Liebe geht durch dick und dünn - Lily Winter - E-Book

Liebe geht durch dick und dünn E-Book

Lily Winter

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Beschreibung

Job, Mann, Familie Wo ist bitte mein Komplettpaket, fragt sich Mila verzweifelt, als sie schon wieder ohne Freund und ohne Job dasteht, während ihrer besten Freundin Maya alles, aber auch alles nur so zu zu fliegen scheint? Ein bisschen so wie Maya sein, denkt sich Mila und beginnt abzunehmen. Doch schnell findet sie heraus, dass mit weniger Pfunden die Dinge immer noch nicht leichter werden.

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Inhaltsverzeichnis

DIE MONTAGSMOBBERIN

MAYA, MEGABRAUT

ENO ODER EGO

AUSBAUFÄHIG

ICH WERDE GEDRUCKT

EIN HILFERUF

EIN LESERBRIEF

INTERVIEW MIT HERZKLOPFEN

EIN SHOPPINGDATE

MAYA 2.0

LÄUFT. SO LALA

DIE KUMMERKASTENIDEE

WIE GEWONNEN…

…SO ZERRONNEN

SCHLIESST SICH EINE TÜR…

…ÖFFNET SICH MANCHMAL DIE NÄCHSTE

ALTE BEKANNTE

EGOMANIE

EIN DATE ZU VIERT

ERSTE EINDRÜCKE

EINE BÖSE VORAHNUNG

LETZTE EINDRÜCKE

GOTTFRIEDLOS

NEUSTART, SCHON WIEDER

HARMONIEÜBERFLUSS

ARBEITSABSEITS

LICHTBLICKE

BITTE OHNE DR.

NEUSTART 3.0

MEIN BERLINWILLKOMMENSGESCHENK

EIN WEIHNACHTSENO

TÜR AN TÜR

ARBEITSALLTAG

HEIMELIG

HEIMWEH

AUFGEFLOGEN

SELBSTAUFRÄUMARBEIT

HOCHZEITSGLOCKEN

AUSGESPROCHEN

SAG EINFACH JA!

ES IST GUT SO UND DESHALB IST ES AUCH DAS ENDE

1. DIE MONTAGSMOBBERIN

„Mmh, bleib doch noch ein bisschen liegen“, grunzt mir Egon zu. Eigentlich ist Egon ein recht altmodischer Name, aber ich finde, er passt irgendwie zu ihm und eigentlich nenne ich ihn die meiste Zeit auch nur Eno. Wenn er allerdings mal wieder Mist gebaut hat, nenne ich ihn „Das Ego“, wovon er jetzt glücklicherweise weit entfernt ist. Genau wie letzte Nacht, die übrigens äußerst befriedigend war, ich hoffe, für ihn auch.

„Tut mir leid, aber ich muss jetzt gehen. Du weißt doch, es ist Montag und ich befürchte, dass ich heute ihr Opfer sein werde.“ Leider ist das gar nicht so unwahrscheinlich, denn ich bin bereits die letzten drei Montage nicht ihr Opfer gewesen, was einen echten Rekord darstellt. Es wird also wieder Zeit, befürchte ich.

„Ihr“, das ist übrigens meine Chefredakteurin, die von vielen, einschließlich mir, heimlich die „Montagsmobberin“ genannt wird. Christine, so heißt sie eigentlich, ist auch sonst nicht besonders umgänglich, aber montags leider noch viel weniger.

Dank eines One-Night-Stands vor acht Jahren ist sie in die Situation einer Tochter gekommen und das hat sie wahrscheinlich einfach nicht vorhergesehen, geschweige denn jemals für sich geplant, so erscheint es einem zumindest. Diese zehn Monate müssen meinen Arbeitskollegen wie hundert vorgekommen sein. Ich war damals noch an der Uni, aber ein paar von den Leuten, die das Ganze mit- und überlebt haben, sind noch da und haben mir wahre Horrorgeschichten von diesem hormongesteuerten Weib erzählt. Nach der zweimonatigen Elternpause wurde wohl ziemlich schnell eine Nanny eingestellt und seitdem ist das Mobbing am Montag am allerschlimmsten.

Wieso das so ist? Na ja, weil die Nanny am Wochenende natürlich frei hat. Schließlich kann Christine niemandem erzählen, dass sie auch am Wochenende keine Lust auf ihr Kind hat. Was sollen denn die Leute denken? Und dann muss sie sich wohl oder übel mit ihr beschäftigen und das geht dann eben ziemlich auf ihre Laune.

Ich hatte übrigens selbst schon das Vergnügen, auf ihre Tochter aufpassen zu müssen, als sie zu einem sehr wichtigen Meeting musste. Ich habe keine Ahnung, zu was für einem Termin sie an einem Samstag so plötzlich und dringend musste, das hat sie mir natürlich nicht erzählt, nur, dass es eben wichtig sei und dass mein Vertrag nicht verlängert werden würde, wenn ich mich weigere, auf ihre Tochter aufzupassen. Das ist so ein beliebtes Druckmittel von ihr, das sie häufig bei den befristeten Mitarbeitern benutzt, aber ganz besonders häufig bei mir, glaube ich.

Seitdem ich vor einem Jahr auf ihre Tochter aufgepasst habe, will ich übrigens unbedingt Kinder haben, zumindest, wenn sie so süß sind wie Nina. Ich begreife einfach nicht, wie jemand so Furchtbares an eine so großartige Tochter kommt, aber wahrscheinlich hat es auch sein Gutes, wenn man fremde Leute sein Kind erziehen lässt. Anders kann ich mir das sonst nicht erklären, denn Nina und ich hatten einen fantastischen Abend!

Wir haben ihre Puppe gebadet, Nina gebadet und anschließend war ich selbst auch ziemlich gebadet. Dann haben wir zusammen Spaghetti mit Tomatensauce gekocht. Ich muss gestehen, dass ihre Kochkünste sehr viel fortgeschrittener sind als meine. Natürlich wollte sie nicht schlafen gehen. Wer will das schon freiwillig, wenn jemand neues (und so interessantes, hihi) da ist und sich die ganze Zeit mit einem beschäftigt? Also ich ganz bestimmt nicht. Wir haben ihre komplette Sammlung an Kinderbüchern durchgelesen und dabei ist sie irgendwann einfach eingeschlafen.

Ich muss immer lächeln, wenn ich an diesen Abend denke. Wir haben uns danach sogar noch öfter getroffen. Ich hatte Nina meine Handynummer gegeben und sie hat sich tatsächlich nur kurze Zeit später gemeldet und mich gefragt, ob wir spazieren gehen wollen. Ich habe sie abgeholt und wir sind Eis essen oder spazieren gegangen. Nina hat mir dabei einiges erzählt, leider nicht immer schöne Sachen.

Aber was erzähle ich denn hier. Ich muss doch los!

***

In der Redaktion lege ich nur meine Tasche ab und laufe schnell zu Christines Büro. Leider bin ich nicht nur wegen der Julihitze völlig durchgeschwitzt. Mein Herz pocht beinah lauter als mein zaghaftes Klopfen an Christines Tür. Kaum trete ich rein, legt sie natürlich sofort los:

„Ist das eigentlich dein Ernst, Mila? Also, als ich das gelesen habe, war ich wirklich enttäuscht von dir! Dein Artikel über die Hundewelpen ist dermaßen schlampig recherchiert. Du weißt doch, dass dein Vertrag bald ausläuft. Gerade deshalb habe ich eigentlich gedacht, dass du dich da total reinhängst in das Thema! Aber das hier, das geht ja überhaupt nicht. Da fehlt die Spannung, da fehlen die Infos, da fehlt doch einfach alles!“, bellt sie mich ohne Einleitung an.

Uff, ich habe es ja geahnt. Sie fragen sich jetzt sicherlich: „Was denn für ein Artikel?“

In dem „Artikel“ ging es lediglich um ein paar Bilder von einer Hundeschau, die ich noch nicht einmal habe selbst besuchen dürfen. Ich sollte das Ganze als Auflockerung für irgendeine Seite entwerfen, damit sie voller und bunter aussieht. Als Überschrift habe ich „Hunde Schauen“ darübergeschrieben. Als Untertitel hatte ich noch „Die wahren Gewinner dieser Hundeschau – Sind sie nicht süß?“ hinzugefügt. Bestimmt nicht eine meiner besten Arbeiten, aber leider waren alle tollen Themen mal wieder an andere vergeben worden und ich konnte froh sein, überhaupt etwas abbekommen zu haben und nicht wieder nur Ablage machen zu müssen. Ich atme tief durch.

„Was genau wolltest du denn haben, Christine?“

„Das sage ich dir doch nicht, das ist doch deine Arbeit, Mila!“

Ich versuche wirklich, mich zusammenzureißen. Rumbrüllen wird mich nicht weiterbringen, außer auf Christines Niveau. Zumindest versuche ich, mir das wieder und wieder einzureden.

„Und jetzt?“ Mehr bekomme ich nicht raus, die Wut, die in mir aufkeimt, will an die Oberfläche und Christine anschreien.

„Nichts und jetzt. Die Ausgabe ist doch schon raus“, winkt Christine ab. „Ich denke, ich muss dir andere Aufgaben zuweisen, Mila. Das Thema war wohl nichts für dich. Ich habe mir überlegt, dass du vielleicht Diättipps schreiben könntest, denn schließlich kennst du dich mit diesem Thema doch bestens aus.“

Bei diesen Worten mustert sie mich spöttisch und wartet sicherlich auf einen beleidigten Kommentar von mir, aber diesen Gefallen tue ich ihr nicht.

„Nichts Besonderes“, fährt sie sauer fort, „ein paar Ernährungstipps, hier, ein Rezept da. Wie gesagt, nichts Großes. Schließlich ist doch Hochsommer, da sieht man jedes Pfund zu viel im Badeanzug, nicht wahr, Mila?“

Nachdem ich wieder nicht auf ihren Kommentar eingehe, wendet sie sich wieder ihrem Rechner zu, was mir wohl suggerieren soll, dass wir hier fertig sind.

Wütend gehe ich aus Christines Büro und atme erneut tief ein und aus. Was für eine furchtbare Frau! Wenn jeder einfach so rumschreien würde, wie es einem passt, würden wir uns alle nur anschreien, aber Chefs dürfen das anscheinend ohne Konsequenzen, denke ich frustriert.

Nachdem ich mich beruhigt habe, fange ich an, zu recherchieren. Blöderweise ärgert mich Christines Kommentar aber immer noch, denn leider ist dieses Thema ein wunder Punkt bei mir, was sie wahrscheinlich auch weiß. Denn ja, ich kenne mich mit Diäten aus, weil ich nämlich schon immer ein paar Pfunde zu viel mit mir rumgeschleppt habe, die damals mit dem Babyspeck einfach nicht verschwunden sind.

Ich habe wirklich einiges ausprobiert, von Ananasdiät über Weight Watchers oder FDH. An und für sich habe ich mich mittlerweile mit meiner Moppeligkeit abgefunden und eigentlich ist es auch sehr angenehm, wenn Eno immer zu mir sagt, dass er jedes Pfund an mir mag.

Ach Eno…. Er ist einfach ein Schatz.

Aber ich schweife schon wieder ab. Was macht eigentlich eine gute Diät aus? Dass man keinen Hunger hat, seufze ich und beiße in ein Stück Nussschokolade.

2. MAYA, MEGABRAUT

Für meine ersten Zeilen habe ich bereits fünf Diättipps zusammengetragen und sie an Christine geschickt.

Es ist schon spannend, was man so alles im Internet finden kann, angefangen von morgens ein großes Glas Wasser trinken bis abends auf gar keinen Fall Kohlehydrate essen. So richtig sinnvoll fand ich keinen der Tipps. Wie soll man abnehmen, wenn man nur abends auf Kohlehydrate verzichtet, sich aber den Rest des Tages damit vollstopft? Vieles erscheint mir doch recht absurd.

Nach dem Abschicken verschwinde ich sofort, weil ich mich heute noch mit Maya treffen will: Quatschen, Shoppen, Kaffee, das Übliche halt.

Irgendwie frage ich mich immer, wieso Maya und ich befreundet sind, schon mindestens so lange, seitdem wir befreundet sind. Maya war und ist so ziemlich das Gegenteil von mir und damit meine ich nicht meine braunen Zottelhaare und ihre blonden, seidig glänzenden Strähnen, denn schließlich waren ihre Haare auch mal wesentlich dunkler. Nein, das ist es nicht.

Maya ist im Gegensatz zu mir beruflich erfolgreich, super schlank und äußerst attraktiv (also, wenn man auf so etwas steht). Sie ist mit ihren gerade mal Anfang dreißig, bereits Partnerin in einer Anwaltskanzlei für Arbeitsrecht und hat sich ihr Studium mit Modeln verdient.

Maya und ich kennen uns schon seit der fünften Klasse, wo wir uns super ergänzt haben. Sie war eine Niete in Bio und ich in allen anderen Fächern. Irgendwie haben wir es so geschafft, gemeinsam bis zur elften Klasse zu kommen. Obwohl Maya dann Bio abwählen konnte, sind wir trotzdem Freunde geblieben. Bis heute.

Das Einzige jedoch, was ich Maya immer voraushatte, ist die Wahl der Männer. Maya hatte nie Probleme damit, welche zu bekommen, aber Frau will sich auch mal unterhalten können.

Ich dagegen habe bereits zwei Langzeitbeziehungen hinter mir. Die erste war vom Kindergarten bis zur Grundschule. Ab der zweiten Klasse waren Jungs plötzlich doof, was bei mir ungefähr bis zur siebten Klasse angehalten hat.

Mit Eno bin ich seit fünf Jahren zusammen und hoffentlich ist kein Ende in Sicht! Wir haben uns tatsächlich in einem Café kennengelernt, was jeden verblüfft, weil man heutzutage ja nur noch Leute per Internet kennenlernt.

Maya und ich haben ein Lieblingscafé, ganz in der Nähe der Innenstadt und da war er und schaute immerzu rüber, bis ich Maya angestoßen habe und meinte:

„Jetzt geh schon hin zu ihm, dem fallen ja gleich die Augen raus!“ Maya hat mich daraufhin nur argwöhnisch angesehen.

„Wieso soll ich zu dem rübergehen? Erstens ist das nicht mein Typ, denn so wie der aussieht, ist das ein Langzeitstudent. Zweitens schaut der gar nicht mich an, sondern dich.“

Ich war völlig erstaunt und auch etwas unsicher. Meinte der Typ tatsächlich mich? Nicht, dass ich das gewohnt war, wenn ich mit Maya unterwegs war. Daraufhin hatte ich direkt zu ihm rüber geschaut und unsere Augen trafen sich wie in einem Blitz. Dann kam Eno, wie er sich später vorstellte, lässig zu uns rüber spaziert und hat sich ganz selbstverständlich zu uns gesetzt. Der Abend war super und ich begann meine zweite Langzeitbeziehung.

Mayas längste Beziehung hat sechs Monate gehalten. Es war eine Fernbeziehung, nachdem sie in den USA für ein Schuljahr gewesen war. Sie hatten sich danach noch einmal gesehen und Kyle, so hieß der Typ, hatte ihr dann vorgeschlagen, dass er auch andere Mädchen treffen wollte, denn schließlich könne er nicht so lange darauf warten, bis sie mal wieder vorbeikäme. Sie hat es mit Fassung getragen, glaube ich. Auch auf der Uni haben die Männer Schlange gestanden, doch eine wirklich feste Beziehung ist nie daraus geworden. Maya und ich haben zwar über die ganzen Eintagsfliegen gesprochen, doch so wirklich bin ich aus Maya nicht schlau geworden, denn meistens hat sie die Typen in den Wind geschossen.

Maya ist eigentlich der netteste Mensch, den ich kenne, von Eno mal abgesehen natürlich. Aber in Sachen Männer hat sie einfach kein Glück oder vielleicht will sie es auch gar nicht haben. In den letzten Jahren hat sie einfach alles mitgenommen, was so vorbeikam und sich ansonsten voll und ganz auf ihre Karriere konzentriert. Mit sichtlichem Erfolg wie man sieht.

Ja, es wäre schon nicht schlecht, so ein ganz kleines bisschen wie Maya zu sein, denke ich seufzend, während ich auf die Bahn warte.

***

„Hallo Mila!“, ruft mir Maya schon von Weitem entgegen.

Küsschen rechts, Küsschen links. So begrüßen wir uns seit der sechsten Klasse. Früher, weil die Stars das so gemacht haben, heute, weil wir uns einfach daran gewöhnt haben.

„Hallo Maya. Was macht Mr. `Ich will keine Beziehung und bin irgendwie noch verheiratet`? “

Maya grinst nur. „Ach, der ist zurück zu seiner Frau. Ich glaube, sie ist schwanger oder hat Bulimie oder vielleicht auch beides, keine Ahnung. Auf jeden Fall meinte er, dass seine Anwesenheit zu Hause dringend erforderlich sei. Blah, blah, blah. Das ging mir sowieso schon viel zu lange!“

„Na, wenigstens steckst du es gut weg“, lache ich kopfschüttelnd. Mit einem beziehungsgestörten Typen anzubandeln, der verheiratet ist, so jemanden kann auch nur Maya aufgabeln. Tatsächlich war er in der Kanzlei bei einem Kollegen von ihr wegen seiner Scheidung. Eins führte zum anderen und jetzt lässt er sich wohl doch nicht scheiden. Auf jeden Fall mal wieder typisch für Maya.

„Erst Kaffee oder erst Shoppen?“, frage ich überflüssigerweise, aber auch, um endlich aus der Hitze raus zu kommen. Ich sehne mich nach einer Klimaanlage.

Maya verdreht die Augen. „Was für eine überflüssige Frage. Natürlich erstmal shoppen, schließlich muss ich gut aussehen für den Rest der Männerwelt, die mich jetzt wieder zurückhat.“

Mit diesen Worten stolziert sie schnurstracks in das nächste Dessous Geschäft. Ich seufze und düse schnell hinterher. Für mich gehe ich meistens allein shoppen, denn in die Geschäfte, die ich mir leisten kann, geht Maya nicht, weil ihr die Sachen viel zu groß und zu billig sind. Nach nur kürzester Zeit und drei weiteren Läden, hat Maya sich komplett neu eingekleidet, von der Unterwäsche bis zum Mantel.

„Wie machst du das nur?“, frage ich ungläubig und nehme ihr ein paar von den Tüten ab. „Wir sind keine Stunde hier und schon brauchst du einen weiteren Kleiderschrank.“

„Das ist ein Talent“, meint Maya achselzuckend. „Eines meiner vielen Talente.“

„Wie zum Beispiel deine Bescheidenheit?“ Wir lachen beide und halten nach dem nächsten Kaffeeshop Ausschau.

„Was möchtest du haben, Mila?“

„Oh, bin ich eingeladen?“

„Na klar!“

„Dann nehme ich den Karamell Frappé mit extra Karamell.“ Oh ja, ich schmecke schon das Eis auf meiner Zunge.

„Oh Mila, das ist viel zu viel Zucker“, rügt Maya mich sofort. War ja klar.

„Kommst du denn gleich mit ins Fitnessstudio?“

Tja, noch so eine Sache, in der wir völlig unterschiedlicher Meinung sind: Sport. Maya geht täglich ins Fitnessstudio, von nichts kommt schließlich nichts. Ihre Worte, ganz bestimmt nicht meine.

„Oh Maya. Wir sind gerade eine Stunde durch die Geschäfte gelaufen, meine Füße tun weh.“

„Deine Füße tun weh, weil du keine Kondition hast.“

Irgendwie haben wir immer dieselbe Diskussion.

„Na gut, aber darf ich vielleicht erstmal meinen Frappé austrinken?“, frage ich seufzend und schaue angewidert auf Mayas ungesüßten, geeisten Americano. Dann versuche ich, Zeit zu schinden.

„Ich soll jetzt einen Seitenfüller machen. Mit Diättipps.“

„Ach, musstest du heute wieder zur Montagsmobberin. Da hat sie sich ja wieder etwas Lustiges für dich ausgedacht. Und sollst du wieder auf ihre Tochter aufpassen oder spart sie sich das für einen anderen Montag auf?“

Maya mag übrigens Kinder auch nicht, so wie Christine. Irgendwie scheinen Karrierefrauen das gemeinsam zu haben. Wie gut, dass ich keine bin.

„Nein, das stand heute nicht auf dem Programm. Und übrigens mag ich Nina. Sie sagte halt, dass ich mich ja mit Diäten auskenne.“

„Mal wieder ein Faustschlag unter die Gürtellinie“, schimpft Maya. „Mila 0, Christine 1 Million. Will sie sich nicht mal woanders hin bewerben? Die sitzt doch bestimmt schon seit 100 Jahren auf dieser Stelle. Das sieht nicht so gut im Lebenslauf aus.“

„Da hoffen alle seit 100 Jahren drauf. Außer natürlich ihre Lieblinge, denen sie immer die Reportagen oder die Sternchen zuschustert. Aber ihre Tochter ist wirklich süß.“ Doch Maya winkt ab. Das will sie einfach nicht hören.

„So Madame, wir gehen jetzt unseren Kaffee abtrainieren.“

Und schon steht sie auf, schnappt sich die Hälfte ihrer Tüten und rauscht aus dem Café. Seufzend nehme ich die andere Hälfte und folge ihr. Kann ja nichts schaden, stöhne ich innerlich und schwitze bereits.

3. ENO ODER EGO

„Autsch!“ Langsam hinke ich nach oben in meine Wohnung. Zum Glück ist Eno zuhause und öffnet mir die Tür.

„Was ist passiert?“ Der Kerl hat auch noch den Schneid und grinst. Das macht mich wirklich sauer.

„Maya ist passiert!“ Schmerzerfüllt schleppe ich mich auf die Couch, lege meinen Fuß auf den Tisch und stöhne mitleidserregend. Sofort kommt Eno und gibt mir einen Kuss. Das ist schon besser.

„Wie ist das passiert? Hat Maya dich beiseite geschubst, um an das letzte Paar Pumps ranzukommen?“ Ich brauche hier wohl nicht zu erwähnen, dass Eno Maya nicht besonders mag.

„Nein, ich war nur im Fitnessstudio und bin vom Laufband gefallen“, sage ich unwirsch und reibe mir meinen schmerzenden Knöchel. Eno kann sich schon wieder ein Lächeln nicht verkneifen. Dieser Blödmann!

„Und hat dich Maya nicht nach Hause begleitet?“

„Ach, die war noch mitten in ihrem Programm, als ich runtergekippt bin und das wollte sie nicht unterbrechen. War ja auch nicht weit mit der U-Bahn“, versuche ich die peinliche Sache abzutun.

„Aha, also hat dich Ms. Perfekt einfach allein nach Hause spazieren lassen. Wieso seid ihr doch gleich befreundet?“

„Das frage ich mich auch immer“, knurre ich böse, weil ich mir genau dieselbe Frage gestellt habe. Gerade eben. Mal wieder.

„Möchtest du etwas essen?“ Ich habe schon gedacht, er fragt nie.

„Ja bitte“, strahle ich ihn an.

Die Frage: „Machst du was, ich bin schließlich verletzt“, kombiniere ich mit einem gekonnten Augenaufschlag, der sich gewaschen hat. Prompt lacht Eno.

„Natürlich, mein Schatz.“ Mit diesen Worten verschwindet er auch schon in der Küche, um nach wenigen Minuten mit einem Teller voller Schnitten in der Hand wiederzukommen. Himmlisch!

„Wollen wir im Schlafzimmer essen und dabei einen Film schauen?“, fragt er, während er den Teller in der einen Hand hält und in der anderen eine geöffnete Flasche Wein. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und springe auf, natürlich, ohne an meinen verletzten Knöchel zu denken.

„Autsch!“, stöhne ich wieder, denn ich bin genau auf meinem schmerzenden Knöchel gelandet, der wirklich immer noch sehr weh tut. Vorsichtig hinke ich ins Schlafzimmer. Eno sitzt bereits im Schlafzimmer und sieht total süß aus in seinem Pyjama mit lauter Enten drauf. Den habe ich ihm zu irgendeinem Weihnachten geschenkt, weil mir einfach nichts Besseres eingefallen ist. Seitdem hat er zumindest einen Pyjama in meiner Wohnung, vorher hat er immer in Boxershorts und T-Shirt bei mir übernachtet. Ich war mir nicht sicher, ob er den Pyjama überhaupt tragen würde, denn zu Hause würde er niemals so etwas anziehen. Also wasche ich den Pyjama alle paar Tage, weil Eno ja irgendwie ein Dauergast bei mir ist, aber eben keine weiteren Pyjamas hier hat.

Kaum habe ich mich im Bett niedergelassen und beiße herzhaft in ein Brot mit Schinken, legt er auch schon unvermittelt los:

„Was hältst du davon, wenn wir zusammenziehen?“ Ich schaue ihn groß an und kaue erstmal zu Ende.

„Meinst du das ernst?“ Irgendwie habe ich Schwierigkeiten, Enos Worten zu folgen.

„Natürlich, wieso denn nicht? Ich bin doch eh jede Nacht hier.“

„Und ab wann genau wäre das dann?“, frage ich vorsichtig, weil ich nämlich völlig verwirrt bin.

„Na ja, ich dachte an morgen. Es wird sich doch eigentlich nichts ändern. Ich kündige nur meine Wohnung, verkaufe die Möbel und bringe den Rest meiner Klamotten hier hin.“

„Das hast du ja schon toll durchgeplant“, sage ich trocken und nehme mir ein zweites Brot. „Aber, wie kommst du denn da gerade jetzt drauf? Sollten wir nicht erstmal darüber reden und vielleicht in eine größere Wohnung umziehen?“ Jetzt wird Eno ganz verlegen. Aha, ich wusste es doch. Das war noch nicht alles.

„Also vorerst würde deine Wohnung reichen, weil ich gar nicht so lange hierbleiben werde“, druckst er rum.

„Und du wärest dann wo?“, frage ich und versuche wirklich, ruhig zu bleiben. In mein zweites Brot habe ich noch gar nicht reingebissen, so perplex bin ich.

„Ich werde für ein Jahr nach Australien gehen. Meine Firma hat so einen großen Auftrag in Canberra an Land gezogen und will mich dort als Projektleiter einsetzen. Das ist eine ganz tolle Chance für mich!“

Ich lege das Brot jetzt endgültig wieder auf den Teller zurück, denn irgendwie habe ich keinen Hunger mehr.

„Und wann musst du dorthin?“ In meinem Hals macht sich ein Kloß breit.

„In zwei Tagen. Ich wollte die Wohnung eigentlich weiterlaufen lassen, aber so wäre es doch viel günstiger. Und in einem Jahr bin ich wieder da und wir leben zusammen.“

Der Kloß wird größer, denn langsam dämmert es mir: „Also brauchst du mich eigentlich nur für eine feste Postadresse. Das ist ja total romantisch.“ Dann renne ich ins Bad und knalle wütend die Tür zu. Ich bin nicht nur wütend, sondern auch maßlos enttäuscht. Egon klopft an die Tür.

„Mila, bitte, wir wollten doch sowieso zusammenziehen. Und so ist das doch viel praktischer!“

„Für dich ist es viel praktischer, weil du deine Wohnung nicht weiter zu bezahlen brauchst! Ich werde hier nur allein rumsitzen mit einem Berg deiner Sachen, die du dann nicht einzulagern brauchst!“ Heul jetzt nicht, ermahne ich mich und schon läuft ein Sturzbach über mein Gesicht. Verdammt! Ich halte erstmal mein Gesicht unter kaltes Wasser, damit Egon mein Geschluchzte nicht hört. Dann werde ich plötzlich ganz ruhig und sage durch die Tür: „Ich glaube, du schläfst heute Nacht besser zu Hause, Egon und damit meine ich nicht diese Wohnung.“

„Ok, dann schlaf` die Nacht drüber und morgen reden wir noch einmal.“ Daraufhin folgt Schweigen.

Ich warte und wenig später höre ich die Tür zuschlagen. Dann gehe ich langsam aus dem Bad. Die Wohnung fühlt sich verlassen an. Das Ego ist weg und mir ist hundeelend zumute. Das Bett ist groß und leer und kalt. Der Teller mit den Broten liegt auf dem Nachttischchen und ekelt mich an. Während ich die Brote in den Abfall kippe, klingelt das Telefon. Ich stürme hin und hoffe, dass es Eno ist.

„Hallo Mila, wie geht es deinem Fuß?“ Nein, es ist Maya. Ich kann gar nichts sagen, sondern schluchze nur in den Hörer.

„Mila, was ist denn passiert?“

„Das Ego“, kann ich nur sagen und dann nichts mehr.

„Ich bin gleich da“, sagt Maya nur und legt auf.

Und das ist der Grund, warum Maya und ich befreundet sind.

***

Nach wenig Schlaf, viel Alkohol und noch mehr ausheulen, stehe ich auf. Es ist sieben Uhr und Maya seit zwei Stunden bereits wieder fort. Plötzlich klingelt es an der Tür. Mein Herz hüpft in die Höhe. Ist es Eno oder Das Ego oder doch nur der Postbote? Ich springe zur Tür und drücke auf den Knopf. Vor der Tür steht ein Kurier mit einer großen, weißen Schachtel.

„Bitte hier unterschreiben“, fordert er mich auf und schaut mich etwas pikiert an. Na klar, ich bin ja auch keine tolle Erscheinung so im Pyjama und mit verheulten Augen. Sein Pech, dass er mich so sehen muss. Ich schließe die Tür und mache schnell die weiße Schachtel auf. Es liegen ein Dutzend (oder zumindest recht viele) langstielige rote Rosen darin und eine steife, weiße Karte:

Unser Streit gestern tut mir leid. Ich hätte das wohl romantischer anstellen sollen. Den größten Teil meiner Sachen werde ich einlagern und die Wohnung untervermieten. Wir sehen uns in einem Jahr. Ich liebe dich. Aber du brauchst nicht auf mich zu warten.

Dein Egon.

Was ist das? WAS ZUR HÖLLE IST DAS?

Hat er Schluss gemacht oder hält er sich ein Hintertürchen auf oder…? Ich bin völlig perplex, dann stürze ich zum Telefon und versuche ihn anzurufen. Ich habe keine Ahnung, was ich erwartet habe, aber kein dü, dü, dü „Kein Anschluss unter dieser Nummer.“

Wo ist Egon? Sprachlos schaue ich das Telefon an, dann rufe ich sein Handy an, doch da geht auch nur die Mailbox ran.

In Windeseile wasche ich mich, ziehe mich an und laufe hinunter zur U-Bahn. Egons Wohnung ist genau eine Haltestelle entfernt und das sind gefühlte 4 km, mindestens. Und ich bräuchte länger als fünf Minuten dafür und die nächste Bahn kommt übrigens in drei Minuten, also bitte keine Kritik, ich habe hier ein Drama zu lösen!

Kurze Zeit später stehe ich vor der Tür und klingele. Plötzlich geht die Haustür auf und die Vermieterin von Egon steht vor mir.

„Ach Kind, was machen Sie denn hier? Der Herr Ewalds ist ganz früh aufgebrochen, er hat mir gestern Abend noch drei Monatsmieten bezahlt und mir gesagt, ich soll für ein Jahr untervermieten, er ginge jetzt nach Australien.“ Ich schlucke. Eno ist fort. Ganz in echt und tatsächlich fort. Ich schlucke noch einmal. Dann rollen mir die Tränen runter, wie peinlich.

„Hat er eine Nachricht hinterlassen?“, frage ich und versuche meine Stimme fest klingen zu lassen, was mir natürlich nicht gelingt, megapeinlich.

„Nein“, sagt Frau Sauer herzlich. „Tut mir leid, Kindchen.“ Damit macht sie die Tür hinter sich zu, läuft an mir vorbei und lässt mich stehen. Fassungslos schaue ich die Eingangstür an.

Ich muss zur Arbeit, denke ich mit einem Blick auf meine Uhr und gehe los. Es ist bereits halb neun, ich brauche mich also nicht mehr zu beeilen, denn ich bin bereits zu spät dran.

Um neun Uhr rase ich in die Redaktion, damit ich gehetzt wirke.

„Entschuldigung! Meine Bahn kam einfach nicht!“, rufe ich.

Niemand geht glücklicherweise darauf ein, denn da alle hier mit der Bahn kommen, wissen alle, dass das nicht stimmt. Aber bei so einer Chefin muss man schließlich zusammenhalten.

4. AUSBAUFÄHIG

In meinem Postfach liegt eine E-Mail von Christine:

Das ist bestimmt noch ausbaufähig!

So sind Christines Kommentare an einem Dienstag. Schon etwas angenehmer, oder? Na ja, Frau nimmt, was Frau kriegen kann.

Ich texte erstmal Maya, dass ich auf alle Fälle heute ins Fitnessstudio mitkomme und das trotz meines schmerzenden Knöchels! Prompt schreibt sie zurück, ob mein Knöchel noch wehtun würde. Der Kommentar überrascht mich ehrlich gestanden doch sehr, denn Maya geht selbst mit Grippe joggen. Nein, schreibe ich schnell zurück, mein Herz tut stärker weh.

Das ist bestimmt der vielgepriesene Akkupunktur Effekt. Ich habe keine Ahnung, ob das stimmt, aber der Herzschmerz lässt mich meine Schmerzen im Fuß tatsächlich komplett vergessen und irgendwie muss ich ja jetzt meine einsamen Abende füllen. Da ich ja wieder auf dem Markt bin, ist das auch eine gute Gelegenheit, ein paar Pfunde loszuwerden, denn im Allgemeinen, seien wir doch einfach mal ehrlich, liebt man nicht jedes Pfund an uns, sondern doch lieber in Form von Modelmaßen oder zumindest mit einem vernünftigen Normalgewicht.

Lustlos recherchiere ich für meinen nächsten Kommentar. Vielleicht wird er, wenn er gut ist, gedruckt, denke ich frustriert. Die Hoffnung stirbt halt doch zuletzt.

Ich durchforste das Internet nach aktuellen Artikeln. Komisch, was die Promis so alles auf sich nehmen, denke ich irritiert. Was ist eigentlich „Low Carb“? Und hilft es einem wirklich dabei, abzunehmen?

Na ja. Vielleicht wird mein erster Beitrag einfach eine Auflistung verschiedener Diäten sein, die irgendwelche Stars ausprobiert haben. Wohin soll das Ganze eigentlich gehen? Damit meine ich mich, nicht den Artikel, den ich gerade recherchiere. Was will ich eigentlich in Zukunft erreichen? Ist das hier wirklich schon alles, was ich für den Rest meines Lebens tun will? Will ich ewig darauf hoffen, dass man mir die tollen Stories anbietet?

Nehmen wir einmal das Thema Diät. Was wäre denn überhaupt interessant an diesem Thema, was wollen die Leute darüber lesen? Vielleicht Homestorys, bestimmt auch eigene Erfahrungen und natürlich, ganz wichtig, Erfolge. Mit diesen Ideen fange ich an, mir eine Mindmap zu basteln: Diättipps, Erfahrungsberichte verschiedener Personengruppen aufgeteilt in Stars, Jugendliche, Männer und Frauen, dazu ganz viele Rezepte, mit denen Leute angeblich abgenommen haben. Als nächstes versuche ich, das Ganze in einer Frage zusammenzufassen:

Kennen Sie das nicht auch? Sie wollen abnehmen, was tun Sie?

Und dabei kommt mir plötzlich eine Idee. Ja genau! Das ist es! Das werde ich Christine vorschlagen.

Wir könnten mit diesen Fragen in der nächsten Ausgabe starten und dann darauf warten, was die Leute uns antworten und diese Antworten dann in der übernächsten Ausgabe veröffentlichen, anonym natürlich, aber es könnte wirklich ganz lustig werden, schmunzele ich in mich hinein. Vielleicht könnte man sogar eine Art Kummerkasten daraus machen und den als festen Bestandteil in die Zeitung integrieren, aber diesen ambitionierten Gedanken schiebe ich lieber erstmal beiseite. Ich würde das Lesen, Kürzen und das Zusammenfassen machen. Vielleicht würde mir das endlich eine unbefristete Stelle verschaffen, ich werde ganz hibbelig vor Aufregung.

Wäre das nicht etwas völlig Neues, etwas, das hoffentlich noch nicht in jeder Teenie Vogue steht?

Also schreibe ich Christine meine Idee über eine „selbstschreibende“ Kolumne und warte ab, was sie dazu sagt. Währenddessen lese ich etwas Klatsch. Ernste Reportagen in allen Ehren, aber sich die Stars in den schicken Kleidern auf dem roten Teppich anzuschauen, lenkt einen sehr viel besser ab!

Eine Stunde später ist immer noch kein Kommentar von Christine zurückgekommen und es ist bereits nach halb sieben. Auch wenn ich gespannt bin, was Christine dazu sagen wird, muss ich los, denn ich habe Maya versprochen, mit ins Fitnessstudio zu kommen. Schnell packe ich meinen Kram zusammen, werfe einen letzten Blick auf mein Mailpostfach und schalte dann den Rechner aus.

„Da bist du ja schon“, grinst mich Maya erstaunt an. „Ich hätte schwören können, dass du erst viel später kommst, wenn überhaupt.“

Da ich Maya den Kommentar nicht übelnehmen kann, grinse ich einfach nur zurück.

„Na ja. Erst wollte ich mir ein Eis holen, aber dann hättest du wieder gemeckert.“

„Wieso, das hätte ich doch nicht merken müssen.“

„Doch. Das hättest du“, sage ich ernst, „wegen der Flecken auf meinem T-Shirt.“ Wir prusten beide los und gehen in das Fitnessstudio.

***

Nach zwei Stunden stehen wir gemeinsam an der Bahnhaltestelle und ich bin einfach nur völlig fertig. Uff. Und das soll ich jetzt jeden Abend machen? Maya geht auch noch morgens joggen. Aber: Von nichts kommt schließlich nichts!

„Maya, wann gehst du morgen joggen?“ Maya schaut mich ungefähr so an, als wenn ich plötzlich Algebra könnte.

„Wieso fragst du, Mila?“

„Na ja, ich dachte, ich komme mal mit“, sage ich vorsichtig, denn sicher bin ich mir immer noch nicht. Diese Schinderei fühlt sich jetzt schon furchtbar an.

„Um sechs Uhr, am Stadtpark“, schmunzelt sie.

„Ok, ich werde da sein“, sage ich kurz, denn zu mehr Gespräch bin ich heute nicht mehr fähig.

Zuhause sinke ich nach einer kochend heißen Dusche ins Bett und schlafe sofort ein. Ich bin froh darüber, denn dann muss ich nicht an Eno denken.

***

Um halb sechs klingelt mein Wecker. War das wirklich meine Idee? Ich stehe ich auf und zucke gleich vor Schmerzen zusammen, denn der Muskelkater ist die Hölle. Ich wasche mich notdürftig und flitze vorsichtig zur Bahn. Zumindest ist es schon hell, vor dem Winter graut es mir. Bei Schnee in der Dunkelheit joggen zu gehen stelle ich mir noch weniger vergnüglich vor. Als wenn das überhaupt möglich wäre.

Erneut kassiere ich einen überraschten Blick von Maya, aber ich gehe nicht weiter darauf ein, schließlich ist es noch viel zu früh zum Reden, deshalb joggen wir einfach nur schweigend nebeneinander her. Ich muss mich echt zusammenreißen, um weiterzumachen.

Dann gehe ich nach Hause, dusche mich und trinke endlich meinen ersten Kaffee. Schwarz, ohne Milch, es schmeckt furchtbar. Dann zwinge ich mir ein Müsli rein, das Maya mir empfohlen hat und welches ich mir gestern Abend noch gekauft habe, trotz der heftigen Schmerzen in den Waden. Das Müsli enthält viele Ballaststoffe und Vitamine ohne irgendwelchen Zuckerzusatz, zumindest steht das so auf der Packung und genauso schmeckt es auch.

Wegen der ekeligen Sachen bin ich sogar recht satt. Seufzend schnappe ich mir meine Tasche und bin pünktlich um acht Uhr im Büro. Schnell fahre ich meinen Rechner hoch, um sofort meine Mails zu überprüfen. Tatsächlich ist da auch schon eine Nachricht von Christine:

Komm bei Gelegenheit in mein Büro, hat keine Eile

Natürlich sprinte ich sofort zu ihr, klopfe an die Tür und frage, ob es jetzt passt. Sie schaut mich genervt an, um mir sofort ein unwillkommenes Gefühl zu geben, doch ich trete trotzdem ein.