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Die achtzehnjährige Kate Talley hat sich mit Solv Tech International angelegt, dem mächtigsten und mörderischsten Konzern der Welt. Nicht absichtlich: Sie hat nur aus Versehen das wichtigste Experiment des Unternehmens gestohlen. Liam, so dessen Name, kann sich zwar leider nicht mehr an sein Leben vor seiner Befreiung erinnern, hat aber durch die ihm implantierte Nanotechnologie übermenschliche Fähigkeiten erlangt. Die Firma beginnt eine skrupellose Hetzjagd auf die beiden und ruft schon bald den mysteriösen "Engel Nr. 3" auf den Plan. Ein unheimlicher Killer, der Liam mehr als ebenbürtig zu sein scheint. Ein brutaler Kampf beginnt ...
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Liam
Erster Teil
Zweiter Teil
Impressum
Liam
A Tale Of A Legacy
Buch 1
von
Torsten Clauß
Text und Cover Copyright © Torsten Clauß 2016 Alle Rechte vorbehalten.
Herausgeber: Torsten Schädel
Adolf-Amberg-Str. 16
63579 Freigericht
Mail: [email protected]
Coverdesign: Shewan Karim
A Tale Of A Legacy
Buch 1
von
Torsten Clauß
Aaron Damenz – Oberhaupt der Sekte Kýrie eléison
Alexander J. Solva – Eigentümer und CEO von STI
Azrael – Söldner im Dienst von Damien
Bionix – Informant des Widerstands innerhalb von STI
Christian Delaney – Stellvertreter von Raymond Beauford
Damien Koke / Starret – Millionär und Widerstandskämpfer
Daniel Kleis / Arion– Deutscher Hacker und Widerstandskämpfer
Danford Talley – Hafenarbeiter, Vater von Kate Talley
Dirk Weilberger /Dante – Deutscher Hacker
Engel Nr. 3 – Auftragskiller im Dienst von STI
Kate Talley – Schülerin, gerät ins Visier von STI
Kevin Endres / Weesore – NYPD Detective und Widerstandskämpfer
Kýrie eléison – Christlich-extremistische Sekte
Liam – Mann ohne Gedächtnis, Gefangener von STI
Nadja – Leibwächterin von Aaron Damenz
Niki – Stimme im Kopf von Nr. 3
Raymond Beauford – Sicherheitschef von STI
Ryan Hudson – Wissenschaftler bei STI
Solv Tech International (STI) – Mächtiger Nanotechkonzern
Stanley Parker – Hafenmeister, Vorgesetzter von Dan Talley
Terry Smagdabrown – Sicherheitsmann bei STI
Thomas Briggs – NYPD-Detective, Partner von Kevin Endres
Tracy Rush – Wissenschaftlerin bei STI
Quentin Rush – Wissenschaftler bei STI
Der Regen war so dicht, dass er eine nahezu undurchdringliche Wand bildete. Hier und da wurden die Lichtreflexe der Straßenbeleuchtungen und Werbetafeln von den Wassermassen mitgetragen, so dass die Straßen Manhattans in eine flimmernde Farbenpracht getaucht wurden. Detective Kevin Endres stieg aus seinem Wagen, den er am Straßenrand geparkt hatte, und wurde dabei sofort von dem nassen Schauer begrüßt. Murrend schwang er sich auf den Bürgersteig und schloss sein Auto ab. Anschließend hielt er einen Augenblick inne, um seine Jacke zu schließen und sich umzuschauen. Die Adresse, nach der er gesucht hatte, lag auf der gegenüberliegenden Straßenseite: Eine medizinische Forschungseinrichtung zu der ihn seine Ermittlungen auf eigene Faust geführt hatten.
Die Einrichtung war über mehrere Ecken hinweg Teil eines gewaltigen Konzerns, der seine Aufmerksamkeit schon vor Jahren auf sich gezogen hatte. Kevin Endres näherte sich dem Forschungsgebäude über die leere Straße, weil er sich hier nun Antworten erhoffte – auch wenn er wahrscheinlich nur weitere Hinweise und neue Fragen finden würde. Mit einem Seufzer über seine eigene Sturheit ging er zum Haupteingang. Das Gebäude war gut und gerne dreißig oder vierzig Stockwerke hoch und über die Fassade spannten sich, vor allem in den oberen Stockwerken, große Panoramafenster. Der Haupteingang des Gebäudes war eine gläserne Schiebetür, die zu dieser späten Stunde natürlich verschlossen war. Dennoch konnte Kevin die schwach beleuchtete Lobby durch das Glas erkennen. Dabei war es ihm allerdings nicht möglich, einen Sicherheitsmann oder vielleicht einen Arzt oder Wissenschaftler aus der Nachtschicht in dem Zwielicht auszumachen. Angestrengt starrte er durch die Fenstertür in den dahinter liegenden Raum und versuchte, Einzelheiten zu erkennen. Der vordere Teil der Lobby war von Betonsäulen gesäumt, um die herum mehrere Sitzbänke einen Aufenthaltsbereich bildeten. An der Rückwand konnte Kevin gerade noch zwei Aufzüge und den Eingang zum Treppenhaus erkennen. In der rechten, hinteren Ecke erstreckte sich ein in schwaches Licht getauchter Informationsschalter.
Hinter dem Tresen huschte etwas mit einer schnellen Bewegung hervor; heraus aus dem Lichtkreis, hinein in die Dunkelheit. Blinzelnd bewegte der Polizist sein Gesicht ein Stück von der Scheibe weg. Hatte er da gerade doch eine Bewegung gesehen, oder war das nur eine optische Täuschung gewesen?
Behutsam beugte er sich wieder zu der Scheibe hin. Für einen Augenblick sah er nur sein eigenes Spiegelbild in dem reflektierenden Glas, bis er endlich den Raum dahinter wieder erkennen konnte. Irgendwo in der Dunkelheit, diesmal inmitten des Aufenthaltsbereiches, konnte er abermals eine schemenhafte Bewegung erkennen. Jetzt war er sich absolut sicher: Da drinnen war jemand. Doch wozu dieses Versteckspiel?
Kevin fand keine Gelegenheit mehr darüber nachzudenken, denn das Nächste, was er in der Lobby sah, war eine der schweren Sitzbänke, die auf ihn zugeflogen kam. Er schaffte es, sich mit einer schnellen Rolle zur Seite aus ihrer Flugbahn zu retten, dann durchschlug sie mühelos das Sicherheitsglas, flog über den Bürgersteig hinweg auf die Straße, polterte über den Asphalt und kam wenige Meter vor seinem Auto zum Stillstand. Die Alarmanlage des Wagens sprang an. Von der Erschütterung und den umherfliegenden Glas- und Asphaltsplittern geweckt, heulte sie in die Nacht hinein.
Schmerzwindend rollte der Polizist sich über den Bürgersteig und schaffte es nach einem gescheiterten Versuch, sich zumindest bis in die Hocke aufzurichten. Er hatte sich bei seiner Akrobatikeinlage mehrere Schürfwunden zugezogen, dennoch bevorzugte er die Bekanntschaft mit dem Boden jener mit der fliegenden Sitzbank, die sogar die Fenstertür aus Sicherheitsglas zerschmettert hatte. Bei seinem ersten Aufstehversuch musste er feststellen, dass sein linkes Handgelenk geprellt oder verstaucht war.
Während Kevin sich vollends erhob, bekam er einen Einblick auf die Person, die in der Lobby herumgegeistert war – auch wenn es von seiner Perspektive aus nur ein Seitenprofil war. Bei der Gestalt, die gerade barfuß durch die Überreste der Eingangstür schritt, handelte es sich um einen sehr großen, halbnackten Mann. Er war ausgesprochen dünn, seine Haut ungewöhnlich blass und sein Haar tiefschwarz. Seine einzige Bekleidung war eine weiße, kurze Hose. Kevin schaltete sofort, indem er mit der unverletzten, rechten Hand blitzschnell seine Dienstwaffe hervorzog. Er ging nie ohne sie aus dem Haus, zumindest nicht in dieser Stadt.
»NYPD! Keine Bewegung!«, schrie er, wobei er auf den Fremden anlegte. »Hände hinter den Kopf!«
Der blasse Mann zögerte nicht, seinem Befehl Folge zu leisten und drehte sich mit erhobenen Händen zu dem Polizisten um. Zum ersten Mal sah Kevin nun das Gesicht des Fremden. Er hatte kantige, sehr harte Gesichtszüge und kalte, blaue Augen. Trotz der Verwirrung und der Verzweiflung, die in den Zügen des Mannes lagen und ihn wehleidig erscheinen ließen, fehlte ihm etwas. Etwas Menschliches.
»Okay, wer sind Sie?«, fragte der Ermittler, der sich wieder gefasst hatte. »Und was tun Sie hier?«
Der andere antwortete nicht, sondern sah ihn weiterhin nur geistesabwesend an. Erst jetzt bemerkte Kevin, dass der Mann am ganzen Körper zitterte. Zuerst dachte er, es läge daran, dass der Fremde fast keine Kleidung trug. Dann wurde ihm allerdings schnell klar, dass der Mann nicht vor Kälte bebte, sondern vor Aufregung. Er schien vollkommen verwirrt und eher ängstlich als bedrohlich. Dann fiel Kevin ein weiteres Detail ins Auge: Blut!
Die blasse Haut des Fremden und auch die Hose waren über und über mit Blut besprenkelt. Hier und da hatten sich auch größere Flecken gesammelt; sein rechter Arm war vollkommen in das Dunkelrot getaucht, das der Regen langsam auf den Bordstein spülte.
Kevin fluchte leise bei diesem Anblick. »Was wird hier gespielt?«
Die Unterlippe des Fremden bebte leicht und er gab ein leises Krächzen von sich. Er brauchte einen zweiten Anlauf, in dem er sich zusammenreißen musste, bevor er endlich mit zitternder Stimme anfing zu sprechen. Es war mehr ein gedankenverlorenes Murmeln als richtige Worte und Kevin war sich unsicher, ob der Mann die Worte an ihn oder an sich selbst gerichtet hatte.
»Was machen Sie hier?«, flüsterte der Polizist erneut.
»Ich ...« Offenbar geistig verwirrt suchte der Mann nach Worten und kämpfte darum, seine Zunge bei diesem Unterfangen nicht zu verschlucken. »Ich muss hier weg!«
»Nein, Freundchen«, erwiderte Kevin kopfschüttelnd. »Du bleibst schön hier!«
Missmutig blickte er zu der Scheibe. Sie war sicher mit einem Alarmsystem verbunden, also musste zumindest ein stiller Alarm ausgelöst worden sein. Die Frage war nur, ob dieser Alarm an die Polizei gerichtet war oder an die privaten Sicherheitskräfte der Firma, in deren Besitz sich die Forschungseinrichtung befand.
Kevin befürchtete Letzteres.
»Sie sind tot ...«, wisperte der halbnackte Mann ehrfürchtig.
Wieder konnte Kevin nicht klar sagen, zu wem der Fremde eigentlich sprach. Dennoch war er sich der Bedeutung dieser Worte bewusst.
»Wer ist tot?«, fragte er grimmig.
»Sie sind alle tot!«, wiederholte der Mann die Worte wie in Trance. »Ich muss hier weg!«
Ohne Vorwarnung rannte er los. Er rannte über die Straße auf den gegenüberliegenden Bürgersteig und bog dort in eine Seitengasse ein. Mit einem weiteren Fluch auf den Lippen nahm Kevin die Verfolgung auf.
Die Gasse, in die der blasse Mann seinen Verfolger führte, war eng und von Müllcontainern, Gerümpel und Unrat gesäumt. Über die Hindernisse hinweg setzend, flüchtete er durch die Nässe der Nacht und bog um eine weitere Ecke im Straßenlabyrinth. Der Fremde schaffte es immer wieder, sich mit erstaunlich schnellen Bewegungen an Hindernissen vorbei zu schlängeln oder schlug sie mit nahezu unmenschlicher Kraft einfach aus dem Weg, während der Polizist selbst weitaus mehr Mühe hatte, seinem Beispiel zu folgen.
Schließlich schaffte der Flüchtige es, mit einem gewaltigen Satz an eine Feuerleiter zu springen und diese im Eiltempo zu erklimmen. Kevin folgte der Akrobatik mit düsterer Miene, bevor er seine Pistole wegsteckte und über einen Müllcontainer hinweg ebenfalls auf die Feuerleiter kletterte. Seine verletzte Hand erinnerte ihn bereits bei der ersten Sprosse, dass er seinem Gegner absolut nichts entgegen zu setzten hatte, sollte er bei dieser Kletterpartie seine Waffe verlieren. Der Fremde hatte schnell das Dach des Gebäudes erreicht und machte sich bereits auf die Suche nach einem weiteren Fluchtweg, während der Polizist noch fluchend das letzte Drittel der Leiter hinter sich brachte und sich ebenfalls auf das Dach zog. Doch Kevin hatte Glück: Das Hausdach erwies sich als Sackgasse. Während er selbst schon mit einer zweiten Feuerleiter gerechnet hatte, die auf der anderen Seite des Gebäudes herunter führte, hatte der Flüchtige auf eine Möglichkeit gehofft, auf ein anderes Hausdach zu springen, doch dem war nicht so. An der gegenüberliegenden und auch an der rechten Seite grenzten die unüberwindlichen Fassaden weitaus höherer Gebäude an das Hausdach und auf der linken Seite lag eine Straße, so dass auf dieser Seite das nächste Hausdach bestimmt zehn Meter entfernt war.
Keuchend zog Kevin seine Dienstwaffe wieder hervor. »Okay. Endstation.«
Der Fremde schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kann nicht ...« Für einen Augenblick hielt er inne und lauschte in die Nacht hinein. »Nein«, wiederholte er dann noch einmal leise.
»Doch!«, erwiderte Kevin kühl. »Du hattest deinen Spaß, ich hab dich gefangen und damit gewonnen. Und jetzt beantworte mir endlich meine Frage!«
»Ich glaube nicht, dass ich das kann«, flüsterte der andere. »Es ist zu weit.«
»Was redest du da?«
»Ich kann so nicht klar denken!«, brüllte der Fremde in verzweifelter Wut. »Hört auf! Alle beide!«
Schweigend betrachtete Kevin den blassen Mann, der sich da inmitten des Daches zusammen gekauert hatte. Alle beide? Mit wem redete dieser Wahnsinnige überhaupt? Er festigte seinen Griff und zielte eine Spur entschlossener auf den Verrückten. Der kauerte weiterhin nur wenige Meter entfernt und lauschte angestrengt.
»Nein. Ich werde ihn nicht töten«, sagte er schließlich leise. »Bitte zwing mich nicht, wieder zu töten.«
»Mit wem sprichst du?«
»Und du glaubst, ich schaffe es?«
»Mit wem sprichst du? Es ist niemand hier!«
Sein Gegenüber warf einen Blick zu der Straße, die sich vor der Gebäudefront erstreckte und zu dem Haus auf der anderen Seite.
»Hör zu«, sagte Kevin sanft und kniete sich ein paar Meter vor dem anderen hin. »Ich will dir nichts tun, verstehst du?«
Der Fremde schaute auf und schenkte ihm einen durchdringenden Blick direkt in die Augen. Zum ersten Mal seit ihrer Begegnung hatte Kevin das Gefühl, dass der Mann ihm zuhörte.
»Ich will dir nichts tun«, wiederholte er. »Ich habe nur ein paar Fragen, okay?«
Sein Gegenüber nickte vorsichtig.
»Sag mir ...« Der Ermittler hielt einen Augenblick inne, während er überlegte, welche Frage er zuerst stellen sollte. Dann entschied er sich für das Naheliegende: »Wer bist du?«
Der Fremde blinzelte und schaute ihn an, als wüsste er die Antwort auf diese Frage nicht.
»Ich bin ...«, er unterbrach sich, um jemandem zu lauschen der gar nicht da war. Nach kurzer Zeit nickte er verstehend und sah den Polizisten für einen Augenblick aus seinen kaltblauen Augen an. »Ich bin ein Engel.«
Er schoss hervor und entwaffnete den Ermittler mit einem gezielten Tritt. Die Pistole schlitterte über das regennasse Hausdach; doch im Gegensatz zu Kevin machte sich der blasse Mann nicht die Mühe, ihr zu folgen. Er rannte stattdessen auf die Seite des Daches zu, die der Straße zugewandt war. Als Kevin die Pistole erreichte und mit ihr in der Hand herumwirbelte, um sich zu verteidigen, bekam er nur noch mit, wie sein Angreifer vom Dach abhob.
Der Sprung war gewaltig und dennoch reichte er gerade so aus, um die Lücke zwischen den Häusern zu überqueren. Zum Glück für den Flüchtigen lag das zweite Hausdach etwas tiefer, da er andernfalls Bekanntschaft mit der Fassade des Gebäudes gemacht hätte. Stattdessen landete er unsanft abgerollt auf dem anderen Dach. Seine Hand über eine Schürfwunde am Arm legend, rappelt der Mann sich auf und warf einen Blick zurück. Ungläubig über die Leistung, die er vollbracht hatte, verharrte er einen Augenblick, bevor er sich umdrehte und endgültig davon rannte.
Detective Kevin Endres blieb allein auf dem leeren Hausdach zurück und ließ sich erschöpft zu Boden gleiten. Er blickte noch eine ganze Weile enttäuscht zu der Stelle, an welcher der Verrückte verschwunden war.
»Ein Engel«, murmelte er düster und fügte mit missbilligendem Zynismus hinzu: »Natürlich … Engel können fliegen.«
Es war eine eiskalte Oktobernacht und ein dichter Nebel hing wie ein gefräßiges, großes Tier in der Luft. Faul, dick und obendrein nicht fähig, sich zu bewegen. Und genauso roch er auch: Der typische Hafengeruch. Der muffige Nebel ließ die gesamte Umgebung mysteriöser und unheimlicher erscheinen. Die Umrisse der Frachtkräne erinnerten an furchterregende Drachen, die auf die See hinaus schauten. Die rostigen, alten Container zu ihren Füßen waren ihr Nest. Ein paar Katzen streiften, von dem Geruch der Fischkutter angelockt, umher und die Kater unter ihnen lieferten sich ab und zu fauchend Revierkämpfe.
Ein eventueller Beobachter hätte vielleicht auch die Gestalt erkennen können, die zielstrebig am Wasser entlang wanderte. Ein aufmerksamer Beobachter hätte obendrein erkennen können, dass es sich bei der Gestalt um ein etwa achtzehn Jahre altes Mädchen handelte. Sie hatte lange, schwarze Haare und eine ansehnliche Figur. Mit einer Geschmeidigkeit, die jener der umher streunenden Katzen glich, schlich sie gefährlich nahe am Hafenbecken durch den Nebel. Mit einer Hand hielt sie ihren Kragen zu, um ihren Mund vor der Kälte zu schützen. Die andere Hand hatte sie in der Tasche ihrer dunklen Jacke vergraben.
Kate Talley war fast die ganze Nacht mit ihrer Freundin Stefanie unterwegs gewesen und hatte dabei wie immer die Zeit vergessen. Nun musste sie versuchen angetrunken, halb erfroren und hundemüde wie sie war nach Hause zu schleichen und vielleicht noch genügend Schlaf zu bekommen, um am nächsten Morgen fit für die Schule zu sein. Als ob dieses Unterfangen nicht schon schwierig genug wäre, musste sie dabei auch noch ihren Vater umgehen, damit der nichts von ihrem nächtlichen Ausgang bemerkte.
Ein fernes Nebelhorn ertönte und riss Kate aus ihren Gedanken. An einer der Anlegestellen des Hafens schien gerade ein Schiff einzulaufen. Allerdings konnte das nicht sein. Immer, wenn sie sich raus schlich, überprüfte sie vorher, ob für diese Zeit Schiffsladungen zum Löschen vorgesehen waren. Andernfalls wäre sie schon längst ihrem Vater oder einem seiner Kollegen und Freunden in die Arme gelaufen. Für heute hatte der Hafenmeister definitiv keinen Auftrag.
Ein Schiff, das zu dieser Uhrzeit außerplanmäßig einläuft? Die Nacht war kalt und nass, der Nebel dick und der Weg zur Anlegestelle weit. Nein, das ging sie nichts an. Sie sollte lieber nach Hause gehen und sich aufs Ohr legen. Das wäre die vernünftigste Idee.
Ungefähr zehn Minuten später hatte Kate die Anlegestelle erreicht. Natürlich war das eine dumme Entscheidung, doch ihre Neugier hatte letztendlich über ihre Vernunft gesiegt. Das war immer so.
Sie hatte sich zwischen einigen Frachtcontainern versteckt und beobachtete aus diesem Drachennest heraus die Hafenarbeiter, die mehrere Kisten von dem Schiff luden, das gerade eingelaufen war. Soweit Kate das durch den Nebel erkennen konnte, schien es ein sehr moderner Frachter zu sein. Er lag mit seinem gewaltigen Rumpf so ruhig auf dem Wasser wie ein Baby in der Wiege.
Die meisten Arbeiter, die auf den Kahn spazierten und mit Kisten zurückkamen, kannte sie. Aber es waren auch einige neue Gesichter dabei. Sie gehörten wahrscheinlich zu dem gleichen Unternehmen wie das Frachtschiff. Unter den Unbekannten waren auch einige Leute in Anzügen, die irgendwie ganz und gar nicht in die Umgebung passten. Sie erinnerten Kate entfernt an die bösen Agenten aus dem Film Matrix. Das lag nicht zuletzt an ihrem Gesichtsausdruck, der sagte: »Komm mir zu nahe und ich fresse dich.« Ihre Körperhaltung konnte ein normaler Mensch nur einnehmen, wenn er einen Besenstiel verschluckte, da war sich Kate sicher. Außerdem würde das ihre grimmigen Gesichter erklären.
Während sie die Hafenarbeiter und die Men in Black beobachtete, spürte Kate, wie sich von hinten eine Hand auf ihre Schulter legte und sie fuhr erschrocken herum.
»Hey, immer mit der Ruhe Kate. Was treibst du denn um diese Zeit hier draußen?« Das war nur Michael. Einer der Hafenarbeiter und ein Freund von ihr und ihrem Vater. Er war einundzwanzig Jahre alt und hatte den Job mit Hilfe von Kates Vater bekommen.
»Mensch, hast du mir vielleicht einen Schreck eingejagt«, wisperte Kate. «Ich habe ganz friedlich in meinem Bettchen gelegen und das Nebelhorn gehört. Dann habe ich mir gedacht, ihr könntet vielleicht Hilfe brauchen und bin her gedüst.«
Michael lachte. Er hatte ein angenehmes, warmes Lachen. »Ich glaube eher, dass du dich raus geschlichen hast und jetzt hier rumspionierst, weil die Clubs schon zu haben.«
Kate lächelte verlegen. »Kennst du mich so gut?«
»Das auch«, begann Michael und beugte sich zu ihr vor. Kate wurde mit einem Schlag furchtbar warm, so dass sie die grauenvolle Kälte dieser Nacht gar nicht mehr spürte. »Aber in erster Linie ist es deine Fahne, die mir zuschreit, dass du dich heute Nacht wieder sonst wo herumgetrieben hast.«
Kate errötete und hielt sich die Hand vor den Mund. »Mist!«
Michael lachte wieder. »Keine Sorge, ich werde deinem Dad nichts verraten. Aber du solltest jetzt lieber nach Hause gehen.«
»Erst, wenn du mir sagst, was da los ist«, antwortete Kate sofort. »Das ist kein normaler Frachter, nicht wahr?«
»Nein. Ich weiß auch nicht viel über das Ding. Nur, dass ich aus dem Bett geklingelt wurde, um beim Löschen der Ladung zu helfen.«
»Und die Anwälte?«
Michael runzelte die Stirn.
»Ich meine die netten Herren in Schwarz«, erklärte Kate.
»Ach die«, schmunzelte der Hafenarbeiter. »Die gab es gratis dazu. Die gehören zum gleichen Verein wie der Frachtkahn. Irgendwelche Aufsichtspersonen oder so. Du kennst das ja bestimmt. Wir tragen die Kisten und sie die Verantwortung.«
»Und wer sind die?«, entfuhr es dem Mädchen.
Zwei weitere Gestalten tauchten im Kreis der Anwälte auf. Einer von ihnen trug einen dunklen Trenchcoat und obendrein als einziger in der Versammlung einen Hut. Der andere wiederum hätte seine Glatze ruhig ebenfalls mit einem Hut bedecken können. Dennoch stach er ebenso sehr wie sein Begleiter aus der Gruppe heraus, denn er trug einen strahlend weißen Mantel. Seltsamerweise schien er Mund und Nase wie ein Bandit unter einem Halstuch verborgen zu haben.
Michael kniff die Augen zusammen und folgte ihrem Blick.
»Keine Ahnung«, sagte er schließlich. »Die zwei sehe ich zum ersten Mal.«
Kate zuckte zusammen und warf sich hinter die Container, als der Glatzkopf im weißen Mantel ihren Blick mit böse funkelnden Augen erwiderte.
»Hat er dich gesehen?«, fragte Michael, der ihre Bewegung zum Anlass genommen hatte, ebenfalls abzutauchen. Später fiel ihm ein, dass das albern war, denn im Gegensatz zu dem Mädchen hatte er ja nichts zu verstecken.
»Ich glaube schon. Irgendwas stimmt mit diesen Typen ganz und gar nicht, wenn du mich fragst.«
»Ja, ich weiß. Trotzdem geht uns das nichts an. Du solltest im Bett liegen und ich sollte arbeiten.«
Wie als Bestätigung für diese Aussage brüllte einer der älteren Arbeiter nach Michael, er solle gefälligst mit anpacken.
»Geh nach Hause«, sagte der junge Mann abschließend und eilte davon, um seine Arbeit wieder aufzunehmen.
Kate beobachtete, wie er eine der Kisten auf einen Gabelstapler verlud und damit wegfuhr.
»Nein, mein Lieber. Ich glaube es ist besser, wenn ich auf dich Acht gebe«, murmelte sie und folgte ihm, vom Nebel und dem Drachennest vor neugierigen Blicken geschützt. Die Kisten von dem Frachter wurden von den Arbeitern auf LKWs verladen. Michael verlud die Kiste in einen der Lastwagen und fuhr mit dem Gabelstapler zurück zur Anlegestelle, um eine neue zu holen.
Die wenigen Arbeiter, die sich bei den LKWs befanden, waren beschäftigt und der Nebel gab Kate noch einen zusätzlichen Sichtschutz. Sie nutzte die Gelegenheit, um zu dem LKW zu schleichen. Am Lastwagen angekommen schaute sie noch einmal kurz, ob sie auch wirklich niemand entdeckt hatte. Dann warf sie noch einen Blick in Richtung Schiff, um sich zu vergewissern, dass der Glatzkopf sie nicht wieder beobachtete. Doch der war bereits wieder verschwunden, ebenso wie sein Freund im Trenchcoat und die Männer in Schwarz.
Also nutzte Kate die Gelegenheit und schwang sich in den Laderaum des Lastwagens. Mehrere Kisten waren bereits auf den LKW verladen worden, darunter auch die, die Michael gerade aufgeladen hatte. Kate ging vorsichtig zu den Kisten herüber und beugte sich runter, um sie zu untersuchen. Der Behälter vor ihr unterschied sich auf den ersten Blick von den anderen Kisten. Er war wesentlich größer, hatte eine weiß lackierte Metallhülle und war mit einem Codeschloss gesichert. Kate beugte sich vor und suchte die Außenwand der Kiste nach einem Frachtbrief oder etwas in der Art ab. Sie fand einen Zettel, der daran klebte, zog ihren Schlüsselbund hervor, schaltete die daran befestigte Lampe an und las die wenigen Lettern, die auf dem Zettel standen.
IH603
Liam
Das letzte Wort war handschriftlich auf das Etikett hinzugefügt worden. Kate fuhr mit der flachen Hand über die Kiste und bemerkte, dass ihre Oberfläche nicht gänzlich glatt war. In dem Metall waren kleine Spalten eingelassen, aus denen ein geringer aber permanenter Luftstrom wehte. Durch diese Spalten wurde anscheinend für eine Luftzirkulation im Inneren des Behälters gesorgt.
Von draußen hörte Kate einige Stimmen, schaltete schnell und versteckte sich hinter einem Stapel Kisten. Die Stimmen der Arbeiter kamen näher und Kate fragte sich, was ihr wohl blühte, wenn man sie fand. Die Frage erübrigte sich, als die Ladeklappe des Lastwagens geschlossen wurde und die plappernden Stimmen sich wieder entfernten.
Kate kam aus ihrem Versteck hervor und betrachtete mit Bedauern den Schlamassel in den sie sich einmal mehr manövriert hatte: Die Luke war zu, sie saß auf der Ladefläche fest und der Motor des LKWs startete. Kate seufzte und sank neben der Kiste zusammen. Sie entschied sich dafür, die Ruhe zu bewahren und positiv zu denken.
Wenigstens war es hier drinnen nicht so kalt wie draußen im Nebel.
Das Brummen des Motors summte in Kates Kopf wie ein Schwarm stechwütiger Bienen. Um sich von dem Gedanken, wohin der Lastwagen fuhr und wie weit es bis dahin noch war, abzulenken hatte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Metallkiste gewidmet. Sie hatte inzwischen wenigstens einen Teil der Beschriftung entziffern können. Das Symbol, das sie gesehen hatte, war das Logo einer Firma, die sie aus dem Fernsehen kannte. Kate hatte vor Kurzem eine Reportage über Nanotechnologie gesehen und Solv Tech International war einer der weltweiten Marktführer auf diesem Gebiet. Zum Teil aus Neugier, zum Teil aus Langeweile begann Kate willkürlich Namen und Begriffe auf dem Codeschloss einzutippen.
Was könnte ein angesehener Nanotech-Konzern in einer Kiste wie dieser transportieren? Nachdem was Kate im Fernsehen mitbekommen hatte, befasst sich Nanotechnologie mit sehr, sehr kleinen Dingen. Der Behälter, den sie hier vor sich hatte war alles andere als klein.
Vielleicht eine Tarnvorrichtung. In der Reportage hieß es, dass es mit Hilfe mikroskopisch kleiner Maschinen möglich sein sollte, eine Oberfläche quasi unsichtbar zu machen. Ähnlich wie ein Chamäleon, dass seine Hautfarbe seiner Umgebung anpassen konnte.
Kate seufzte. Egal welche tolle Erfindung in dieser Kiste versteckt sein mochte: Sie selbst steckte trotzdem mal wieder bis zum Hals im schönsten Ärger. Es war bereits verdammt spät und sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sie war. Geschweige denn, wo die Reise hingehen sollte. Schon bald würde man sie zur Schule erwarten und sie wusste, dass sie dort heute entweder gar nicht oder vollkommen übermüdet erscheinen würde. Wahrscheinlich würde sie nicht viel verpassen. Auf dem Lehrplan stand heute Physik, ein furchtbar langweiliges Fach. Als ob das nicht schlimm genug wäre, hatte sich ihr Lehrer, Mr. Tadfield, es sich nicht nehmen lassen, einen Lehrfilm über die Relativitätstheorie zu besorgen. Ihr brummte bereits beim Gedanken an dieses wirre Gerede der Kopf. Wirres Gerede von einem wirren Kauz, der bestimmt schon hundert Jahre oder so tot ist.
Nein. Ein Mädchen in ihrem Alter sollte sich nicht mit Dingen wie Längenkontraktion und Zeitdilatation beschäftigen, sondern mit Liebe, Leben und gesunder Ernährung.
Ein greller Piepton riss Kate unsanft aus ihren Gedanken. Die Anzeige des Codeschlosses leuchtete grün und sie zog ihre Hand erschrocken zurück.
»Einstein«, wiederholte sie den Begriff, den sie gerade auf dem Schaltpult eingegeben hatte. Wie kamen diese Kerle auf die Idee, ausgerechnet den Namen eines Physikers als Passwort für ihre Fracht zu nehmen?
Das Surren eines kleinen Motors ertönte und fast gleichzeitig schob sich der Deckel der Kiste nach hinten weg. Kate saß wie gebannt vor dem offenen Behälter und konnte gar nicht fassen, was da gerade passiert war. Sie hatte es durch Zufall geschafft, diese schwere, mysteriöse, gesicherte Kiste zu öffnen. Wenn doch nur alles im Leben so einfach gehen würde. Sie lehnte sich über den Rand hinweg und leuchtete mit ihrer Schlüsselbund-Lampe hinein. Das, was im Inneren des Behälters lag, war wahrhaft atemberaubend – auch wenn es keine Tarnvorrichtung war.
Die Kiste war innen ausgepolstert und hatte wesentlich weniger Freiraum, als man von außen vermutet hätte. Kate schlussfolgerte, dass der fehlende Platz für die Luftzirkulation des Behälters und den Motor des Deckels verwendet wurde. Das Interessanteste war allerdings die Fracht, die in dem Polster eingebettet lag: Ein Mann, Mitte zwanzig, nur mit einer kurzen Hose und einem weißen Krankenkittel bekleidet. In seinem Handrücken steckte eine Infusionsnadel, die in einem dünnen Schlauch mündete, welcher wiederum in dem Polster der Kiste verschwand. Durch den Schlauch schimmerte eine bernsteinfarbene Flüssigkeit. Anscheinend befand sich zwischen Polsterung und Außenwand der Kiste ein Behälter, dessen Inhalt in die Adern des Mannes gepumpt wurde.
Kate sog scharf Luft ein, und legte sich die Hand vor dem Mund. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet. Sie hatte da drinnen ja alles Mögliche erwartet, aber das? Der Mann lag zusammengekauert in dem Behälter, den Kopf zur Seite gelehnt. Dunkelblonde Haare, die wohl schon lange keinen Friseur mehr gesehen hatten, waren ihm ins Gesicht gefallen und verhinderten so die Sicht auf seine Augen.
Kates Herz schlug unangenehm hart in ihrer Brust. Es bewirkte, dass sich Übelkeit in ihrem Magen ausbreitete. Zaghaft streckte sie den Arm aus und stupste den Mann mit leicht zitternder Hand an der Schulter.
»Hallo?«, fragte sie leise.
Keine Reaktion.
Sie fasste ihm fester an die Schulter und begann sie zu schütteln. Ihre Stimme wurde laut. »Hey… Hallo! Hörst du mich?«
Ihr Blick wanderte zu der Infusionsnadel und von dort den Schlauch entlang. Anscheinend wurde er mit dem Zeug ruhig gestellt. Ohne einen Moment zu zögern, zog sie ihm die Nadel aus dem Handrücken. Kate stütze sich mit den Ellenbogen am Rand der Kiste ab und beobachtete ihn. Ob es wohl lange dauert, bis er aufwacht?
Es war schneller vorbei, als sie erwartet hatte. Ein Ruck ging durch den Körper des Mannes. Er beugte sich noch weiter nach vorne und holte beinahe hyperventilierend Luft.
»Alles in Ordnung?«
Der Kopf des Mannes zuckte zu Kate hoch. Gerötete Augen erfassten ihr Gesicht und Entsetzten breite sich auf dem des anderen aus. Ein gellender Schrei drang aus seiner Kehle, in den Kate vor Schreck mit einstimmte.
»Hast du das gehört?«, fragte der Fahrer des Lastwagens.
»Hm?«, brummte sein Beifahrer, der gerade mit Miss Oktober in der aktuellen Playboyausgabe beschäftigt war und ein Schinken-Käse Sandwich futterte.
»Wohl eher nicht …«, meinte der Fahrer und hielt den Wagen an, um auszusteigen und nachzusehen.
»Bleib du hier, ich bin in einer Minute wieder da.«
»Jo. Ist gut.« Der Beifahrer setze sich noch eine Spur gemütlicher hin und verputzte das letzte Stück seines Sandwichs.
Kopfschüttelnd öffnete der Fahrer die Tür und sprang wenig behände ins Freie.
Nach einiger Zeit hatten sich die Schreie von Kate und ihrem Gegenüber gelegt. Jetzt starrten sie sich nur noch an. Es gab nur wenige Situationen, in denen es Kate die Sprache verschlug. Diese hier war eine von ihnen. Der Fremde hatte sich noch weiter in die Ecke seiner Kiste gedrückt und atmete schwer und tief. Er sah ziemlich mitgenommen aus und seine Haare waren verfilzt.
So was nennt man wohl animalische Ausstrahlung, fuhr es Kate in den Sinn. Das faszinierendste an dem Mann in der Kiste fiel ihr allerdings erst auf, als ihre Blicke sich erneut trafen: Seine Augen. Solche Augen hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen. Der heruntergekommene Mann hatte zwei verschiedene Augenfarben. Sein rechtes Auge war braun (»Rehaugen« hatte ihre Mutter diese Färbung genannt) und sein linkes tiefblau. Kate löste sich von dem Blick des Fremden.
Drei eindringliche Fragen gewannen in ihrer Gedankenwelt an Substanz. Wer war der Mann? Warum hatte man ihn in der Kiste als Fracht verschickt? Und vor allem: Was hatten sie mit dem armen Kerl gemacht?
Sie schaute nach unten auf die Kiste und erblickte erneut den Zettel, mit dem sie beschriftet war.
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Liam
Liam...
Kate hörte, wie die Ladeklappe des Lastwagens entriegelt wurde und fuhr erschrocken herum. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie das monotone Brummen des Motors nicht mehr hörte. Der LKW hatte angehalten und sie hatte es nicht einmal bemerkt. Nun saß sie in der Falle und beobachtete entsetzt, wie die Ladeklappe sich öffnete.
Robert Summers hatte sich eigentlich nie sonderlich für seine Fracht interessiert. Seine Aufgabe war es lediglich, sie an ihr Ziel zu bringen. »Je weniger du weißt, umso besser für dich!«, war eine der ersten Regeln, die er in dieser Firma gelernt hat. Und er hatte sich nach zehn Jahren längst daran gewöhnt, so gut wie nichts über seine Fracht zu wissen.
Aber wenn vom Laderaum her Schreie ertönten, wurde selbst ein kühler Kopf wie er neugierig. Also zog er die Klappe auf und leuchtete mit einer Taschenlampe ins Innere der Ladefläche. Sie war menschenleer. In den Ecken und auch zentral auf der Ladefläche stapelten sich mehrere Kisten, die ordnungsgemäß gesichert waren. Soweit alles in Ordnung ...
Robert beschloss trotzdem sich das ganze einmal genauer anzusehen und stieg über die Klappe auf die Ladefläche. Er leuchtete den Raum aus, fand aber immer noch nichts, was den Schrei hätte von sich geben können. Unsicher und auch ein wenig verängstigt begann Robert Summers, in dem begrenzten Raum umher zu wandern und die düstere Umgebung zu untersuchen. Der Lichtkegel der Taschenlampe fiel auf eine große, weiße Kiste mit Codeschloss.
Kate lag tief geduckt in der Kiste, den fremden Mann unter sich und wagte kaum zu atmen. Sie lagen eng aneinander gepresst – gerade tief genug, um nicht gesehen zu werden. Als sie sah wie die Ladeklappe sich öffnete, hatte Kate schnell geschaltet, indem sie sich zu dem Mann in die Kiste geworfen und ihn gleichzeitig auf deren Boden gedrückt hatte. Nun lag sie auf seinem verkrampften Körper und hielt ihn wie in einer Umarmung fest umklammert. Mit jedem Atemzug, den der Mann machte, konnte Sie spüren wie sich sein Brustkorb unter ihrer Brust auf und ab bewegte. Kate hatte ihm die Hand auf den Mund gedrückt, damit er nicht schrie, aber sie konnte in seinen Augen sehen, dass er das gar nicht vor hatte. Auch wenn er vielleicht nicht so wirkte, wusste er sehr wohl, in welcher Situation sie sich befanden und was passieren würde, wenn man sie fand.
Robert bewegte sich zielstrebig auf die weiße Kiste zu. Sie unterschied sich mit ihrer Lackierung deutlich von den anderen Kisten und weckte seine Aufmerksamkeit auf geradezu hypnotische Weise. Erst als, er nur noch ungefähr zwei Meter von der Kiste entfernt war, bemerkte er, dass der Deckel zur Seite weggeschoben worden war. Jemand hatte sich doch tatsächlich hier rein geschlichen und die verdammte Kiste geöffnet. Vielleicht ein Dieb oder sogar Industriespion.
Langsam und mit größter Vorsicht schob sich Robert zu der Kiste und spähte über deren Rand hinweg in ihr Inneres.
Der Lichtkegel seiner Taschenlampe fiel auf ein junges Pärchen, das eng umschlungen in der Kiste lag. Er blickte auf eine schwarzhaarige Frau, die mit dem Rücken zu ihm lag, so dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Ihren Freund konnte er noch weniger erkennen, da er unter ihr auf dem Grund der Kiste lag.
Robert konnte weder fassen noch verstehen, was er da sah. Er brachte seine Überraschung dadurch zum Ausdruck, dass er die beiden wütend anbrüllte: »Was zum Teufel, treibt ihr denn…«
Bevor er den Satz zu Ende bringen konnte, traf ihn etwas sehr hartes, sehr schmerzhaft am Kinn und er spürte, wie ihm schwarz vor Augen wurde.
Für eine Sekunde blickte Edward, der heute Nacht mal ausnahmsweise nur als Beifahrer seine Fracht betreute, von seinem Playboy auf. War da was?
Hatte er da gerade etwas gehört? Für eine Minute saß er ganz still in der Fahrerkabine und lauschte in die Nacht hinein. Das Einzige was er hören konnte, war fernes Hundegebell. Irgendwo in der nächtlichen Schwärze beschwerte sich wohl gerade ein Straßenköter darüber, dass sich niemand für sein Hundeleben in der Gosse der Stadt interessiert.
Edward schaute aus dem Fenster hinaus ins Dunkel und schnaubte verächtlich, während das Gebell kurz verstummte. Ihn interessierte es (wahrscheinlich ebenso wie jeden anderen, der dieses penetrante Kläffen hören konnte) herzlich wenig, was der verdammte Hund damit ausdrücken wollte. Das Tier stimmte erneut in seine Ruhestörung ein. Genervt schaltete Edward das Autoradio ein und beschäftigte sich wieder mit dem interessanten »Artikel« von Miss Oktober.
Kate wagte, die Augen wieder zu öffnen. Sie blickte in zwei verschiedenfarbige Augen, die ihren Blick erstaunt erwiderten. Ihre Ferse schmerzte ein bisschen, aber das störte sie nicht sonderlich. Als sie den wütenden Ruf des grimmigen Typens über sich gehört hatte, war sie so erschrocken, dass sie mehr aus Reflex als aus Geistesgegenwärtigkeit wie ein Pferd nach hinten ausgetreten hatte. Ihre Ferse hatte den Kerl so unglücklich getroffen, dass er zu Boden gegangen war. Kate wurde rot im Gesicht, als sie daran dachte, wie peinlich diese Aktion wohl ausgesehen haben musste. Nur hatte sie jetzt keine Zeit sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn die Ladeluke war endlich offen – und der Kerl, den sie so kampfsportlich ausgeknockt hatte, würde bestimmt bald wieder aufwachen.
Geschmeidig erhob sie sich und kletterte aus der Kiste. Dann beugte sie sich erneut hinein und half ihrem neuen Freund beim Rausklettern. Sie hatte erwartet, dass seine ersten Schritte ein wenig tapsig verlaufen würden, aber das war kaum der Fall. Er wirkte ein bisschen schwach auf den Beinen, aber das lag wahrscheinlich eher an dem Betäubungsmittel, dass noch in seinem Kreislauf zirkulierte. Während ihr Begleiter sich runter beugte, um den ausgeknockten LKW-Fahrer zu begutachten, schwang sich Kate von der Ladefläche hinaus in die Nacht.
Es war noch kälter als sie erwartet hätte, was an dem eisigen Wind lag, der in der Zwischenzeit aufgezogen war. Kate schaute sich um, aber die Gegend war ihr vollkommen unbekannt. Heruntergekommene Häuser und düstere Gassen zierten die rechte Straßenseite. Zu ihrer Linken befand sich ein eingezäuntes Baugelände. Sie konnte das Grundgerüst eines Hochhauses erkennen, sowie einen Kran und ein paar Bagger, die in der schlammigen Erde eingebettet waren. Sie fröstelte, steckte die Hände in die Taschen und drehte sich wieder zur offenen Ladefläche um. Der fremde Mann kniete neben der Kiste, in der er so lange eingesperrt gewesen war, und strich mit der Hand über ihre Oberfläche. Kate beobachtete ihn mitleidig. Ihr Blick wanderte von seinem fast schulterlangen, dunkelblonden Haar über den spärlichen weißen Kittel und die weißen Shorts.
»Hey!«, rief sie ihm zu. Der junge Mann hielt inne und schaute zu ihr.
»Es ist schweinekalt hier draußen«, fuhr Kate fort. »Du solltest dir vielleicht ein paar Klamotten besorgen«, fügte sie mit einem Nicken zu dem bewusstlosen Fahrer hinzu.
Ihr wortkarger Freund folgte ihrem Blick und nickte verstehend. Dann machte er sich an die Arbeit und zog dem Lastwagenfahrer erst die Jacke und dann die Schuhe aus. Während ihr Begleiter damit beschäftigt war, dem Bewusstlosen auch noch die Hose auszuziehen, konnte Kate erkennen, dass dieser langsam wieder zur Besinnung kam.
»Beeil dich. Ich glaube, er wacht auf«
Robert spürte, wie sich der graue Schleier, der in seinem Kopf umhergeisterte, langsam löste. Er brauchte eine Sekunde um sich zu erinnern, was passiert war und wieso er das Bewusstsein verloren hatte. Aber bereits als er nur daran dachte, was passiert sein könnte, brach die Erinnerung wie eine Flutwelle über ihn herein. Der Schrei, die Kiste, das Pärchen…
Er hatte dieses junge Pärchen in der weißen Kiste gefunden und ist danach mit Gewalt außer Gefecht gesetzt worden.
Ein seltsames Gefühl riss ihn aus seinen Gedanken. Robert brauchte eine Weile, um es einzuordnen. Schließlich erkannte er, dass es ein Schauer war, der ihm über den Rücken lief. Der Grund dafür war in einer tieferen Region zu finden: Jemand fummelte an seinem Unterleib herum. Entsetzt riss er die Augen auf und schaute nach unten.
Ein blonder Mann war damit beschäftigt, ihm die Hose auszuziehen. Robert stockte kurz der Atem. Das war absurd, doch es geschah wirklich! Sein Schock wurde schnell ersetzt von Wut. Der Kerl war zweifelsohne ein Verbrecher, da war sich Robert sicher. Kein anständiger Mensch macht sich an der Hose eines Bewusstlosen zu schaffen.
»Hey!« Er hob drohend die Faust, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. »Hey, du schwuler Sack. Such dir einen anderen Arsch!« Er fing an, mit den Beinen zu strampeln. Genervt verdrehte sein Gegenüber die Augen, platzierte seinen rechten Fuß in Roberts Schritt und zog ihm mit beiden Händen die Hose aus. Ein übelkeitserregender Schmerz, breitete sich in Roberts Lendengegend aus und sorgte dafür, dass er wimmernd zusammensackte.
Der andere streifte die Hose über. Dann zog er Roberts Jacke an und schlüpfte in seine Schuhe. Als er fertig war, lief er zur Ladeluke des Lastwagens und sprang hinaus. Robert drehte sich in seine Richtung, um ihn einen drohenden Fluch hinterher zu rufen. Seiner Kehle entwich allerdings nur ein erschöpftes Röcheln.
Nachdem er aus dem Laderaum gestiegen war, drehte der blonde Mann sich um und schloss mit seiner Freundin zusammen die Luke.
Robert Summers war nun allein im dunklen Laderaum. Auf dem Rücken liegend und nach Luft schnappend dachte er darüber nach, was ihn wohl als Nächstes erwarten würde.
Solv Tech International war kein gewöhnlicher Industriegigant. Im Internet kursierten skurrile Gerüchte über den Marktführer im Bereich der Nanowissenschaft. Die meisten Leute setzten den Besitz von Macht mit dem Missbrauch selbiger gleich. Viele ahnten auch, dass es niemand an die Spitze schaffen konnte, ohne dabei über einen Berg aus Gebeinen zu steigen. Aber wahrscheinlich wusste niemand, wie viele Leichen sich wirklich im Keller von Solv Tech befanden. Niemand bis auf einer: Besagte Person war gerade auf dem Rückweg von einem Geschäftstermin.
Wenn sich jemand mit dem unverfälschten Wissen rühmen konnte, alles über die Aktivitäten von Solv Tech International zu wissen, dann war es Alexander J. Solva. Von seinem Großvater gegründet, befand sich die anfangs noch kleine Firma für pharmazeutische Implantate und Prothesen seit drei Generationen in Familienbesitz. Er selbst hatte sie im Alter von zwanzig Jahren nach dem frühen Ableben seines Vaters geerbt.
Solva war fünfunddreißig Jahre alt, gut gebaut und hatte seine kurzen, blonden Haare zu einem akkuraten Scheitel gekämmt. Sein Äußeres wirkte durchgehend gepflegt und attraktiv. Seriös und zugleich locker und sportlich. Er legte großen Wert auf sein Erscheinungsbild, allerdings nicht, um dem schönen Geschlecht zu gefallen. Ein Mann wie Alexander Solva konnte sich keine Fehltritte leisten: Weder emotionaler noch sexueller Natur, er hatte schließlich einen Großkonzern zu leiten. Er hegte sein Äußeres einfach, weil sein Gesicht eben das Gesicht seiner Firma war.
Seine dunkle Limousine schlug den Weg zum Landeplatz ein, auf dem sein Privathubschrauber wartete, als ein rhythmisches Geräusch Solva aus seinen Gedanken riss. Die Titelmelodie einer Zeichentrickserie ertönte als Klingelton aus der Tasche seines Jacketts. Eine Erinnerung aus Kindertagen. Er legte die Akte nieder, in der er bis eben geblättert hatte, zog sein Mobiltelefon aus der Jackettasche und hielt es ans Ohr.
»Ja?«
»Alex. Wir haben ein Problem«, antwortete die Stimme am anderen Ende der Leitung monoton und tief.
»Was gibt es, Ray?«
Raymond Beauford war ein guter Freund von ihm – sein bester und wahrscheinlich einzig wirklicher Freund. Außerdem war er sein persönlicher Berater und Chef seines Sicherheitsdienstes.
»603 wurde gestohlen«, meldete Beauford ohne Umschweife.
Es trat eine kurze Pause ein, in der Solva die drei Worte, die er eben von Beauford zu hören bekommen hatte, verarbeitete.
»Was ist genau passiert?«
»Der Lastwagen, der den Invisible Hawk transportierte, wurde vor einer halben Stunde überfallen. Der Prototyp wurde gestohlen.«
Solva bemühte sich, einen kühlen Kopf zu bewahren. »Wie konnte das passieren?«
»Der Dieb kannte anscheinend das Passwort. Der Peilsender in der Kiste wird uns also nicht weiterhelfen, denn die ist noch auf dem Laster.«
»Was ist mit dem anderen Peilsender?«
»Wir bekommen kein Signal. Ich glaube nicht, dass er einfach nur defekt ist. Die Sache stinkt zum Himmel.«
Tausend Gedanken schossen Solva durch den Kopf. Allen voran: Verrat.
Häuser, Straßen und Gehwege zogen in der Dunkelheit hinter dem Fenster vorbei. Der Ausblick wurde in regelmäßigen Abständen von einer Straßenlaterne erhellt.
Nachdem sie aus dem LKW geflohen waren, waren Kate und ihr Begleiter noch drei Straßen weiter gegangen, bis sie schließlich eine Bushaltestelle erreichten, die einsam an einer Straßenecke stand. Jetzt saßen sie in der hintersten Reihe eines Nachtbusses, der Richtung Hafen fuhr.
Kate hatte bereits die ganze Fahrt über ihren neuen Freund beobachtet, der seinerseits seit Fahrtbeginn verträumt aus dem Fenster schaute. Sie dachte darüber nach, dass er seit seiner Befreiung noch nicht ein Wort gesagt hatte. Konnte er vielleicht nicht reden? Oder verstand er ihre Sprache nicht? Kate wog beide Möglichkeiten ab und kam zu dem Schluss, dass es kein Sprachproblem sein konnte, da er sie auf dem Lastwagen ja verstanden hatte. Abermals schossen Kate etliche Fragen durch den Kopf, und sie beschloss, das Schweigen zu beenden.
»Sag mal … kannst du auch reden?«, fragte sie keck.
Er löste seinen Blick von dem Fenster und drehte sich mit müden Augen zu ihr.
»Äh … entschuldige bitte«, stammelte sie verlegen. »Ich wollte nur … ich meine … ich wollte nicht …« Der Blick seiner zweifarbigen Augen fiel von ihr ab und wanderte betrübt zum Boden. »… unhöflich sein.«, beendete Kate den Satz mit einem Seufzer.
Das war mal wieder typisch. Sie wollte nur eine Unterhaltung beginnen und ging dabei so taktvoll vor wie ein Wrestler vor seinem nächsten Kampf.
»Kein Problem«, erwiderte er.
Kate schaute ungläubig zu ihrem Gefährten. Also er kann reden ... das ist doch ein Anfang.
»Wie heißt du?«, fragte er gelassen.
»Kate. Kate Talley.« Sie zögerte einen Augenblick, bevor sie hinzufügte: »Und du?«
Er lächelte. Es war kein fröhliches Lächeln, sondern das humorlose Lächeln eines Mannes, der zwanghaft versuchte seine Verzweiflung zu verbergen. »Weißt du, genau die Frage habe ich mir auch schon gestellt, seit ich aus dieser Kiste gestiegen bin.«
Kate spürte, wie sich ein Knoten in ihrer Brust formte. Was haben sie nur mit dir gemacht?
»Irgend einen Namen müssen wir dir aber geben«, erwiderte sie mit gespielter Gelassenheit. »Schließlich muss ich dich ja irgendwie nennen.«
Er schmunzelte, diesmal richtig. »Irgendwelche Vorschläge?«
Kate überlegte kurz. Dann fiel es ihr wieder ein: »Liam.«
Er wandte den Blick vom Boden ab und schaute sie verwundert an.
»Ähm ...«, begann sie und fragte sich einen Moment selbst, warum sie ausgerechnet diesen Namen wählen musste.
»Du musst nichts erklären«, unterbrach er sie. »Ich habe das Etikett auch gelesen.«
»Tut mir leid ... dumme Idee«, erwiderte sie verlegen und bedrückt zugleich. Sie hatte es mal wieder geschafft, sich mit ein paar dummen Sätzen unbeliebt zu machen. Dieses Problem trat bei Kate nur allzu häufig auf. Das lag daran, dass ihre Gedanken gerne direkt ihrem Mund entsprangen ohne den Umweg über ihr Gehirn zu nehmen.
»Nein. Das ist keine dumme Idee«, antwortete Liam schließlich sanft.
»Dann erzählen Sie mal, was passiert ist«, begann Beauford, während er sich die Zigarette anzündete, die er sich gerade in den Mund gesteckt hatte. Er war dunkelhäutig, hatte einen militärischen Kurzhaarschnitt, harte Gesichtszüge und trug eine kugelsichere Weste über seiner schwarzen Solv Tech Uniform. Der Sicherheitschef war gerade erst angekommen und hatte sich sofort zum Verhör von Robert Summers begeben. Dieser saß, eingewickelt in eine Heizdecke, in einem Sondertransporter auf einem im Inneren montierten Metallstuhl.
Robert begann, dem Mann zu erzählen was in dem Laderaum passiert war. Er begann bei dem Schrei und schloss damit, wie ihm seine Kleidung gestohlen wurde. Beauford hörte aufmerksam zu und zog ab und zu an seiner Zigarette, um eine Rauchwolke in das Innere des Transporters zu blasen.
»Wie sah der Mann aus?«, fragte er, als Robert seinen Bericht abgeschlossen hatte.
»Ich weiß noch, dass er blonde Haare hatte«, erklärte er schließlich. »Er war recht jung… schlank und etwas ungewaschen – wenn ich ihn sehen würde, würde ich ihn bestimmt wiedererkennen!«, fügte er geistesgegenwärtig hinzu. Er wusste, dass jedes Detail wichtig sein konnte und wollte so gut es ging helfen den Dieb zu schnappen.
»Danke«, sagte Beauford gleichgültig. »Wir kommen darauf zurück.« Er nahm die Zigarette aus dem Mund und ließ sie achtlos fallen, ohne auch nur daran zu denken, sie auszutreten. Dann fuhr er mit dem Verhör fort: »Die Frau. Wie sah sie aus?«
Robert schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid, aber das weiß ich beim besten Willen nicht mehr. Ich habe sie kaum zu Gesicht bekommen. Einmal von hinten und beim zweiten Mal … war ich mit anderen Dingen beschäftigt«, die letzten Worte waren eher ein schüchternes Stammeln. »Tut mir Leid«
Beauford beachtete Roberts Befangenheit nicht.
»Danke. Das war’s dann«, sagte er knapp und wandte sich zum Gehen.
Robert schaute verlegen zu Boden. Als Beauford die Tür des Transporters öffnete, fragte er spontan: »Werden Sie die Polizei einschalten?«
Der Sicherheitschef blieb kurz vor der Tür stehen.
»Ja. Selbstverständlich«, log er, ohne sich umzudrehen. »Sie ist schon auf dem Weg. Deshalb muss ich Sie bitten, noch ein wenig zu bleiben. Die Herren von der Polizei werden Ihnen bestimmt auch noch ein paar Fragen stellen wollen.«
»Natürlich. Kein Problem«, antwortete Robert. Aber er hatte noch etwas auf dem Herzen. »Mr. Beauford?«
»Ja?«
Er schaute vom Boden auf zur Tür. Beauford stand immer noch mit dem Rücken zu ihm im Rahmen.
»War der Inhalt der Kiste sehr wertvoll?«, fragte Robert, den sein schlechtes Gewissen plagte.
Beauford öffnete die Tür und stieg aus dem Transporter.
»Ja«, antwortete er beim Rausgehen. »Ja, das war er.«
Hinter ihm schloss sich die Tür wieder und der Fahrer blieb allein zurück.
Raymond Beauford fand sich in der kalten Nacht wieder. Zu seiner Rechten erstreckte sich die Baustelle, die zuvor schon Kate aufgefallen war, als sie mit Liam aus dem Lastwagen geflohen war. Es standen mehrere Transporter auf der Straße, die das Solv Tech International Firmenlogo trugen und ungefähr zwei Dutzend Sicherheitsmänner in kugelsicheren Westen und dem gleichen Logo auf ihren Uniformen sicherten die Umgebung.
»Delaney!« Beauford winkte seinen Stellvertreter zu sich.
Der angesprochene Sicherheitsmann sah von seiner Unterhaltung mit einem Kollegen auf, erkannte, wer ihn gerufen hatte und rannte dann zu ihm. »Sir?«
Beauford zog einen gefalteten Zettel aus der Tasche und reichte ihn Delaney. »Ich möchte, dass Sie den Fahrer die Person auf diesem Bild identifizieren lassen.«
»Ja, Sir!«, bestätigte Delaney. Er nahm den Zettel an sich und ging zur Tür des Transporters.
»Delaney!«
Der Sicherheitsmann blieb stehen.
»Der Mann hat nicht genügend gesehen, als das er uns weiterhelfen würde, aber vielleicht trotzdem mehr als gut für ihn ist«, erklärte Beauford.
Delaney wandte sich zu ihm um. »Sir?«
»Liquidieren«, half ihm Beauford genervt auf die Sprünge. »Ich möchte, dass Sie den Mann töten, falls er die Person auf dem Foto erkennt.«
Die Tür des Transporters öffnete sich erneut und es kam ein weiterer Sicherheitsmann in Solv Tech Uniform herein.
»Guten Tag, Mr. Summers«, grüßte der Mann während er die Tür hinter sich schloss. Robert schaute ihn verwundert an. »Haben Sie doch noch weitere Fragen?«
Der Sicherheitsmann schritt auf ihn zu und zog einen gefalteten Papierzettel hervor.
»Eine noch.« Er entfaltete den Zettel und reichte ihn Robert. »Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen?«
Robert schaute auf das Blatt in seinen Händen. Es war der Computerausdruck einer Fotografie. Auf dem Bild war ein junger Mann mit dunkelblonden Haaren zu sehen. Er schien zu schlafen, denn er hatte die Augen geschlossen. Robert erkannte ihn sofort.
»Ja«, antwortete er, ohne den Blick von dem Blatt abzuwenden. »Das ist der Kerl! Das ist der Mann, der heute Nacht die Fracht und meine Klamotten gestohlen hat!«
Robert hatte nicht bemerkt, dass sich der andere lautlos hinter ihn geschlichen hatte. Die 9mm Kugel bohrte sich durch seine Schädeldecke und tötete ihn, bevor er den Schuss der Waffe hören konnte.
Beauford stand vor dem Transporter auf der Straße und zündete sich gerade eine neue Zigarette an, als er den Schuss hörte. Er seufzte genervt, holte sein Handy aus der Tasche seiner Uniform und wählte Solvas Nummer. Das würde ein verdammt langer Tag werden.
Liam schaute sich um. Der Raum, in dem er sich befand, war groß, weiß und steril. Er war nackt und mit Gurten an ein Polster in der Wand gefesselt. Die Gurte saßen dabei so stramm, dass er nur seinen Kopf bewegen konnte.
Verschiedene surreale Geräte, mit Funktionen die er sich nicht einmal vorstellen wollte, standen im Raum verteilt und verrichteten schnurrend und blubbernd ihre Arbeit. Vier Männer mit Kitteln streifetn im Raum umher. Einer von ihnen war damit beschäftigt, scheinbar willkürlich Knöpfe auf den einzelnen Gerätschaften zu drücken, ein anderer notierte Messwerte von einem der Geräte auf seinem Klemmbrett. Die übrigen zwei führten eine angeregte Unterhaltung in der anderen Ecke des Raumes.
Das ganze Szenario war durch ein grelles, unangenehmes, weißes Licht erleuchtet, das ihn zwang die Augen zusammen zu kneifen.
Er drehte den Kopf nach rechts.
Neben ihm war ein weiteres Polster in die Wand eingelassen, an dem ein weiterer Mann gefesselt war. Der andere war bewusstlos. Er kam ihm bekannt vor – doch war er wirklich da oder bildete er sich das nur ein?
Liam sah nach unten: Etwa auf Hüfthöhe zwischen ihnen war eines der kalten Geräte postiert. Es war rund und hatte an seiner Oberfläche eine Messskala sowie einige Schalter und Drehknöpfe. Die beiden Männer waren durch Schläuche in ihren Handrücken mit der Maschine verbunden. Er kniff die Augen zusammen und schaute finster auf das Gerät. Durch runde Sichtfenster war eine bernsteinfarbene Flüssigkeit im Inneren der Maschine zu sehen.
Eine Hand bewegte sich in sein Blickfeld und bediente einen der Drehknöpfe. Als Liam aufblickte und erkannte dass die Hand dem Kittelträger gehörte, der zuvor mit den Gerätschaften beschäftigt war, wurde ihm schummrig vor Augen.
Sein Blickfeld verschwamm und löste sich auf.
An seine Stelle trat die bittersüße Schwärze der Bewusstlosigkeit.
Liam erwachte aus seinem Traum und setzte sich auf. Das Bett, in dem er sich befand, knarrte unfreundlich, als er sich aufrichtete.
Dieser Raum war nicht steril, nicht weiß und auch nicht grell beleuchtet. Es war ein kleines Zimmer, das nur durch Mondlicht in sanften Tönen erleuchtet wurde, welches durch ein nacktes, vorhangloses Fenster fiel. Verschiedene Poster hingen an den Wänden und verdeckten großflächig die Raufasertapete darunter. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein alter Kleiderschrank und in der Mitte des Raumes standen zwei Sessel – mindestens ebenso alt – um einen kleinen Holztisch, der wiederum mit Büchern zugestapelt war. In einem der Sessel saß jemand – eine junge Frau, ein Mädchen. Ihr Kopf ruhte auf ihrer rechten Schulter und Liam erkannte, dass sie schlief. Die Erinnerung an die vergangenen Ereignisse manifestierte sich langsam in seinem Kopf.
Diese Kiste … seine Flucht … ein schweigsamer Spaziergang durch muffigen, feuchten Nebel … der Geruch von salzigem Meerwasser und Seetang … das Mädchen im Sessel: Das ist ihr Zimmer!
Sie hatte im Bus mit ihm gesprochen, als er völlig verwirrt und orientierungslos war. Ihr Name ist... Kate Talley
Sie hatte ihn mit zu sich in ihr warmes Zuhause genommen. Die beiden hatten sich in ihr Zimmer geschlichen, damit ihr Vater nicht wach wurde. Kate hatte den erschöpften Liam ein Hemd von ihrem Vater aus der Wäsche besorgt, ihm die Schuhe ausgezogen und ihn in ihr Bett gedrängt.
Er war sofort eingeschlafen.
Und Kate saß jetzt in diesem alten Sessel und schlief den Schlaf der Gerechten. Sie musste mindestens genauso erschöpft gewesen sein, wie er.
Das Mondlicht fiel auf sie herab und ließ sie beinahe magisch wirken. Liam streckte die Füße unter der Decke hervor und stieg aus dem Bett. Für einen Moment verschwamm sein Blickfeld und ihm wurde schwindlig. Er fühlte sich schwach auf den Beinen und war immer noch müde, wollte jetzt aber nicht mehr schlafen. Er wollte vor allem nicht mehr träumen. Stattdessen ging er zu Kate und begab sich neben ihr in die Hocke. Sie schlief immer noch tief und fest. Ihr Mund war zu einem zufriedenen Lächeln verzogen und ließ ihr Gesicht noch hübscher wirken. Wenigstens sie hatte schöne Träume. Liam richtete sich auf, fuhr mit einem Arm unter Kates Kniekehlen und mit dem anderen um ihren Rücken. Dann hob er sie hoch.
Sie vergrub im Schlaf ihr Gesicht in seiner Brust, als er sie durch den Raum in ihr Bett trug und seufzte leicht, als er sie hinein legte und zudeckte. Anschließend ging er zum Fenster und schaute hinaus in die kalte Nacht. Der Nebel hatte sich inzwischen verzogen und der Himmel war nun klar. Er konnte die Sterne sehen – und natürlich den Mond, der ihn heiter weiter anstrahlte. Der Horizont wirkte bereits ein bisschen heller; die Sonne würde bald aufgehen. Liam würde hier an dem Fenster stehen bleiben um ihr dabei zuzusehen. Er wusste zwar nichts über seine Vergangenheit, doch eines war gewiss: Er hatte schon seit langer Zeit die Sonne nicht mehr gesehen. Mit gemischten Gefühlen blieb er am Fenster stehen und verfolgte die erste Morgendämmerung seines neuen Lebens.
»Wach auf, du musst zur Schule!« Kate wurde unsanft an der Schulter wachgerüttelt.
»Was ist denn los?«, murmelte sie schlaftrunken.
»Du sollst aufstehen«, lautete die gebrummte Antwort.
Kate richtete sich im Bett auf und schaute ihrem Vater ins Gesicht.
Dan Talley war ein robuster Mann in den Vierzigern. Um genau zu sein: Ein Berg von einem Mann. Er war sich seiner Körperkraft bewusst und benutzte sie auch gerne und oft. Ein echtes Raubein, aber auch ein liebevoller Vater. Allerdings ein alleinerziehender Vater, dessen Frau vor dreizehn Jahre bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Ein Vater, der zwar nicht immer mit den Aufgaben der Erziehung zurechtkam, aber sich zumindest wirklich Mühe gab.
Neben ihrem Bett kniend fragte er grimmig: »Du bist müde, was? Kann ich verstehen. Du warst bestimmt die ganze Nacht unterwegs.«
Kate machte große Augen. War sie das? Sie versuchte sich zu erinnern, was in der vergangenen Nacht passiert war.
»Du brauchst mich gar nicht so anzugucken«, schimpfte ihr Vater. »Du Dösel hast noch deine Straßenkleidung an. Warst du so müde, dass du es nicht einmal mehr geschafft hast dich umzuziehen?«
Langsam kamen die Erinnerungen an die vergangene Nacht zurück. Kleinlaut und schuldbewusst antwortete sie »Ja. I- Ich glaube schon ….«
»Du bist selbst schuld, wenn du heute in der Schule einschläfst.«
»Ja«, antwortete Kate, der es inzwischen kalt den Rücken runterlief.
»Wir reden heute Abend darüber«, sagte ihr Vater und erhob sich. »Jetzt steh endlich auf. Ich muss zur Arbeit und habe nicht die Zeit, dich nochmal zu wecken.« Mit diesen Worten verließ er den Raum.
Kaum hatte ihr Vater die Tür hinter sich geschlossen, sank sie wieder ins Kissen und seufzte erleichtert. Es grenzte an ein Wunder, dass er Liam nicht bemerkt hatte. Bei dem Gedanken setzte sie sich verwundert auf. Hatte sie ihn nicht in ihrem Bett abgelegt? Sie schaute sich im Zimmer um und erschrak, als ihr bewusst wurde, dass sich außer ihr niemand darin befand.
Die Haustür knallte: Ihr Vater hatte sich gerade auf dem Weg zur Arbeit gemacht. Kate sprang mit einem Satz aus dem Bett. »Liam!«
Keine Antwort.
»Liam. Bist du da?«, fragte sie weniger laut.
Abermals keine Antwort. Sie durchwanderte den Raum und schaute in den Kleiderschrank. Kein Liam.
Sie ging zurück und schaute unter das Bett. Kein Liam.
Hatte sie das alles vielleicht nur geträumt?
Sie spürte, wie die Müdigkeit sie überkam und wusste, dass sie erst einmal eine Dusche brauchte, um wach zu werden.
»Guten Morgen, Michael«, ließ Dan Talley seinen frohen Bass ertönen.
»Morgen Dan«, nuschelt Michael leise zurück.
Dan blieb stehen und betrachtete den jungen Mann. Er sah ziemlich müde aus; fast so müde wie Kate heute Morgen. Und Michael war nicht der erste Hafenarbeiter, der heute einen erschöpften Eindruck machte.
»Was ist los?«, fragte er. »Geht heute die Schlafkrankheit um?«
»Hm?«
»Erst bekomm ich meine Tochter nicht aus dem Bett, dann kippen die Jungs an Dock fünf beim Entladen eines Kohlefrachters fast ins Wasser und jetzt kommst du als wandelnde Leiche daher. Gab es heute Nacht eine Party, zu der ich nicht eingeladen war?«
Michael grinste und öffnete den Mund. Aber anstatt einem Lachen brachte er nur ein heißeres Gähnen hervor.
»Und was für eine«, antwortete er schließlich. »Es waren eben nur die jungen und schönen Leute eingeladen«, fügte er zwinkernd hinzu und schlich sich grinsend an seinem Freund vorbei.
Dan schaute Michael noch einen Moment nach, schüttelte dann lächelnd den Kopf und setzte seinen Weg zum Hafenmeister fort.
Stanley Parker war ein kleiner Mann von der Statur einer Kugel. Er war sechsundfünfzig Jahre alt, Junggeselle und seit mehr als zwanzig Jahren der Boss von Dan Talley. Der Hafenmeister hatte sein Büro direkt am ersten Dock des Hafens in einer kleinen Hütte neben einer Lagerhalle eingerichtet, in der er auch wohnte. Zum Glück hatte er kein Privatleben, den diese Umstände hätten schaden können.
Dan klopfte an die Tür seines Büros und betrat es auf das erwartete, typische »Komm rein!« hin.
»Morgen, Talley«, grüßte Stanley, ohne von seinem Schreibtisch aufzusehen.
»Morgen«, erwiderte Dan. »Was hast du für mich?«
»Nicht viel. Heute ist wenig Betrieb. Du kannst erst einmal bei dem Kohlefrachter an Dock fünf mithelfen. Die brauchen dort ewig. Und danach könnt ihr an Dock eins weitermachen. Importlieferung.« Stanley schaute missmutig von seinen Dokumenten auf. »Mal wieder zu faul auf den Dienstplan zu schauen? «
Dan lächelte entwaffnend. »Ich dachte der gilt nicht, nachdem die Jungs an Dock fünf fast bei der Arbeit einschlafen. Sag mal, was war denn heute Nacht los?«
Stanley richtete sich auf und trug einen Aktenordner zu dem Regal hinter seinem Schreibtisch. »Wir hatten heute Nacht ein Frachtschiff an Dock drei. Irgendeine supereilige Sonderlieferung. Die hatten eigenes Personal dabei, aber ich wollte wegen diesen Kerlen nicht extra die ganze Nacht wach bleiben. Ich habe ihnen also erzählt, dass wir das Dock heute noch brauchen und ihnen ein paar Männer zur Unterstützung gegeben. Die Sache war dann in einer Stunde erledigt.«
»Eine Stunde? Deswegen schlurft Mike rum wie ein Zombie?«
Stanley lachte auf. »Du kennst diese Typen doch. Wenn sie erst mal wach sind, müssen sie danach gleich erst einmal einen trinken gehen.«
»Und warum hast du mich nicht zur Hilfe geholt?«
»Glaubst du, ich lasse dich nachts unnötig einen Kahn entladen und anschließend zechen gehen, obwohl ich dich tagsüber viel besser brauchen kann?«
Dan lachte und wandte sich zum Gehen. »Bis später, Stan.«
»Bis später«, murmelte Stanley, der zurück an seinem Platz und wieder in seine Arbeit versunken war.
Wesentlich munterer verließ Kate das Badezimmer. Sie beschäftigte sich immer noch mit dem Gedanken, wo Liam stecken mochte und warum er überhaupt weg war. Sie hatte unter der Brause über die vergangene Nacht nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass es definitiv kein Traum gewesen war.
Aber wo war Liam dann jetzt?
In der Küche angekommen, schob sie zuerst zwei Scheiben Toastbrot in den Toaster und holte Marmelade und Butter auf den Küchentisch. Während dem Frühstück dachte sie erneut über die letzte Nacht nach.
Solv Tech International. Ein pharmazeutischer Konzern, eine Firma für Nanotechnologie, die Menschen in Kisten verfrachtete.
Zu welchem Zweck?