Liebe neu denken - Diane Hielscher - E-Book
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Diane Hielscher

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Beschreibung

Was ist, wenn Ihre Beziehung im ewigen Einerlei versumpft, Ihr Partner nicht (mehr) oder seltener zuhört, wenn alles nicht mehr so richtig Spaß macht? Was, wenn Dating Sie um den Verstand bringt? Was tun, wenn gute Gespräche oder blindes Verstehen von den Fragen nach dem Einkauf oder dem Abendessen abgelöst werden, von Sex mal ganz zu schweigen?  Das Problem sind wir selbst! Wir selbst haben uns unser Leben so gestaltet, wie es ist, nicht der Partner oder die Partnerin, die Umstände, Eltern oder Kinder. Wir selbst bestimmen, ob uns langweilig ist, ob wir uns streiten oder ob wir unzufrieden sind. Wir selbst entwickeln Denkmuster und Vorstellungen unserer Beziehungen - und diese können wir ändern. Diane Hielscher zeigt uns mit Liebe neu denken einen neuen Weg und geht damit über die klassischen Beziehungsratgeber weit hinaus. Es gibt Lösungen, Ideen, Inspirationen und wertvolle Gedanken, die unsere Beziehungen zur / zum Partner, zu uns selbst und der Person, die wir noch finden werden, wieder lebendig, begeistert und abwechslungsreich machen.  Die Wissenschaft liefert uns atemberaubende Antworten, bisher hat nur niemand gefragt! Doch das hat die Radiomoderatorin, Journalistin und Podcasterin Diane Hielscher gemacht und Antworten in der Psychologie, Physik, Chemie, in der Wirtschaftswissenschaft, Neurologie und sogar in der Politikwissenschaft gefunden.  Die Ergebnisse der Gespräche mit namhaften Wissenschaftlern werden in diesem Buch präsentiert - ob neue Ideen für Beziehungen, Erkenntnisse der Leidenschaft, konkrete Kniffe zum Liebesglück - Sie werden Liebe und Partnerschaften mit anderen Augen sehen. Diane Hielscher spricht über Geld, die Macht der Veränderung und das Nachdenken über unsere Identität, Physik und Chemie. Nichts bleibt unberührt auf dieser Reise durch die Wissenschaften. Das Buch enthält ergänzende Schreibübungen, Inspirationen für Meditationen und Gedankenspiele sowie zahlreiche Tipps der Autorin aus eigener Praxis, die uns zeigen, wie wir unser Denken und Handeln selbst bestimmen können und wie wir leben und lieben wollen. Diane Hielscher ist Moderatorin beim Deutschlandfunk Nova und ebenfalls bekannt durch ihren Podcast "Kopf über Herz" bei Audible, in dessen Rahmen einige der im Buch gefeaturten Interviews entstanden sind. https://www.audible.de/pd/Kopf-ueber-Herz-Der-wissenschaftliche-Beziehungsratgeber-Original-Podcast-Hoerbuch/B08H4JL5MH

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Diane Hielscher

Liebe neu denken

Dem Geheimnis glücklicher Beziehungen auf der Spur

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Was ist, wenn Ihre Beziehung im ewigen Einerlei versumpft, Ihr Partner nicht (mehr) oder seltener zuhört, wenn alles nicht mehr so richtig Spaß macht? Was, wenn Dating Sie um den Verstand bringt? Was tun, wenn gute Gespräche oder blindes Verstehen von den Fragen nach dem Einkauf oder dem Abendessen abgelöst werden, von Sex mal ganz zu schweigen?

Das Problem sind wir selbst! Wir selbst haben uns unser Leben so gestaltet, wie es ist, nicht der Partner oder die Partnerin, die Umstände, Eltern oder Kinder. Wir selbst bestimmen, ob uns langweilig ist, ob wir uns streiten oder ob wir unzufrieden sind. Wir selbst entwickeln Denkmuster und Vorstellungen unserer Beziehungen - und diese können wir ändern. Diane Hielscher zeigt uns mit LIEBENEUDENKEN einen neuen Weg und geht damit über die klassischen Beziehungsratgeber weit hinaus.

Es gibt Lösungen, Ideen, Inspirationen und wertvolle Gedanken, die unsere Beziehungen zur / zum Partner, zu uns selbst und der Person, die wir noch finden werden, wieder lebendig, begeistert und abwechslungsreich machen.

Die Wissenschaft liefert uns atemberaubende Antworten, bisher hat nur niemand gefragt! Doch das hat die Radiomoderatorin, Journalistin und Podcasterin Diane Hielscher gemacht und Antworten in der Psychologie, Physik, Chemie, in der Wirtschaftswissenschaft, Neurologie und sogar in der Politikwissenschaft gefunden.

Die Ergebnisse der Gespräche mit namhaften Wissenschaftlern werden in diesem Buch präsentiert - ob neue Ideen für Beziehungen, Erkenntnisse der Leidenschaft, konkrete Kniffe zum Liebesglück - Sie werden Liebe und Partnerschaften mit anderen Augen sehen. Diane Hielscher spricht über Geld, die Macht der Veränderung und das Nachdenken über unsere Identität, Physik und Chemie. Nichts bleibt unberührt auf dieser Reise durch die Wissenschaften.

Das Buch enthält ergänzende Schreibübungen, Inspirationen für Meditationen und Gedankenspiele sowie zahlreiche Tipps der Autorin aus eigener Praxis, die uns zeigen, wie wir unser Denken und Handeln selbst bestimmen können und wie wir leben und lieben wollen.

Diane Hielscher ist Moderatorin beim Deutschlandfunk Nova und ebenfalls bekannt durch ihren Podcast »Kopf über Herz« bei Audible, in dessen Rahmen einige der im Buch gefeaturten Interviews entstanden sind. https://www.audible.de/pd/Kopf-ueber-Herz-Der-wissenschaftliche-Beziehungsratgeber-Original-Podcast-Hoerbuch/B08H4JL5MH

Inhaltsübersicht

Widmung

Vorwort

Teil 1: Was ist eigentlich unser Problem?

1. Denkt nicht an einen rosa Hasen – die Gedanken sind nicht frei

2. Was nach dem Schmerz passiert, bestimmen wir

3. Mein Nagetier ist nicht dein Nagetier – wie wir die Welt wahrnehmen

4. Gefühle sind keine Probleme – sondern Gefühle

5. Hätte ich, würde ich, wäre ich – der unglücklich machende Cocktail

Teil 2: Wir können ändern, was wir denken

6. Denkt jetzt an einen rosa Hasen!

7. Woran wollen wir glauben im Leben?

8. Ein Haufen Materie: Warum Atome wichtig für die Liebe sind

9. Formt unsere Sprache unsere Gedanken, oder formen Gedanken unsere Sprache?

10. Wie Stille und das Nichts bei der Liebe helfen

11. Handeln für die Liebe – was wir jetzt tun können

Teil 3: Kick ass oder: Lebensentfaltung – alles für euer Orchester

12. Du bestimmst über deinen rosa Hasen

13. Geld, Sex und Rock’n’Roll – was wir für unser Glück brauchen

14. Und jetzt können wir die Welt retten

Quellenverzeichnis

Dank

Für Chris

Vorwort

Was hat Liebe denn mit denken zu tun? Ich will doch fühlen!

 

»Ich liebe mein Leben« – kurz nachdem ich ein Foto von diesem Sticker bei Facebook gepostet hatte, brach mein Leben zusammen. Ich hatte erfahren, dass mein Freund zweieinhalb Jahre lang eine Affäre hatte und eigentlich gerade dabei war, eine neue zu beginnen.

Nach ein paar Nächten mit sehr viel Bier, Schnaps und Tränen haben wir eine Paartherapeutin aufgesucht. Zwei Kinder, Wohnung, Pipapo, nach elf Jahren steht ja niemand auf und geht so einfach. Die Therapeutin hielt immer den Kopf schräg und sprach mit einer extramilden Stimme, als wären wir bewaffnete Psychopathen. Genau während dieser Zeit eröffnete ihm dann eine gemeinsame Freundin von uns, dass sie in meinen Mann verliebt war. Diese Freundin war die Liebe seines Lebens, dachte er. Nach drei weiteren Wochen voller Lügen hab ich ihn dann rausgeschmissen. Das ist meine Seite der Geschichte. Die gesamte Realität der Situation war natürlich komplizierter und komplexer, und mein Ex-Partner hatte seine eigenen Beweggründe, über die wir nur leider nie gelernt hatten zu sprechen. Das war mir damals aber logischerweise egal, denn ich war noch im Weltuntergangsmodus. Hier beginnt normalerweise die Sitcom.

In meinem Fall allerdings der Weg zu diesem Buch, das ihr in den Händen haltet. Nach diversen Nervenzusammenbrüchen, Panikattacken, Heulkrämpfen und An-die-Decke-starr-Sessions habe ich mich nämlich gefragt, was eigentlich das Problem ist. Nicht nur meins. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es unglückliche Singles, sexlose Eltern, Menschen in kräftezehrenden Beziehungen mit Streit und Machtkämpfen, Affären, Trennungen und Rosenkrieg danach. Für euch alle ist dieses Buch! Entstanden aus meinem Schmerz.

 

Ich habe angefangen zu lesen, über Selbstliebe, Neurologie, Bewusstsein, Philosophie, Meditation, die Lehre der kleinsten Teilchen und Linguistik. Und wusste, dass ich auf Gold gestoßen war. All dieses Wissen, das schon lange da ist, können wir nutzen. Nicht nur, um danach einfach schlauer zu sein als vorher und wunderbar klugen Small Talk auf Partys zu machen, sondern um ein glücklicheres Leben zu führen, freier und besser zu lieben. Sich selbst und andere. Da waren plötzlich überall Antworten.

Jetzt habe ich ein sehr volles Bücherregal und liebe so glücklich wie noch nie in meinem Leben. Später habe ich mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gesprochen und aus erster Hand erfahren, auf welchem Stand ihre Forschung ist. Ich behaupte nicht, dass man sich nur mit einer Lizenz in eine Beziehung begeben darf, so, wie man einen Führerschein macht, um Auto zu fahren. Leute, die Lizenzen für Beziehungen ausgeben wollen, sind meiner Meinung nach gefährlich – genau wie Krokodile und Straßenbahnen. Es geht hier nicht um eine Antwort oder ein Rezept für die perfekte Beziehung, so etwas gibt es nicht. Aber es gibt sehr viel Wissen auf dieser Welt, das uns dazu inspirieren kann, anders zu denken, um glücklicher zu lieben. Wenn ihr also rundum glücklich, zufrieden und mopsfidel seid, ändert bitte nicht euer Denken! Dann könnt ihr jetzt zum schwedischen Krimi greifen.

 

Wenn ihr noch da seid, let’s go! Das Denken und das Handeln müssen – oder vielmehr dürfen! – wir dann selbst erledigen, also ihr selbst. Denn bei dieser Reise geht es vor allem auch um Verantwortung. So öde und schwer dieses Wort auch ist, ich kann euch sagen, diese Reise macht wahnsinnigen Spaß. Unser Gehirn ist nämlich dafür da, Probleme zu lösen und Neues zu lernen. Was beim Fahrradfahren, Ikeamöbelaufbauen und bei Instagram geklappt hat, wird auch beim Beziehungenführen gut laufen.

 

Aber ich will ja gar nicht denken, ich will ja fühlen!

Es gibt da immer noch den Glauben an DEN Moment, in dem man sich verliebt. Jack sieht Rose, Arielle den Prinzen, und Meg Ryan sieht Tom Hanks, damit ist alles klar. Keine Eifersucht, keine Langeweile, keine Paartherapie. Vor dem großen Gefühl steht aber oft ein Gedanke, eine Verletzung, ein Ziel oder ein Schmerz. Irgendwo im Gehirn wohnt ein Grund, warum wir uns ausgerechnet in diese Person verlieben. Gefühle kommen nicht einfach aus dem Nichts. Wahrscheinlich wollte Arielle nur ihrem autoritären Vater entfliehen und auf dem Land mit Beinen ihre Unabhängigkeit zelebrieren, da kam ihr Prinz Eric, als Exit-Strategie, gerade recht. Dass Rose sich an Bord der Titanic unglaublich langweilt in ihrem Luxus und sich deswegen in Jack verliebt, um mal wieder was zu spüren, ist ja offensichtlich. Und Meg Ryan und Tom Hanks sahen einfach verdammt gut aus zusammen beim Casting.

 

Aber wir sind unseren Gedanken und unseren Gefühlen nicht hilflos ausgeliefert. Sie kommen nicht einfach über uns, sie haben Ursachen und Wirkungen. Gefühle und Gedanken können wir mittlerweile im MRT sehen, wir wissen, wie unser Gehirn funktioniert. Wir können Zusammenhänge herstellen mit Ereignissen aus unserer Kindheit und Jugend. Die meisten Partner sind lediglich Reaktionen auf irgendein Defizit, das wir mit uns rumschleppen. Genau wie die Beziehungsprobleme, die daraus resultieren. Aber wir können unser Denken und unser Gehirn auf Glück trainieren, lieben ist lernbar. Das heißt nicht, dass nicht immer mal wieder Sachen passieren, die uns nicht in den Kram passen. Die Frage ist nur, wie wir sie wahrnehmen und dann damit umgehen. Wir werden zusammen die faszinierende Welt unseres Gehirns kennenlernen, wie sich zum Beispiel unsere Synapsen bilden. Wir werden über Sprache nachdenken, weil sie unser Denken und damit unser Leben formt, es wird Ausflüge in die Philosophie geben, und – ja – wir werden über Geld und Sport sprechen. Über Physik und über unsere Gefühle.

 

Es gibt so viel Wissen, das wir als Menschheit schon gesammelt haben, das jede*r von uns nutzen kann, um das Leben und damit auch die Beziehung zu gestalten, die wir haben wollen. In diesem Buch findet sich natürlich nicht alles Wissen dieser Welt wieder. Weder habe ich die Zeit, alles aufzuschreiben, noch habt ihr Lust, alles zu lesen. Wir wollen ja auch noch Zeit für unsere Beziehungen haben. Ich habe lediglich das zusammengetragen, was mir am meisten geholfen hat und noch immer jeden Tag hilft. Genau dafür ist dieses Buch da: Es soll helfen, die richtigen Fragen zu stellen. Es soll euch auf Ideen bringen, selbst euer Leben zu bauen, euch um euch selbst zu kümmern und euch besser kennenzulernen. Niemand außer euch weiß, was euch wichtig ist, wie ihr leben wollt und wie sich eure Beziehung anfühlen soll.

 

Dieses Buch ist eine Inspiration, keine Promotion, es ist keine wissenschaftliche Arbeit und erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Dieses Buch ersetzt auch keine Therapie. Wenn ihr Traumata mit euch rumschleppt, sucht bitte professionelle Hilfe auf, das ist nicht peinlich und keine Schande. Holt euch Hilfe! Wir sind keine Insel, wir alle brauchen andere Menschen, um den Kopf über Wasser zu halten.

 

Ich habe mich lediglich nach meinem eigenen Liebeskummer gefragt: Wie kann mir die Wissenschaft dabei helfen, eine glückliche Liebende zu werden und nicht mehr eine verzweifelt Brauchende zu sein? Was können wir jeden Tag dafür tun, damit unser Gehirn und unser Körper glücklich sind? Wie bekommen wir Schmetterlinge in den Bauch, obwohl die Dates alle blöd sind da draußen, und warum stehen manche Menschen morgens gut gelaunt auf, obwohl niemand ihr Katzenvideo geliked hat?

Ich hoffe, es macht euch genauso viel Spaß wie mir, all das zu entdecken, anzuwenden und zu leben.

Bevor es losgeht, noch ein Tipp von mir: Besorgt euch ein schönes Notizbuch, ein hübsches Heft oder einen Block, und schreibt euch während des Lesens Dinge auf, das macht glücklich. Das könnte auch für den dritten Teil hilfreich sein, wenn es um die (Schreib-)Übungen geht.

Teil 1

Was ist eigentlich unser Problem?

Kapitel 1

Denkt nicht an einen rosa Hasen – die Gedanken sind nicht frei

Ob du denkst, du kannst es oder du kannst es nicht: Du wirst auf jeden Fall recht behalten.

– Henry Ford

Da musste ich also 38 Jahre alt werden, um mir mal Gedanken darüber zu machen, womit sich mein Gehirn eigentlich den ganzen Tag beschäftigt. Und dabei ist mir aufgefallen, dass wir die meiste Zeit des Tages Schrott denken, durchschnittlich 60000 bis 80000 Gedanken. So etwas wie Brot kaufen, die Verkäuferin hat einen blöden Pulli an, und ich hab echt Falten auf der Stirn bekommen, sind nur drei davon. Woher kommen diese Gedanken? Denken wir all das bewusst und weil wir es wirklich wollen? Sind wir unsere Gedanken? Ist mein Gehirn mein ICH? Das würde dann heißen, dass ich die Brot essende Modekritikerin mit schlaffem Bindegewebe bin. Das kommt dabei raus, wenn man sich eine Weile selbst beim Denken zuhört. Eigentlich ist der Denkvorgang ein einziger Strom von dem Augenblick an, in dem wir aufwachen, bis zu dem Augenblick, in dem wir einschlafen. Das kann uns schon mal auf den Zeiger gehen, dieses ganze Gedenke. Aber wie können wir den Wahnsinn in aushaltbare Bahnen lenken? Können wir sagen »Ruhe da oben!«? Leider nicht. Wenn jemand sagt: »Denk auf keinen Fall an einen rosa Hasen!«, dann machen wir was? Richtig, wir denken an einen rosa Hasen.

Genau das ist wissenschaftlich getestet worden. Der Psychologe Daniel Wegner hat in den 1980ern nachgewiesen, dass unsere Gedanken nur noch stärker werden, wenn wir sie unterdrücken. Eine seiner Probandengruppen sollte nicht an einen Eisbären denken, die andere sollte intensiv an einen Eisbären denken. Beide Gruppen hatten die Aufgabe, ihre Gedanken laut auszusprechen und jedes Mal eine Glocke zu läuten, wenn sie an einen Eisbären dachten. In der ersten Runde war alles wie erwartet: Diejenigen, die an einen Eisbären denken sollten, taten dies auch öfter. So weit, so normal.

In der zweiten Runde allerdings wurden die Aufgaben der Gruppen getauscht. Die Gruppe, die in der ersten Runde ausgiebig an einen Eisbären gedacht hatte, war jetzt wesentlich besser darin, diesen Gedanken zu verdrängen. Die Gruppe, die zunächst versucht hatte zu verdrängen, wurde von Eisbären-Gedanken quasi erschlagen, so viele waren es.

Je mehr wir versuchen, einen Gedanken zu ignorieren, wegzuwünschen oder zu verdrängen, desto heftiger wird er sich rächen und mit voller Breitseite erst recht alles zu Klump hauen in unserem Kopf. Gedanken zu unterdrücken klappt also schon mal nicht, aber Geduld, es gibt andere Lösungen.

 

Wir sind natürlich trotzdem mehr als das neuronale Dauerfeuer in unserem Gehirn. Wir haben einen derart komplexen Neocortex (so heißt unser analytisch denkendes Gehirn), dass wir, während wir denken, denken können, dass wir denken. Das wiederum heißt Metakognition. Nur leider benutzen wir unser Gehirn eher wie eine Schrotflinte, mit der wir wild in der Gegend rumballern, statt als Präzisionswaffe. Wenn wir aber ein bisschen was über unser Gehirn wissen, dann können wir es auch besser bedienen, ist ja bei Computern auch so.

Wir machen unsere Realität selbst. Das ist jetzt kein Pep-Talk à la »Kaufen Sie sich mal schöne Unterwäsche«, sondern eine wissenschaftliche Erkenntnis, der Neurologen den schönen Namen »Neuroplastizität« gegeben haben. Neuroplastizität bedeutet, dass unsere Gedanken, unsere Erfahrungen, unsere Gefühle und unsere Handlungen unserem Gehirn seine physische Form geben. Jedes Gehirn sieht also anders aus, es ist so individuell wie ein Fingerabdruck, nur dass wir die Linien auf unseren Fingerkuppen nicht selbst gemacht haben. Die auf unserem Gehirn schon. Wir formen die graue Masse unter unserer Schädeldecke also selbst, jeden Tag, ob wir wollen oder nicht. Alles, was wir tun, denken und fühlen, ist das Ergebnis der Arbeit von 100 Milliarden Nervenzellen. Jedes Mal, wenn wir etwas lernen oder eine schmerzhafte oder schöne Erfahrung machen, stellen wir synaptische Verbindungen her. Neurologen haben ja durchaus Humor und erfanden den Spruch »What fires together, wires together«. Wenn wir etwas sehen, denken und fühlen, dann kommt all das bei verschiedenen Nervenzellen im Gehirn an, und sie reagieren aufeinander. Die Neuronen feuern zusammen und bilden so Synapsen, neue Verbindungen, die es vorher noch nicht gab. Jedes Mal, wenn wir eine neue Erkenntnis haben, uns darüber freuen und sie beim nächsten Mal anwenden, ist genau das passiert. Das gilt aber vor allem auch, wenn wir etwas Neues lernen, eine Sprache, eine Fertigkeit, wenn wir neue Gedanken denken. Der Neurobiologe und Bestsellerautor Gerald Hüther hat mir erzählt, dass unser Gehirn von klein an so aufgebaut wird. Ein Kind, das in Berlin groß wird, hat ein anders geformtes Gehirn als ein Kind, das in der Mongolei aufwächst. Die beiden lernen verschiedene Dinge, die für sie wichtig sind, um in ihrer jeweiligen Umgebung und Gesellschaft klarzukommen. Das passiert in den ersten Jahren unseres Lebens einfach so und ohne dass wir es merken. Aber ob wir es merken oder nicht, Neuroplastizität findet statt.

 

In einer Studie von 2011 wurde festgestellt, dass Londoner Taxifahrer mehr graue Zellen hatten, weil sie für ihre Prüfung 25000 Straßennamen und 20000 Sehenswürdigkeiten auswendig lernen mussten. Sie haben also so viele neue Verbindungen in ihrem Gehirn aufgebaut, dass sie ihre Gehirnmasse damit vergrößert haben. Das war damals spektakulär, weil man vorher immer dachte, dass sich im Erwachsenenalter nicht mehr so viel tut da oben. Wer kennt ihn nicht, den alten Spruch: »Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.« Deswegen haben Mütter in Englisch auf ihre Kleinkinder eingeredet und ihnen schon im Bauch Mozart vorgespielt. Wir dachten, das Gehirn sei irgendwann fertig und nicht mehr veränderbar, dem ist aber nicht so. Es geht zwar später langsamer mit den Synapsen, aber es geht. Jetzt können wir uns also alle entspannen und unsere Englischkenntnisse Jahre später mit Netflix-Serien im Original verbessern.

 

Was hat das alles aber jetzt mit meinem Liebesleben zu tun?

Beim Neuroplastizität-Betreiben geht immer auch einiges schief im Leben, das gehört dazu. Mal abgesehen von Traumata, die ihr auf jeden Fall mit einem Therapeuten besprechen solltet, machen wir aber auch selbst jeden Tag viel, um hinderliche Synapsen in unserem Gehirn zu installieren. Wenn wir verinnerlichen, dass wir selbst für das verantwortlich sind, was da so in unserem Gehirn los ist, und damit auch, wie wir auf Situationen reagieren und allgemein, wie wir leben, dann gehen wir vielleicht nicht mehr so sorglos mit unseren Gedanken um. Unsere Gehirne sind Bündel von Leitungen, und durch Botenstoffe wie sogenannte Neurotransmitter werden die Synapsen in unserem Gehirn vernetzt. Alles, was wir denken und fühlen, erschafft eine neuronale Struktur in unserer Gehirnmasse.

Besonders viele Neurotransmitter werden in unserem Gehirn ausgeschüttet, wenn wir starke Emotionen haben. Das heißt, je mehr wir in einer Situation fühlen, desto stärker brennt sich die Erinnerung in unser Hirn. Dies gilt für Positives genauso wie für Schmerz und Enttäuschung, Wut oder Trauer. Wir erinnern uns sehr wahrscheinlich an unseren ersten Kuss und an die Terroranschläge vom 11. September 2001. Aber wie die zweite binomische Formel lautet, wissen wir wahrscheinlich nicht mehr. Es sei denn, wir sind Mathelehrer aus Passion. Jedes Mal, wenn wir extreme Gefühle haben, werden Leitungen verlegt oder eben »Gedanken-Autobahnen gebaut«. Daran beteiligt ist vor allem das limbische System in der Mitte unseres Gehirns, das für unsere Emotionen zuständig ist. Es wird auch »das Säugerhirn« genannt, weil alle Säugetiere eines haben. Wir freuen uns also mit der gleichen Hardware wie Delfine und Rehe. Das limbische System ist außerdem fürs Lernen zuständig und für Erinnerungen.

Nur, wie kommen die Emotionen überhaupt dahin? Also erst mal logischerweise durch unsere Sinnesorgane, wir sehen, wir hören, wir schmecken, wir riechen und wir fühlen. Und diese Informationen werden in der grauen wabbeligen Walnuss-Masse verarbeitet, die das limbische System umschließt: in der Großhirnrinde oder auch Neocortex – dort wird das Ganze dann wie ein Puzzle zu einem zusammenhängenden Eindruck der Umwelt zusammengesetzt. Das limbische System signalisiert dem Körper: Hier sind große Emotionen, dieses Ereignis bitte abspeichern! Dafür setzt es einen chemischen Cocktail frei. Wir beginnen, diese Emotionen zu verkörpern – das heißt: Wir haben unsere emotionale Vergangenheit ständig wie einen Bauplan für die Zukunft im Gehirn und verhalten uns entsprechend. Angst, Glück, Sorge, Erfolg oder Scham. Wir können uns an Erfahrungen besser erinnern, weil wir uns an die damit zusammenhängenden Emotionen erinnern. Unser emotionales Zentrum im Gehirn speichert also Erfahrungen ab und macht daraus Erinnerungen, die unser Denken und Handeln bestimmen, unsere Zukunft. Alles, was wir denken und fühlen, erschafft eine neuronale Struktur in unserer Gehirnmasse. Da das so ist, sind wir nicht automatisch das, was wir denken, sondern wir werden das, was wir denken.

 

Die Frage ist: Wollen wir das werden, was wir denken? Und entspricht das auch der Wahrheit? Meistens eben genau nicht. Wir lernen nämlich das abstrakte Denken. Wir lernen zu abstrahieren, uns Dinge vorzustellen und Schlüsse aus verschiedenen Denkaufgaben zu ziehen.

Wenn alle Schafe rot sind, die Anneliese heißen, und alle restlichen Schafe blau, welche Farbe hat dann das Schaf Tim?

»Willst du mich verarschen, Diane?«, werdet ihr jetzt denken. »Blau natürlich.« Ja, aber wir wissen das nur, weil unser Denken auf diese Art trainiert ist. Auf diese Weise haben wir uns auch zum kontrafaktischen Denken konditioniert. Wir können alle möglichen Gedanken denken, die überhaupt nichts mit den realen Gegebenheiten zu tun haben. Wir können uns arbeitslos denken, pleite, hungrig, obdachlos, einsam, gehasst und geschasst. Wir können fühlen, wie es ist, wenn alle gemein zu uns sind, uns verlassen und uns Böses wollen, und das, obwohl wir gerade mit unserer Familie einen Film gucken und Chips futtern. Wir sind dazu in der Lage, uns jederzeit in unsere persönliche Apokalypse zu denken. Was dort allerdings nicht vorkommt, sind reale Bedrohungen wie das Schmelzen der Polkappen, das Sterben der meisten Tierarten und die Hitzewellen und Überschwemmungen, die demnächst noch häufiger auf uns zukommen werden. Das ist uns zu abstrakt.

 

So viel zur akademischen Theorie, kommen wir zur Praxis. Was genau heißt das eigentlich? Nehmen wir mal Paul und Anna. Die beiden sind jung und verliebt. Sie halten Händchen, essen Eis und erfreuen sich gegenseitig an ihren Genitalien. Irgendwann trennt sich Anna von Paul. Was Paul jetzt macht, ist Neuroplastizität und wird den weiteren Verlauf seines Lebens mitbestimmen. Paul hat Liebeskummer. Er weint, betrinkt sich, ist wütend, enttäuscht und traurig – wir alle waren mal Paul. Wie er die Situation jetzt bewertet, hängt davon ab, wie er sein Gehirn bis hierhin benutzt hat. Welche Überzeugungen hat er, welche Haltungen, Einstellungen und Ideale? Was haben ihm seine Eltern gesagt, was seine Freunde? Was denkt die Gesellschaft, in der Paul lebt, und welche Serien und Filme hat Paul geguckt?

Angenommen, Paul hat ein großes Selbstbewusstsein, dann könnte eine Schlussfolgerung aus der Trennung sein: »Mädchen sind einfach doof, wenn man sich mit denen einlässt, wird man verletzt. Mir passiert das nicht noch mal!« Wenn sich dieser Gedanke in seinem Weltbild schlüssig anfühlt und sich mit seinen Haltungen deckt, werden entsprechende Synapsen in seinem Gehirn entstehen. Eine neue Erfahrung, befeuert mit starken Gefühlen, ist gemacht, eine neue Autobahn im Gehirn ist angelegt. Und diese neue Erfahrung wird zu einer weiteren Einstellung, nach der er sein Leben gestaltet. Seine Wahrnehmung ist von jetzt an darauf gerichtet, Beweise für seine Einstellung zu finden. Egal, was ein Mädchen tut, sie tut es, aus seiner Sicht, weil sie eben einfach doof oder gemein ist.

Paul trägt seine Einstellung in den Klub, ins Kino, auf Partys. Überall, wo nette Mädchen sind – seine Einstellung ist schon da. Gibt ihm ein Mädchen einen Korb: »Wusste ich’s doch!« Will sie ihn nicht küssen: »Weil sie doof ist!« Und selbst wenn sich etwas Wunderbares anbahnt: »Da kann doch was nicht stimmen, ich muss aufpassen, Mädchen verletzen einen nämlich immer!« Dementsprechend verhält sich Paul und sorgt selbst dafür, dass das passiert, wovor er Angst hat. Seine Autobahn im Gehirn wird zur Selffulfilling Prophecy, zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Das weiß Paul natürlich nicht, er macht es nicht mit Absicht. Sein logisch denkender Neocortex sagt: Ich will eine Freundin! Ich will endlich wieder mit jemandem Eis essen, Serien gucken, und das mit den Genitalien hat mir auch gut gefallen. Aber gleichzeitig sind da diese alten Autobahnen, die keinen guten Einfluss auf Paul haben. Er fühlt sich oft unverstanden, reagiert über, ist schnell unsicher oder aggressiv. Er kann nicht offen und entspannt mit Mädchen reden, lachen oder sie einfach als Menschen kennenlernen, weil ständig irgendwas in ihm sagt: »Mädchen sind doof und gemein, pass auf! Trau ihnen nicht!«

Wir können aber auch annehmen, dass Paul ein instabiles Selbstbewusstsein hat, dann geht die Geschichte ein bisschen anders aus – allerdings nicht unbedingt besser. Paul könnte zu dem Schluss kommen, dass Anna einfach die wundervollste Frau der Welt ist und er so ein zauberhaftes Wesen nicht verdient hat. Dass er es schlichtweg nicht wert ist, mit einem solchen Engel zusammen zu sein. Paul baut die Ich-bin-wertlos-Autobahn in seinem Hirn aus. Ab jetzt werden Beweise für diese gedankliche Konstruktion gesucht: Ich komme oft zu spät, ich kriege nichts gebacken, keine Frau will mich, ich bin ein Verlierer.

Alles, was von jetzt an schiefgeht, wird Paul zur Beweisführung nutzen, dass er nichts wert ist, denn sein Fokus liegt jetzt auf seiner Wertlosigkeit. All die kleinen Siege, die schönen Momente und die Erfolge des Alltags werden langsam und Schritt für Schritt aus seinem Blickfeld verschwinden, er wird sie einfach nicht mehr wahrnehmen. Anna hat ihn verlassen – zu Recht, weil er ja sowieso zu nichts zu gebrauchen ist. Und jeder einzelne Beweis, der ja de facto keiner ist, wird dafür sorgen, dass Paul die Ich-bin-wertlos-Autobahn weiter ausbaut. Jede peinliche Situation ist eine Katastrophe, jeder Fehler im Alltag ist existenzbedrohend und jeder Rückschlag der ultimative Beweis. Als Anna ging, haben Pauls emotionale Zentren in seinem Gehirn so viele neuroplastische Botenstoffe freigesetzt, dass die Sache klar für ihn ist. Sein Gehirn, seine Wahrnehmung und seine neue Lebenseinstellung »lernen« jetzt für ihn und sorgen dafür, dass sich sein Leben in eine bestimmte Richtung entwickelt.

 

Der Tiefenpsychologe Alfred Adler hat das »private Logik« genannt, also eine Logik, die wir uns selbst erschaffen haben, die wirklich nur für uns gilt. Er sprach von einer Leitidee, einem Leitbild oder einer Fiktion. Also ist unsere private Logik etwas, das ausschließlich in unserer Vorstellung existiert, etwas, das wir uns erdenken, ohne dass es einen Bezug zur Wirklichkeit hat. Ach, über Wirklichkeit müssen wir in den kommenden Kapiteln auch noch mal sprechen. Ich glaube ja nicht, dass es sie gibt.

Paul hätte jedoch genauso gut denken können: Wir sind sehr jung, wahrscheinlich werde ich noch viele Trennungen erleben. Oder: Wir haben sowieso nicht so richtig zusammengepasst. Oder: Toll, mit jeder Beziehung und Trennung lerne ich mehr über die menschliche Existenz. Oder: Vielleicht bin ich schwul!

Er hätte zu jedem Zeitpunkt eine völlig andere private Logik erschaffen können, andere Neuronen hätten zusammen gefeuert und hätten andere Synapsen gebildet. Sein Blick auf die Welt wäre anders, er wäre offener, fröhlicher, »durchlässiger«. Wenn Paul wüsste, dass er selbst dafür verantwortlich ist, wie er mit der Situation umgeht, dann hätte er sich vielleicht für einen anderen Weg entschieden. Er hätte noch mal mit Anna sprechen können und gemerkt: Sie ist weder der perfekte Engel noch eine böse Hexe. Sie ist einfach Anna, die vielleicht noch nicht bereit für eine Beziehung war, die sich vielleicht in Tom verliebt hat – ohne böse Absicht. Oder Anna ist lesbisch. Anna wäre dann kein Bild in Pauls Kopf mehr, das er selbst aufgrund seiner Weltsicht konstruiert hätte, sondern ein ganz normaler Mensch wie er auch. Dann wären da keine Konstrukte mehr in seinem Hirn, die ihn davon abhalten, glücklich zu sein. Dann wäre da womöglich etwas, das ein bisschen mehr an die Realität herankommt als das, was Paul gemacht hat.

 

Wir alle haben oft solche privaten Logiken in uns: Mein Vater hat mich verlassen, er ist ein böser Mensch, und deswegen kann ich nicht vertrauen. Ich hasse den Mann, der mir die Frau ausgespannt hat, und ich werde den beiden nie verzeihen. Meine Deutschlehrerin hat gesagt, ich könne schlecht lesen, deswegen werde ich nie einen Roman schreiben. Ich war ein Frühchen und werde deswegen immer untergebuttert. Ich bin eben zur Ehrlichkeit erzogen worden und werde deswegen nie reich sein. Weil meine Eltern mir kein Studium finanzieren konnten, ist aus mir nichts geworden. Mein erster Freund hat mich belogen, deswegen bleibe ich für immer Single. Alle Frauen sind uninteressant. Ich verliebe mich immer in die Falschen.

Doch diese Glaubensweisheiten bilden nicht die Wirklichkeit ab – sie sind das, was wir selbst aus einer Situation gemacht haben. Nicht mit Absicht, nicht weil wir Idioten sind, sondern weil wir einfach dachten, das wäre wahr. Oder weil wir immer noch so denken. Und da sitzen wir nun mit unserem selbst gebastelten Gehirn tief in der Bredouille und wissen gar nicht, was genau eigentlich unser Problem ist. Dann sind es immer die anderen, die die Arschlöcher und die dummen Zicken sind. Dabei haben wir unser Leben lang dafür gesorgt, dass wir jetzt so denken, wie wir denken, dass wir diese Einstellungen und Vorstellungen haben. Wir versuchen dann, die Welt um uns herum nach unserer privaten Logik zu formen. Wir versuchen, unseren Partner oder unsere Partnerin nach unserer privaten Logik zu formen. Wir kämpfen, damit alle in unsere Schablonen passen, wir streiten und mühen uns ab. Dass das mühsam und sinnlos ist, sehen wir dann jeden Tag aufs Neue. Wenn wir uns dessen aber bewusst werden, können wir unser Leben komplett neu denken!

Mir hat diese Erkenntnis extrem weitergeholfen. Ich habe nach der Trennung überlegt, wie ich denn all das, was passiert ist, jetzt bewerten will. Will ich mich selbst als Opfer der anderen sehen? Oder ist nicht vielleicht eine Interpretationsmöglichkeit, dass mein Mann damals sehr unglücklich mit sich und seinem Leben war und deshalb Wege gesucht hat, um sich selbst wieder zu spüren? Die Aufregung einer oder sogar mehrerer Affären ist eine Möglichkeit, um Kohärenz im Gehirn herzustellen. Vielleicht ist das so, vielleicht nicht. Ich weiß es nicht.

Es ist eine Art der Bewertung. Ich sage nicht, dass es die richtige ist. Aber macht es mich zu einem schlechteren oder wertloseren Menschen, weil ich betrogen und verlassen wurde? Will ich mir das erzählen oder nicht? Es liegt an mir, wie verbittert ich in den nächsten Jahren leben will. Ich wollte es nicht sein. Ich wollte lesen, lernen und darüber nachdenken, meditieren, Sport machen und ein Buch schreiben. Auf diese Punkte werde ich in Teil 3 noch genauer eingehen.

 

Wir können jedes Mal einen Schritt zurücktreten aus unserem Leben und gucken: Warum denke und fühle ich das? Was genau in mir sorgt jetzt für genau diese Reaktion? Und wäre es nicht viel besser, jetzt etwas anderes zu denken und zu fühlen? Natürlich klappt das nicht immer, und es ist auch nicht einfach. Aber das Wissen um Neuroplastizität gibt uns ein Gefühl der Kontrolle über unser Leben zurück, das wir oft verlieren, zum Beispiel nach einer Trennung. Gerade wenn uns ein geliebter Mensch verlassen hat, fühlen wir uns hilflos und als Opfer. Aber vielleicht ist alles ganz anders.

Natürlich tut es weh, manchmal so sehr, dass wir brechen müssen, Panikattacken bekommen oder in eine Depression stürzen. Schmerz gehört aber zum Leben dazu, und wenn wir ihn mal so richtig fühlen, dann können wir danach wieder entspannt weiterleben. Wir sind allerdings darauf gepolt, Schmerz und Trauer zu vermeiden, was dann Neurodermitis und Bandscheibenvorfälle verursachen kann, darum geht es später auch noch ausführlicher.

Kapitel 2

Was nach dem Schmerz passiert, bestimmen wir

Pain is inevitable, suffering is optional – Schmerz ist unvermeidlich, Leiden ist eine Option.

– buddhistisches Sprichwort

Manche Dinge im Leben tun einfach scheiße weh, und das ist auch okay so. Daran merken wir, dass sie uns wichtig sind. Aber ob wir Jahre später noch darunter leiden, ist unsere Wahl – unter anderem auch dank Neuroplastizität. Je länger und häufiger wir über unseren Schmerz reden und darüber nachdenken, desto lebendiger und wacher halten wir ihn. Es ist wie Vokabeln lernen, nur wesentlich effektiver. Die Demütigungs-Synapsen feuern, unterstützt von den Schmerz-Botenstoffen, und wir bauen die Autobahn vierspurig aus. Die heißt dann zum Beispiel: »Er hat mich verlassen, ich bin das Opfer, eine andere Frau war besser, ich bin nichts wert.«

Um nur eine sehr häufig erzählte Fabel zu bemühen, die allerdings nicht besser wird, je öfter wir sie uns erzählen. Inspiriert von Alfred Adler und seiner privaten Logik, habe ich mit Absicht »Fabel« gesagt. Wenn wir unsere private Logik (und damit auch unsere Gedanken) mal ein bisschen weniger ernst nehmen würden, wäre vieles einfacher. Unsere Gedanken und unsere private Logik können uns, wenn wir es nicht verhindern, sogar umbringen.

Der Autor Roland Paulsen hat in seinem Buch Die große Angst die Abschiedsbriefe von Menschen analysiert, die sich das Leben nahmen. Viele von ihnen hielten ihre Gedanken, mit denen sie sich das Leben schwer machten, einfach nicht mehr aus und sahen den Suizid als einzigen Ausweg aus dem Gedankenwahnsinn. Ein Mann schrieb: »Ich bin nicht in der Lage, meinen unerträglichen Gedanken zu entfliehen, die unablässig in meinem Kopf hin und her springen. Ich bin nicht in der Lage, mein Gedankenkarussell in den Griff zu bekommen.« Das sind natürlich Extrembeispiele, aber es bringen sich rund eine Million Menschen auf der Welt jährlich um. Auch deswegen soll es in diesem Buch darum gehen, wie wir der Boss in unserem Kopf werden.

Dass wir irgendwann in der Lebensmitte unglücklich sind (die sogenannte Midlife-Crisis), liegt vor allem daran, dass wir uns selbst unser ganzes Leben lang verwickelt haben, sagt der Neurobiologe Gerald Hüther. Ich mag das Bild, das er dafür benutzt: Ver-wickelt. Ich sehe uns als Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, wie wir uns mit einem Faden selbst umwickeln, um in der Gesellschaft klarzukommen. Zuerst in der Familie: Nein, wir sollen unsere Kreativität nicht ausleben und an die frisch gestrichenen Wände malen. Dann in der Schule: Wir sollen leise sein und Formeln auswendig lernen. Sei ein lieber Junge! Sei ein braves Mädchen! Bei unseren Freunden: Wir müssen cool sein, um dazuzugehören. Im Job: fleißig sein, nicht zu sehr kreativ und nicht zu wenig. In der Beziehung: treu und nett und romantisch und bindungsfähig. Irgendwann sind wir so verwickelt, dass wir uns gar nicht mehr bewegen können, weil wir – logischerweise – immer alles getan haben, um dazuzugehören, um Geld zu verdienen, um geliebt zu werden. Das alles ist auch überhaupt nicht schlimm oder falsch, sondern absolut menschlich. So leben wir alle. (Ich will auch nicht, dass meine Kinder die Wände bemalen!)

Aber irgendwann geht’s dann halt nicht mehr. Wir gehen fremd, weinen uns in den Schlaf, kündigen, werden krank, arbeiten uns in den Burn-out, überziehen unseren Dispo, werden spielsüchtig, trinken zu viel Alkohol und verlassen unsere Partner. Wir schlagen um uns, weil wir diesen fest gebundenen Faden loswerden wollen. Wir wollen endlich mal wieder etwas spüren, uns lebendig fühlen – selbst Schmerz ist in dieser Situation besser, als nur zu funktionieren. Lieber weinen, als immer nur putzen, arbeiten, kochen, Kinder ins Bett bringen, studieren.

 

Die einfachsten Wege, sich lebendig zu fühlen (oder, wie Neurologen sagen: Kohärenz im Gehirn herzustellen), sind, Alkohol, Drogen, Shoppen, viel Essen oder Sex. Wir können uns beispielsweise schnell jemanden in der Außenwelt suchen, der uns wieder Schmetterlinge im Bauch beschert, weil wir es selbst nicht schaffen. Irgendwer, schnell. Dank Tinder, OkCupid, Parship und wie die Datingplattformen alle heißen, ist das nicht mal schwer. Beim nächsten Date könnten die Schmetterlinge wieder da sein, hinter jeder Ecke könnte das Gefühl wieder lauern: das Sich-lebendig-Fühlen. Endlich wieder den ganzen Tag lang grinsen, das Kribbeln zwischen den Beinen, wenn man an den anderen denkt, sich kennenlernen, ganz große Gefühle spüren, tolle Gespräche führen. Wo ist diese Person, die dafür sorgt, dass ich mich endlich wieder gut fühle?

Wenn dann keine*r kommt, geht der ganze Schmerz wieder von vorne los. Und wieder basteln wir an unserem Gehirn herum. Wir bauen Autobahnen in unseren Kopf, die sagen, dass wir jemanden brauchen, um uns lebendig zu fühlen. Autobahnen, die sagen: »Ich verliebe mich immer in die Falschen.« Autobahnen, die sagen: »Wenn ich nicht die richtige Partnerin finde, bin ich einsam.«

Oder: »Meine Ehe ist furchtbar – so ist das eben, ich sitze das einfach aus, bis ich sterbe.«

All diese Sätze habe ich so oder ähnlich schon von Freunden und Bekannten gehört. Ich kenne sogar mehrere Menschen, die mehrfach die Woche »Ich hasse mein Leben!« sagen.

 

Mir geht es hier nicht um das viel zitierte »positive Denken«. Das hat einen schlechten Ruf, weil es für viele das Gleiche ist, wie sich selbst zu belügen. Ich laufe auch nicht den ganzen Tag rum und sage: »Mein Leben ist toll!«, obwohl ich es eigentlich hasse. Ich fühle vielmehr tatsächlich, dass mein Leben toll ist. Ich habe mein Gehirn dazu trainiert, glücklich zu sein, genauso wie meine Oberarme im Fitnessstudio. Dass wir Muskeln regelmäßig trainieren müssen, ist Allgemeinwissen. Wenn wir damit aufhören, gehen die Muskeln wieder weg. Exakt so ist es auch mit unseren Synapsen. Ich konnte in der Schule die ganze Loreley von Heine auswendig, jetzt scheitere ich bei »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin …«. Ich habe aufgehört, dieses Areal in meinem Gehirn zu trainieren. Dafür trainiere ich jetzt andere Teile meines Gehirns, von denen ich glaube, dass sie mir mehr bringen. Heine in allen Ehren, aber so richtig glücklich gemacht hat mich sein Gedicht eigentlich nie.

 

Begeisterung ist Dünger fürs Gehirn! Dieser großartige Satz von Gerald Hüther hat sich in mein Gehirn gebrannt. Jeden Tag ist dieser Satz bei mir, bei allem, was ich tue. Wundervolle Begeisterungs-Botenstoffe bilden jetzt gerade, während ich das hier schreibe, neue Begeisterungs-Synapsen in meiner grauen Masse und machen mein Leben schön.

Der Neurobiologe Gerald Hüther sagt auch: Wir müssen etwas finden, das uns wirklich berührt. Etwas, das uns wichtig ist, das uns das Gefühl gibt, lebendig zu sein. Das kann keine andere Person für uns übernehmen, dafür sind wir ganz allein verantwortlich. Vor allem kann das aber auch keine andere Person SEIN.

 

Jede*r, der schon mal den Satz »Ohne dich kann ich nicht leben« gehört hat, weiß, dass man den Job eigentlich nicht will. Ich persönlich finde das auch eher bedrohlich als romantisch. Um herauszufinden, was uns wirklich begeistert, bewegt und glücklich macht, können wir aktiv unser Gehirn nutzen und all die wunderbaren Features, die es hat.

Wissen macht glücklich und kann dafür sorgen, dass wir jeden Tag darüber nachdenken, was wir eigentlich brauchen, was uns glücklich macht, was wir wollen und wer wir sind. Oder, wie es die Aufräum-Queen Marie Kondo formuliert: »Does it spark joy?« – Entzündet es Freude? Wenn nicht, kann es weg. Das gilt für Handtaschen und altes Werkzeug genauso wie für Jobs, Beziehungen und Gedanken-Autobahnen.

Oder wie der Philosoph und Existenzialist Jean-Paul Sartre gesagt hat: »Wir sind zur Freiheit verdammt.«

Unser Gehirn hat nur leider kein gesteigertes Interesse daran, dass wir glücklich sind. Da sind also 100 Milliarden Nervenzellen in unserem Gehirn – das sind etwa so viele, wie es Sterne in der Milchstraße gibt –, und manchmal hat man den Eindruck, dass die alle gegen uns sind. Warum bin ich unglücklich? Warum mache ich seit fünfzehn Jahren einen Job, der mich langweilt? Warum verharre ich in einer toxischen Beziehung oder habe ungesund viel Übergewicht? Weil unser Gehirn überleben will. Und um zu überleben, muss es uns beschützen. Zunächst einmal ist alles, was bereits da ist, besser als alles, was (noch) nicht da ist. Wir kennen den langweiligen Job, wir wissen ja, wie er geht. Alles andere da draußen ist nicht vorhanden und damit bedrohlich. Die Angst vor dem Neuen ist größer als die Hoffnung auf etwas Besseres. Wir können uns das Bessere nämlich nicht vorstellen. Wir sehen es nicht, schmecken, fühlen und hören es nicht. Wir stehen vor der Wahl: Will ich das, was ich kenne (»Na ja, der Kaffee im Büro ist auch echt okay.«), oder will ich …? Ja, was eigentlich? Und so vergehen Jahre, Jahrzehnte, und wir gucken im Fernsehen und bei Instagram anderen dabei zu, wie sie ihre Träume verwirklichen, ihre Berufung finden, Spaß bei der Arbeit haben und offenbar glücklich in ihrer Beziehung sind.

 

Nach meiner Drama-Trennung habe ich irgendwo den Satz gelesen: »Stell dir vor, dass das, was vor dir liegt, noch viel besser ist als das, was du verloren hast.«

Das konnte ich nicht. Es war tatsächlich zu diesem Zeitpunkt absolut unmöglich für mich. Da waren nur Rotz und Wasser und Schmerz. Mittlerweile lebe ich in dieser damals unvorstellbaren Zukunft, und was soll ich sagen? Richtig! Das, was ich jetzt habe, ist noch viel besser als das, was ich damals verloren habe. Ihr werdet mir wahrscheinlich auch nicht glauben, wenn ich sage: Ihr könnt wesentlich glücklicher/zufriedener/erfüllter werden, als ihr es jetzt seid. Denn unser Gehirn will uns vor der Ungewissheit beschützen. Vielleicht ist der neue Job ja noch viel schlimmer, die neue Partnerin noch viel unentspannter und eine andere Ernährung nicht so lecker. Niemand kann es unserem Gehirn verdenken, denn die Logik dahinter ist ja bestechend: Wenn ich es bis hierher geschafft habe, scheint ja alles ganz gut gelaufen zu sein. Ich lebe! Never change a running system. Außerdem passt Glücklichsein oft auch gar nicht so richtig in unser Konzept von uns selbst. Wir haben uns über die Jahre – wie oben bereits beschrieben – vielleicht eine Art Unglücksidentität zurechtgezimmert. Wir sind es nicht wert, wir sind zu dick, zu dünn, zu groß, zu klein, zu laut, zu leise, zu dumm, zu klug. Wir sollen mal froh sein, dass wir nicht verhungern, anderen geht’s noch schlechter. Unglücklichsein in Deutschland ist ja ein Luxusproblem, und Glück muss man sich eben hart erarbeiten. Genährt wurde das auch noch zusätzlich durch Sprüche aus der Kindheit:

Was glaubst du eigentlich, wer du bist!?

Eigenlob stinkt.

Na, wenn das so einfach wäre, hätten es schon andere gemacht.

Das musst du dir aber verdienen.

Dafür hast du kein Talent.

Das Leben ist hart.

Das kann man nicht ändern.

Du bist nur ein kleines Rädchen im großen Ganzen.

Unser Gehirn signalisiert deshalb, dass Neues nicht geht, was auch immer es ist: Eine erfüllte Beziehung führen, ein Unternehmen aufbauen, einen Job finden, der wirklich Spaß macht, tiefe Freundschaften.

Die synaptischen Autobahnen lassen ja gar keinen Spielraum mehr für »Vielleicht geht es ja doch!«. Diese Straße gibt es nicht, deswegen können wir sie auch nicht benutzen.

Welche man dagegen ganz wunderbar befahren kann, ist die Zeter-und-Mordio-Allee, wir kennen sie alle. Es gibt immer etwas zu beklagen, am besten eignet sich das Verhalten des Partners oder der Partnerin. Gleich danach kommt der langweilige oder stressige Job, die Chefs, das Wetter, die Politik, die Wirtschaft, das System – nur das Fernsehprogramm fällt, seit es Mediatheken und Streaming-Dienste gibt, aus.

 

Es ist also nicht nur, dass unser Gehirn Angst davor hat, Neues auszuprobieren. Selbst wenn wir es dann doch mal versuchen, widerstrebt das oft dem Bild, das wir von uns haben. Oder das andere von uns haben. Eine Mischung aus beidem nennt man dann Identität. Darauf kommen wir noch ausführlicher zu sprechen. Wir können nämlich ganz wunderbar viel an unserer Identität mitwirken, die ist auch nirgends in Stein gemeißelt. Wir rutschen oft in eine Identität hinein, die eigentlich gar nicht so viel mit dem zu tun hat, wer wir eigentlich sind. Und plötzlich haben wir uns dreißig Jahre lang nicht einmal gefragt, was wir eigentlich wollen, wer wir sind und wie es uns geht. Auf die Frage »Wie geht’s?« antwortet man in Deutschland am besten mit: »Muss ja«, »Hilft ja nix« und »Kann nicht klagen«. Dann fällt man nicht weiter auf. Stellt euch mal vor, ihr sagt plötzlich: »Ich versuche jetzt jeden Tag, mich selbst glücklich zu machen!« Da denken die meisten eher an Masturbation als daran, das eigene Gehirn auszutricksen, sich zu entwickeln oder ihre wahren Bedürfnisse zu entdecken.

Glücklich, erfüllt oder zufrieden zu sein ist nicht vorgesehen. Vor allem natürlich wirtschaftlich nicht. Denn wir sollen kaufen, um glücklich zu sein. Wir brauchen Nike, Apple, Puma, Gucci, Caterpillar und Tesla, um jemand zu sein. Wenn wir uns nicht durch die Produkte, die wir kaufen, individuell ausdrücken, wie denn dann? Woher wissen wir denn, wer wir sind, wenn wir nicht kaufen? Ich übertreibe natürlich und tippe diese Zeilen auf einem MacBook Air. Aber Marketingagenturen wissen, dass unser Gehirn nicht glücklich sein will, dass wir Glaubenssätze haben, die uns begrenzen, einengen und dafür sorgen, dass wir unzufrieden sind. Sie wissen, dass Einkaufen Dopamin ausstößt, einen Botenstoff im Gehirn, der dafür sorgt, dass wir uns stark und glücklich und aufgeregt fühlen. Dopamin sorgt dafür, dass sich neue Synapsen bilden, und ist für die Belohnung zuständig. Unser Gehirn will dieses Dopamin, am besten jeden Tag, und da sind wir wieder bei Sex, shoppen, zocken, Affären haben, sich verlieben, Alkohol trinken, Drogen nehmen. Der Ausstoß von Dopamin sorgt dafür, dass wir mehr davon wollen. Das kann eine gute Sache sein, weil es uns motiviert. Zu wenig Dopamin macht antriebslos, traurig, und wir fühlen uns enttäuscht. Dopamin wird also auch ausgestoßen, wenn wir wirklich joggen waren, einen Kunden zufrieden gemacht haben, einen neuen Job haben, ein tolles Date hatten und ein gutes Buch gelesen haben. Dass das Gehirn Dopamin braucht, ist also völlig normal. Nur WIE wir es unserem Gehirn geben, liegt komplett in unserer Hand. Später auch noch mehr dazu.

 

Wir wissen jetzt also, dass unser Gehirn eigentlich nicht dafür konzipiert ist, glücklich zu sein, sondern vor allem, um uns zu schützen. Kein Risiko! Bleib da, wo du bist!

Außerdem haben wir selbst – mithilfe von Neuroplastizität – dafür gesorgt, dass wir ver-wickelt sind.

Verwickelt in Erwartungen der anderen Menschen, mit denen wir aufgewachsen sind.

Verwickelt in Glaubenssätze, die wir gelernt und verinnerlicht haben.

Verwickelt in unsere eigenen, privaten Interpretationen der Realität, die es so ganz sicher nie gegeben hat.

Verwickelt in die Spuren, die unsere Emotionen der Vergangenheit in uns hinterlassen haben.

All die traurigen Autobahnen der Enttäuschung, die Straßen der Angst und die Pfade der Demütigung machen uns jeden einzelnen Tag das Leben schwer. Wenn wir über Jahre unser Gehirn in eine bestimmte Richtung füttern, also mittels Neuroplastizität formen und mit unserer Variante von Realität eine private Logik bauen, ist unser Wille dann frei?

Bin ich frei, jede wunderbare Partnerin dieser Welt kennenzulernen, wenn ich denke, ich bin zu nichts nütze? Kann ich frei darüber entscheiden, wie ich mit dem netten Mann an der Bar spreche, wenn ich mich selbst zutiefst ablehne? Kann ich eine harmonische und fröhliche Beziehung führen, wenn die Interpretation meiner Kindheit beinhaltet, dass ich genauso aggressiv agiere wie mein Vater?

Wie frei ist unser Wille eigentlich, wenn wir bedenken, was wir in unserem Leben schon für Autobahnen in unser Gehirn gebaut haben, aus Mangel, Unsicherheit, Scham und Angst? Ich sage: Nicht so richtig frei. Und zwar nicht, weil die Chemie in unserem Kopf uns sagt, wie wir jetzt in diesem Moment leben sollen, sondern weil unsere eigene Interpretation der Vergangenheit dafür sorgt, dass wir denken, unsere Zukunft wäre bereits besiegelt. Wenn gestern ein langweiliger Bürotag war, wird es morgen auch so sein. Wenn mich mein Freund gestern gelangweilt hat, wird es morgen auch so sein, und wenn meine Freundin mich gestern rumkommandiert hat … ihr wisst schon. Das nennt man deterministisches Denken, also festgelegtes, begrenztes Denken.

 

Halten wir also fest: Wir leben in unserer eigenen Welt, wir haben alles irgendwie interpretiert und sind deswegen jetzt da im Leben, wo uns diese ganze Interpretiererei hingebracht hat. Wir sind sehr wahrscheinlich in diesem Job, in dieser Beziehung, alleine, kinderlos, Mutter oder Vater, geschieden oder arbeitslos, unglücklich oder gelangweilt, weil wir selbst – ohne es zu wollen – in den letzten Jahren eine Menge dafür getan haben, dass alles so ist, wie es ist. Weil wir anderen gefallen, geliebt werden und dazugehören wollten. Fair enough. Das gehört dazu, das wollen wir alle. Schmerz, Angst und Unsicherheit gehören zum Leben dazu, ebenso wie Tod und Verlust. Das lässt uns menschlich sein. Doch das Leben auszuhalten, zu ertragen, es abzusitzen und sich taub und dumpf zu fühlen – das sind Strategien, um dem Leben aus dem Weg zu gehen, sich einfach zu weigern, es zu leben.

Wir haben uns also verwickelt – und ich sage mit Absicht nicht »verwickeln lassen«. Denn ja, die Gesellschaft, das Schulsystem, unsere Eltern und die Lehrer, Erzieher, Chefs und Kollegen haben ihren Beitrag dazu geleistet, aber gemacht haben wir es letztlich selbst. Und genauso, wie wir uns verwickelt haben, können wir uns auch wieder ent-wickeln. Wir können unser Wunderwerk von Gehirn nutzen, jetzt, wo wir von Neuroplastizität wissen und uns ein neues Leben gestalten, so, wie es uns guttut, zu uns passt, und so, wie es uns glücklich macht.