LEVIATHAN - Tim Curran - E-Book

LEVIATHAN E-Book

Tim Curran

5,0

Beschreibung

Seagull Island … eine geheimnisvolle Insel. Man munkelt, sie sei das Tor zu einer anderen Welt - einer Welt urzeitlicher Monster. Die Einheimischen reden nicht darüber. Sie verleugnen es. Aber plötzlich ändert sich alles … Auch Johnny Horowitz, ein unbeliebter Paparazzi, hat von dem Mythos gehört und ist ganz besessen von dem Gedanken, als erster einen Blick auf die andere Seite zu werfen. Während Hurricane Amelia über der Insel tobt, wird das Tor in die prähistorische Welt weit aufgestoßen, und Johnny plant dorthin zu gelangen, mit der Kamera in der Hand, unabhängig von den Konsequenzen. ---------------------------------------------------------- Tim Curran ist ein Poet des Grauens. Seine Sprache strotzt vor gewaltigen Bildern, die sich mit Stacheln und Widerhaken in der Erinnerung festsetzen und nicht mehr verdrängen lassen. [Andreas Gruber, Autor] "EIN HAMMER!" [Lesermeinung] "Das vielzitierte Kopfkino wird von Tim Curran mit Leichtigkeit in Gang gesetzt." [Lesermeinung] "Wer Curran nach dieser Lektüre nicht verfallen ist, dem ist nicht mehr zu helfen" [Lesermeinung]

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 143

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
5,0 (1 Bewertung)
1
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalte

Titel

Copyright

Impressum

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

24

25

26

Der Autor

Leseprobe

Der LUZIFER Verlag

LEVIATHAN

Tim Curran

übersetzt von

Nicole Lischewksi

This Translation is published by arrangement with SEVERED PRESS, www.severedpress.com

Title: LEVIATHAN. All rights reserved. First Published by Severed Press, 2013. Severed Press Logo are trademarks or registered trademarks of Severed Press. All rights reserved.

Liebe/r Leser/in, Ihre Meinung ist uns wichtig! Deshalb bitten wir Sie, diesen Titel auf dem Portal zu bewerten, auf dem Sie ihn erworben haben. Vielen Dank! Wenn Sie uns den Link Ihrer Bewertung an [email protected] senden, dann bedanken wir uns für Ihre Mühe mit einem kostenloses E-Book Ihrer Wahl aus unserem Verlagsprogramm.(Bitte gewünschten Titel und Format angeben)

Für weitere spannende Bücher besuchen Sie bitte unsere Verlagsseite unter

http://www.luzifer-verlag.de

Impressum

Deutsche Erstausgabe

Originaltitel: LEVIATHAN

Copyright Gesamtausgabe

© 2014LUZIFER-Verlag

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Cover: Michael Schubert

Übersetzung: Nicole Lischewski

ISBN EPUB: 978-3-95835-013-7

Sie lesen gern spannende Bücher? Dann folgen Sie dem LUZIFER Verlag auf

Facebook

Twitter

Google+

Pinterest

Sollte es trotz sorgfältiger Erstellung bei diesem E-Book ein technisches Problem auf Ihrem Lesegerät geben, so freuen wir uns, wenn Sie uns dies per Mail an [email protected] melden und das Problem kurz schildern. Wir kümmern uns selbstverständlich umgehend um Ihr Anliegen und senden Ihnen kostenlos einen korrigierten Titel.

Der LUZIFER Verlag verzichtet auf hartes DRM. Wir arbeiten mit einer modernen Wasserzeichen-Markierung in unseren digitalen Produkten, welche Ihnen keine technischen Hürden aufbürdet und ein bestmögliches Leseerlebnis erlaubt. Das illegale Kopieren dieses E-Books ist nicht erlaubt. Zuwiderhandlungen werden mithilfe der digitalen Signatur strafrechtlich verfolgt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1

Johnny Horowitz wusste, dass er auf etwas Besonderes gestoßen war, als er den Strand sah.

Im Gegensatz zu allen anderen Stränden von Seagull Island war dieser hier leer. Keine sonnenbadenden Touristen, keine am Rand der Brandung umhertollenden Kinder, keine in der Strömung schwimmenden Teenager. Tatsächlich war überhaupt nichts da. Und das war das Befremdliche daran. Das war es, was ihn faszinierte und dort festhielt, ihn nicht wieder gehen lassen wollte.

Es stimmte zwar, dass Hurrikan Amelia auf die Insel zusteuerte, aber es würde noch eine Woche dauern, bis der Sturm überhaupt in die Nähe von Seagull kam. Also … was dann? Woran konnte es liegen?

Es war seltsam.

In der Tat war die Einsamkeit fast unheimlich.

Er saß auf seinem gemieteten Fahrrad, während die heiße Sonne Carolinas seine beginnende Glatze schmorte, das haarlose Fleisch rotbrannte. Trotzdem wartete er, überlegte und wunderte sich. Er war sich nicht sicher warum, aber dieser Ort sagte ihm etwas, sprach zu ihm in einer Sprache, die er nicht verstehen konnte, dennoch war die Bedeutung nur zu klar.

Komm hier runter, Johnny. Komm und schau mich an.

Wäre er eine Gitarre gewesen, dann wäre eine seiner Saiten gezupft worden. Es hallte in seinem Kopf wider.

Mit dem Hacken seiner abgenutzten Nike trat er den Kickständer herunter, verließ die gewundene Schotterstraße und bewegte sich durch einen Wald aus hohem Gras den Hügel hinunter. Der Strand war mit einem verblichenen roten Zaun abgesperrt. BETRETEN VERBOTEN – SEAGULL ISLAND POLICE, sagte ein verwittertes Schild. Der Sturm einer vorhergegangenen Nacht hatte einen Teil davon umgelegt, sodass nun kein Grund mehr bestand, sich daran zu halten.

Scheiße auch, dachte er,wo zum Teufel wäre ich, wenn ich mich an die Regeln halten würde?

Es ging doch nichts über Amtsgewalt, die einem sagte, was man bleiben lassen sollte. Gerade das animierte einen dazu, etwas zu tun. Aber so war es schon sein ganzes Leben lang gewesen. Rauch nicht und trink keinen Alkohol, sagten sie, als er ein Teenager war. Also rauchte er und ließ sich jedes Wochenende volllaufen. Nimm keine Drogen, sagten sie, und vermeide Sex vor der Ehe. Also kiffte er sich durch die High School und sprang auf alles, das unten ein Loch hatte. Und jetzt war er hier, ein Mann in den Vierzigern mit einem stetig abnehmenden Bankkonto, auf der Abstiegsspur einer einstmals lukrativen Fotografenkarriere, und wieder streckte er den Autoritäten die Zunge raus – und das bloß aus Neugierde.

Das ist mehr als Neugier und du weißt es, dachte er.Das hier ist größer. Das ist ein Bauchgefühl. Herrgott nochmal, es ist schon fast eine Vorahnung.

Er trat über den umgefallenen Teil des Zauns auf den Strand hinaus. Es war wirklich unglaublich. Die Strände von Seagull waren um diese Jahreszeit übervölkert, drei Tage nach dem vierten Juli, und hier war diese riesige, leere Weite von weißem Sand, an dem der Atlantik leckte.

Warum zum Teufel öffneten sie das hier nicht?

Warum gab es hier keine Hotels?

Er kaute an seiner Unterlippe und starrte auf die Landschaft vor sich. Der Strand erstreckte sich fast eine halbe Meile in beide Richtungen, vielleicht mehr. Er wurde an beiden Seiten von hochaufragenden schwarzen Klippen flankiert, eingegrenzt vom Meer und diesem hässlichen Zaun mit den drangeschlagenen Schildern. Er war nur zugänglich, wenn man über den Zaun sprang (oder einen kaputten Teil davon fand). Die Klippen konnte man nicht umgehen. Sie waren senkrecht und tödlich, das Meer schlug mit wütender Gewalt dagegen. Und es würde nicht leicht sein, ein Boot anzulanden: Die Wellenbrecher waren riesig und donnerten, als sie sich an den herausragenden Fingern von muschelbesetzten Felsriffen brachen und in die Strudel von Gezeitenbecken zurückfielen. Hundert Meter vom Ufer entfernt verwandelten die gegeneinander ankämpfenden Strömungen der Brandung das Meer in einen Mahlstrom aufgewühlter Wasserfluten. Nein, es würde Selbstmord sein zu versuchen, darin ein Boot ans Ufer zu bringen.

Alle hundert Meter waren noch mehr Schilder im Sand aufgestellt.

ABSOLUTES SCHWIMMVERBOT

STARKE UNTERSTRÖMUNG

SEAGULL ISLAND POLICE

Nein, keine Verschwörung. Dieser Ort war einfach zu gefährlich.

Johnny konnte sich gut vorstellen, wie viele Badende hier verloren gegangen waren. Irgendwann einmal hatten sie das Sonnenbaden vermutlich sogar erlaubt, aber die Leute wollten in ihrer unendlichen Blödheit einfach nicht vom Wasser fernbleiben.

Ja, das war schon ein Grund … aber was war das für ein Gefühl, das ihm dieser Ort gab? Es war stark und klar, wenn auch nicht gerade deutlich. Dieser verdammte Ort sprach zu ihm. Er hatte eine Geschichte zu erzählen und er musste einfach wissen, was für eine.

Er trat auf den Sand hinaus. Der war wie ein wellen- und windloses Meer aus Weiß, das nur von Inseln aus Gras und Seetang, den die Flut angeschwemmt hatte, unterbrochen wurde. Außer dem stürmischen, hämmernden Ozean war es ruhig und still und abwartend. Der Strand hielt den Atem an. Und das wirklich Verrückte war, dass nicht eine einzige Möwe oder Seeschwalbe zu sehen war. Auf einer Insel, auf der es von Seevögeln nur so wimmelte, war das mehr als nur ein wenig seltsam.

Johnny ging weiter, seine Füße versanken im Sand. Die Gischt des Atlantiks war kühl, die Sonne heiß. Er setzte sich auf einen Felsvorsprung und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Er wollte gerade gehen, als er es sah.

Ungefähr fünfzig Meter vom Wasser entfernt lagen Knochen im Sand, halb vergraben. Menschliche Knochen.

Die gelblichen Sprossen von Rippen. Der hervorstechende Besenstiel eines Oberschenkelknochens. Das kieferlose Grinsen eines Schädels. Eine schwarze Sandspinne verließ gerade die linke Augenhöhle und ging ihres Weges.

Johnny ging auch seines Weges.

Er ging und holte seine Kamera.

2

Johnny vertraute seinem Bauchgefühl.

In seinem Job war es nach einer Weile so, dass man auf seinen Instinkt vertraute und manchmal auf nichts als seinen Instinkt. Er arbeitete als freier Mitarbeiter für drei der größten Boulevardzeitungen des Landes – derGlobewar eine davon –, schoss Fotos von Stars, wenn sie es am wenigsten erwarteten, und schrieb noch ein paar Beiträge dazu. Obwohl andere ihn für ein Mitglied der verrufenen Paparazzi hielten – oder, laut Alec Baldwin, einen ›durch Scheiße kriechenden Wurm, der wie ein Reptil auf seinem Bauch umherrutschte‹ –, sah er sich selbst als Fotojournalist. Es war sein Job, den Leuten das zu geben, was sie haben wollten, und wenn das bedeutete, im Dreck zu graben und durch Scheiße zu kriechen, dann war das eben so. Die Schecks ließen sich trotzdem einlösen.

Er war nun seit fünfzehn Jahren dabei, seitdem er von derChicago Tribwegen Trunkenheit gefeuert worden war. Aber das war das Tolle an dieser Freier-Mitarbeiter-Geschichte: Niemand scherte sich darum, wie betrunken man war, solange man gute Arbeit ablieferte. Und Johnny lieferte ab. Wie eine Henne, die Eier legt, fütterte er Amerikas unersättlichen Hunger auf peinliche Starfotos. Ob es nun eine zerzauste Lindsay Lohan war, die ein Suchtbehandlungszentrum verließ und ihm den Mittelfinger zeigte, oder Charlie Sheen, der in wilder Kokainwut aus einem teuren Bordell stürmte, Paris Hilton, die nach einer langen Nacht in den Clubs betrunken und verschlampt aus einer Limousine stolperte, oder Princess Kate, die sich oben ohne sonnte und der Welt die Kronjuwelen offenbarte – Johnny lieferte seine Arbeit ab.

Er war bedroht, verklagt, verprügelt worden (Jean Claude Van Damme hatte ihn einmal in die Eier getreten), aber wie die Periode einer Frau kam er mit beunruhigender Regelmäßigkeit immer wieder. »Ein Parasit? Sie haben absolut recht, dass ich ein Parasit bin«, ist er zitiert worden. »Ich bin ein Parasit, der sich von den Kadavern der Stars ernährt, die mit ihrem fragwürdigen, hochgeputschten Talent der Öffentlichkeit das Blut aussaugen.«

Er sah seinen Sinn für moralische Doppeldeutigkeit als eine seiner vorteilhaftesten Eigenschaften an. Es war nicht sein Job, zu urteilen, sondern nur zu berichten. Er machte seine Fotos und schrieb ein paar entflammende Absätze, fachte die Dinge etwas an, wie es nun mal seine Art war, führte den Betrachter und Leser in eine bestimmte Richtung und ließ seine Fantasie damit durchbrennen. Er hatte keine Schuldgefühle deswegen, hatte sie nie gehabt. Er lieferte einen verkäuflichen Service. Die Leute wollten Scheiße. Er verkaufte Scheiße. Ihnen gefiel der Geruch und Geschmack, und er schaufelte noch mehr davon heran. In seinem eigenen engen Weltbild sah er sich nicht anders als McDonalds. Die Leute wollten Hamburger, also verkauften sie ihnen Hamburger, und hatten nie moralische Zweifel wegen der mit Konservierungsstoffen überladenen Affenscheiße, die sie zwischen zwei künstliche Brötchenhälften klatschten. Sie zählten nur das Geld und lächelten strahlend. Er machte das Gleiche.

Er wurde von seinen Redakteuren geliebt und ansonsten von nahezu jedermann verabscheut. Aber das störte ihn nicht. Er lachte auf dem ganzen Weg zur Bank. Oder hatte gelacht – bis vor Kurzem. Gewisse Dinge hatten sich zusammenaddiert und seine Feinde waren mächtiger geworden. Die Klagen waren so dicht nacheinander wie Schmeißfliegen auf saftiger Scheiße gekommen, bis nicht nur er verklagt wurde, sondern auch die Schmierblätter, für die er arbeitete. Momentan zählte er sechs Unterlassungsurteile gegen sich (zum Beispiel war ihm nicht erlaubt, sich Beyoncé auf mehr als 50 Meter zu nähern) und ein Dutzend andere, die noch zu verhandeln waren. Die Stars lieferten ihm keine Scheiße mehr.

Janet Baum vomStarhatte ihm geraten: »Geh einfach für eine Weile auf Abstand, Johnny. Lass es gut sein, nimm Urlaub. Stars vergessen schnell. In ein paar Monaten kommst du zurück, so stark wie vorher. Glaub mir, diese überfütterten, narzisstischen Kotzbrocken werden immer noch betrunken Auto fahren, weiterhin die Au Pairs ihrer Kinder ficken und auch Kokain vom Schreibtisch ihrer Agenten schnupfen. Außer vor Spiegeln zu posieren und ihre letzte lauwarme Neuaufnahme zu verhökern tun sie ja nichts anderes.«

Ein guter Rat. Das Problem war nur, dass Johnny nicht wusste, ob er zwei Monate lang ohne einen Scheck aushalten konnte. Er hatte die sehr, sehr schlechte Angewohnheit, guten Alkohol, Gourmetessen und schnelle Autos zu mögen. Die Zahlungen für den Jaguar waren weiter fällig und er musste für das Time-Share in Key West bezahlen. Und aufgrund des Zustands seiner Finanzen wusste er nur zu gut, dass Ärger auf ihn zukam. Viel Ärger. Da es inzwischen kaum infrage kam, Justin Bieber mit der Kamera zu verfolgen und sich in Matt Damons Büschen zu verstecken, musste er sich etwas anderes einfallen lassen.

Janet schien überzeugt zu sein, dass dies eine hervorragende Gelegenheit für ihn war, sich selbst zu finden.

Johnny hatte darüber gelacht. Er wollte sich ungefähr genauso viel selbstfinden, wie Cameron Diaz zu der Zeit Bilder ihres Schlafzimmers imGlobefinden wollte.

Nein, Janet meinte es vermutlich gut – darüber konnte man streiten –, aber es bewies nur, dass sie ihn nicht kannte. Er stand nicht kurz davor, sich zur Ruhe zu setzen oder sich selbstständig zu machen und Schnappschüsse von Welpen und Babys zu verhökern, oder eine verdammte Muschelbude in Cocoa Beach aufzumachen. Wenn es um Dreck ging, war Johnny Horowitz in seinem Element. Seit Jahren kroch er hindurch und kannte ihn so gut wie jeder Wurm.

Darum sprach der Strand zu ihm. Er hatte eine Geschichte zu erzählen und angesichts dieser saubergepickten Knochen war es eine, die vermutlich grausig und blutig war, und das jagte seinen Puls in die Höhe.

Hier gab es etwas. Etwas Gutes. EtwasDreckiges.

Und keiner kannte Dreck besser als er.

3

»Sie wollen mir also sagen, Sergeant, dass Ihnen das scheißegal ist?«

»Habe ich das gesagt?«

»Nein, aber das ist, was Sie andeuten.«

Costello grinste einfältig. »Ich deute überhaupt nichts an.«

Johnny lächelte und schüttelte den Kopf. Manchmal fragte er sich, ob alle Polizisten dumm waren. Oh, er hatte zu seiner Zeit schon ein paar gute gekannt, aber es schien, als ob es für jeden intelligenten, sensiblen, sich sorgenden Bullen ein Dutzend Costellos gab: inzüchtig, einfältig, desinteressiert. Er wusste, dass Costello hier auf Seagull Island nicht der Boss war. Er war nur ein Untertan mit einem Vorgesetzten namens Riggs. Aber Riggs war für eine Woche auf dem Festland, und so war Costello der einzig Zuständige vor Ort, ob es ihm nun gefiel oder nicht.

»Ich habe Knochen zu melden, Sergeant. Fuck,menschlicheKnochen. Keine Fischgräten oder die Überreste eines Fressgelages von Long John Silver. Ich spreche von echten Knochen. Die liegen am Strand und ich habe das komische Gefühl, dass sie da nicht von selbst hingegangen sind.«

Eine Vene pulsierte an Costellos Schläfe, groß und lila. Es sah aus, als versuchte eine Nacktschnecke sich mit seinem Kopf zu paaren. Er entspannte seine Hände, die vorher zu Fäusten geballt waren. »Vielleicht läuft das alles schief hier, Mister … äh … was sagten Sie ist Ihr Name?«

»Horowitz, John Horowitz.«

»Tatsache?«

Johnny unterdrückte ein Lächeln. Er schätzte guten Sarkasmus. Es war eine Art Kunst, fand er, und er hatte sie praktiziert, seit er ein rotznasiges, vorlautes kleines Kind in St. Mathias in Baltimore gewesen war. Costellos Version von Sarkasmus war nicht ganz die seine und reichte auch nicht an seinen Standard heran … dennoch, mit diesem schleppenden Südstaaten Johnny-Cake-Dialekt, so zähflüssig wie Zuckerrübensirup, bestand durchaus Potential.

»Also. Sie sagen, dass Sie Knochen am Strand gefunden haben?«

Johnny grinste selbst einfältig. »Ich habe gerade ein ganz starkes Déjà Vu.«

»Ich wette, dass Sie das haben, Mr. Horowitz. Das wette ich.«

»Also ja, zumfünftenund letzten Mal: Ich habe Knochen gefunden. Menschliche Knochen. Sie wissen schon, die Art, die sich in einem menschlichen Körper befindet.«

»Die kenne ich.« Einen Moment lang sah Costello ihn nur an. »Und wo haben Sie die gefunden?«

»Draußen am Strand. An dem mit dem Zaun drum herum.«

»North Beach?«

Johnny zuckte die Schultern. »Wenn Sie den so nennen.«

»Und was in Gottes Namen haben Sie da draußen gemacht?«, wollte Costello wissen. »Haben Sie nicht die Schilder gesehen? Es ist gefährlich. Der Strand darf nicht betreten werden.«

»Der Zaun war umgefallen. Ich wollte nur mal gucken.«

Costello war aufgeregt. Sein Gesicht hatte die Farbe von gegrilltem Hummer, seine Augen quollen aus ihren schweißgeschmierten Höhlen hervor. Einen Moment lang dachte Johnny, dass eins herausspringen und ihn mitten im Gesicht treffen könnte.

»Ich weiß nicht, von wo Sie sind, Mr. Horowitz«, sagte er mit einer Miene der Empörung, »aber hier in der Gegend bedeutet Betreten verbotenBetreten verboten.«

»Okay, Sergeant, regen Sie sich ab. Ich bin nicht wegen einer Vorlesung über das Zivilrecht hergekommen, ich bin gekommen, um Knochen zu melden. Menschliche Knochen, Herrgott im Himmel noch mal.«

Costello seufzte und schüttelte seinen großen Kopf. »Na gut. Na gut. Jim?« rief er.

Ein dünnes, zerfurchtes Gesicht spähte ins Büro. »Ja?«

»Halte die Stellung. Ich undMisterHorowitz hier«, sagte er, als hätte er etwas besonders Widerliches geschmeckt, »werden eine Spazierfahrt unternehmen.«

Johnny folgte seinem breiten Arsch zu einem Polizeiauto, das am Bordstein geparkt war.

»Okay, Mister Horowitz. Dann wollen wir uns Ihre Knochen mal angucken.«

4

Costello fuhr auch wie ein Bulle: langsam und in der Spur hin und her eiernd.

»Sieht aus, als ob jeden Sommer mehr Leute herkommen«, erzählte er Johnny. »Mehr Leute, und trotzdem will der Stadtrat nicht das Geld locker machen, um weitere Polizisten einzustellen. Ist das nicht typisch? Mehr Leute. Mehr Ärger. Mehr Schwachsinn. Aber wir müssen mit demselben Budget oder weniger zurechtkommen.«

Johnny zog eine Zigarette aus seiner Packung und steckte sie sich zwischen die Lippen. »Stört es Sie, wenn …«

»Ja, es stört mich. In Autos, die der Stadt gehören, wird nicht geraucht.«