu einem Perez Prado Mambo tanzen konnte und irgendwo aus Puerto Rico oder Trinidad hergesehnt wurde. Sie wäre 365 Tage im Jahr ausgebucht gewesen, wenn sie das gewollt oder ausgehalten hätte. Sie besaß ein fröhliches Gemüt und lächelte allen zu, die durch die Tür kamen. Besonders, wenn sie im Mittelpunkt des Interesses geriet, was schnell der Fall sein konnte. Es war unglaublich, wie gut sie ohne Schminke aussah! Sie war ein Fix Stern in den Remmi Demmi Spitzenläden und der Kater wollte sie mit niemanden teilen, auch nicht mit Alfredo. Sie war schlichtweg inventarisiert! Amerikanische Soldaten, die ständig in die Bars strömten, fragte sie frei heraus, wann das große Amerika sich endlich das kleine Kuba wieder zurückholen werde. Das könne doch nicht so schwer sein!

Denn, ihr unerfüllter Traum war in den großen Clubs der -Vor-Castro-Ära- zu tanzen, ja ganz auf Kuba zu leben. Sie wusste viel über Havanna, von Briefen und Fotos einer Tante, welche dort bis zum Untergang ein gutes Leben gehabt habe und viele Dollars in die Heimat schicken konnte. Auch war das Klima angenehm und man sprach überwiegend spanisch. Nun ist diese Tante verarmt, weil sie keinen gut bezahlten Job mehr besaß. Die Bars, Clubs und Casinos, wo sich die Dollar Männer massenweise herumtrieben, haben die kommunistischen Spaßbremsen geschlossen. Glücksspiel und Amination haben sie natürlich gleich mit verboten. Die lovely Ladys wurden eingefangen und zu Schneiderinnen oder Bäuerinnen umerzogen. So ist es nun und für Abenteurer und Glückssucher habe die vergnügliche Insel aufgehört zu existieren! Aber jene Tristesse eines Gefängnisses, mit Namen Kuba, sollte doch blitzschnell von einer freiheitsliebenden Supermacht zu beenden sein, die paar Meilen von Florida entfernt. Alle Soldaten stimmten ihr absolut zu, denn auch sie trauerten den freizügigen Angeboten der erlebnisreichen Glückspielerinsel nach. Jene durchzechten Nächte im Rausch der Möglichkeiten vom alten Havanna. Und die älteren US-Soldaten erzählten ihr, tief in der Nacht am Tresen hockend, dass aktuelle Vietnam Abenteuer könne auch so enden, so wie jenes dilettante Manöver, um die Castros Bande loszuwerden. Nur ungleich teurer an Menschen- und Materialverbrauch!

Es ging über Palomas Verständnis und sie machte Dope und Alkohol in den Soldier Schädeln für solches Gerede verantwortlich. Vielleicht ausgelöst durch Heimweh nach Amerika oder gar nach Havanna, dachte sich die zuckersüße Maus und das könne sie dann verstehen! Außerdem strömten diese lebendigen Zielscheiben zu ihr ins Vergnügen, um sich mental aufzulösen, um die gefährliche Zukunft zu vergessen. Palomas Spezialität war der praktische Dreier mit zwei Kandidaten! Nur ein Schwarzbrot-Sandwich kam für sie dabei nicht in Frage, das erinnerte sie zu sehr an die üblen Kerle ihrer tropischen Heimat. Sich zu dritt miteinander amüsieren mochte sie einfach sehr gerne. Keinesfalls einen Vierer oder mehr, wie es einige Ladys praktizieren, des schnellen Geldes wegen. In einer Nacht kam es darüber zum Streit unter Marinesoldaten eines Truppentransporters, der frisch vor Anker gegangen war. Viele junge Kerle standen mächtig unter Dampf und schlegelten um sie herum, aber konnten sich nicht friedlich einigen, welche zwei startklaren Glückspilze die südseesüße Paloma zum sahneziehen zugesprochen bekamen. Im Prinzip war es ja wie immer, wenn der Laden gut gefüllt war. Aber die heftig umworbene Paloma hatte dabei so eine Eigenart entwickelt. Bei ihrer Ankunft aus der tropischen Wärme brachte sie eine Lieblingsplatte (Besos de Fuego/ Blanca Rosa Gil) mit und setzte durch, dass damit die Musikbox bestück wurde. Zum Anheizen der Bewerber ließ sie diesen Song gerne drücken und tanzte dazu wunderbar lasziv im Tingeltangel Fieber aus Übersee. Sie tanzte Solo oder zog sich gelegentlich einen willigen Statisten aufs enge Parkett. Ihnen folgten sodann die entzündeten Blicke der feuergefangenen Glücksmomente Sucher, zur eleganten Art und Weise wie sie sich für sie bewegte.

In dieser Nacht gelang ihr das zu perfekt und Pegel wurden überschritten und Sicherungen knallten durch. Es artete nun leider zu einer wüsten Schlägerei unter kräftigen, ausgehungerten und angeheizten Soldaten aus. Das Inventar war somit einer starken Gefährdung ausgesetzt und das zahlt später niemand, wenn die Boys im Gewahrsam der Armee verschwunden waren. Es war kein Zufall, dass der Major über das beginnende Gefecht schnellstens informiert wurde und sofort vor Ort die missliche Situation erkannte. Von der MP war noch kein Eingreifkommando eingetroffen. Er allein hätte auf normalem Wege nicht alle ausgeflippten Jungs festsetzen können und lief deshalb zurück zum Jeep. Er griff sich einen handlichen Benzin Kanister, öffnete ihn und goss über die im Stehen und liegen prügelnden Nordamerikaner reichlich aus. Dann ließ er die Musik stoppen, stellte sich vor die geschockten Boys und hielt ein brennendes Feuerzeug in die Luft. Und es dauerte keine gefühlte Ewigkeit, bis diesen in Rage geratenen Männern der bekannte Benzingeruch in Nase und Gehirn stieg. Sekundenschnell wurde es still in der Bar, dann zeigte der Major auf die offene Flamme und auf den offenen Ausgang, der von aufgeregten Mädels freigehalten wurde. Wie Feuerwehrleute im Einsatz, stürmten die in Zivil gekleideten Soldaten mit dem bekannten Kurzhaarschnitt aus Kater Carlos fremdenfreundlichen Vorzeige Laden und wurden von der eintreffenden MP in die dafür vorgesehenen Transporter verfrachtet.

Riskante Nummer, dass finde ich heute noch. Hätte komplett aus dem Ruder laufen können und nur die MP Verwahrung garantierte, dass die Jungs nicht nochmal auftauchen würden. Als alles geklärt und provisorisch aufgeräumt war, setzten sich die Verbliebenen an die Theke, kippten ein paar Schnäpse und Paloma drückte in der Jukebox (vielleicht passenderweise) -Jumpin Jack Flash- von den Rolling Stones. Dazu wurde von ihr und ein paar anderen Happiness Girls wild getanzt. Endlich schneite Turbine herein und begriff was er versäumt hatte. Er kam von einem anderen Notfall und berichtete über eine Horde Nordseeteufel, welche gerade einer Bohrinsel entkommen waren und die zerbrechlichen Püppchen in der Roxy Bar nicht so mitspielen wollten, wie es sich diese ausgehungerten Jäger vorgestellt haben. Aber das ist eine andere Geschichte. Also wieder zurück zur Silvesternacht.

In dieser verwilderten Wirklichkeit suchten wir Newcomer doch nur eine nette Atmosphäre zum Verweilen. In der uns ein aufmerksames Flirt Girl an die Hand nahm und uns sozusagen einführte. War das denn zu dieser Stunde, an diesem Ort, unmöglich? Wir drifteten in Richtung der Kneipen ohne Live-Programm, am Ende der Tingel-Tangel Straße. Brando erinnerte sich an das Cap Störtebecker, eine urige Kneipe seines Vaters. Ein Seefahrer Kneipen Klassiker, der hinter dem Zeitgeist Trend gerutscht war und renoviert werden sollte. Vielleicht konnten wir uns dahin erfolgreich flüchten, frei bewegen und aufgeschlossene Pfadfinderinnen treffen. Brando wusste, der Störtebecker hatte versteckte Räume, in denen man sich mit einer interessanten Lady ungestört unterhalten konnte. Das war ja nicht überall so. Es gab auch Kneipen, die man extra verlassen musste, um ein Zimmer zu nehmen. Oder, man durfte die lovely Lady nach Hause begleiten, oder im Sommer einen geeigneten Platz im freien aufsuchen. Doch je nach Stimmungslage praktizierten es manche auch direkt in der Bar, vor den Augen der anderen Zecher. Das schlossen wir für uns aber aus. Nicht unter Wildfremden. In solchen verlebten Spelunken, vom Typ Störtebecker, herrschten scheinbar animalische Sitten und Gebräuche. Dort tobte ein ständiger Karneval, sofern nur ein großer Dampfer vor Anker lag. Man konnte trinken, rauchen, streiten und fremde Fräuleins erobern. Alles unter einem Dach.

Nun standen wir vor der alten Bude und sie sah wie ein Haus meiner Modelleisenbahn aus. Mit Schnee auf dem Dach und roter Außenbeleuchtung. Ein gemaltes, verwittertes Bild vom alten Piratenkapitän, mit einer Truhe Goldtaler in der Hand, prangte angestrahlt über dem Eingang. In einem Bericht über die große Zeit der Seeräuber habe ich ähnliches gesehen. Die Tür öffnete sich wie von Geisterhand und ein fröhliches Pärchen enteilte an uns vorbei in die Winternacht. Wir stürmten hinein und griffen uns sofort ihre freien Barhocker am Tresen. Um gerade 2 Uhr morgens, am 1. Januar 1968. Auf den zweiten Blick sahen wir einen schwer beschäftigen Mann, der soeben das vergnügte Fräulein neben sich vom Hocker hob und sie einen dunklen Gang entlang trug. Sie entschwanden hinter einem dicken Vorhang und das Weitere konnten wir förmlich nachfühlen. Mit dem dritten Blick erkannten wir die vielfältig hinterlassenen Spuren urbaner Kommunikation von Gästen aus aller Welt. An den Wänden klebten Bilder, mit und ohne Rahmen, vergilbt, vergilbter und frisch. Momentaufnahmen der Erinnerung von Seefahrern, die hier vor Anker gegangen waren. Verstaubte Schiffsmodelle rundeten das Gesamtbild ab. Die Musikbox dudelte Lieder über eine große Liebe, vom Verlassen werden oder einer Zukunft in der alles Warten und Hoffen sich gelohnt haben wird. Mit Schallplatten von Freddy Quinn, Connie Francis und anderen Stars jener Tage. Nun ja, wie mag das sein, wenn man nach Wochen in der blauen Wüste diese Barhocker ansteuert? Wochenlang nur Männer, Stürme, keinen Alkohol und der endlose Horizont.

Dann kam die Sonne der Nacht zum Vorschein, auf der anderen Seite vom Tresen ging sie auf. Jung, so jung, hübsch, so hübsch – Antje, der irdische Engel hinter dem Bartresen! Sie leuchtete stärker wie der Weihnachtsbaum hinter ihr, der zusätzlich mit Ansichtskarten dekoriert war. >Hallo Jungs, wirklich schön, wenn Schulferien sind, stimmt´s? Ich frag mal nicht nach dem Ausweis, sondern schmeiß euch die erste Runde. Was wollt ihr trinken? < Das war die erste Begrüßung des gesamten Abends und kam von einer wärmenden Sommer Sonne hinter der Bar. Trotzdem fühlte sich Gento entmannt, wie konnte Antje nur wissen, dass er zur Schule ging. Wir einigten uns darauf, dass sie eigentlich Brando und mich gemeint haben wird. In der Musikbox lief Vaya con Dios (Gitta Lind) und der zuckersüße Engel tanzte beim Einschenken der Drinks mit der Flasche in der Hand den rustikalen Holztresen entlang. Wir waren begeistert und vielleicht schon in sie verliebt. Erst jetzt sah ich mich in der gesamten Kneipe um. Da lag auf einem großen Tisch ein riesiger Klumpen, vielleicht der tote King Kong? Arme und Beine von sich gestreckt, blickte dieser Koloss regungslos zur Decke. Daneben lagerten zwei ehemalige Lieblingsschülerinnen animierter Dorfschullehrer. Beide rauchten Ringe in die Luft, bedienten sich weiter am Schnaps auf dem Tisch und stießen King Kong gelegentlich an. Gento fragte die Antje, >kommt der Notarzt gleich, oder was ist passiert? < >Nein, nein, keine Sorge! Das ist nur unser Pascha, ein guter Stammgast und manche nennen ihn auch Godzilla. Der wird schon wieder, ihr werdet sehen. Seine Betreuerinnen warten nur darauf, dass unser guter Patient wieder zu Bewusstsein kommt<.

Das war nicht unsere Baustelle und so wanderten die Augen weiter durch die gediegene Spelunken Welt. Auf der anderen Seite saßen vier Schlitzaugen mit zwei weiteren Freizeitbegleiterinnen in ihrer Mitte. Antje sah unsere neugierigen Blicke und meinte: >Mausi und Gitti beschäftigen sich seit Stunden mit den kleinen Japanern, aber sie kriegen die Knaben nicht auf Betriebstemperatur. Die wollen keinen happy End Service und das zur Jahreswende, fern der Heimat und bei diesem Angebot<. Ich wollte schon sagen: >Aber wir, wir sind bestens auf Betriebstemperatur und wollen diesen Service! < Ließ es aber bleiben, auch weil die dunkle Antje meine erste Wahl gewesen wäre, von der ich alles gewollt hätte. Aber sie schien an tiefergehenden Kontakten mit mir nicht interessiert zu sein. Die Japaner sprachen ein witziges Englisch, betrugen sich höflich (wir hörten ständig die Worte: Arigatou, Kanpai und Hai) und schienen über gute Barmittel zu verfügen. Denn der von den Flirt Girls bestellte Alkohol war von der besten Sorte. Wobei viele Asiaten nur wenig Alkohol vertragen und wie Kamikaze-Flieger abstürzen konnten, das hatte uns Kapitän Reinhold erzählt. Weil wir hin und wieder die Toilette aufsuchten, ist mir ein Text unter den vielen an den Wänden gekritzelten Weisheiten in Erinnerung geblieben. Der war von Hermann Hesse, wie mir Marlies später erklärte. Der lautete so:

Das Leben vergeht wie ein Blitzstrahl,

wie rasch fliegt und wechselt die Zeit.

Du, der beim vollen Glas sitzt

und nicht mit den Mädchen trinkst und singst,

sag mir, auf was wartest du?

Spontan erinnerte es mich an das Gerede vom Käpt´n, wenn der in Feierlaune war und der Pegel seiner Alkoholvergiftung von seiner Hausangestellten, seiner Geliebten, seiner unverzollten, exotischen Blume (wie er sie nennen konnte) beanstandet wurde. Er fragte uns: >Ihr Kadetten, habt ihr überhaupt schon mal einen Toten, 10 Tote oder 100 Tote, gesehen? Dann begreift ihr, wie schnell und plötzlich Zapfenstreich sein kann. Fällt der letzte Vorhang, ist sicher Schluss mit lustig, das siehst du den abgeschalteten Seelen an. Darum ist ständig bei mir S O S angesagt und ich gieße mein Glas öfter voll. Wenn ich vom Kutschbock falle, möchte ich volltrunken sein, der Abflug wäre berauschender. Oder, der Admiral Neptun zieht mich samt Schiff in die Tiefsee, dann möchte ich ihm entsprechend fröhlich begegnen<.

Antje schenkte wieder nach, hob ihr Glas, prostete uns zu und sagte: > Auf unsere japanischen Gäste, die das hier alles bezahlen werden! < Plötzlich sprangen Godzillas Betreuerinnen auf und brachten sich in Position, denn der Dicke zeigte primäre Lebenszeichen. Eine knapp bekleidete Betreuerin ging zur Musikbox und wählte -Everybody is Somebody's Fool- (Connie Francis). Die Platte wurde ständig gedrückt, sodass wir vermuteten, es sei Godzillas Lieblingsscheibe. Seine begehrenswerten Wärterinnen tanzten nun auf den mit Flecken und Brandlöchern tätowierten Tischen vor dem Fleischberg herum. Mit raffinierten Bewegungen begannen sie sich zu entkleiden, dabei wiegte ihr Oberkörper aufreizend ihre formschönen Glöckchen und sie lächelten ihr gefälligstes Lächeln für ihren beliebten Stammkunden. Außer knappem Höslein und Glöckchen Halter hatten sie nichts mehr an und eine tanzte sich mit eindeutigen Bewegungen langsam hoch und runter über Godzillas Hose, wo man seinen elften Finger vermuten konnte. Was wir von den beiden Flirt Girls gezeigt bekamen gefiel uns, keine Frage. In diesem Moment konnten wir die Streuner verstehen, die gewisse Partybuden aufsuchen, weil sie solche unstatthaften Entgleisungen geboten bekamen. Auch, wenn es nur Momente sind und sie diese entlohnen werden.

Als Dank für ihr Engagement zog der Party Pascha aus einer dicken Dollar Rolle ein paar Scheine und steckte sie der Dompteuse zwischen ihre prächtigen Glöckchen. Von seiner Belohnungsmaßnahme motiviert schwang die zweite Tanzmaus ihre hübschen Hinter Bäckchen über den fetten Riesen mit der beliebten Wertpapier Rolle. Wieder im bewährtem auf und nieder Rhythmus, welcher sehr interessant mitanzusehen war. Sie bekam ebenfalls grüne Scheine zugesteckt, diesmal in den Spitzenslip. Antje sagte dann: >Mal ehrlich Jungs, bei diesem Stundenlohn würde ich das auch gerne machen. Gefällig, steil und frivol kann ich genauso sein! < Was für Aussichten, dachte ich, während die reizenden Nachtschwestern um ihr goldenes Kalb tanzten, einem Godzilla happy End entgegen. Vielleicht zieht der betreute Klotz seine Hosen aus, wer weiß. Und es kam tatsächlich zur Krönung ihrer Reanimation, ganz ohne Versenkung seiner schlaffen Schlange in irgendwelche Damendöschen. Der korpulente Gast nahm sein Geldscheinbündel zur Hand, öffnete den goldenen Ring und warf einen anständigen Dollarregen über die fleißigen Künstlerinnen. Während die Tanzmäuse zu Staubsaugern für Geldscheine mutierten, erhob sich der erschöpfend animierte Gigant und sah nickend zu Antje rüber. Die griff sofort zum Telefon. Etwas später betraten zwei orientalisch aussehende Muskelpakete die Lokalität und beförderten ihren Auftraggeber hinaus zu einem teuren PS-Schlitten.

>Was war das denn, < fragte Gento beeindruckt. >Das war die Show: Godzilla lässt die Puppen tanzen, < meinte Antje. >Angenehmer Stammkunde und sehr guter Big Spender. Wir stellen keine Fragen und er antwortet mit Dollars. Ich weiß nur, dass er den Bau von Schiffen beaufsichtigt. So richtig aktiv war der hier noch nie<. >Was für eine Materialverschwendung< rief Gento und sah den reichen Nachtschwestern beim Geld zählen zu, denn es waren nur Hunderter. Obwohl sie von Godzillas Gurke unberührt blieben, so gesehen für uns in Frage kamen, zeigten sie kein Interesse an uns, als startklare Nachfolger. Die Dollar Königinnen kamen stattdessen zum Tresen, drückten der Antje Scheine in die Hand und verzogen sich ans Ende vom Bartresen. Spätestens jetzt wurde uns schmerzlich bewusst, als mögliche Spielgefährten überhaupt nicht gesehen zu werden. Obwohl unsere Blicke sie mehrfach verwöhnten, wir auch Dollars dabeihatten und sichtbar einer frischen Generation angehörten. Ja, wir waren Luft für anwesende Expertinnen, keine Frage. Aber wahrscheinlich waren die Flirt Girls am Ende ihrer Motivation und die Geldbörsen frisch aufgefüllt. Wir wussten außerdem nicht, was sie vor dem Besuch des Dicken zwischen den Fingern hatten. Da half uns auch nicht ein weiterer guter Rat vom Käpt´n, der da meinte: >Jungs, eine Königin will wie eine von der Straße behandelt werden und eine von der Straße wie eine Königin, kriegt ihr das hin? <

Weiterhin versuchten zwei andere Flirt Sternchen die drolligen Japsen für ihre reizenden Konturen zu interessieren. Doch diese dollarschweren Asiaten, mit ihrem kindlichen Gehabe, hatten einen unsichtbaren Knoten im Schlauch und würden schwerlich für mehr Anteilnahme in Frage kommen. Nur die Antje bekam durch die wertvollen Moneten in ihrer Tasche noch bessere Laune. Ständig goss sie kostenlos unsere Gläser wieder voll. Spontan nahm sie Geld aus der Kasse, drückte ihre Zigarette aus und ging zur Musikbox, die sie neu programmierte. Danach kam sie blitzschnell auf mich zu, küsste sanft meinen Mund und zog mich vom Hocker auf die kleine, silberne Tanzfläche. Gefühlvoll umschlang sie mich mit ihren dünnen Armen, während die bemühte Musikbox von dem -Fool Nr. 1- (Brenda Lee) berichtete. Der -Prisoners Song- (Brenda Lee) kam danach und wir klebten sehr eng zusammen. Ich dachte schon, da geht noch was und ich müsse nur vorher Brando und Gento töten.

Doch plötzlich flog die alte Kaschemmen Tür auf und vier stämmige Burschen stiefelten in die Wärme hinein. Auch diesen Kerlen sah ich an Gesicht und Kleidung an, dass sie von weither gesegelt kamen. Sofort zog es Antje leider wieder hinter die Bar. Brando und Gento blieben also erstmal am Leben, während die neuen Gäste einen Tisch neben den japanischen Intimitäten Verweigerer beschlagnahmten. Dort entledigten sie sich erstmal ihrer prächtigen Pelzmäntel. Wie magnetisch gesteuert, blickten alle verbliebenen Nachtschwärmer in ihre Richtung. Diese erkennbaren Sowjetrussen steckten in prunkvollen Uniformen und die strahlten wie verlorene Sterne einer fremden Galaxie. Sie zeigten klar und deutlich den Wert dieser kernigen Mannsbilder für die ferne Sowjetmacht, keine Frage. Wahrscheinlich gab der ganze Glitzerflitter ihnen zusätzliche Sicherheit, warum waren sie sonst in voller Montur in dieser Spelunke eingelaufen. Nicht, dass sie das gebraucht hätten, bei ihrem Erscheinungsbild.

Als erstes bestellten sie souverän, aber nicht akzentfrei, eine Runde Wodka auf Englisch. Für Mausi und Gitti waren diese frisch eingelaufenen Seebären kein unbekanntes Phänomen, eher ein unerwartetes, plötzliches Heimspiel. Als sie noch drüben in der Ostzone verdeckt gastierten, gehörten russische Offiziere zu ihrer Stammkundschaft, wenn auch nicht mit Begeisterung in den Herzen der beteiligten Akteurinnen. Denn diese Wölfe von der Armee nahmen sie hart und lange ran, gerne als Gemeinschaftsprojekt absolviert. Immer unterstützt mit Mengen von Alkohol, was diese wilde Spezies erst richtig auf Touren brachte. Die rauen Kerle, in ihren Superhelden-Kostümen, wurden von uns und dem Barmädchen Antje umgehend mit passenden Namen versehen. Wir einigten uns auf sichtbar zutreffende Namen wie: Ledergesicht, Kalkleiche, Stalin Bart und Uferloser. Uferloser, wegen des Besitzes riesiger, uferloser Augenbrauen.

Mausi und Gitti hatten erst kürzlich aus der Ostzone -rüber gemacht-, konnten etwas russisch sprechen und verstehen. Für begabte Selbstdarstellerinnen gab es aber nur im dekadenten Westen echte Entfaltungsmöglichkeiten in ihrer speziellen Sparte, auch deshalb die Flucht in den lukrativeren Westen. Offiziell war das vertikale Gewerbe in der DDR leider bei Strafe verboten.