Liebe und Schicksal Großband 7/2023 - Sandy Palmer - E-Book

Liebe und Schicksal Großband 7/2023 E-Book

Sandy Palmer

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Romane: Anna Martach: Notfall mit Folgen Anna Martach: Die Sache mit dem Herzen Sandy Palmer: Eine Liebe in Vancouver Johanna ist sich bewusst, dass sie dringend Urlaub braucht. Deshalb ist die Einladung ihrer besten Freundin, die in Kanada lebt, der größte Lichtblick seit Tagen. Johannas Freundin will heiraten und Johanna soll ihre Trauzeugin werden. Doch Arthur, Johannas Freund, ist alles andere als erfreut, dass sie ohne ihn fliegen will...

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Sandy Palmer, Anna Martach

Liebe und Schicksal Großband 7/2023

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Inhaltsverzeichnis

Liebe und Schicksal Großband 7/2023

Copyright

Eine Liebe in Vancouver

Notfall mit Folgen

Die Sache mit dem Herzen

Liebe und Schicksal Großband 7/2023

Sandy Palmer, Anna Martach

Dieser Band enthält folgende Romane:

Anna Martach: Notfall mit Folgen

Anna Martach: Die Sache mit dem Herzen

Sandy Palmer: Eine Liebe in Vancouver

Johanna ist sich bewusst, dass sie dringend Urlaub braucht. Deshalb ist die Einladung ihrer besten Freundin, die in Kanada lebt, der größte Lichtblick seit Tagen. Johannas Freundin will heiraten und Johanna soll ihre Trauzeugin werden. Doch Arthur, Johannas Freund, ist alles andere als erfreut, dass sie ohne ihn fliegen will...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author / COVER A. PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Alles rund um Belletristik!

Eine Liebe in Vancouver

von Sandy Palmer

Der Umfang dieses Buchs entspricht 36 Taschenbuchseiten.

Johanna ist sich bewusst, dass sie dringend Urlaub braucht. Deshalb ist die Einladung ihrer besten Freundin, die in Kanada lebt, der größte Lichtblick seit Tagen. Johannas Freundin will heiraten und Johanna soll ihre Trauzeugin werden. Doch Arthur, Johannas Freund, ist alles andere als erfreut, dass sie ohne ihn fliegen will...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© Roman by Author

© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

[email protected]

1

Seit drei Tagen regnete es ununterbrochen, und das elend schlechte Wetter ging allen so langsam auf den Geist. Die Stimmung in Johannas Büro, wo sie als Chefdesignerin für einen großen Modekonzern arbeitete, war dementsprechend angespannt und schlecht. Dazu kam, dass eine Stofflieferung, auf die sie dringend warteten, nicht geliefert worden war. Diese Verzögerung war nicht nur ärgerlich, sondern würde sie auch viel Geld kosten.

Johanna war sich bewusst, dass sie dringend Urlaub brauchte. Deshalb war die Einladung ihrer besten Freundin, die in Kanada lebte, der größte Lichtblick seit Tagen.

Leider konnte Arthur ihre Begeisterung nicht teilen. Im Gegenteil, er machte ihr die Aussicht auf die Reise über den großen Teich mehr als mies.

„Du bist komplett durchgeknallt, Johanna! Woher kommt denn jetzt diese verrückte Idee?“

„Wieso? Was meinst du?“ Johanna tat betont harmlos. Dass es ihr sehr gut gelang, ließ auf jahrelange Übung schließen. Doch Arthur, der schon mit ihr die Schulbank gedrückt hatte, war nicht zu täuschen.

„Stell dich nicht dümmer als du bist“, fauchte er, und seine an sich blasse Gesichtshaut rötete sich. Dazu flackerten seine Augenlider, wie immer, wenn er aufgewühlt war. „Du weißt genau, was ich meine. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass wir zusammen in die Türkei oder nach Spanien fahren. Und was machst du - wirfst einfach das ganze Programm über den Haufen und buchst zwei Wochen Vancouver. Verrückt ist das. Komplett verrückt! Und mir gegenüber wirklich unverschämt. Du hättest das mit mir bereden müssen. Schließlich weißt du genau, dass ich mit meinen Geldmitteln haushalten muss.“

„Du verkennst da was“, gab Johanna, jetzt auch wütend, zurück. „Ich hatte nicht vor, mit dir zusammen zu fliegen. Unseren gemeinsamen Urlaub müssen wir verschieben.“

„Was?“ Fassungslos sah er sie an.

Johanna zuckte mit den Schultern. „Du weißt genau, dass es Gründe für meine Entscheidung gibt. Schließlich heiratet meine allerbeste Freundin einen Banker aus Vancouver. Und das Hochzeitsfest will ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.“

„Was gehen mich deine reichen Bekannten an“, fauchte Arthur. „Und diese Freundin interessiert schon gar nicht.“ Er stellte sich ans Fenster, schaute in den Dauerregen und presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Er kannte Johannas Freundin Stefanie auch schon seit Jahren - und mochte sie ebenso wenig leiden wie Zahnschmerzen. Stefanie war klug, emanzipiert und höchst wohlhabend. Ein Verwandter zweiten Grades, den sie nur als kleines Mädchen einmal gesehen hatte, war vor fünf Jahren verstorben und hatte ihr, seiner einzigen Verwandten, ein Vermögen hinterlassen. Sogar nach Abzug der nicht geringen Erbschaftssteuer ließ sich damit sehr gut leben.

Seit einem Jahr hielt Stefanie sich in Vancouver auf, hatte dort ein Geschäft für Luxusartikel eröffnet.

Arthur hingegen kam aus einfachsten Verhältnissen, alles, was er besaß, hatte er sich selbst mühevoll erarbeitet. Statt stolz auf das Erreichte als Architekt zu sein, quälte er sich jedoch immer noch mit Minderwertigkeitskomplexen herum.

Johanna, die seinen Background kannte, hatte zunächst alles versucht, um ihm diese Komplexe zu nehmen, doch vergeblich.

„Ich komme auch aus einem Elternhaus, in dem man genau rechnen musste“, hatte sie stets gesagt. „Auf Rosen gebettet waren wir nie, das weißt du. Und dass ich jetzt als Designerin ganz gut verdiene, ist ein Glücksfall.“

„Du hast nie so eingeschränkt leben müssen wie ich. Und seit du für Stefanie arbeiten kannst, bist du aus allem Groben raus.“ Er hatte in für ihn typischer Manier die Lippen zusammengepresst. „Freundschaft ist eben viel wert - und Beziehungen alles.“

„Na und? Stefanie weiß meine Arbeiten zu schätzen. Und nicht nur sie - zum Glück. Auch ihre Kundschaft scheint meine Sachen zu mögen. Aber auch dir geht es doch gut.“ Sie wollte keinen Streit und bemühte sich wieder einmal um Harmonie. „Jetzt musst du dich nicht mehr einschränken. Dein Job bei Karstensen und Co. wird gut bezahlt und...“

„Ach, der Job...“ Arthur hatte deprimiert abgewinkt. „Der ist auch nicht das Wahre.“

Schließlich hatte Johanna es aufgegeben, Arthur aufzubauen. Doch ihre Liebe, die schon in der Abiturklasse begonnen hatte, begann immer mehr zu bröckeln. Stefanie war daran nicht ganz unschuldig. Sie hatte der Freundin oft vorgeworfen, sich von Arthur das Leben vermiesen zu lassen.

„Du bist erfolgreich, bildhübsch und klug“, hatte sie erst vor kurzem wieder am Telefon gesagt. „Lass den Kerl endlich sausen, Johanna. Dein Geschäft floriert, du kannst sehr gut auf eigenen Füßen stehen und musst dich nicht mit einem solchen Miespriem belasten.“

„Er kann auch sehr, sehr lieb sein.“

„Ja. Und er klammert sich an dich wie eine Klette.“ Stefanie machte wieder einmal keinen Hehl aus ihrer Abneigung. „Komm zu unserer Hochzeit, Johanna. Aber allein, bitteschön. Vielleicht tut dir ein bisschen Abstand gut und du kannst leichter eine Entscheidung fällen, wenn du erst mal von ihm getrennt bist für ein paar Tage.“

Dieser Gedanke ließ Johanna seither nicht mehr los. Es stimmte ja leider, dass ihre Liebe zu Arthur immer mehr zusammenschrumpfte. Sie hasste es, wenn er sich kleinlich gab, wenn er jeden Cent dreimal umdrehte und am liebsten jeden Abend daheim auf dem Sofa verbracht hätte, statt auszugehen. Dabei verdiente er wirklich ganz ordentlich. Doch er war noch immer nicht selbstständig, was ihn sehr wurmte, zumal Johanna mit ihrer Entscheidung, einen eigenen Laden aufzumachen, gleich Erfolg gehabt hatte.

Sie mochte Arthur aber trotz seiner Eigenheiten immer noch. Doch die unbekümmerte Liebe und Leidenschaft, die sie mit zwanzig für ihn empfunden hatte war dahin. Eine lebenslange Partnerschaft mit ihm konnte sie sich immer weniger vorstellen.

Arthur hingegen sah in Johanna die absolute Traumfrau. Für ihn gab es seit der Schulzeit keine andere. Er wachte eifersüchtig über sie und konnte total ausflippen, wenn sie einen anderen Mann auch nur ansah.

Nein, je länger sie darüber nachdachte, umso mehr musste sie erkennen, dass eine Trennung irgendwann unausweichlich war.

Also buchte sie heimlich die Reise nach Vancouver - überzeugt davon, dass Arthur sie nicht begleiten würde.

Daran dachte der blonde Mann auch nicht im geringsten. Er gab sich bis zu Johannas Abflug kühl und distanziert.

„Kannst dich ja mal melden“, meinte er nur, als er sie vor dem Flughafengebäude mit einem flüchtigen Kuss verabschiedete.

„Mach ich.“ Johanna griff nach ihrem Rollkoffer. Sie fand Arthurs Verhalten einfach nur albern, doch es bestätigte sie in ihrer Entscheidung. Die Reise nach Kanada war richtig - und vielleicht würde sie sogar ihr ganzes Leben verändern.

2

Die Sonne strahlte vom Himmel, und ein leichter Wind wehte vom Wasser herüber zur Stadt, als Johanna in Vancouver eintraf. Schon während der Landung hatte sie fasziniert aus dem Fenster geschaut. Wunderschön lag die Stadt direkt am Pazifik. Sie sah viel Grün, bemerkte einen großen Jachthafen und sah etliche kleine Wasserflugzeuge, die rasch hintereinander in die Luft stiegen.

Suchend sah sie sich nach der Freundin um, nachdem sie ihre beiden Koffer in Empfang genommen hatte.

„Johanna! Hier!“ Stefanie winkte zur Begrüßung mit einem hellroten Schal.

„Steffi!“ Strahlend ging Johanna auf die Freundin zu und umarmte sie. „Toll siehst du aus.“

„Du hast dich auch gut gehalten. Nur ein bisschen müde und blass.“

„Der lange Flug...“ Lächelnd zuckte Johanna mit den Schultern. „Aber ich fühle mich topfit.“

„So kenn ich dich. Dann lass uns losfahren. Ich bin ja so gespannt, wie dir meine neue Heimat gefällt.“

„Ich bin jetzt schon fasziniert.“ Johanna lachte die Freundin an. „Zumindest von oben wirkt alles wunderschön.“

„Ja, Vancouver ist eine grüne Stadt. Jung, dynamisch, modern. Allerdings leben wir hier nicht so hektisch wie in New York, doch es ist immer was los.“

„Du hast mir gar nicht gesagt, wo du mich unterbringen wirst.“ Interessiert sah Johanna aus dem Fenster des rassigen Sportwagens, den Stefanie fuhr.

„Bei uns natürlich! Denkst du, ich bringe meine älteste und liebste Freundin in einem Hotel unter?“ Das klang fast vorwurfsvoll.

„Ich will aber nicht lästig fallen. Verliebte sind doch gern allein.“

„Red keinen Unsinn. Du störst nicht. Außerdem haben wir Platz genug.“

Davon konnte sich Johanna wenig später überzeugen.

Stefanie bewohnte mit ihrem zukünftigen Mann eine perfekt restaurierte Villa am Mole Hill im West End. Ein Garten umrundete das hellgelb gestrichene, zweistöckige Gebäude im viktorianischen Stil mit dem spitzen weißen Giebel, dessen eine Seite vollkommen verglast war.

„Da oben wohnst du.“ Stefanie lenkte den Wagen in die breite Einfahrt und wies kurz nach oben. „Von dem Gästezimmer aus hast du einen tollen Blick bis hin zur English Bay.“

„Wow! Ich bin begeistert! Das Haus ist toll!“ Mit leuchtenden Augen sah sich Johanna um.

„Ja, wir sind auch froh, dass wir es kaufen konnten. Das war wie ein Sechser im Lotto, denn die Häuser hier sind so rar wie nichts anderes. Aber jetzt komm erst mal rein. David ist für drei Tage geschäftlich unterwegs, er freut sich aber drauf, dich zu treffen.“ Sie lachte. „Es ist aber ganz gut, dass er nicht da ist, wir haben also erst mal Zeit für uns.“ Sie kramte in ihrer überdimensional großen Handtasche nach dem Schlüssel.

„Du hast dich nicht verändert.“ Johanna grinste. „Schusselig wie eh und je. Ich weiß gar nicht, wie du ohne mich im Job zurechtkommst.“

„Schlecht natürlich.“ Stefanie grinste, doch im selben Atemzug gestand sie: „Die Schlüssel liegen bestimmt noch auf der Kommode in der Halle. Shit. Hoffentlich ist Freddy da.“

„Wer ist Freddy?“

„Unser direkter Nachbar.“ Sie wies nach links. In einem weitläufigen Garten, der mindestens doppelt so groß war wie der von Stefanie, blühten unzählige Rosenbüsche. „Freddy ist Gärtner, und als Hobby züchtet er Rosen. Seit kurzem hat er sich auf alte englische Rosensorten spezialisiert.“

„Die sind aber auch wirklich einmalig schön.“

„Danke, das hör ich gern.“ Hinter der dichten Ligusterhecke tauchte ein braun gebranntes Männergesicht auf.

„Freddy! Ein Glück, dass du daheim bist.“

„Dein Schlüssel.“ Grinsend hielt der Mann einen Schlüsselbund hoch, an dem ein rotes großes Herz prangte. „Hab ich auf dem Gehweg gefunden.“

„Ach du Scheiße“, kommentierte Stefanie wenig damenhaft. „Ein Glück, dass du ihn an dich genommen hast. Er muss mir aus der Tasche gefallen sein, als ich den Wagenschlüssel gesucht habe.“

„Du kriegst irgendwann mal ein Kettchen mit dem Schlüssel um den Hals gehängt.“ Freddys Kopf verschwand, doch gleich darauf erschien die ganze große Gestalt dicht am Zaun. Ungeachtet der dichten Zweige hatte sich der Mann durch die Hecke gezwängt. „Hey! Du bist also der Besuch aus Good Old Germany.“ Er lächelte Johanna an und streckte ihr die Hand entgegen.

„Genau, der bin ich.“ Johanna sah ihn fasziniert an. Er sah blendend aus, gepflegt und durchtrainiert. Von einem landläufigen Gärtner war sein Outfit mit dem hellen Jeans und dem gelben Poloshirt meilenweit entfernt.

„Schön, dass du endlich da bist. Stefanie braucht dringend Hilfe bei der Organisation der Hochzeit.“

„Sag doch so was nicht!“ Stefanie schüttelte den Kopf mit den blonden langen Locken. „Ich hab alles im Griff. Zudem hat mir meine Schwiegermutter in spe eine Hochzeitsplanerin gebucht.“

„Die du aber gleich wieder entlassen hast.“ Freddy grinste. „Ich weiß Bescheid.“

„Stimmt. So eine überkandidelte Person mit Ideen, die nur darauf ausgerichtet waren, Geld zu schneiden, brauch ich nicht. Ich komme gut klar.“

Das jedoch wagte Johanna zu bezweifeln, denn Stefanie war und blieb wohl ihr Leben lang ein wenig chaotisch. Doch genau das war es, was sie liebenswert machte.

Freddy grinste, wobei zwei Grübchen in seinen Wangen erschienen. Johanna bemerkte es sofort, und ihr Herz schlug auf einmal heftiger.

„Du heißt Johanna.“ Freddy machte keine Anstalten, sich wieder zurückzuziehen. „Klingt ein bisschen altmodisch, ehrlich gesagt.“

„Ist aber im Moment ganz in bei uns.“

„O.k., ich finde ihn auch schön.“ Er lächelte ihr zu. „Weißt du schon, dass meine Großeltern aus Frankfurt stammten? Sie sind gleich nach dem Krieg ausgewandert und haben sich erst in Ottawa, dann hier niedergelassen.“

„Daher dein gutes Deutsch.“

Er nickte. „Ja, Granny hat Wert darauf gelegt, dass ich ihre Muttersprache lerne. Sie hat mir auch immer Gedichte vorgelesen. Mit Goethe, Rilke und Schiller bin ich zu Bett gegangen.“

„Ehe ihr zwei euch die ganzen Lebensläufe erzählt, komm erst mal rein, Johanna.“ Stefanie klimperte mit den Schlüsseln. „Freddy, wir sehen uns morgen, o.k.? Dann gibt’s ein Begrüßungsessen zu Johannas Ehren.“

„Sicher. Habt Spaß, ihr Beiden.“ Lässig winkte er mit der Rechten, dann zog er sich zurück und verschwand hinter dem dichten Vorhang aus grünem Blattwerk.

„Freddy ist ein ungemein netter Typ.“ Stefanie schob ihre Besucherin ins Haus. „Und unverheiratet!“, fügte sie bedeutungsvoll hinzu, während sie Johannas Koffer in eine Ecke der geräumigen Halle schob. „Darum kannst du dich später kümmern. Jetzt trinken wir erst mal ein Glas auf unser Wiedersehen. Komm mit auf die Terrasse.“

Johanna folgte ihr erst in die Küche, wo Stefanie eine Flasche Champagner aus dem Kühlfach holte. „Nimm du die Gläser. Da hinten im Schrank.“

Johanna nahm, wie gewünscht, zwei schlanke Champagnergläser aus dem weißen Lackschrank, dann folgte sie der Freundin durch einen elegant, doch sparsam möblierten Wohnraum hinaus auf die Terrasse.

„Wow, das ist ja ein Traum!“ Begeistert sah sie sich um. Die weitläufige Terrasse war mit breiten Terracottasteinen ausgelegt. Zur Südseite hin spendeten drei hohe Bananenstauden Schatten, im Westen und Osten blühten gelbe Rosensträucher. Darunter wuchsen Lavendel, kleine hellrote Geranien und brombeerfarbene Begonien in verschwenderischer Fülle.

„Die Terrasse hat Freddy voriges Jahr neu gestaltet. Es ist toll geworden. Wenn du das alles hier...“ Stefanie machte eine weit ausholende Handbewegung, „...vorher gesehen hättest, wärst du erschrocken. Der Vorbesitzer hatte eine Vorliebe für bizarr gestutzte Buchsbäume und Felsbrocken, die er malerisch überall verteilt hatte. Verrückt, einen so schönen Platz wie diesen hier so zu verunstalten.“

„Aber jetzt ist es wunderschön geworden.“ Johanna setzte sich in einen der bequemen Rattansessel, in denen hellgelbe Kissen lagen.

„Du solltest mal sehen, wie es drüben bei ihm aussieht - das reinste Paradies. Er hat mehr als einen grünen Daumen.“

„Na ja, als Gärtner kein Wunder.“

„Gärtner - der Begriff ist in seinem Fall stark untertrieben!“ Stefanie lachte leise. „Er ist einer der bekanntesten Landschaftsarchitekten der Westküste“, korrigierte sie die Freundin. „Lass dich nicht durch sein legeres Auftreten täuschen. Er ist einer der gefragtesten Leute auf seinem Gebiet und kann sich die Kunden aussuchen.“ Sie machte eine kleine Pause und ließ den Blick durch ihren Garten schweifen. „Wenn David und er nicht schon seit Jahren befreundet wären, hätte er so einen simplen Auftrag wie unsere Gartengestaltung sicher nicht angenommen.“

„Er scheint wirklich nett zu sein.“ Johanna griff nach ihrem Glas. „Aber das interessiert mich, ehrlich gesagt, nicht allzu sehr. Erzähl mal lieber was über die anstehende Hochzeit.“

Das ließ sich Stefanie nicht zweimal sagen, und für die nächste Stunde gab es nur noch dieses Thema. Doch schon am Abend begegnete sie Freddy Cooper erneut. Er kam, mit zwei riesigen Tüten beladen, gegen neunzehn Uhr zu Stefanies Haus.

„Was haltet ihr von einem gemütlichen Grillabend?“ Als Stefanie zögerte, fuhr er rasch fort: „Keine Sorge, ich störe euch nicht lange. Ich spiele nur den Grillmeister, hätte dafür gern ein kühles Bier - und bin wieder fort.“

„Unsinn! Natürlich bleibst du!“ Stefanie winkte ihn näher. „Trink erst mal ein Glas Wein mit uns.“

Dazu musste sie den Mann nicht zweimal auffordern. Er trank den beiden jungen Frauen zu, wobei sein Blick deutlich länger an Johannas apartem Gesicht hängen blieb.

Sie registrierte es ebenso wie Stefanie, die sich ein Lächeln nicht verkneifen konnte.

„Freddy ist übrigens der begehrteste Junggeselle im Umkreis von hundert Meilen“, sagte sie, während sie die zarten Steaks noch einmal kurz wendete.

„Sorry, ich hab gar nicht aufgepasst.“ Freddy sprang schuldbewusst auf und nahm ihr die Grillzange aus der Hand.

„Kein Problem.“ Stefanie zwinkerte ihm zu. „Aber du musst jetzt wieder übernehmen. Ich geh mal kurz in den Keller und hole neuen Wein.“

Sie blieb allerdings länger als eine Viertelstunde fort - und so hatte Freddy Gelegenheit, sich intensiver mit Johanna zu unterhalten.

„Wenn du magst, zeig ich dir morgen etwas von der Umgebung“, bot er an. „Stefanie wird nicht allzu viel Zeit dazu haben. Oder habt ihr schon Pläne gemacht?“

„Nein, noch nicht.“ Johannas Herz machte einen unvernünftigen kleinen Satz. „Ich weiß nicht, was sie vorhat.“

„Ich hab nichts geplant.“ Stefanie, die die letzten zwei Sätze gehört hatte, stellte zwei Flaschen Wein auf den Tisch. „Allerdings muss ich unbedingt noch mal zur Schneiderin, und auch ins Hotel, wo der Empfang stattfindet, möchte ich noch mal. Ich glaube nämlich, ich hab einiges vergessen abzuklären.“ Das war zwar gelogen, doch Stefanie merkte genau, welche Schwingungen zwischen Freddy und Johanna bestanden. Und da war es bestimmt gut, die zwei mal eine Weile allein zu lassen.

„Dann mach das in Ruhe. Ich kümmere mich gern um Johanna und zeige ihr unsere schöne Stadt.“

„Musst du denn nicht arbeiten?“, fragte Johanna. „Ich kann mich gut allein beschäftigen. Oder ich begleite Stefanie. Deshalb bin ich ja eigentlich hier, um sie zu unterstützen.“

„Nichts da - ich spiele mit Begeisterung den Fremdenführer für dich. Meine Arbeit kann ruhig mal ein paar Tage warten, ich hab keinen Termindruck.“

„Ja dann...“ Johanna trank hastig einen Schluck Wein. Dabei vermied sie es, Freddy anzusehen, in dessen Augen sie deutlich lesen konnte, wie stark er an ihr interessiert war.

Auch Stefanie hatte es bemerkt, und am späten Abend, kurz bevor die Freundinnen zu Bett gingen, umarmte sie Johanna und sagte:

„Einen wunderschönen Tag wünsch ich dir morgen. Freddy ist ein Traummann, und er ist total scharf auf dich.“

„Steff! Du bist unmöglich!“

„Endlich hast du mal wieder Steff zu mir gesagt!“ Stefanie kicherte. „So hast du auch früher reagiert, wenn du mit mir unzufrieden warst.“

„Stimmt. Aber jetzt bin ich nicht sauer, ich will nur nicht diese Verrücktheiten hören. In zwei Wochen bin ich wieder daheim in meinem alten Leben und...“

„... und davon bin ich noch nicht überzeugt.“

„Du spinnst.“ Johanna öffnete die Tür zum Fremdenzimmer. „Gute Nacht.“

„Dir auch, meine aller-, allerbeste Freundin. Schlaf schön und träum was Nettes.“ Lachend drehte sich Stefanie um und ging hinüber in ihr Schlafzimmer.

3

„Nun, wie war die erste Nacht? Hast du dich ausruhen können oder hast du noch Jetlag?“ Höflich hielt Freddy Johanna die Tür zu seinem Wagen auf.

„Danke, ich bin ganz fit.“ Johanna stieg in den nicht mehr neuen Ford.

„Dann kann’s ja losgehen.“ Freddy schwang sich hinters Lenkrad. „Am besten machen wir eine kurze Stadtrundfahrt.“

„Einverstanden.“ Johanna lehnte sich entspannt in den Polstern zurück. Sie hatte erwartet, dass Freddy entweder einen SUV oder einen rassigen Sportwagen fahren würde, doch er schien sich aus solchen Statussymbolen nichts zu machen, sein grauer Mittelklasse-Wagen hatte sicher schon ein halbes Dutzend Jahre auf dem Buckel.

Freddy lenkte das Auto sicher durch den Verkehr.

„Danke, dass du dir die Zeit nimmst, mir alles zu zeigen.“

„Nur zu gern.“ Für einen kurzen Moment legte er ihr die Hand auf den Arm, und Johanna wurde es bei der Berührung heiß. Das Blut strömte ihr so rasch durch die Adern, wie sie es bei Arthurs Berührungen schon lange nicht mehr gespürt hatte.

„Wir fangen am Canada Place an“, sagte Freddy. „Da gibt’s ein großes Parkhaus, von dort aus bummeln wir ein Stück am Wasser entlang, wenn du magst.“

„Du bist der Reiseleiter.“

Dem Job kam Freddy mit großer Begeisterung nach. Zunächst zeigte er Johanna den berühmten Canada Place, der anlässlich der Weltausstellung 1986 als Kanadischer Pavillon erbaut worden war. Mit seinen fünf hintereinander liegenden hohen Dächern, die weißen Segeln nachempfunden waren, bot er ein imposantes Bild.

„Sieht aus wie ein Segelschiff.“ Begeistert sah Johanna zu dem imposanten Bauwerk hoch.

„Das soll es auch darstellen - einen Ozeandampfer, der in See sticht. Aber im Innern ist viel los. Da gibt’s ein Luxushotel, ein Konferenzzentrum, ein IMAX-Theater und noch Vieles mehr. Komm mit auf die Aussichtsterrasse.“

Er streckte den Arm aus und ergriff Johannas Hand - um sie nicht mehr loszulassen. Johannas Herz schlug erneut rascher, und sie gestand sich ein, dass Freddy ihr Innerstes total aufwühlte.

„Hast du Hunger?“, fragte Freddy, nachdem sie eine Weile den Seawall entlang spaziert waren. Hier ging es ebenso lebhaft zu wie am Canada Place. Spaziergänger und Radler bevölkerten den breiten Weg, der direkt am Wasser entlang führte. In den kleinen Lokalen entlang des Weges herrschte ebenfalls reger Betrieb, und auf den Bänken, die alle paar Meter standen, saßen Einheimische und Touristen und schauten auf das Wasser hinaus, auf dem es ebenfalls lebhaft zuging.

„Der Weg zieht sich noch lange hin“, fügte Freddy hinzu. „Exakt 22 Km ist er lang. Vom Canada Place aus führt er rund um den Stanley Park, entlang dem Strand an der English Bay bis hin zum Kitisisslano Beach.“

„So lange willst du aber nicht mit mir laufen, oder?“

„Nein. Ich hab Hunger. Du hoffentlich auch.“

„Ehrlich gesagt ja.“

„Prima. Da hinten“, er wies zu einem Gebäude, das ins Wasser hinein zu ragen schien, „gibt es ein wunderbares Lokal, wo man den besten Fisch bekommt.“

„Einverstanden.“

Zehn Minuten später saßen sie auf der Terrasse des Cardero`s. Der Restaurantleiter, ein schmaler, grauhaariger Mann, begrüßte Freddy wie einen guten Bekannten und wies ihm und Johanna den besten Tisch auf der Terrasse zu. Direkt unter ihnen schwammen ein paar kleine Fische, zum Greifen nah waren die Luxusyachten, die im Hafen ankerten.

Ungefragt servierte die Bedienung zunächst ein Glas Wasser, dann erkundigte sie sich nach den Wünschen der Gäste.

„Das ist hier so üblich“, erklärte Freddy, als die junge Schwarze wieder gegangen war. „Man bekommt immer erst ein Glas frisches Wasser serviert.“

„Das ist wirklich angenehm.“ Johanna trank einen Schluck.

„So sind wir Kanadier - gastfreundlich und liebenswert.“

„Eitel bist du gar nicht, oder?“

„Nein. Nur stolz auf mein Land.“ Sein jungenhaftes Lachen war unwiderstehlich, und wieder einmal spürte Johanna ihr Herz schneller schlagen.

„Soll ich dir was empfehlen? Es gibt hier einige Spezialitäten, die du unbedingt genießen solltest.“

„Gern.“

„Ich kann dir den Lachs hier sehr empfehlen. Er wird über Zedernholz gegrillt und ist die Spezialität des Hauses.“

„Dann probier ich ihn gern.“

„Vorher hätten wir gern den Tunfisch mit den Avocados. Dazu einen trockenen Weißwein.“ Er lächelte Johanna an. „Sorry, dass ich das einfach bestelle. Aber ich bin sicher, dass du begeistert sein wirst von der Vorspeise.“

„Ich lass mich überraschen.“ Johanna sah hinüber zum Stanley Park. „Es ist wunderschön hier. Die ganze Stadt ist ein Traum.“

„Du hast noch nicht mal fünf Prozent davon gesehen. Aber ich zeig dir die schönsten Fleckchen, versprochen.“ Wieder griff er nach ihrer Hand, streichelte sanft mit dem Daumen über den Handrücken. „Es ist schön, dass du hier bist.“

Johanna musste sich erst die Kehle frei räuspern, ehe sie sagte: „Ich finde es wunderbar hier. Aber hast du überhaupt Zeit, mit mir hier herumzusitzen?“

„Alle Zeit der Welt, das hab ich doch schon gesagt.“ Er lachte leise, und fasziniert bemerkte Johanna, dass sich das Grübchen in seiner linken Wange vergrößerte. „Vergiss nicht, dass ich mein eigener Herr bin.“

„Stimmt. Aber wenn du einen Auftrag versäumst und Ärger bekommst...“

Er winkte ab. „Mach dir keinen Kopf. Ich hab ein paar sehr gute Leute, die hab ich heute morgen eingeteilt, und sie werden ihre Jobs perfekt machen.“

„Na gut.“ Johanna trank einen Schluck vom kühlen Wein. „Dann werde ich jetzt das weitere Programm genießen.“

Zunächst allerdings genossen sie das wirklich köstliche Essen, danach schlenderten sie ein wenig durch den Stanley Park.

„Wunderschön ist es hier.“ Begeistert sah Johanna auf einen der vielen kleinen Seen, die hier angelegt waren. Ebenso faszinierten sie die uralten Bäume, die hier wuchsen.

„Dieser Teil des Parks ist einer der letzten Bestände eines uralten Regenwaldes“, erklärte Freddy. „Er ist ebenso schützenswert wie die Totempfähle, die dort drüben zu sehen sind.“

Johanna sah in die Richtung, in die er wies - und wäre beinahe über eine Wurzel gestolpert. Im letzten Moment konnte Freddy sie auffangen und hielt sie fest. Sie spürte seinen warmen Atem auf ihrer Wange und schloss für einen kleinen Moment die Augen, als er einen Kuss auf ihre Wange hauchte.

Sie ließ es zu, dass er wieder nach ihrer Hand griff, als sie weiter gingen, diesmal jedoch zu einem der Ausgänge. Hier winkte Freddy ein Taxi heran.

„Wenn wir noch länger durch den Park laufen, wird es dunkel. Und ich möchte dir noch ein paar schöne Plätze in der Innenstadt zeigen. Zur English Bay fahren wir ein andermal.“

„Du weißt aber schon, dass ich eigentlich hier bin, um Stefanie bei den Hochzeitsvorbereitungen zu unterstützen.“

„Kannst du ja auch tun. Aber alles Wesentliche ist organisiert, das weiß ich von David.“ Er lachte leise. „David kennt seine Stefanie und hat die wesentlichen Dinge schon geregelt.“ Er half ihr beim Einsteigen, und im Fond des Wagens legte er wie selbstverständlich den Arm um ihre Schultern.

Ein warmes, lange nicht mehr gespürtes Gefühl stieg in Johanna auf, und sie musste sich zusammennehmen, um sich nicht enger an den Mann zu schmiegen. Freddy war so ganz anders als Arthur: aufgeschlossen, charmant, klug und doch von einer Leichtigkeit im Alltag, die ihr gut tat. Die ewige Melancholie, die Arthur umgab, sein Hang zur echten Depression überschattete auch ihr Leben, das wurde ihr immer deutlicher bewusst.

Freddy ließ das Taxi am Bahnhof halten.

„Von hier aus gehen wie ein paar Meter, dann sind wir im Zentrum von Gastown. Es ist der historische Kern der Stadt und war lange Zeit ein heruntergekommenes Viertel, in dem sich ein Tourist besser nicht aufhielt. Doch in den letzten Jahren ist es gelungen, die Gegend wieder attraktiv und sicher zu machen.“

Interessiert sah sich Johanna um. Alte Häuser, zum Teil exzellent restauriert, standen die Straße entlang. Ihr Blick wurde von einem Menschenpulk angezogen, der an einer Kreuzung stand.

„Das ist die berühmte Steam Clock“, erklärte Freddy. „Jeder Tourist macht ein Foto von ihr. Obwohl... eigentlich ist es eine Mogelpackung, denn die Dampfuhr, die dem Big Ben in London nachempfunden ist, wird seit etlichen Jahren bereits elektrisch angetrieben.“

„Und vorher?“

„Da wurde der Dampf, der einige Pfeifen antreibt und so God Save the Queen spielt, von einem unterirdischen Röhrensystem angetrieben. Aber es ist immer noch eine tolle Sache.“ Er lachte leise, als gerade in diesem Moment die Uhr ihren Dampf abließ und deutlich die Melodie zu hören war.

„Nett.“ Johanna und er machten einen kleinen Bogen um die Touristen, die ihre Fotoapparate bereithielten, um das Schauspiel festzuhalten.

„Dann komm mit zu Gassy Jack. Gleich neben dem Denkmal dieses berühmten Mannes ist ein sehr nettes Lokal. Ein Drink wäre doch jetzt nicht schlecht, oder?“

„Dagegen ist nichts zu sagen.“ Johanna mochte es nicht zugeben, aber sie war ein bisschen erschöpft von all dem Neuen, das auf sie einströmte. Wahrscheinlich machte ihr der Jet lag doch etwas zu schaffen.

„Über Gassy Jack hab ich gelesen. Er war ebenso trinkfest wie geschäftstüchtig. Gassy heißt doch geschwätzig, oder?“

„Richtig. Seine Bar war der Treffpunkt aller Arbeiter der Gegend. Vor allem die Männer, die im nahe gelegenen Sägewerk schufteten, kamen in seine Bar. Und Jack Deighton, so sein Name, war ebenso redselig wie trinkfest. Seine Geschwätzigkeit hat ihm den Spitznamen eingebracht.“ Er wies auf das Bronzedenkmal des berühmten Schotten. „Hier war sein Lebensmittelpunkt, und hier kommen tatsächlich die drei wichtigsten Straßen zusammen. Schau da drüben das Haus - es ist das Hotel Europe, eines der markantesten Gebäude Vancouvers. Es wurde 1908 erbaut und ist eines der schönsten Flatiron-Gebäude Nordamerikas.“

„Es sieht wirklich aus wie ein Bügeleisen.“

„Richtig. Und deshalb ist diese Kulisse immer wieder in Filmen zu sehen. Aber jetzt komm, da drüben wird gerade ein Tisch frei.“

Die Kellnerin, eine kleine, aparte Frau mittleren Alters, lächelte ihnen über die Straße hinweg zu und blieb an dem Tisch stehen.

„Ich hab dich schon gesehen, Freddy.“ Sie räumte die letzten Gläser ab. „Schön, dass du mal wieder vorbei kommst.“ Sie nickte Johanna zu. „Was darf ich euch bringen?“

Fragend sah Freddy zu Johanna hin. „Was möchtest du?“

„Gern eine Weinschorle - wenn es das gibt.“

„Aber ja.“ Die Bedienung nickte. „Und du, Freddy?“

„Das nehm ich auch. Danke, Hillery.“ Er sah der Kellnerin nach. „Wir kennen uns seit langem. Ihr Mann arbeitet für mich.“ Er biss sich kurz auf die Lippen. „Bei einem Unfall hat er vor drei Jahren ein Bein verloren. Aber er macht immer noch seinen Job.“

Johanna streckte die Beine aus und ließ den linken Fuß kreisen. Dabei sah sie hinüber zu den vielen Straßenlaternen, die alten Lampen nachempfunden waren. An ihren Streben hingen üppig bepflanzte Blumenkübel.

„Ich bin begeistert.“ Sie lächelte Freddy an. „Deine Heimatstadt ist wunderschön.“

„Ist sie. Allerdings hat sie auch ein paar dunkle Stellen, so wie jede Großstadt. Aber in den letzten Jahren hat die Stadtverwaltung einiges unternommen, um auch diese Plätze für alle sicherer und lebenswerter zu machen. Na ja“, er zuckte mit den Schultern, „ganz gelungen ist dies noch nicht, doch besser ist schon vieles geworden. Alles in allem kann man sagen, dass die Lebensqualität hier sehr gut ist.“ Er griff nach Johannas Hand. „Du würdest die Stadt sicher auch lieben lernen.“

„Meinst du?“ Sie beugte sich ein wenig näher zu ihm. „Dann musst du dich beeilen, mir noch mehr zu zeigen. Ich bin nur kurze Zeit hier.“

„Daran, dass du wieder abreist, will ich nicht denken. Nicht jetzt.“ Ehe sie sich versah, umfasste er ihr Gesicht mit seinen Händen und küsste sie. „So schnell lass ich dich nicht wieder fort“, murmelte er dann dicht an ihrem Mund.

Johanna wollte einwenden, dass sie zurück nach Deutschland musste, zurück zu ihrem Job, zurück zu Arthur, der sie liebte und heiraten wollte. Aber nichts davon sagte sie.

Als die Gläser leer waren und die Kellnerin fragte, ob sie noch etwas wünschten, schüttelte Johanna den Kopf. „Danke, nein, wir müssen zurück.“ Sie sah auf die Uhr. „Es ist schon viel zu spät geworden, Stefanie wird sauer sein.“

„Ach was, das ist sie bestimmt nicht.“

Und wirklich war Stefanie nicht verärgert darüber, dass die Freundin sie den Tag über allein gelassen hatte. Sie umarmte Johanna und fragte: „Und? Was habt ihr alles unternommen?“

„Freddy hat mir schon einen großen Teil der Stadt gezeigt.“

„Ach was, das waren nur ein paar nette Fleckchen“, warf der Mann ein. „Wenn du Zeit hast, machen wir mit der Besichtigungstour weiter.“

„Danke.“

„Kommt jetzt erst mal rein, ich hab ein paar Sachen eingekauft.“ Stefanie zog die Freundin ins Haus. „Komm mit, Freddy, es ist reichlich da. Aber die Küche bleibt kalt, das sag ich vorweg.“

„Kein Problem.“

Johanna lachte. „Du wirst wohl nie eine leidenschaftliche Köchin werden, was?“

„Nö.“ Unbeschwert grinste Stefanie sie an. „Dafür hab ich andere Qualitäten.“

„Unbestritten“, warf Freddy ein.

„Woher weißt denn du das?“ Johanna zwinkerte ihm zu.

„Was denkst du denn jetzt?“ Er lachte und tat so, als hätte er die Zweideutigkeit nicht absichtlich von sich gegeben. „Ich meinte doch nur ihr geschäftliches Können.“

„Danke.“ Stefanie lachte und ging zur weitläufigen Küchentheke, wo schon der Wein bereit stand. „Du bist der Beste!“

Nachdem sie den ersten Schluck getrunken hatten, sagte Johanna: „Jetzt erzähl mal, was hast du denn gemacht heute, Stefanie?“

„Ich war erst mal zwei Stunden im Geschäft, dann war ich bei der Schneiderin und hab noch mal mit der so genannten Hochzeitsplanerin gesprochen. Meine Schwiegermutter hat sie doch noch mal engagiert.“ Sie verzog den dezent geschminkten Mund. „Darüber war ich schon sauer. Und erst recht, als ich mit der jungen Dame zusammengetroffen bin. Unfähig. Total unfähig. Ich hab sie wieder rausgeschmissen, und diesmal endgültig. Am besten organisier ich sowieso alles selber, was jetzt noch zu tun ist.“

„Und das wäre?“

„Nicht mehr viel. Der Termin in der Kirche steht, das hat sie wenigstens gut hingekriegt. Und auch die Location für die Feier ist gebucht. Ich hab noch mal das Buffet geändert und die Tischdekoration.“

„Typisch“, warf Freddy grinsend ein.

„Du! Sei nicht so frech!“ Stefanie lachte.

„Er hat aber recht.“ Johanna griff nach der Hand der Freundin. „Schon früher hast du alles kontrollieren müssen. Und nur, wenn du selbst alles gecheckt hattest, warst du zufrieden.“

„So bin ich nun mal.“ Stefanie zuckte mit den Schultern. „Zwar hin und wieder schusselig, aber wenn’s drauf ankommt, mach ich alles richtig.“

„Du bist schon richtig so, wie du bist. Wir lieben dich gerade deshalb.“ Johanna stand auf und umarmte die Freundin. „Aber jetzt erzähl mal, wie dein Brautkleid aussieht.“

Freddy stand auf. „Dann zieh ich mich jetzt zurück, Ladies. Das Thema überfordert mich.“

„Banause!“ Stefanie streckte die Hand nach ihm aus. „Dabei solltest du genau wissen, was dich erwartet. Schließlich bist du unser Trauzeuge, gemeinsam mit Johanna.“

„Ich weiß die Ehre auch zu schätzen.“ Freddy zog ihre Hand kurz an die Lippen. „Aber in Modefragen lass mich außen vor, bitteschön.“

„Nur noch einen Moment. Ich muss von dir wissen, welche Blumen ich ins Haar stecken soll. Schließlich bist du der Fachmann.“

„Willst du keinen Schleier tragen?“ Überrascht sah Johanna sie an. „Früher hast du immer von einem mindestens drei Meter langen Schleier geträumt, das weiß ich noch genau.“

Stefanie nickte. „Stimmt. Damals war ich noch jung, jetzt finde ich, dass der weiße Unschuldsschleier nicht mehr zu mir passt.“