Liebe aus Vertrauen - Jannika Lehmann - E-Book

Liebe aus Vertrauen E-Book

Jannika Lehmann

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Beschreibung

Kann sie sich bei ihm fallen lassen und all ihre Sorgen vergessen? Henry und Coco lernen sich bei einem Blinddate kennen. Durch ein Experiment der Universität in Silverstain verbringen sie eine ganze Woche Urlaub miteinander. Doch dies birgt einige Schwierigkeiten. Henry und Coco könnten verschiedener nicht sein. Henry, der coole Typ, der sich niemals binden möchte, hält Coco für langweilig. Doch dann stellt sich durch einen ungewöhnlichen Zufall das Gegenteil heraus, und die beiden beginnen sich auf neckische Weise sympathisch zu finden…

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www.tredition.de

Jannika Lehmann

Liebe aus Vertrauen

JANNIKA LEHMANN

Liebe aus Vertrauen

Roman

www.tredition.de

© 2022 Jannika Lehmann

ISBN Softcover: 978-3-347-57642-1

ISBN E-Book: 978-3-347-57643-8

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Für ALLE

Besonders für alle, die sich zwischen den Zeilen dieser Geschichte wiederfinden.

Play list

Team - Lorde

Circle the drain - Soccer Mommy

Do It Right - Martin Solveig, Tkay Maidza No Lie - Sean Paul, Dua Lipa

Be The One - Dua Lipa Fly Away - Lenny Kravitz

La Passion - Gigi D'Agostino Strip That Down - Liam Payne, Quavo I See Red - Everybody Loves an Outlaw

Howling At The Moon - Milow Heatwave (feat. Akon) - Robin Schulz, Akon

Dark Room - Michele Morrone Solo Dance - Martin Jensen

Prolog

Henry

Ich leite mit meinem Vater unsere Hauptfiliale des Fitnessstudios Morton. Seit seinem Herzinfarkt vor einem halben Jahr muss ich immer mehr mit anpacken und werde vor allem bei Bürokram miteingespannt. Ich mag es, trainieren zu gehen und sich auszupowern. Doch immer, wenn ich im Büro sitze und mich gedanklich in Bilanzen eindenken muss, fühle ich mich fehl am Platz. Ich bin definitiv kein guter Leiter eines Fitnessstudios. Mein Vater kommandiert mich herum, als wäre ich sein Butler höchstpersönlich und vergisst dabei, dass ich in spätestens zwei Jahren dieses Geschäft mit allem Drum und Dran alleine schmeißen muss. Ehrlich gesagt macht mir das Angst. Denn spätestens dann muss ich mein geliebtes Leben ohne Verpflichtungen aufgeben und mich voll und ganz der Arbeit widmen. Anzug tragen, zu allen Geschäftsessen erscheinen und immer schön allen Anforderungen meines Vaters entsprechen. Schon seit dem Kindergarten ist mein Leben darauf ausgelegt. Nicht umsonst war ich extra in einem Fitnesskindergarten. Fitnesskindergarten. Wie verrückt ist die Welt bitte?

Bevor diese Zeit meine Realität werden soll, in der ich zum richtigen Geschäftsleiter der großen Studiokette meines Vaters werde, habe ich mir vorgenommen noch einmal etwas Verrücktes zu unternehmen und damit meine ich keinen Fitnesskindergarten.

Eigentlich bin ich kein Typ, der alles plant. Ich liebe es, ohne Acht auf Konsequenzen einfach drauf los zu leben, doch bei dieser Sache ist ein wenig Planung nicht schlecht. Schließlich ist es meine letzte verrückte Reise, die mir auf jeden Fall mein Leben lang in meinem Gedächtnis bleiben soll. Ich will, wenn ich mit teuflischen Bilanzen in dem ungemütlichen Bürostuhl quälen muss, genau daran denken. Und da ich schon ziemlich viel Verrücktes ausprobiert habe, muss diese Reise alles andere übertreffen.

Ich erinnere mich gerne an all meine Partyreisen. Da waren einmal die Reisen, bei denen ich betrunken heiße Ladys abgeschleppt habe. Oder die, bei denen ich mit einem Motocross Bike über eine Felsküste gerast bin. Oder da waren die Partyreisen, bei denen ich einfach nur eine Klippe ins Wasser hinuntergesprungen bin. Die Liste ist wirklich lang und ich kann ohne sie nicht all meine Partyreisen überhaupt nur aufzählen.

1.

Henry

Und du meinst ein Reisebüro ist das Richtige?«, fragt Jason skeptisch, mit

dem ich gerade das Geschäft mit der dicksten Glastüre der Stadt ansteuere.

»Ja. So eine Reise muss professionell geplant sein.« Zugegebenermaßen bin ich über meine Sichtweise selber überrascht.

Jason lacht amüsiert und drückt die Türe auf. Da er wie ich auch in dem Fitnesskindergarten war und immer noch trainieren geht, ist das für ihn eine Leichtigkeit. »Du und planen. Das passt genauso wenig wie Schnecken in der Wüste.« Da kommt wieder der Biologe aus ihm heraus und das kann ich nicht leiden. Nur weil Jason Biologie studiert, heißt das noch lange nicht, dass er immer alles besser weiß.

»Guten Tag.« Eine kleine Frau lächelt mich übertrieben an und will mir die Hand geben. Man soll den Leuten ja immer in die Augen sehen, doch in diesem Fall ist das ziemlich schwer. Ihre üppige Oberweite scheint jeden Moment aus dem weit ausgeschnittenen Kleid zu fallen und ich muss mir Mühe geben, nicht zu starren. Schließlich will ich hier meine Partyreise planen und nicht gleich wieder rausgeschmissen werden.

Ich gebe ihr schließlich auch meine Hand und setze mich auf einen der beiden Stühle. Jason nimmt auf dem anderen neben mir Platz. Die Frau strahlt uns von der anderen Tischseite entgegen und öffnet ihren Laptop. »Was kann ich für Sie tun?«, fragt sie schließlich und nimmt sich einen kleinen Post-It-Block aus dem kleinen Ständer auf dem Schrank neben ihr. »Ich würde gerne eine absurde Reise unternehmen.«

»Wo habe ich denn meinen Stift hin?« Die Frau dreht ihren Kopf suchend nach rechts und links.

Ich weiß ganz genau, wo sich der Stift befindet und will es ihr eigentlich auch sagen, um endlich zum Planen meiner Reise zu kommen. Dennoch zögere ich den Moment ein wenig heraus, denn es ist einfach zu lustig ihr dabei zuzusehen, wie sie den Stift hilflos sucht. Die Frau hat ihre großen Brüste auf dem Tisch abgelegt und darunter befindet sich der Stift. Langsam tut sie mir leid und ich muss sowieso aufpassen, dass ich nicht anfange zu lachen. Also will ich ihr mal aus ihrer Hilflosigkeit hinaushelfen. »Schauen Sie doch mal unter ihrem Busen nach«, meine ich und unterdrücke gerade noch einen Lacher. Obwohl sie ihre Haut mit tonnenweise Make-Up zugekleistert hat, kann ich erkennen, wie sich ihre Hautfarbe vor lauter Scham rot färbt.

»Also eine absurde Reise.«, setzt sie räuspernd an und wischt sich angestrengt über die Stirn. »Was stellen Sie sich denn darunter vor, Mr…?«

»Morton. Henry Morton.«

»Mister Morton.« Normalerweise stutzen die meisten Leute bei meinem Nachnamen Morton, da es unzählig viele Fitnessstudios gibt, die so heißen und allesamt meinem Vater und in gewisser Weise auch mir gehören. Doch diese Dame weiß vielleicht noch nicht mal, wie ein Studio von innen aussieht, also kann sie auch nicht wissen, dass ich der zweite Geschäftsleiter der großen Studiokette Morton bin. Na ja, zugegebenenmaßen gestaltet sich ein Training mit solch einer Oberweite recht schwierig. Ich muss mir ziemlich viel Mühe geben, nicht andauernd an Brüste denken zu müssen. »Einfach eine außergewöhnliche Reise. Nicht diese Durchschnittsreise, bei der man dreimal am Tag im Speisesaal aufkreuzen muss und ansonsten wie ein Hühnchen in der Sonne brät. Da soll schon mehr passieren. Ein Adrenalinkick wäre nicht schlecht.« Ich konzentriere mich wieder auf das Wesentliche.

Sie macht sich Notizen auf dem Post-It-Zettel und sieht danach konzentriert in ihren PC. »Wir haben ein recht gutes Hotel mit einer tollen Wasserrutsche im Angebot«, schlägt sie vor und diesmal ist es Jason, der sich mit dem Lachen zurückhalten muss.

Er weiß, dass eine popelige Wasserrutsche im Gegensatz zu meinen letzten Reisen nichts ist.

»Sie wissen schon, dass mein Freund fünfundzwanzig ist und nicht fünf«, gibt Jason amüsiert zu bedenken und ich sehe, wie die Frau am liebsten im Boden versinken würde.

Die Ärmste, wollen wir mal nicht so fies zu ihr sein. »Das ist sehr lieb, aber ich brauche wirklich etwas extrem Außergewöhnliches«, sage ich möglichst nett, sodass die Hautfarbe der Frau endlich wieder normal wird.

Sie nickt schnell und wendet ihren Blick wieder dem PC zu. Es dauert ein Weilchen, bis sie wieder zu mir schaut. »Na ja. Ich hätte da schon eine Reise im Angebot. Aber ich weiß nicht, ob das etwas für Sie wäre. Es ist nämlich ziemlich speziell.«

Ich setzte mich gespannt auf und versuche sie zum Weiterreden zu animieren. »Und?«

»Es ist eine Art Blinddate. Sie fliegen auf eine Insel im Süden und beziehen dort für eine Woche Ihr eigenes Hotelzimmer. Sie werden dann viele Aktivitäten mit einer netten Dame machen, die in Ihrem Alter sein wird. Nach diesem Urlaub werden Sie zu diesem Experiment befragt. Es ist eine Art Versuch einer Universität. Und ganz genau deshalb ist die Reise auch kostengünstig, da sie von der Universität Silverstain subventioniert wird.«

Irgendwie klingt es nicht so berauschend eine Reise zu machen, die von einer Universität zu Forschungszwecken finanziert wird, zumal ich genug Geld hätte, mir meine eigene Reise selber zu bezahlen. Aber da es wahrscheinlich sehr schwierig wird, eine Reise zu finden, die alle anderen in den Schatten stellen könnte, willige ich schließlich ein. »Okay. Das hört sich doch gar nicht mal so schlecht an. Wann soll diese Reise stattfinden?«

»In fünf Tagen. Die nette Frau in ihrem Alter haben wir dafür schon gefunden.«

Na, das klingt ja interessant.

»Darf ich erfahren, wer sie ist?«, frage ich neugierig.

Doch die Frau des Reisebüros schüttelt den Kopf und meint: »Nein. Sie werden die junge Dame erst auf der Insel kennenlernen, da sonst das Experiment keinen Sinn machen würde.«

»Egal. Ich nehme die Reise«, sage ich und klatsche kraftvoll auf die Tischplatte, woraufhin die Frau kurz zusammenzuckt.

»Dann unterscheiben Sie bitte noch diese Unterlagen, dann ist Ihre Reise gebongt.« Die Frau zieht ein paar Papiere aus einer Ablage auf dem Schrank neben ihr, die ich schnell unterschreibe.

***

»Na, mein Sohn! Was gibt's?«, fragt mich mein Vater zu Hause, als ich an seiner Bürotür klopfe, die sowieso schon offensteht. Ich weiß ganz genau, dass mein Vater es hasst, wenn ich einfach so hereinplatze, deshalb klopfe ich immer an. »Ich wollte fragen, ob ich in fünf Tagen bitte Urlaub bekommen könnte.«

Seine Mimik verändert sich augenblicklich. Es bilden sich nachdenkliche Falten auf seiner Stirn, die sich schnell als Zornfalten ausweisen. »Du willst die Geschäftsleitung übernehmen. Da kannst du nicht ständig Urlaub haben!« Er schlägt wütend mit der flachen Hand auf den Tisch.

»Wer spricht denn hier von wollen?«, lache ich.

»Das ist mir egal, von was wir hier sprechen. Es steht nur ganz klar fest, dass du keinen Urlaub bekommst. Du wirst sonst noch den Ruf unserer Studios ruinieren.«

Jetzt sind wir wieder bei demselben Thema wie sonst auch. Wir diskutieren immer und immer über denselben Quatsch und schaffen es, auf keinen grünen Zweig zu kommen. Mein Vater ist auch unfassbar stur. Doch einen Trumpf habe ich noch auf Lager, der ihn doch noch überzeugen könnte. »Dieser Urlaub wird von der Universität in Silverstain finanziert, da er Forschungszwecken dient.«

Mein Vater guckt immer noch ziemlich skeptisch, aber seine Wut hat sich zum Glück in Luft aufgelöst. Also habe ich doch noch eine Chance?

»Also keinen Urlaub voller Alkoholexzesse?«

Ob ich keinen Alkohol anrühren werde, weiß ich nicht so genau, denn das hängt von der Lady ab, die ich dort treffen werde. Hoffentlich ist es nicht so eine wie die Frau im Reisebüro, sonst kann es tatsächlich passieren, dass ich mich ohne Alkohol und Spaß in meinem Hotelzimmer einsperre.

»Ganz sicher«, bestätige ich, auch wenn mein Innerstes nach etwas anderem schreit. Spaß ohne Alkohol geht gar nicht.

»Na gut, mein Junge. Dann bin ich mal nicht so und werde dir eine Woche Urlaub geben. Ich erwarte dafür natürlich auch danach volle Motivation bei der Arbeit.«

Ich nicke schnell und will flüchten, bevor er es sich noch anders überlegt. Jedoch hält mich mein Vater zurück und möchte auf Nummer sicher gehen. »Hast du mich verstanden?«

Wieder nicke ich.

»Was erwarte ich von dir nach deinem Forschungsurlaub?« Forschungsurlaub. Hoffentlich wird der Urlaub nicht so schrecklich, wie das Wort klingt. Ich will schon meinen Spaß, sonst könnte ich mir das ganze unangenehme Prozedere mit meinem Vater hier sparen. »Vollste Motivation beim Job«, versuche ich es abzukürzen.

Mein Vater sieht mir eindringlich in die Augen. »Job? Das wird dein Leben sein. Nicht nur irgendwie so ein Ding, was man nebenbei tut. Stelle dich darauf ein.«

Damit lässt er mich gehen und ich beginne mich auf meinen Urlaub zu freuen. Endlich wieder raus aus diesem Trott hier im Büro. Fitnessstudio schön und gut. Einer meiner Lieblingsorte, doch wenn man eines leitet, verfolgt dich das Büro überall hin mit und das hasse ich wie die Pest. Ich bin einfach nicht so der Typ fürs Büro.

2.

Coco

Bei solchen Menschen wie Ihnen würde ich eigentlich einen Badeanzug empfehlen«, meint die Verkäuferin des Bademodenladens kritisch.

Wieso zum Teufel kann ich nicht einfach das tragen, was mir gefällt? Und da muss mir erst recht keine ungebildete Verkäuferin reinreden. »Zu welcher Kategorie Mensch gehöre ich denn?«, fordere ich die Verkäuferin empört heraus und stehe in meinen Bikini selbstbewusst vor ihr.

»Na ja. Sie sind ja nicht gerade die dünnste«, sagt sie spitz.

»Was erlauben Sie sich! Ich sehe zumindest nicht so aus wie Sie.« Ich werde rot vor Wut und reiße ihr den Badeanzug aus der Hand und werfe ihn auf den Boden. Direkt vor die Füße der Verkäuferin.

»Werden Sie mal nicht unfreundlich. Ich mache schon Jahre lang Sport.« Die Verkäuferin stemmt ihre Hände in die Hüftknochen, die übertrieben stark herausgucken, als hätte sie tagelang nichts gegessen.

»Sie sehen aber nach etwas anderem aus«, sage ich und zeige auf ihre spindeldürren Arme. Sie schnappt daraufhin nach Luft und weiß nicht mehr, was sie sagen soll. Und das ist gut so, denn Unverschämtheiten muss ich mir nicht gefallen lassen. Ich verschwinde wieder in der Umkleidekabine und lasse die Frau alleine stehen, ohne sie auch nur noch eines Blickes zu würdigen. Dann betrachte ich mich stolz im Spiegel. Ich mag meinen Körper. Es schauen nicht an jeder Stelle irgendwelche Knochen heraus. Stattdessen zeichnen mich Muskeln, die viel harte Arbeit voraussagen.

Nach einer Weile ziehe ich meine normalen Klamotten an, um den Bikini an der Kasse zu bezahlen. Zum Glück steht dort nicht die dämliche Verkäuferin von gerade eben, sondern ein junger Mann, der mir lächelnd das Wechselgeld passend rausgibt und mir einen schönen Tag wünscht.

Draußen ist das Wetter frühlingshaft und es hüpfen viele singende Vögel in dem Bäumen herum. Fröhlich über meinen hübschen Bikini gehe ich zu der nächstgelegenen U-Bahnstation, wo ich gerade noch die Bahn bekomme, ohne lange warten zu müssen. Die U-Bahn ist für diese Uhrzeit am Spätnachmittag erstaunlich leer und ich habe eine große Auswahl an Sitzplätzen. Schließlich entscheide ich mich für einen Platz am Fenster, auch wenn man keine tolle Aussicht hat. Nur eine graue Betonwand zieht so schnell vor meinen Augen vorbei, dass man rasch Augenschmerzen bei längerem Hinschauen bekommt.

Zum Glück muss ich sowieso nicht lange fahren, bis ich in dem Stadtteil meiner Wohnung bin. Ich hüpfe auf den zugigen Bahnsteig, stoße fast mit einer alten Dame mit grauen Haaren zusammen und begebe mich auf Tageslichthöhe. Im Untergrund der Stadt war es so dämmrig, dass mich nur die Nachmittagssonne auf der Haut kitzelt und ich mir schnell meine Sonnenbrille von den Haaren auf die Nase ziehe, um überhaupt die Autos sehen zu können. Ich muss nur einmal die Straße überqueren, bis ich vor dem großen Wolkenkratzer stehe, in dem sich meine Wohnung befindet. Es ist eine WG mit einem Pärchen zusammen. Eigentlich würde ich sehr gerne eine eigene Wohnung haben, doch mir fehlt das Geld und der passende Partner dafür. Aber damit werde ich mich nicht nächste Woche beschäftigen, denn schließlich werde ich in den Urlaub fahren. Seit gestern steht fest, dass ich für eine Woche auf eine Insel fliegen werde. Urlaub ist übertrieben zu sagen, denn genauer gesagt lasse ich mich auf ein Blinddate ein. Erst war ich gar nicht begeistert, doch Maria, meine WG-Mitbewohnerin war überzeugt, dass ich dort eine außergewöhnliche Bekanntschaft machen werde. Und mittlerweile freue ich mich darauf und stecke mitten im Pack-Stress. Aber einen Punkt auf meiner To-Do-List kann ich abhaken: Bikini kaufen.

Auch wenn es erst in fünf Tagen los geht, kann ich es nicht lassen, rechtzeitig zu packen, denn ich bin bekannt dafür, am Ende die Hälfte zu vergessen. Ich verliere auch schnell mal den Überblick bei meiner großen Sammlung an Klamotten, aber mein Herz schlägt einfach für Mode und da kann ich auch nicht so einfach auf die minimalistische Schiene springen. In meiner Jugend habe ich sogar gemodelt, doch als mir gesagt wurde, dass in der Modebranche eher dünne Models gesucht werden, habe ich es schließlich aufgegeben. Im Nachhinein regt mich das auf, denn eigentlich hätte ich genau deshalb weiter machen sollen, um es allen zu zeigen und sie vom Gegenteil zu überzeugen. Wie auch immer, meine Schwäche für Mode, insbesondere außergewöhnliche Mode wächst stetig und mein Kleiderschank droht in meinem kleinen WG-Zimmer zu platzen.

»Hey, Maria und John«, rufe ich, als ich die Wohnungstüre aufschließe. Doch ich bekomme keine Antwort und vermute deshalb, dass sie nicht zu Hause sind. Als ich jedoch in dem Türrahmen der Küche erscheine, weiß ich warum ich keine Antwort bekommen habe. Und nicht, weil keiner zu Hause ist. Die beiden sind sehr wohl zu Hause, doch sehr mit dem Gegenüber beschäftigt.

Wieder und wieder entfernen sich ihre Lippen voneinander, um in der nächsten Sekunde wieder aufeinander zu prallen. Anscheinend haben sie mich nicht bemerkt, denn sie zeigen keine Reaktion.

»Erst die Küche aufräumen«, witzele ich herum, um die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken.

Die beiden schrecken kurz auseinander, nicken mir kurz zu und tänzeln küssend aus der Küche. Na toll, jetzt bin ich mit dem Chaos hier alleine beschäftigt. Der Herd und sogar die Wand ist voller Tomatensoßenspritzern und überall sind Nudeln verteilt. Töpfe und Pfannen blockieren die Arbeitsfläche und leere Nudelverpackungen fliegen herum. Ich entscheide mich seufzend einfach nur für einen Joghurt, um Maria und John ihr eigenes Chaos zu überlassen.

Mit dem Joghurt und einem Löffel verziehe ich mich in meinem Zimmer. Dort esse ich schnell, um mich dann dem weiteren Packen zu widmen. Stolz über das schöne Fundstück an Bikini stecke ich es zu meiner Unterwäsche in den XXL-Koffer. Wetter und alles weitere auf der Insel habe ich gecheckt, doch eines kann ich nicht. Ich kann nicht wissen, auf wen ich dort treffen werde. Ich weiß leider nicht, wer der Typ ist, mit dem ich Dates haben werde. Das erschwert mir das Packen immens und ich muss doppelt so viel mitnehmen, was leider schon bei der Unterwäsche beginnt. Neben ein paar gewöhnlichen Baumwoll-Schlüpfern steckt in meinem Koffer meine dunkelrote Lieblingsreizwäsche. Nur an Bikinis bin ich spärlich ausgerüstet. Ich habe nur einen. Den brauche ich nicht in doppelter Ausführung, denn egal ob Wasserrutsche, Sonnenbaden oder Klippenspringen, der sitzt an meiner Haut wie angepasst. Schnell bricht die Müdigkeit herein und ich kuschele mich halb nackt in mein Bett. Doch anders als erwartet kann ich nicht schnell einschlafen. Da meine Zimmerwand, an der mein Queen - Size - Bett steht, nicht gerade schalldicht ist, kann ich oftmals Geräusche aus dem Flur und Treppenhaus hören. Und genau an diesem Abend hält mich der Lärm von Betrunkenen vom Schlaf ab, die grölend über den Flur laufen. Entweder ich esse noch ein Joghurt als Zeitvertreib, bis der Lärm verstummt oder ich stecke mir ein paar Ohrenstöpsel in meine Ohren.

Ich entscheide mich für die Ohrenstöpsel.

***

Am Morgen wache ich verschlafen auf und staune über die pikobello aufgeräumte Küche. Ich schnappe mir wieder einen Joghurt aus dem Kühlschrank, dass mir, schneller als ich gucken kann, aus der Hand rutscht und auf die Kante der Küchentheke knallt. Dadurch platzt es auf und überall fliegen Joghurtspritzer auf den Boden und die Küchenschränke. Aus vom Traum einer sauberen Küche. Hastig schnappe ich mir einen Lappen, bevor Maria oder John etwas von meinem Unglück mitbekommen. Ich will nicht, dass ich ihre Aufräumarbeiten von der einen auf die andere Sekunde zerstören. Doch das ist schon zu spät. Maria steht in Unterwäsche im Türrahmen und meint gähnend: »Guten Morgen.«

»Guten Morgen? Joghurt Morgen«, stöhne ich genervt und versuche keinen Fleck auszulassen. Warum muss ich auch immer Joghurt essen? Mit einer Banane oder einem Brot wäre mir das sicher nicht passiert. Leider bin ich nun schon seit meiner Kindheit ein echter Joghurt-Junkie und das lässt sich auch nicht so schnell ändern.

Marias Gesichtsausdruck wechselt von müde zu entsetzt. »Coco, wie konnte das denn passieren?«

»Einfach so«, entgegne ich nüchtern und wasche den Lappen aus, um schnell wieder zu verschwinden. Früher dachte ich immer, ein kompletter WG-Mensch zu sein, doch mittlerweile weiß ich, dass dem nicht so ist. Ich sehne mich nach einer eigenen Wohnung mit Privatsphäre. Ich hätte auch nichts dagegen, mir eine Wohnung mit einem gutaussehenden Typen zu teilen. Doch diese fallen nun mal nicht vom Himmel. Ich hätte gerne eine feste Beziehung. Allerdings bin ich weit davon entfernt. Immer wenn ich kurz davor bin, jemanden kennenzulernen, stellt es sich heraus, dass er ein absoluter Vollidiot ist oder dass er mich langweilig und auch meistens zu dick findet. Also gehen wir dann immer getrennte Wege, bevor wir uns überhaupt richtig kennengelernt haben. Meine Begegnungen laufen meistens nach diesem Schema ab. Leider. Es gibt zwar für alles Mögliche irgendwelche Kurse, doch dafür nicht. Vielleicht sollte ich die Chance dieser Marktlücke ergreifen und Millionär werden? Lieber Millionär als gar nichts, denke ich mir spaßeshalber und nehme mir schnell ein zweites Joghurt aus dem Kühlschrank, mit dem ich dann in meinem Zimmer verschwinde.

Ich habe ein Joghurt mit Erdbeergeschmack gegriffen. Eigentlich mag ich diese Sorte sehr. Doch als ich vor ein paar Tagen in einer Zeitschrift gelesen habe, dass in dem Joghurt kleine Bakterien herumwuseln und aus deren Pupsen der Erdbeergeschmack entsteht, ekelt mich dieser Joghurt an. Da ich aber auch zu faul bin, den Becher gegen eine andere Sorte einzutauschen, entscheide ich mich für einen Fitnessriegel, den ich aus meiner Handtasche fische. Dieser war eigentlich für Hungernotfälle gedacht. Aber in gewisser Weise befinde ich mich in einem Hungernotfall. Nur eben bedingt durch meine morgendliche Faulheit.

Nachdem ich mein Frühstück verputzt habe, kommt Maria in mein Zimmer. Ich verdrehe die Augen. Ich bin nicht genervt von der Tatsache, dass sie zu mir kommt, sondern von etwas, das sie nie macht, obwohl ich sie jedes Mal aufs Neue ermahne. »Schon mal was von Anklopfen gehört?«

»Sorry«, murmelt sie und lässt sich auf mein Bett fallen. »Na? Schon alles gepackt«, will sie wissen.

»Bin noch dran.« Ich schließe schnell meinen großen Kleiderschrank, damit sie die Unordnung darin nicht entdeckt. Sie hat nämlich einen Ordnungsfimmel, auch wenn die Küche gestern Abend einen anderen Anschein hinterlassen hat.

»Sicher?«, hakt sie nach.

»Ja. Wieso so kritisch?«

»In deinen Koffer passt doch nicht mal mehr ein Hauch Luft hinein«, meint sie mit einem Nicken auf das Chaos, dass aus dem aufgeklappten Koffer quillt. »Ach, das stimmt nicht. Mit ein wenig Quetschen bekomme ich sicher das Doppelte hinein«, meine ich optimistisch und zweifle an meiner eigenen Aussage.

»Meinst du nicht, es wäre besser, wenn ich dir ein wenig zur Hand gehe?« Ohne, dass ich die Chance habe zu verneinen, schaufelt Maria schon alle Sachen aus dem Koffer, um sie dann wieder ordentlich gefaltet hinein zu legen. Ich zögere kurz, ob ich dazwischen gehen soll. Aber eigentlich sollte ich mich freuen, denn so habe ich später weniger Arbeit. Mit der freigeschaufelten Zeit mache ich mich daran, einen neuen Artikel in meinen Ernährungsund Sportblog zuschreiben. Ich führe diesen seit ungefähr einem Jahr, obwohl ich ihn nur mal so als Spaß an einem Abend im angetrunkenen Zustand begonnen habe. Es lief unerwartet gut und schon bald habe ich lukrative Kooperationen angeboten bekommen, die ich nicht abschlagen wollte. Wer lehnt schon ein wenig zusätzliches Geld ab?

Ein Blick auf meine Artikel-Scheib-Liste reicht, um wieder neue Ideen aufzufrischen. Neue Ideen für meinen neuen Artikel. Sport im Alltag. So wird die Überschrift lauten.

Es wird der letzte Artikel vor meinem Urlaub auf der Insel mit einem völlig fremden Mann sein, also versuche ich ihn besonders schön zu formulieren, damit mich dann auf der Insel nicht das schlechte Gewissen plagt, den Artikel nicht schöner geschrieben zu haben.

»Fertig«, rufen Maria und ich gleichzeitig und wir schauen einander an. Sie hat den ganzen Kofferinhalt so akurat gefaltet, dass es aussieht als hätte es eine Maschine gemacht. Sie ist einfach eine Aufräummaschine. Nur eben nicht, wenn es geradewegs mit ihrem Freund ins Bett geht.

»Danke fürs Helfen«, meine ich, als sie sich schon wieder zu ihrem Schatzi John begeben will. Manchmal muss ich zugeben, dass ich auf John eifersüchtig bin, denn Maria ist meine einzige Freundin. Und das schon seit dem Kindergarten. Seit John mit in unserer WG wohnt, verbringt sie viel weniger Zeit mit mir. Nicht, dass ich ihr John nicht als Freund gönnen würde, aber sie könnte tatsächlich mehr mit mir unternehmen. »Nichts zu danken.« Dann fällt meine Zimmertüre ins Schloss und ich bin wieder alleine. Oft musste ich mir anhören: Such dir doch Freunde. Doch das ist für mich alles andere als einfach, denn ich habe ein Problem, Menschen zu vertrauen. Das überträgt sich leider auch auf Dates.

Deshalb liege ich jede Nacht alleine da. Auf One-Night-Stands stehe ich nicht so. Wie soll man einem Typen für eine Nacht bitte vertrauen, wenn man weiß, dass dieser eh nur Sex aus ist.

Ich hoffe ja zutiefst, dass ich nicht auf so einen bei dem Blinddate treffen werde. Dann werde ich mich wohl mehr oder weniger in meinem Hotelzimmer einschließen müssen.

Schnell hänge ich alle Gedanken an den Haken, um vorurteilslos schon in vier Tagen wegfliegen zu können. Gott, bin ich aufgeregt! Es ist schließlich eine ganz andere Art Urlaub zu machen. Aber ich liebe Überraschungen!

3.

Henry

Tauben sollten alle kleine Kopfhörer tragen. Dann würde das Nicken mit ihren Köpfen beim Gehen viel cooler rüberkommen.

Während ich in einem ziemlich schicken Café mit meinem Vater sitze, lasse ich mich ungewollt von diesen Tieren ablenken.

»Henry! Erde an Henry.« Mein Vater räuspert sich, weswegen ich ihn wieder ansehe. »Wieso beobachtest du die ganze Zeit diese dreckigen Tiere?«

Ich zucke mit meinen Schultern. »Weiß nicht«, murmele ich abwesend. Ich habe keine Lust mit meinem Vater essen zu gehen, um geschäftliche Dinge zu besprechen. Immerhin sitzen wir nicht in seinem muffigen Büro, sondern an der frischen Luft in diesem edlen Café in der Innenstadt von Silverstain. Nur leider halte ich nicht viel von edlen Cafés. Da habe ich die ganze Zeit das Gefühl, alles richtig machen zu müssen. Vom richtigen Sitzen bis hin zum korrekten Halten einer Kaffeetasse. Das Spektrum von Regeln, auf das man achten muss, ist groß. Also von einem entspannten Besprechen kann nicht die Rede sein, auch wenn mein Vater das so betont.

»Früher als du klein warst, bist du diesen Vögeln hinterhergerannt und hast dich aufgeregt, wenn sie schließlich weggeflogen sind«, meint er und nimmt einen Schluck Kaffee aus der kleinen Tasse.

Ehrlich gesagt würde ich jetzt auch lieber Tauben jagen, als diesen aus Langweile zuzusehen. Doch dadurch würde ich nur belustigte Blicke auf mich ziehen. Und in den Schlagzeilen der Boulevardzeitungen würde stehe: Sohn des Geschäftsführers Morton jagt in der Innenstadt Tauben.

Diese Peinlichkeit möchte ich mir in jedem Fall ersparen. Da sterbe ich hier lieber vor Langweile. Mein Vater schwafelt irgendetwas von neuen Geräten kaufen und Bilanzen aufstellen. Aber ich höre schon gar nicht mehr zu und bin einfach nur froh, bald in den Urlaub fahren zu können.

Als mich eine Bedienung unsanft anstößt, habe ich das Gefühl, wenn Gewalt erlaubt wäre, recht schnell am Ohrfeigenbaum gebaut zu sein. Ich hätte große Lust jedem eine zu geben, so sehr bin ich gereizt von all dem ganzen Büro-Muff meines Vaters. Bilanzen und alles weitere Bürolastige verfolgt mich vom Frühstückstisch bis zum Bettgehen.

»Mein Sohn. So geht das nicht weiter mit dir. Wir gehen jetzt. Hoffentlich bist du nach deinem Forschungsurlaub wieder ganz bei der Sache.« Er bezahlt und steht auf. Um die Ecke hat er sein Auto geparkt, in das wir einsteigen ohne zu reden. Ich wüsste auch nicht, was wir noch zu reden haben. Ich habe meinen gewünschten Urlaub bekommen und er hofft darauf, mich danach mit vollster Motivation bei der Arbeit zu sehen. Versprechen kann ich das allerdings nicht. Das kommt ganz auf das Blinddate an. Beziehungsweise eher auf die Frau, die ich dort kennenlernen werde.

Zu Hause öffnet sich das Tor zu unserem großen Grundstück von selbst, als der Sensor unser Auto erkennt. Wir fahren vor die Haustür und ich steige eilig aus, denn vor der Tür steht Jason. Hatten wir uns verabredet?

»Hey, was machst du denn hier?«, frage ich und klopfe ihm auf die Schulter. »Haben wir eine bestimmte Uhrzeit ausgemacht?«

»Nein. Man wird doch wohl auch mal unangekündigt kommen dürfen. Bei dir ist sowieso immer aufgeräumt.« Aufgeräumt stimmt nicht ganz. Eher geputzt. Dafür ist ja die liebe Rosie, unsere Reinigungskraft, zuständig. Ob es ordentlich ist, kommt ganz drauf an, wie ich gelaunt bin. Ich habe nämlich beschlossen nur in bester Laune aufzuräumen.

»Jaja, schon gut.« Rosie öffnet uns die Tür und mein Vater begrüßt nur kurz Jason, dann verzieht er sich wieder in sein Büro. Klassiker. Er kann das Arbeiten nicht lassen.

Jason und ich begeben uns in meine Etage. Sie hat stolze zweihundert Quadratmeter und gehört mir ganz alleine, oder mal ab und zu einem heißen One-Night-Stand. Aber wirklich nur für eine Nacht. Ich kann einfach keine längerfristigen Beziehungen führen. Und sowieso nicht, wenn es aufs Heiraten hinauslaufen würde. Gegen Hochzeiten habe ich nichts, solange ich nur der Gast bin, aber ich und heiraten passt einfach nicht.

Jason zieht mich in den Barbereich, in dem wir schon so einige Partys gefeiert haben. Der Blick in das leere Getränkeregal schreit nach Nachschub an Whiskey und weiteren Getränken. Jasons Gesichtsausdruck sagt mir aber, dass er sowieso nicht zum Feiern hier ist. »Sag, was machst du hier?«

Er zieht seine Basecap vom Kopf und fährt sich mit seinen Händen durch das dunkelblonde Haar. Jason ist der einzige Mensch, den ich kenne, der alle möglichen Kappen sammelt. Er hat dafür sogar ein extra Zimmer. Naja, jeder hat eben so seine Macken. Bei mir sind es Autos und das Reisen.

»Ich wollte nur kontrollieren, ob du auch genügend Kondome in deinen Koffer gepackt hast«, lacht er und nimmt sich ein Glas aus dem Regal, das er mit eiskaltem Wasser aus meinem Frosterkühlschrank füllt.

»Ich habe noch gar nichts gepackt.« Ich bin eher der spontane Typ, weshalb ich auch immer erst einen Tag vor Abreise packe. Und da denke ich nicht als erstes an Kondome. Aber Jason ist eher der Ich-Gehe-Mal-Lieber-Auf-Nummer-Sicher-Typ.

»Dann wird es ja Zeit«, meint er und nimmt einen Schluck von dem eisgekühlten Wasser.

»Ach ja, ich habe da noch was für dich.«

»Ach ja?« Ich ziehe meine Brauen nach oben und schaue gespannt hin, als er versucht, etwas aus seiner Sporttasche zu ziehen. Anscheinend ist er direkt nach dem Sport zu mir gefahren. Anders kann ich mir seine Tasche nicht erklären.

»Voilà!« Jason zieht eine schwarze, quadratische Schachtel hervor.

Da ich nicht direkt neben ihm stehe, brauche ich eine Weile, um zu realisieren, was es ist. Was will er hier mit der Packung Kondome? Fragend kratze ich mich am Kopf und setzte einen verwirrten Gesichtsausdruck auf, um aufgeklärt zu werden.

»Kondome!«, ruft er noch mal, und denkt, ich wüsste nicht was das für eine Schachtel ist.

»Ja, aber wozu?«

»Ist doch ganz klar. Du fährst mit einer wildfremden Frau auf eine Insel. Da sollte man so etwas bei sich haben.« Er wedelt kurz mit der Packung und wirft sie mir dann abrupt zu.

Schnell bewegen sich meine Hände, sodass ich sie fange. Ich betrachte die Packung fragend. Am Packungsrand kann ich eine kleine weiße Schrift entziffern. Große Passform. Ich werde stutzig und frage mich allen Ernstes, warum er mit dieser Kondomwahl so ins Schwarze trifft. Er hat exakt die richtige Größe gewählt.

»Sag mal, die Größe…woher weißt du die?« Ich räuspere mich und zeige auf die weiße Schrift. »Kannst du durch Hosen durchsehen?«

Er winkt lachend ab und kommt zu mir, um mir dann auf den Rücken zu klopfen. »Nein, aber kannst du dich noch an unsere Schulzeit erinnern? Da hast du auf dem Schulhof mit deiner Größe geprahlt, als wäre es das tollste auf der Welt. Das war der einzige Moment während unserer ganzen Freundschaft, in dem ich dich verdammt unsympathisch fand.«