Liebe, als wärst du noch nie verletzt worden - Jentezen Franklin - E-Book

Liebe, als wärst du noch nie verletzt worden E-Book

Jentezen Franklin

0,0

Beschreibung

Beziehungen sind das, was im Leben am meisten zählt. Es ist leicht, andere zu lieben, wenn wir keine Konflikte mit ihnen haben. Aber niemand befindet sich ständig in diesem Idealzustand. Jemand wird etwas Verletzendes zu uns sagen, wird uns enttäuschen, belügen, im Stich lassen. Meist sind es gerade die Menschen, die wir am meisten lieben, die uns gleichzeitig am meisten verletzen. Aber damit ist die Geschichte nicht zu Ende. Gott will nicht, dass wir unsere Verletzungen zeitlebens mit uns herumtragen. Er will uns einen neuen Anfang schenken. Er will heilen, was zerbrochen ist. Jentezen Franklin zeigt, wie Sie vergebungsbereit und versöhnt leben und wie Sie gesunde Grenzen setzen können. Und wie Sie lieben können, als wären Sie niemals verletzt worden. Denn das ist möglich!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 357

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über den Autor

Jentezen Franklin (Jahrgang 1962) ist ein amerikanischer Pastor und Autor. Er ist der Hauptpastor des Free Chapel Worship Center, einer Gemeinde in Gainsville, Georgia, und Verfasser diverser NewYork Times-Bestseller. Auf Deutsch von ihm erschienen: Fasten – Hunger nach mehr (Gerth Medien 2010).

Ich wünsche euch, dass ihr in eurem Leben dieüberfließende Liebe und Barmherzigkeit Gottes erfahren und weitergeben könnt.

Inhalt

Einleitung

Kapitel 1

Nur die Liebe zählt

Kapitel 2

Die Liebe hört nie auf

Kapitel 3

Es ist niemals falsch zu lieben

Kapitel 4

Führen Sie nicht länger Buch über das, was geschehen ist

Kapitel 5

Liebe beginnt hier und heute

Kapitel 6

Die wunderbare Kraft der Freundlichkeit

Kapitel 7

Kämpfer, Feuerleger und Friedensstifter

Kapitel 8

Gemeinsam unterwegs

Kapitel 9

Kämpfen Sie für Ihre Ehe

Kapitel 10

Ein Fundament, das trägt

Kapitel 11

Kämpfen Sie für Ihre Familie

Kapitel 12

Lieben Sie Gott, als wären Sie noch nie verletzt worden

Kapitel 13

Klettern Sie weiter

Kapitel 14

Der König kann noch einen Zug machen

Danksagung

Anmerkungen

Einleitung

Mark Twain hat einmal gesagt: „Wenn du einen verhungerten Hund aufliest und machst ihn satt, wird er dich nicht beißen. Das ist der Grundunterschied zwischen Hund und Mensch.“1

Er hatte recht.

Sie können sich um einen Hund kümmern, der misshandelt worden ist. Sie können ihn lieben. Sie können ihn pflegen. Sie können ihn füttern. Sie können ihn besitzen. Obwohl er viel Leid ertragen hat, wird dieser Hund Ihr bester Freund werden, weil Sie ihn lieben. Er wird Sie jeden Tag an der Haustür begrüßen. Er wird kommen, wenn Sie nach ihm rufen. Und er wird Ihnen treu sein, solange er lebt.

Ja, ein Hund belohnt die Liebe und Fürsorge eines Menschen mit absoluter Treue und Hingabe – aber leider trifft das auf die Beziehung zwischen Menschen nicht immer zu. Ich bin sogar davon überzeugt, dass gerade die Menschen uns am meisten verletzen werden, die wir am meisten lieben.

Wenn wir nicht einsam und allein durchs Leben gehen wollen, müssen wir also lernen, so zu lieben, als wären wir noch nie verletzt worden.

Das ist ganz wichtig, denn irgendwann wird Ihnen irgendjemand das Herz brechen. Irgendwann wird sich jemand von Ihnen abwenden oder Sie verlassen. Irgendjemand wird etwas Verletzendes zu Ihnen sagen. Irgendjemand wird Sie enttäuschen. Irgendjemand wird Sie im Stich lassen, Sie belügen, Ihnen in den Rücken fallen. Irgendjemand wird Sie zurückweisen.

Und aller Wahrscheinlichkeit nach ist Ihnen das auch schon einmal passiert. Während Sie diese Worte lesen, müssen Sie vielleicht an jemanden denken, der Ihnen wehgetan hat: Der Vater, der die Familie verlassen hat, als Sie fünf Jahre alt waren. Der Ehepartner, der Sie betrogen hat. Die Schwester, die sich weigert, mit Ihnen zu sprechen. Das Kind, das ständig rebelliert. Die Freundin, die ein Geheimnis, das Sie ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut haben, weitererzählt hat.

Was auch immer es ist – Sie haben jemandem Ihre Liebe und Ihre Zuneigung geschenkt und wurden zutiefst verletzt. Diese Person hat Ihren Liebestank geleert. Und Sie leben nicht mehr so, wie Gott es sich für Sie wünscht, weil Sie nicht wissen, was Sie tun können, um den anderen wieder zu lieben – und ob das überhaupt jemals wieder möglich sein wird, ihn so zu lieben, als ob Sie nie verletzt worden wären.

Es ist leicht, andere zu lieben, wenn es keine Konflikte gibt. Oder wenn wir die gleichen Standpunkte oder die gleichen religiösen Überzeugungen vertreten. Oder die gleichen Maßstäbe haben. Es ist leicht zu lieben, wenn unsere Ehe sich noch im Flitterwochen-Stadium befindet, wenn unsere Kinder sich die ganze Zeit gut benehmen, wenn wir gesund und glücklich sind.

Aber niemand befindet sich ständig in diesem paradiesischen Zustand.

Jesus hat gesagt, dass wir in dieser Welt mit Schwierigkeiten konfrontiert werden (Johannes 16,33). Und an anderer Stelle sagt er sogar: „Es kann ja nicht ausbleiben, dass so etwas geschieht“ (Matthäus 18,7; Hfa).

Es gehört zum Leben dazu, dass wir verletzt werden. Es ist unvermeidlich. Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte.

Gott will nicht, dass wir unsere Verletzungen zeitlebens mit uns herumtragen. Er will, dass wir geheilt werden. Er hat uns dazu geschaffen, so zu lieben, als wären wir noch nie verletzt worden, denn er selbst tut genau das, und wir sind nach seinem Bild gemacht.

James Garfield, der 20. Präsident der Vereinigten Staaten, war erst vier Monate im Amt, als er von einem Attentäter in den Rücken geschossen wurde. Nach dem Anschlag lebte er noch knapp drei Monate.

Sie vermuten sicher, dass er an dem Schuss starb. Aber das war es nicht.

Die Kugel traf kein lebenswichtiges Organ. Sie blieb hinter seiner Bauchspeicheldrüse stecken, doch die Verletzung war nicht tödlich. Allerdings machten sich die Ärzte damals noch keine Gedanken über Bakterien; sie glaubten noch nicht einmal, dass es sie gab, weil sie sie nicht sehen konnten. Daher scharten sich schon kurz nachdem der Schuss gefallen war, die Ärzte um Präsident Garfield und stocherten mit ungewaschenen Händen und alles andere als sterilen Instrumenten in seiner Wunde herum. Sie hofften, die Kugel zu finden und sie zu entfernen. Und das taten sie insgesamt achtzig Tage lang, während Präsident Garfield im Krankenhaus vor sich hin vegetierte. Heute können wir nachvollziehen, dass sich sein Zustand durch diese ständigen Versuche, mit unsterilen Instrumenten die Kugel zu entfernen, unablässig verschlechterte. Die Wunde entzündete sich, und schließlich starb er.

Ich finde es faszinierend, dass der Präsident nicht an der Schusswunde starb. Er starb an den Infektionen, die die Ärzte dadurch verursacht hatten, dass sie in der Wunde herumstocherten.

Ist es nicht seltsam: Wir selbst neigen dazu, das Gleiche zu tun. Wir kramen unsere unangenehmen Erinnerungen wieder und wieder hervor. Wir erzählen jedem davon, der uns sein Ohr leiht. Wir denken darüber nach, wie wir uns rächen könnten. Wir werden nicht müde, in unseren offenen Wunden herumzustochern. Im Laufe der Zeit werden wir bitter. Hart. Und oft enthalten wir unsere Liebe gerade den Menschen vor, die sie am dringendsten brauchen.

Aber Gott will nicht, dass wir so leben. Er will uns einen neuen Anfang schenken. Er will heilen, was zerbrochen ist. Er will vereinen, was auseinandergerissen wurde.

In diesem Buch geht es darum, dass wir als Christen einerseits bereit sein sollen, zu vergeben und uns mit anderen zu versöhnen, andererseits aber auch gesunde Grenzen setzen müssen. Die Menschen rückhaltlos zu lieben bedeutet nicht, dass wir co-abhängig werden oder unseren Verstand ausschalten sollen. Und es bedeutet ebenso wenig, dass wir für andere als Fußabtreter oder Prügelknabe herhalten sollen.

Worum es mir letztlich geht, ist, dass wir unsere Beziehungen in Ordnung bringen müssen. In unseren Gemeinden gibt es viele Eltern, die nur selten oder überhaupt keinen Kontakt zu ihren Kindern haben. Manche von uns haben seit Jahren nicht mit ihren Angehörigen gesprochen, obwohl sie nur ein paar Kilometer entfernt wohnen. Manche Enkel haben ihre Großeltern nie kennengelernt. Manche Christen, die in ihrer Kindheit schlecht behandelt wurden, halten hartnäckig an ihren Verletzungen fest und belasten dadurch die Beziehungen in ihren eigenen Familien. Andere haben Menschen verloren, die sie liebten, und sind jetzt so verletzt, dass sie kaum dazu imstande sind, diejenigen zu lieben, die noch da sind.

Dieses Problem kann nur durch Liebe gelöst werden:

Wenn ich alle Sprachen der Menschen und sogar der Engel spreche, aber keine Liebe habe, dann bin ich nichts als ein dröhnender Gong oder ein schepperndes Becken. Und wenn ich die Gabe der Prophetie und der Erkenntnis habe und alle Geheimnisse kenne, wenn ich die Glaubenskraft besitze, Berge zu versetzen, aber in mir keine Liebe ist, dann bin ich ein Nichts. Selbst wenn ich alles hergebe, was ich besitze, und sogar noch mein Leben, worauf ich eigentlich stolz sein könnte – wenn das alles ohne Liebe geschieht, nützt es mir gar nichts.

Die Liebe hat einen langen Atem und ist voller Güte. Sie ist nicht eifersüchtig und spielt sich nicht auf.

Die Liebe hat nichts Angeberisches oder etwas, das das Empfinden anderer Menschen verletzt. Sie schaut nicht auf ihren Vorteil und lässt sich auch durch nichts provozieren. Sie trägt das Böse nicht nach, erst recht freut sie sich nicht darüber, wenn anderen Unrecht geschieht. Die Liebe freut sich allerdings sehr über die Wahrheit. Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie erhofft alles – ja, sie erduldet alles. Die Liebe hört niemals auf.1. Korinther 13,1-8 (WD)

Liebe ist nie vergebens, sie läuft nie ins Leere.

Die Liebe ist eine mächtige Kraft. In seinem ersten Brief an die Korinther weist Paulus darauf hin, dass das Problem vieler Gemeinden darin besteht, dass wir die Gaben des Heiligen Geistes höher schätzen als die Liebe. Aber tolle Predigten, dynamische Gottesdienste und prophetische Worte, die nicht mit Liebe erfüllt sind, werden auf Dauer nichts bewirken. Man kann die Menschen, die weit von Gott entfernt sind, nur mit der Sprache der Liebe erreichen.

Wenn wir Gott, uns selbst und unsere Mitmenschen wirklich lieben wollen, dann können wir lernen, dies ungeachtet dessen zu tun, was in der Vergangenheit vorgefallen ist. Davon spricht Jesus bereits in seiner Bergpredigt (Matthäus 5,24). Wir können die Zerrüttung heilen, unter der unsere Familien seit Generationen leiden. Paulus weist in seinem zweiten Brief an die Korinther darauf hin, dass wir einen „Dienst der Versöhnung“ haben (2. Korinther 5,18; EÜ). Wenn Sie an Jesus Christus glauben, sind Sie dazu aufgerufen, Menschen von seiner Versöhnungsbotschaft zu erzählen.

Es ist nie falsch zu lieben.

Es ist nie unangebracht zu lieben.

Andere zu lieben bedeutet nicht, dass wir unseren Glauben verleugnen.

Andere zu lieben bedeutet nicht, dass wir unsere Wertvorstellungen aufgeben.

Ich weiß, dass diese Wahrheiten für einige von Ihnen schwer zu verdauen sind, deshalb werde ich sie im Laufe dieses Buches erläutern. Viele von uns haben noch nicht begriffen, dass Beziehungen das Wichtigste im Leben sind. Ein Leben ist nicht dann erfüllt, wenn wir eine Unmenge von Gegenständen besitzen. Materialistische Menschen legen nicht viel Wert auf Beziehungen. Für sie zählt, wie viel sie auf dem Bankkonto haben. Welche Rolle sie in der Gesellschaft spielen. In welchem Stadtviertel sie leben. Wie sie aussehen. Welches Auto sie fahren und wie groß ihr Haus ist.

Erinnern Sie sich daran, wie Jesus gefragt wurde, welches das wichtigste Gebot sei? Er antwortete: „,Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe und mit deinem ganzen Verstand.‘Das ist das erste und wichtigste Gebot.Ebenso wichtig ist aber ein zweites: ,Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst‘“ (Matthäus 22,37-39; Hfa). Hier machte Jesus ganz unmissverständlich deutlich, wie wichtig Beziehungen sind. Genau darum geht es im Leben: Gott zu lieben, sich selbst zu lieben und seine Mitmenschen zu lieben.

Ich weiß, wie es ist, verletzt zu werden. Ich fordere Sie hier nicht dazu auf, etwas zu tun, was ich selbst nicht getan habe. Und glauben Sie mir: Während ich es versucht habe, habe ich auch reichlich Fehler gemacht. Ich weiß, wie groß die Versuchung ist, an Verletzungen und Enttäuschungen festzuhalten.

Wir haben in unserer Ehe und unserer Familie schwere Stürme und Prüfungen erlebt. Meine Frau und ich haben beschlossen, in diesem Buch ein paar Dinge offenzulegen, von denen wir noch nie jemandem erzählt haben. Wir haben beschlossen, dass wir keine „fromme Fassade“ aufrechterhalten wollen. Wir nehmen kein Blatt vor den Mund.

Es gab Zeiten, in denen ich das Gefühl hatte, es nicht wert zu sein, sonntags zu predigen, weil ich in meiner Ehe und meiner Familie gerade durch die Hölle ging. Was ich lernte, war: Wenn Sie durch die Hölle gehen, sollten Sie dort nicht stehen bleiben. Gehen Sie weiter, bis Sie auf der anderen Seite wieder herauskommen.

Ich habe entdeckt, dass Schwierigkeiten zu den besten Dienern Gottes gehören, weil sie uns daran erinnern, dass wir unablässig auf ihn angewiesen sind. Gott wendet sich nicht angewidert von uns ab, wenn wir mit irgendetwas kämpfen. Er sagt: Ich will dir helfen. Ja, wirklich! Wenn Sie mit Ihren Kräften am Ende sind, zeigt sich erst, wie mächtig Gott ist.

Es gibt Momente im Leben, die uns und unsere Familie für immer verändern. Verlust, Verrat, Süchte, Untreue – ohne jeden Zweifel haben diese Dinge tiefgreifenden Einfluss auf unsere Beziehungen.

Aber Gott macht alles neu.

Die Zeit ist reif. Erlauben Sie ihm, Ihnen einen Neuanfang zu schenken. Erlauben Sie ihm, Ihre Wunden zu verbinden und Ihre Verletzungen zu heilen.

Ich liebe diese Worte, die der Prophet Jesaja schrieb:

Und des Mondes Schein wird sein wie der Sonne Schein, und der Sonne Schein wird siebenmal heller sein, so wie das Licht von sieben Tagen, zu der Zeit, wenn der Herr den Schaden seines Volks verbinden und seine Wunden heilen wird. Jesaja 30,26 (LÜ)

Wenn Sie zulassen, dass Gott Ihre Verletzungen heilt, werden Ihnen Ihre Nächte taghell vorkommen, und Ihre Tage werden siebenmal heller sein.

Denken Sie mal einen Augenblick darüber nach.

Wollen Sie Gerechtigkeit oder Versöhnung?

Wollen Sie verletzt sein oder geheilt werden?

Wollen Sie auf Ihrem Scherbenhaufen sitzen bleiben oder wieder ganz werden?

Weil Sie angefangen haben, dieses Buch zu lesen, bin ich ziemlich sicher, wie Ihre Antwort ausfällt. Und es gibt nur eine Methode, wie Sie versöhnt, geheilt und wieder ganz werden können: indem Sie lieben, als wären Sie noch nie verletzt worden.

Kapitel 1

Nur die Liebe zählt

Unsere Tochter starrte meine Frau Cherise und mich an. Ihre Augen blitzten vor Zorn.

Wenn Sie jemals ein Kind im Teenageralter hatten, wissen Sie, wovon ich rede. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber die meisten Kinder scheinen in dieser Zeit ungefähr sechs Jahre lang den Verstand zu verlieren.

„Ihr habt mir gar nichts zu sagen!“, schrie meine Tochter.

Ich sah ihr direkt ins Gesicht. „Wir werden das in Ruhe besprechen!“

„Lasst mich doch in Ruhe!“, stöhnte sie auf. „Ich hau ab, mir reicht’s.“

„Von wegen! Du gehst nirgendwohin, ehe wir nicht darüber geredet haben“, knurrte ich mit zusammengebissenen Zähnen.

In dem Augenblick, als unsere Tochter sich anschickte, den Raum zu verlassen, sprang ich vor. Ich streckte die Arme zur Seite und schnitt ihr den Weg ab.

„Ihr könnt mich hier nicht einsperren!“, schrie unsere Tochter.

„Das werden wir ja sehen!“, brüllte ich zurück und fuchtelte wild mit den Armen.

Ich war wütend und frustriert, aber gleichzeitig brach mir das Herz. Wir hatten ständig solche Auseinandersetzungen, nicht nur mit dieser Tochter, sondern auch mit unseren anderen Kindern.

Während dieser Phase steckte unsere Familie in einer tiefen Krise. Jeder Tag brachte einen neuen Konflikt mit sich. Manche Auseinandersetzungen rissen tiefe Gräben auf. Andere machten uns unendlich traurig. Und wieder andere verleiteten uns dazu, einige unschöne Dinge zu sagen.

Das Ganze setzte ein, als unsere älteste Tochter mit dem Studium begann. Bis dahin war sie ein Musterkind gewesen, aber nach ein paar Wochen auf der Uni, weg von zu Hause, geriet sie auf die schiefe Bahn. Sie wollte erleben, wie es außerhalb der Gemeinde zuging, und ließ sich mit den falschen Leuten ein. Und sie traf einige der schlechtesten Entscheidungen, die ein junges Mädchen nur treffen kann.

Die Situation wurde immer ernster, und meine Frau und ich erkannten, dass wir etwas unternehmen mussten.

Ich werde nie den Tag vergessen, an dem ich gerade der Predigt, die ich in einer halben Stunde halten sollte, den letzten Schliff verpasste. Cherise stürmte ins Zimmer. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich wilde Entschlossenheit.

„Jentezen, ich werde jetzt unsere Tochter holen. Entweder entscheidest du dich für die Gemeinde und bleibst hier und predigst, oder du entscheidest dich für unsere Tochter und kommst mit – du hast die Wahl!“

Die Antwort lag auf der Hand. Ich ließ alles stehen und liegen, um mich um meine Familie zu kümmern.

Während der dreistündigen Fahrt zur Uni wechselten Cherise und ich nicht viele Worte. Unsere Tochter wusste nicht, dass wir kamen – geschweige denn, dass wir kamen, um sie aus der Schule zu nehmen und nach Hause zu holen. Wir hatten keine Ahnung, was uns erwartete.

Nach unserer Ankunft rief Cherise sie an. Sie erkundigte sich, was sie gerade machte, sagte jedoch nicht, dass wir da waren. Ich wartete im Auto, während Cherise in das Gebäude ging, in dem unsere Tochter sich aufhielt. Plötzlich sah meine Frau, wie sie die Eingangshalle betrat, in der sie bereits wartete. In dem Augenblick, als unsere Tochter Cherise sah, brach sie zusammen. Sie fiel auf die Knie und begann, unkontrolliert zu schluchzen.

„Wir nehmen dich mit nach Hause“, sagte Cherise sanft. „Jetzt gleich.“

Und mit diesen Worten verließen wir drei den Campus. Keiner von uns sah sich um. Wir gingen noch nicht einmal ins Zimmer unserer Tochter, um ihre Sachen zu holen; wir ließen alles so, wie es war. Die Sachen waren egal. Wir wollten, dass unser Mädchen wieder bei uns war.

Nachdem sie bei uns eingezogen war, wurde es in mancher Hinsicht noch schlimmer. Wir bettelten und flehten. Wir diskutierten und brüllten. Wir versuchten, Druck auf sie auszuüben, indem wir ihr das Taschengeld strichen. Wir nahmen ihr das Auto weg. Wir verboten ihr, auf Partys zu gehen und sich mit Freunden abzugeben, die einen schlechten Einfluss auf sie hatten. Nichts funktionierte. Sie wurde immer störrischer.

Dieser ständige Konflikt hatte negative Auswirkungen auf die Atmosphäre in unserer Familie. Es gab immer wieder Auseinandersetzungen, weil sie uns bei jeder Gelegenheit belog und betrog. Die Krise raubte meiner Frau und mir alle Kraft. Sie brach uns das Herz. Wir konnten uns kaum noch freuen. Wir waren nicht mehr dieselben Menschen. Wir waren emotional erschöpft und hatten das Gefühl, als wären wir um Jahre gealtert.

Manchmal waren Cherise und ich unterschiedlicher Meinung darüber, wie wir unsere Tochter wieder zur Vernunft bringen konnten. Das belastete unsere Ehe so stark, dass sie fast daran zerbrach. Satans Strategie hat sich nie geändert: Teile und herrsche. Eine Familie, in der ständig jeder mit jedem im Clinch liegt, wird irgendwann zerbrechen.

Meine anderen Kinder mussten es in diesem Kriegsgebiet aushalten. Sie bemerkten schnell, wie Cherise und ich uns veränderten. Und es gefiel ihnen nicht. Drei unserer Kinder waren zu dem Zeitpunkt Teenager und hatten ihre eigenen Probleme. Es schien, als hätten wir jeden Tag mit mindestens einem unserer Kinder irgendeine Auseinandersetzung.

Eine Familie, in der ständig jeder mit jedem im Clinch liegt, wird irgendwann zerbrechen.

Eine davon war der Vorfall, den ich am Anfang dieses Kapitels geschildert habe. Lassen Sie uns einen Augenblick in diese Situation zurückkehren. Als ich meiner Tochter in den Weg trat, um sie am Verlassen des Zimmers zu hindern, fragte ich mich ziemlich verzweifelt: Wann wird das alles endlich aufhören?

Der Streit eskalierte. Ich merkte, dass ich immer lauter wurde, und bemühte mich nach Kräften, meine Zunge im Zaum zu halten. Es war nicht einfach. Unsere Tochter versuchte ein weiteres Mal, durch die blockierte Tür zu entwischen, aber Cherise und ich waren fest entschlossen, das nicht zuzulassen. Wir wichen keinen Zentimeter zurück und versperrten ihr den Weg.

Schließlich schrie sie wutentbrannt: „Wenn ihr mich nicht machen lasst, was ich will, dann …“ Sie stieß eine verzweifelte Drohung aus, was sie sich antun würde, und ich schrie zurück. Natürlich meinte sie nicht wirklich, was sie da sagte – meine Frau und ich wussten, dass es das übliche Theater war – , aber es führte dazu, dass wir uns immer weiter in unsere Auseinandersetzung hineinsteigerten. Ein Wort gab das andere, ohne dass wir zu irgendeinem Ergebnis kamen, aber der Konflikt eskalierte immer mehr.

Es ging noch eine Zeit lang so weiter. Irgendwann verließ Cherise das Zimmer. Als sie in den Flur trat, stolperte sie praktisch über unsere beiden jüngsten Kinder. Unsere kleinste Tochter war damals gerade zehn, unser jüngstes Kind und einziger Sohn war neun. Beide baten Jesus mit ernster Stimme, in den Streit einzugreifen. Es war ein bewegender Moment.

Unsere Jüngste erzählte später: Als sie hörte, wie heftig wir uns stritten, übernahm sie die Verantwortung, schnappte sich ihren Bruder und sagte zu ihm: „Du musst sofort mit mir zum Schlafzimmer von Mom und Dad kommen. Der Teufel ist bei uns im Haus. Wir müssen da hin und beten!“

Unser Sohn nickte und folgte ihr. „Hey“, keuchte er, während sie die Treppe ins Erdgeschoss hinunterrannten, „hol die Bibel. Wir müssen unbedingt ’ne Bibel mitnehmen.“

Unsere Tochter nickte zustimmend, machte auf dem Absatz kehrt und lief zurück in ihr Zimmer. Als unser Sohn sah, dass sie mit ihrer pinkfarbenen Mädchenbibel herunterkam, riss er die Augen auf und schüttelte den Kopf. „Nein, nein, nein! Eine pinke Bibel funktioniert nicht. Der Teufel ist wirklich hier im Haus. Du musst eine schwarze Bibel holen!“

Cherise und ich mussten laut lachen, als unsere Tochter uns diese Geschichte erzählte. Das nahm dem Vorfall etwas von seiner erschütternden Dramatik.

Aber auch eine lustige Geschichte kann eine bittere Wirklichkeit nicht übertünchen.

Die ständigen Streitigkeiten wirkten sich verheerend auf die ehemals so friedliche Atmosphäre in unserer Familie aus. Seltsamerweise wuchs unsere Gemeinde enorm an, während unsere Familie ums Überleben kämpfte und sich nur mühsam über Wasser hielt. Ungeahnte Türen öffneten sich für unseren Dienst. Neue millionenschwere Gebäude wurden errichtet. Meine Bücher landeten auf der Bestsellerliste der New York Times. Christliche Fernsehsender begannen damit, unsere wöchentlichen Gottesdienste in die ganze Welt auszustrahlen. All dies passierte, während ich meinem Empfinden nach in meinem eigenen Zuhause das „Tal des Todesschattens“ durchquerte.

Gott wird durch Schwachheit angezogen. Er kann nicht widerstehen, wenn wir demütig und ehrlich bekennen, dass wir ihn brauchen.

Wenn ich heute darüber nachdenke, wie Cherise und ich trotz all der Schwierigkeiten weiter funktioniert haben, kann ich bloß sagen: Das war einfach nur Gnade. An manchen Sonntagen ging ich vor der Predigt in meinem Büro auf die Knie und konnte nur noch weinen. „Gott“, sagte ich, „ich weiß nicht, wie ich das machen soll. Ich habe Angst. Ich bin am Ende. Ich bin verzweifelt. Ich würde am liebsten weglaufen und nie mehr zurückkommen. Aber ich werde jetzt nicht in meinem eigenen Namen oder in meiner eigenen Kraft vor die Gemeinde treten. Ich tue es in deinem Namen und in der Kraft deines Heiligen Geistes. Ich werde nicht aufhören, für meine Familie zu kämpfen. Hilf mir. Ich gehöre dir. Ich bin dein Kind.“ Und wenn ich dann aufstand und predigte, stand Gott mir in seiner Gnade bei, und die Gottesdienste waren kraftvoll und lebensverändernd.

Ich habe eine erstaunliche Wahrheit entdeckt: Gott wird durch Schwachheit angezogen. Er kann nicht widerstehen, wenn wir demütig und ehrlich bekennen, dass wir ihn brauchen. Wenn wir uns bewusst machen, dass wir leere Gefäße sind, ist er bereit, uns mit seiner Gnade, Liebe und Güte zu erfüllen. Das ist Gottes „Gesetz der Anziehung“.

Ich kann mich noch an unzählige Sonntage erinnern, an denen unsere Kinder uns zwar in die Gemeinde begleiteten, jedoch keinen Zweifel daran ließen, dass sie lieber woanders wären. Unterschätzen Sie niemals, wie wichtig es ist, einfach nur „da zu sein“. Es hat vielleicht den Anschein, als würde die Predigt nichts bewegen – aber der Schein trügt. Wenn Sie Gottes Botschaft verkünden, wird sie etwas bewirken. Sie wird nicht leer zurückkommen. Gleichgültig, welche schlimmen Dinge wir über unsere Teenagermädchen erfuhren: Wir beteten weiter für sie, wir nahmen sie in die Gemeinde mit, und ich predigte weiter aus der Bibel.

An einem Wochenende rief meine Frau mich zu sich. Unsere älteste Tochter hatte uns verlassen. Wir waren gerade von einem Kurzurlaub in Kalifornien zurückgekehrt und fanden eine Nachricht vor, in der sie uns mitteilte, dass sie endgültig das Haus verlassen hatte: „Ich kann nicht nach diesen Regeln leben. Ich werde jetzt das tun, was ich tun will. Ich kann euch nicht weiterhin so wehtun.“ Cherise erinnert sich noch heute daran, dass sie damals dachte, dass unsere Tochter immerhin so höflich war, uns eine Nachricht zu hinterlassen, bevor sie uns endgültig den Rücken kehrte.

Meiner Frau und mir brach das Herz. Etwa eine Woche lang wussten wir nicht, wo sie war. Cherise machte etwas durch, das sich nur mit dem Begriff „Trauerprozess“ beschreiben lässt. Wir taten alles in unserer Macht Stehende, um unsere Tochter zu finden, aber es gelang uns nicht. Wir trauerten tage- und nächtelang und hatten keine Ahnung, wo unser Kind war.

Schließlich, nach etwa einer Woche, rief sie uns an. Sie versicherte uns, dass es ihr gut ging und dass sie als Kindermädchen für eine Familie arbeitete. Wir hatten auch in der Folgezeit kaum Kontakt zu ihr. Eines Tages teilte sie uns mit, dass sie sich verliebt hatte. Einige Monate später heiratete sie standesamtlich. Wir erfuhren durch eine SMS davon.

Manches im Leben geht kaputt und kann nie wieder so werden, wie es einmal war. Aber Gott kann alles neu machen.

Das war ein schwerer Schlag für eine Familie, in der sich alle einmal sehr nah gestanden hatten. Cherise fühlte sich ihres Traumes beraubt, die Hochzeit unserer ersten Tochter zu organisieren und mitzuerleben. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich eine Woche später die Hochzeitsfeier einer ihrer Freundinnen leitete. Als ich mit ansah, wie die Braut und ihr Vater durch den Gang schritten, brach mir das Herz. Ich war verzweifelt. Ich musste mich sehr zusammenreißen, um meine Gefühle nicht zu zeigen. Mir war bewusst: Mit meiner eigenen Tochter würde ich das niemals machen können.

Die Wahrheit ist: Manches im Leben geht kaputt und kann nie wieder so werden, wie es einmal war. Aber Gott kann alles neu machen.

Das war der Zeitpunkt, als ich zum ersten Mal den Satz hörte: Liebe, als wärst du noch nie verletzt worden. Die Leute spekulieren darüber, wer es zum ersten Mal gesagt hat, aber als ich diese Worte hörte, schlugen sie in meinem Herzen Wurzeln.

Wenn Sie bereit sind, so zu lieben, als seien Sie nie verletzt worden, kann Gott jede zerbrochene Beziehung in Ihrem Leben heilen. In Nehemia 3, Vers 34 berichtet die Bibel davon, dass die Israeliten die Mauern von Jerusalem aus verbrannten Steinen und Schutt wiedererrichteten. „Was wollen diese armseligen Juden eigentlich? Jerusalem zur Festung ausbauen? Sie meinen wohl, wenn sie Opfer bringen, können sie an einem Tag fertig werden! Mit diesen verbrannten Steinen und diesem Schutt wollen sie eine neue Stadtmauer errichten?“, höhnte der feindliche Heerführer Sanballat.

Werfen Sie keine Steine weg, nur weil sie verbrannt sind. Gott kann und wird sie gebrauchen, um Ihre Familie wiederaufzubauen.

Ich gebe zu, dass es weder schnell ging noch einfach war, das wiederaufzubauen, was in unserer Familie zerbrochen war. Wir sind immer noch mit Herausforderungen konfrontiert, die wir bewältigen und überwinden müssen. Aber wir haben uns entschieden zu lieben, als wären wir nie verletzt worden. Und das ist eine Entscheidung, die wir immer wieder neu treffen müssen.

Wir haben ganz bestimmt auch Fehler gemacht, aber Cherise und ich haben beschlossen, mit all unserer Kraft für unsere Familie einzustehen. Ein Vers aus den Sprüchen hat uns dabei immer wieder Mut gemacht: „Bring dein Kind schon in jungen Jahren auf den richtigen Weg, dann hält es sich auch im Alter daran“ (Sprüche 22,6; Hfa).

Unsere älteste Tochter liebt Jesus heute von ganzem Herzen. Sie ist für den Medienbereich einer großen Gemeinde in der Nähe von Atlanta verantwortlich, in der auch ihr Mann als Grafiker tätig ist. Und sie haben uns unsere erste Enkelin geschenkt, Amelia.

Unsere zweite Tochter ist ebenfalls verheiratet und leitet gemeinsam mit ihrem Mann unsere Gemeinde in Orange County. Sie haben einen Sohn, Luca. Meine dritte Tochter studierte in Kalifornien und ist auch im geistlichen Bereich tätig. Unser Sohn steckt noch mitten im Studium und tut das, wozu Gott ihn berufen hat. All dies ist die Frucht davon, dass wir bereit waren, aus Liebe zu unseren Kindern auch Schmerz und Ablehnung zu ertragen.

Als ich dieses Kapitel schrieb, musste ich an die erste Predigt denken, die ich jemals gehalten habe. Ich war damals gerade 20 und sollte in einer kleinen ländlichen Gemeinde vor etwa 50 Menschen sprechen. Während ich zur Kanzel ging, drehte sich mir schier der Magen um, so nervös war ich.

Ich sprach damals über Philipper 3,13-14 (WD):

Ich bin noch nicht am Ziel. Aber eines tue ich: Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich umso mehr nach dem aus, was vor mir liegt. Ich tue wirklich alles, um den Siegespreis zu erringen: in Ewigkeit bei ihm zu sein.

Wenn Sie Ihr Leben leben wollen, müssen Sie die Vergangenheit loslassen und sich nach der Zukunft ausstrecken.

Irgendwie stolperte ich mehr schlecht als recht durch meine Predigt. Aber als ich zum Ende kam, hatte Gott Herzen berührt, und der Altarraum füllte sich mit Menschen.

Der wichtigste Punkt in dieser ersten Predigt war: „Wir müssen uns nicht nur erinnern können. Manchmal müssen wir auch vergessen können.“ Wenn Sie wirklich ein gutes Leben führen wollen, müssen Sie die Vergangenheit loslassen. Sie müssen loslassen, was hinter Ihnen liegt, und sich nach dem ausstrecken, was vor Ihnen liegt. Wenn Sie wirklich so leben wollen, wird Gott Ihnen dabei helfen, sich Schritt für Schritt von Ihrer Vergangenheit zu lösen.

Seltsam, heute, gut 30 Jahre später, schreibe ich dieses Buch unter dem starken Eindruck, dass Gott mir genau diese Botschaft aufs Herz gelegt hat.

Das Leben ist ein Abenteuer in Sachen Vergebung. Immer wieder müssen wir die belastete Vergangenheit loslassen und uns nach der ungeschriebenen Zukunft ausstrecken. Und das können wir nur dadurch tun, dass wir so lieben, als wären wir nie verletzt worden – wenn unsere Liebe stärker ist als unser natürlicher Instinkt, mit Verbitterung und Rache auf Verletzungen zu reagieren.

Sie werden niemals weiterkommen, wenn Sie versuchen, es anderen heimzuzahlen. Wenn man Ihnen Unrecht getan hat, sollte Ihre erste Reaktion darin bestehen, ein schlechtes Gedächtnis zu haben. Wir alle müssen vergessen können.

Haben Sie schon einmal darauf geachtet, wie ein Juwelier seine schönsten Diamanten ausstellt? Er präsentiert sie vor einem schwarzen Samthintergrund. Der Kontrast zwischen den Steinen und dem schwarzen Hintergrund unterstreicht ihren Glanz.

So ist es auch bei Gott: Er vollbringt seine erstaunlichsten Werke da, wo alles hoffnungslos zu sein scheint. Wo immer es Schmerz, Leid und Verzweiflung gibt, ist Jesus gegenwärtig. Es gibt keinen besseren Hintergrund, vor dem der Glanz Jesu erstrahlen könnte.

Ich weiß nicht, was gerade in Ihrem Leben passiert, während Sie diese Zeilen lesen. Aber eines weiß ich: Der Schmerz, den Sie heute spüren, ist der Schmerz, den Sie heilen können.

Ich weiß nicht, wie es ist, süchtig zu sein. Ich weiß nicht, wie sehr es schmerzt, ein Kind zu verlieren. Ich habe nie die Qualen einer Scheidung durchgemacht. Ich kann den Menschen nur das weitergeben, was die Bibel rät, und ihnen anbieten, für sie zu beten. Menschen, die diese Täler durchquert und diesen Schmerz erlebt haben, können jemandem, der dieselbe Not durchmacht, natürlich besser helfen. Aber egal, was bei Ihnen der Fall ist: Was auch immer den Schmerz verursacht hat, unter dem Sie gerade leiden – Gott kann Sie heilen!

Jemand hat einmal gesagt, dass unsere Familie uns die größten Freuden beschert, die das Leben zu bieten hat, aber manchmal auch den größten Kummer. Doch wenn ich mir vor Augen halte, wie schwierig es ist, ein intaktes Familienleben zu führen, und an all die Herausforderungen und Probleme denke, die es zu bewältigen gilt, würde ich eher sagen: Unsere Familie versteht es manchmal wirklich, uns auf die Palme zu bringen. Sie geht uns hin und wieder auf die Nerven. Die Menschen, die wir am meisten lieben, können uns auch am tiefsten verletzen und unser Leben negativ beeinflussen, wenn wir auf diese Verletzungen nicht angemessen reagieren. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Jede Herausforderung birgt auch eine Gelegenheit – und unsere Familie bietet uns die beste Gelegenheit, so lieben zu lernen, als wären wir noch nie verletzt worden.

Kerngedanke

Der Schmerz, den Sie heute spüren, ist der Schmerz, den Sie heilen können.

Kapitel 2

Die Liebe hört nie auf

Viele Christen wissen nicht, wie man das eigene Familienleben konstruktiv gestaltet. In unseren Gemeinden gibt es viele Eltern, die keine enge Beziehung zu ihren Kindern haben. Manche haben noch nie ihre Enkelkinder gesehen. Andere haben seit Jahren keinen Kontakt zu Angehörigen, weil sie sich wegen irgendwelcher Kleinigkeiten zerstritten haben. Und manche Christen haben Familienangehörigen den Rücken gekehrt, weil diese sich für einen anderen Lebensstil entschieden haben.

Irgendwas stimmt hier doch nicht, oder?

Wir wissen einfach nicht, wie wir den anderen lieben sollen – in jeder Situation, zu jeder Zeit. Ja, wir können den anderen lieben, wenn wir einer Meinung sind. Wir können ihn lieben, wenn wir dieselben Standpunkte vertreten. Wir können lieben, wenn wir denselben Lebensstil pflegen. Wir können sogar Fremde lieben oder Menschen, die uns nicht so gut kennen. Aber es ist oft schwer, diejenigen zu lieben, die uns am nächsten stehen. Warum? Weil sie diejenigen sind, die uns auch am meisten verletzen können.

Die Liebe siegt – immer

Als Christen sind wir aufgerufen, anders zu leben. Wir sollten nicht so lieben, wie die Menschen lieben, die Gott nicht kennen – nämlich dann, wenn unsere Erwartungen erfüllt werden oder wenn es sich gut anfühlt. Wir sollten so lieben, wie Gott liebt.

Es gibt nur zwei Themen in der Bibel, die Gott so wichtig sind, dass er ihnen jeweils ein ganzes Kapitel gewidmet hat: den Glauben (Hebräer 11) und die Liebe (1. Korinther 13). Offensichtlich findet Gott den Glauben und die Liebe so wichtig, dass wir auf diesen beiden Pfeilern unser Leben aufbauen sollen.

Gott weiß, dass die Liebe eine mächtige Waffe ist. Wenn er sich unsere Welt anschaut, die sich im Würgegriff des Feindes befindet, dann weiß er, dass der Kampf nicht mit Engeln, prophetischen Worten oder besonders geistlichem Lobpreis zu gewinnen ist. Seine stärkste Waffe ist die Liebe.

Die Liebe ist freundlich. Die Liebe denkt nichts Böses. Die Liebe ist beständig. Die Liebe erträgt alles. Die Liebe gibt nicht auf. Ihr Leben ist erst dann wirklich von der Liebe bestimmt, wenn Sie auch einen Lebensstil der Vergebung pflegen. Wir sehen vielleicht manche Dinge anders als unsere Glaubensgeschwister, aber wenn wir unseren Fokus darauf richten, dass Jesus Christus sein Blut vergossen hat, damit wir mit Gott versöhnt sind, können wir auch eins sein. Wir können einander so lieben, wie Gott uns liebt.

Nachdem Jesus von den Toten auferstanden war, suchte er das Gespräch mit seinem Jünger Simon Petrus. Er stellte ihm dreimal dieselbe Frage: „Simon, liebst du mich?“ Im Deutschen haben wir nur ein Wort für „Liebe“. Im Griechischen jedoch gibt es drei: Erosbezeichnet die sexuelle Liebe. Phileo bedeutet: „Ich fühle mich von dir angezogen. Ich empfinde etwas für dich.“ Aber die höchste Form der Liebe ist agape, womit die göttliche Liebe gemeint ist.

Als Jesus Simon fragte: „Agape du mich? Liebst du mich mit göttlicher Liebe.“, antwortete Simon: „Ich phileo dich (ich empfinde etwas für dich)“. Mit anderen Worten: Seine Art der Liebe entsprach nicht dem Niveau, das Jesus von ihm erwartete.

Jesus fragte noch einmal: „Agape du mich? Empfindest du göttliche Liebe für mich?“ Simon Petrus wurde ein bisschen unwillig und erwiderte: „Ja, Herr, ich phileo dich!“ Beim dritten Mal wird es interessant: „Simon, phileo du mich?“

Mit anderen Worten: Jesus bot ihm das höchste Maß an Liebe an, und als ihm klar wurde, dass Simon Petrus noch nicht so weit war, kam er ihm entgegen. Er begab sich auf seine Ebene. Ich frage mich aber, wie viel Gott für uns tun könnte, wenn wir uns bezüglich unserer Liebe zu ihm auf seine Ebene begeben würden. Wenn wir mehr als nur eine oberflächliche Beziehung zu ihm hätten. Wenn wir zulassen würden, dass er wirklich unser Leben bestimmt.

Ich glaube, dass Gott uns zu einer höheren Form von Liebe beruft.

Liebe ist die Antwort für kaputte Familien. Liebe ist die Antwort für Suchtkranke. Liebe ist die Antwort für zerbrochene Beziehungen. Liebe ist die Antwort für Verletzungen. Liebe ist die Antwort für gebrochene Herzen. Liebe ist die Waffe, die Gräben überwindet und Zerbrochenes heilt.

Was passiert gerade jetzt in Ihrem Leben, das Ihre Fähigkeit zu lieben auf die Probe stellt? Haben Sie entdeckt, dass Ihr Ehepartner Sie betrogen hat? Möchten Sie wieder Kontakt zu Ihrer Tochter aufnehmen, mit der Sie schon seit Monaten nicht gesprochen haben? Hat Ihr Sohn Ihnen gerade erzählt, dass seine Freundin schwanger ist? Leidet Ihr Teenager an einer Sucht, die nicht nur ihn selbst, sondern jedes einzelne Familienmitglied belastet? Hat Ihre erwachsene Tochter Ihnen offenbart, dass sie lesbisch ist und dass ihr die ganze Sache mit Gott gestohlen bleiben kann?

Alle diese Szenarien sind komplex, und jedes birgt seine ganz besonderen Herausforderungen. Aber sie sind real. Sie sind hart. Und sie tun weh.

Liebe ist die Waffe, die Gräben überwindet und Zerbrochenes heilt.

Ich frage mich, was passieren würde, wenn wir beschließen würden: Mit Gottes Hilfe und durch die Kraft, die er uns schenken kann, wollen wir lieben, als wären wir nie verletzt worden. Statt auf diese und ähnliche Herausforderungen mit Liebesentzug, Verbitterung oder Rachsucht zu reagieren, würden wir ihnen mit Liebe begegnen.

Und wie kann uns das gelingen? Ich denke, die folgenden Schlüsselentscheidungen können uns dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen.

Entscheiden Sie sich dafür zu lieben, statt verletzt zu sein.Entscheiden Sie sich dafür, andere zu lieben – immer.Entscheiden Sie sich dafür, den Blick in die Zukunft zu richten.Entscheiden Sie sich dafür, Ihre Verletzungen heilen zu lassen.Entscheiden Sie sich dafür weiterzumachen.

1. Entscheiden Sie sich dafür zu lieben, statt verletzt zu sein

In der Bibel finden wir viele Beispiele für Menschen, die sich dafür entschieden zu lieben, statt verletzt zu sein. Diese Personen waren sich bewusst, dass die Liebe nie an einer Herausforderung scheitert.

Ich denke da an den jungen Josef. Der zweitjüngste von Jakobs zwölf Söhnen war der Lieblingssohn seines Vaters, und jeder in der Familie wusste das. Seine Brüder waren vor Eifersucht zerfressen. Sie hassten Josef so sehr, dass sie kein freundliches Wort mehr mit ihm wechseln konnten (1. Mose 37,4).

Josef hatte eine besondere Gabe: Er konnte Träume deuten. Als er träumte, dass seine Angehörigen sich vor ihm verneigten, musste er das natürlich seinen Brüdern auf die Nase binden, was ihren Hass nur noch verstärkte. Sie wurden so eifersüchtig, dass sie den Plan schmiedeten, ihn umzubringen. Aber Juda, einer der Brüder, schlug vor, Josef nicht zu töten, sondern ihn in die Sklaverei zu verkaufen. Später ließen sie es ihrem Vater gegenüber dann so aussehen, als wäre der arme Junge von einem wilden Tier zerrissen worden.

Denken Sie mal darüber nach: Josef wurde nicht von Fremden verraten. Er wurde von seiner eigenen Familie betrogen. Seine eigenen Blutsverwandten verkauften ihn, als sei er nur ein Stück Vieh.

Vielleicht kennen Sie dieses nagende Gefühl von Hass und Bitterkeit, das durch solche Enttäuschungen hervorgerufen wird, aus eigener Erfahrung. Vielleicht hat ein guter Freund Sie im Stich gelassen, weil er eifersüchtig auf Sie war. Statt Sie zu ermutigen und zu unterstützen, hat dieser Mensch Ihnen den Rücken gekehrt. Ich möchte Sie daran erinnern: Als Josefs Welt zusammenbrach, als alles verloren schien, hielt er dennoch an Gott fest.

Er wurde aus seinem Heimatland verschleppt und einem ägyptischen Beamten am Hof des Pharao verkauft. Dann wurde er fälschlicherweise beschuldigt, dessen Ehefrau vergewaltigt zu haben, und ins Gefängnis geworfen. Dort deutete er die Träume einiger Mitgefangener, und schließlich wurde er zum Pharao gerufen, um einen von dessen Träumen zu deuten. Und dieser Traum war alles andere als gut. Es ging darin um die Botschaft, dass in Ägypten nach sieben Jahren des Wohlstands sieben Jahre lang eine Hungersnot herrschen würde. Josef gab dem ägyptischen Herrscher gleich noch ein paar gute Ratschläge mit auf den Weg und schlug vor, dass dieser jemanden einsetzen solle, der in den sieben guten Jahren Vorräte für die schlechten Zeiten anlegte (1. Mose 41,33-36). Der Pharao war so beeindruckt, dass er Josef zu seinem Stellvertreter ernannte und ihm die Vollmacht über ganz Ägypten übertrug.

Die Tiefe Ihrer Verletzung entscheidet darüber, wie viel Größe Sie zeigen können, wenn Sie vergeben.

Während der Hungersnot kamen Josefs ältere Brüder nach Ägypten, um Getreide zu kaufen. Sie standen vor dem Bruder, den sie verkauft hatten, erkannten ihn aber nicht. Josef war zu diesem Zeitpunkt ein mächtiger Mann. Er hielt die Schlüssel zu den Lebensmittelvorräten der damals bekannten Welt in der Hand. Und vor ihm standen die Angehörigen, die ihn misshandelt hatten und dafür verantwortlich waren, dass er dreizehn Jahre lang als Sklave hatte arbeiten müssen und wegen eines Verbrechens ins Gefängnis gekommen war, das er nicht begangen hatte.

Josef stand nun vor einer Entscheidung. Er konnte ihnen das, was sie ihm angetan hatten, entweder heimzahlen, oder er konnte lieben, als wäre er nie verletzt worden.

Jemand hat einmal gesagt: Die Tiefe Ihrer Verletzung entscheidet darüber, wie viel Größe Sie zeigen können, wenn Sie vergeben. Wenn Sie verletzt worden sind, neigen Sie wahrscheinlich instinktiv dazu zurückzuschlagen. Waren Sie schon mal in einer Situation, in der Sie die Möglichkeit hatten, es jemandem heimzuzahlen? Vielleicht haben Sie es ja getan, vielleicht aber auch nicht. Versuchen Sie doch einmal, sich vorzustellen, was Sie in Josefs Situation getan hätten.

Nach einer ganzen Reihe von Wendungen offenbarte Josef seinen Brüdern schließlich seine wahre Identität. In einem bewegenden Augenblick entschloss er sich, ihnen zu vergeben. Und er erkannte: „Ihr wolltet mir Böses tun, aber Gott hat Gutes daraus entstehen lassen“ (1. Mose 50,20; Hfa).

Damit heilte Josef nicht nur sich selbst, er heilte und rettete seine ganze Familie.

Lieben Sie, als wären Sie noch nie verletzt worden.

Wenn Sie so lieben, als wären Sie noch nie verletzt worden, wird Gott selbst das Schlimmste, das Ihnen angetan wurde, zu seiner Ehre gebrauchen.

Davids Vater hielt nicht sehr viel von ihm. Auf Gottes Anweisung hin war der Prophet Samuel zu ihm gekommen, um den nächsten König von Israel zu salben. Er sagte zu Davids Vater Jesse: „Bring alle deine Söhne heraus. Einer von ihnen wird König werden.“ Davids Vater präsentierte Samuel sieben Söhne. Es kam ihm offenbar überhaupt nicht in den Sinn, ihm auch David vorzustellen.

Dadurch brachte er zum Ausdruck: „David kommt sowieso nicht infrage. Er ist zu klein, zu unwichtig. Er wird es nie zu etwas bringen.“ Vielleicht kommen Ihnen diese Worte bekannt vor. Vielleicht haben Sie sie ja von Ihrem Vater oder Ihrer Mutter gehört? Belastet der Schmerz, den das bei Ihnen ausgelöst hat, noch Ihre gegenwärtigen Beziehungen?

David hätte sich gegen seinen Vater auflehnen können. Er hätte zulassen können, dass dieses Gefühl des Verletztwerdens wieder in ihm hochkam, als er später von anderen verletzt wurde – zum Beispiel von seiner verbitterten Frau Michal, die sich über sein Tanzen lustig machte, oder von seinem Sohn Absalom, der einen Plan schmiedete, um ihn zu ermorden. Gerade die Menschen, die uns am meisten lieben sollten, können uns sehr viele Schmerzen zufügen.

David hätte wütend werden oder es seinen Mitmenschen heimzahlen können, aber das tat er nicht. In der Bibel steht, dass er ein Mann „nach dem Herzen Gottes“ war. Er ließ sich nicht beirren und liebte, als wäre er nie verletzt worden.

Lernen Sie zu lieben, als wären Sie noch nie verletzt worden. Lassen Sie nicht zu, dass Sie verbittert sind. Weigern Sie sich, wütend zu werden. Verzichten Sie darauf, es anderen heimzuzahlen. Wenn Sie auf diese Weise lieben, wird Gott zeigen, wie mächtig er ist. Er wird selbst das Schlimmste, das Ihnen angetan wurde, zu seiner Ehre gebrauchen.

Jesus wurde von einem seiner Jünger verraten. Andere ließen ihn im Stich. Er wurde von römischen Soldaten ausgepeitscht und an ein Kreuz genagelt. Sie stießen einen Speer in seine Seite. Sie setzten ihm eine Dornenkrone auf. Sie stellten das Kreuz aufrecht hin. Sein gesamter Körper bebte vor Schmerzen. Und doch sagte er: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lukas 23,34; Hfa).