Liebesglück-Geschichten im November 2023 - Sandy Palmer - E-Book

Liebesglück-Geschichten im November 2023 E-Book

Sandy Palmer

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Beschreibung

Manchmal erkennt man die Liebe erst auf den zweiten Blick, wenn man zum Beispiel einen alten Schulkameraden wiedertrifft und feststellt, dass er mehr als ein Kumpel ist. Oder der nervige Nachbar erweist sich als Retter in der Not. Auch bei einer nassen Tretbootfahrt kann man den Traummann finden. Wichtig ist nur, dass man offen bleibt und die Gelegenheit beim Schopfe packt. (399) Dieses Buch enthält folgende Liebesgeschichten: Der attraktive Nachbar (Eva Joachimsen) Retter in der Not (Eva Joachimsen) Völlig ausgebrannt (Eva Joachimsen) Rosa Rosen für die große Liebe (Eva Joachimsen) Der Blick in die Zukunft (Eva Joachimsen) Alte Liebe rostet gern (Eva Joachimsen) Ein schlagfertiger Mitfahrer (Eva Joachimsen) Treuer Helfer (Eva Joachimsen) Der zweite Versuch (Eva Joachimsen) Omas Nachbarn (Eva Joachimsen) Mutters Fahrschule (Eva Joachimsen) Der alte Schulkamerad (Eva Joachimsen) Der geschlossene Kindergarten (Eva Joachimsen) Nie wieder Tretbootfahren! (Eva Joachimsen) Auch im August lässt sich Weihnachten feiern (Eva Joachimsen) Winterserenade (Sandy Palmer) Sagmir nur drei kleine Worte (Sandy Palmer) Das Glück, von dir geliebt zu werden (Sandy Palmer) Wenn Osterglocken Liebeslieder singen (Sandy Palmer)

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Eva Joachimsen, Sandy Palmer

Liebesglück-Geschichten im November 2023

UUID: de3f5921-0303-49c8-8afd-15dcdeea1bf2
Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Liebesglück-Geschichten im November 2023

Copyright

Der attraktive Nachbar

Retter in der Not

Völlig ausgebrannt

Rosa Rosen für die große Liebe

Der Blick in die Zukunft

Alte Liebe rostet gern

Ein schlagfertiger Mitfahrer

Treuer Helfer

Der zweite Versuch

Omas Nachbarn

Mutters Fahrschule

Der alte Schulkamerad

Der geschlossene Kindergarten

Nie wieder Tretbootfahren!

Auch im August lässt sich Weihnachten feiern

​Winterserenade

Sag mir nur drei kleine Worte

Das Glück, von dir geliebt zu werden

Versöhnung unterm Weihnachtsbaum

Wenn Osterglocken Liebeslieder singen

Liebesglück-Geschichten im November 2023

von Eva Joachimsen, Sandy Palmer

Manchmal erkennt man die Liebe erst auf den zweiten Blick, wenn man zum Beispiel einen alten Schulkameraden wiedertrifft und feststellt, dass er mehr als ein Kumpel ist. Oder der nervige Nachbar erweist sich als Retter in der Not. Auch bei einer nassen Tretbootfahrt kann man den Traummann finden. Wichtig ist nur, dass man offen bleibt und die Gelegenheit beim Schopfe packt.

Dieses Buch enthält folgende Liebesgeschichten:

Der attraktive Nachbar (Eva Joachimsen)

Retter in der Not (Eva Joachimsen)

Völlig ausgebrannt (Eva Joachimsen)

Rosa Rosen für die große Liebe (Eva Joachimsen)

Der Blick in die Zukunft (Eva Joachimsen)

Alte Liebe rostet gern (Eva Joachimsen)

Ein schlagfertiger Mitfahrer (Eva Joachimsen)

Treuer Helfer (Eva Joachimsen)

Der zweite Versuch (Eva Joachimsen)

Omas Nachbarn (Eva Joachimsen)

Mutters Fahrschule (Eva Joachimsen)

Der alte Schulkamerad (Eva Joachimsen)

Der geschlossene Kindergarten (Eva Joachimsen)

Nie wieder Tretbootfahren! (Eva Joachimsen)

Auch im August lässt sich Weihnachten feiern (Eva Joachimsen)

Winterserenade (Sandy Palmer)

Sagmir nur drei kleine Worte (Sandy Palmer)

Das Glück, von dir geliebt zu werden (Sandy Palmer)

Wenn Osterglocken Liebeslieder singen (Sandy Palmer)

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

COVER: A.PANADERO

© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten.

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Der attraktive Nachbar

Inken schleppte den schweren Einkaufskorb die drei hohen Altbauetagen hoch. Auf halber Strecke kamen ihr zwei Männer entgegen. Die Tür zu der Zweizimmerwohnung unter ihr stand offen. Im Flur behinderten mehrere Umzugskartons ihren Weg. Zog jetzt endlich jemand ein? Lange genug hatte es ja gedauert. Fast ein halbes Jahr hatte die Wohnung leer gestanden und das bei dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum.

„Peter, die Sessel kommen ins Wohnzimmer.“ Ein Mann erschien in der Zimmertür.

„Guten Tag, ich bin Inken Rattke und wohne über Ihnen“, stellte sie sich vor.

Er murmelte etwas, was sie nicht verstand, da er sich gerade umdrehte, und endete mit: „Dann sehen wir uns bestimmt öfter.“ Er lächelte sie an und trat dann an ihr vorbei in das Treppenhaus.

Schwere Schritte kamen die Treppe hoch. Ab und zu stieß etwas gegen das eiserne Treppengelände und rumpelte laut.

Inken drehte sich um. Die beiden Männer trugen ein kleines Sofa hoch.

„Wir sehen uns!“ Sie nickte ihrem neuen Nachbarn zu, hob den Einkaufskorb hoch, den sie abgesetzt hatte, und kämpfte sich die letzte Treppe nach oben.

Der Neue sah interessant aus. Braune kurze Haare, dunkle Augen, etwa einen Kopf größer als Inken, und drahtig. Er gefiel ihr. Ob er noch frei war? Sie musste ihn unbedingt näher kennenlernen.

Am nächsten Morgen döste sie nach dem Weckerklingeln noch eine Weile weiter. Als sie die Augen öffnete, war es hell im Zimmer. Himmel, sie hatte verschlafen. Erschrocken sprang sie aus dem Bett und unter die Dusche. Erst als sie das Fenster öffnete, sah sie den Grund für die Helligkeit. In der Nacht hatte es geschneit. Mit dem Handtuch um den Kopf geschlungen lief sie ins Schlafzimmer zurück und schaute auf den Wecker. Halb sieben. Kein Grund zur Panik. Erleichtert atmete sie aus. Dann föhnte sie die Haare und zog sich an. Auf dem Weg zum Bus überlegte sie, wie sie ihren Nachbarn näher kennenlernen konnte. Ob er über Weihnachten daheim war? Dann könnte er doch ihre Blumen gießen. Eigentlich brauchten die während der drei Tage kein Wasser, aber sie gaben einen guten Grund, ihn anzusprechen.

Am Abend kochte sie wie üblich, da sie das Kantinenessen nicht mochte. Vom Eintopf konnte sie ein paar Tage satt werden und musste nicht täglich Zeit fürs Kochen aufwenden. Es klingelte an der Tür. Inken ging hin und schaute durch den Spion. Der neue Nachbar. Ihr Herz hüpfte vor Freude. Eilig riss sie die Tür auf.

„Guten Abend, können Sie mir einen Dosenöffner leihen? Meiner liegt noch in irgendeinem Karton und ich habe ihn noch nicht gefunden.“

„Kommen Sie doch rein.“ Inken ging in die Küche, stellte die Herdplatte mit dem Topf, dessen Deckel schon laut klapperte, auf niedrigste Stufe und zog eine Schublade auf. Dann kramte sie erst einmal herum, bis sie das gewünschte Teil gefunden hatte.

„Kann ich Ihnen Kartoffelsuppe anbieten? Sie ist gleich fertig.“

Er schüttelte den Kopf. „Danke, ich habe mich schon auf Bohnensuppe eingestellt.“

„Serbische Bohnensuppe aus der Dose?“

Er lachte. „Ja.“

„Ich habe reichlich. Ganz frisch. Wollen Sie nicht doch mit mir essen?“

Er nahm den Dosenöffner und schüttelte den Kopf. „Vielen Dank, ich bringe ihn gleich zurück.“

Inken stellte den Fernseher an und schaute das Vorabendprogramm. Dann aß sie. Die Zimmertür sperrangelweit offen, damit sie das Klingeln nicht verpasste, auch wenn es vom Hausflur kalt hereinzog. Doch der Nachbar kam nicht, dabei bleib sie bis Mitternacht auf, obwohl sie früh aufstehen musste.

Am Morgen entdeckte sie an seiner Tür ein Namensschild: Simon Geber.

Nach der Arbeit klingelte sie bei Simon, wie sie ihn in Gedanken längst nannte. Doch niemand öffnete. Wieder sah sie bis zu den Spätnachrichten fern, sie ließ sogar ihr Steppaerobic sausen, um ihn nicht zu verpassen. Aber er kam nicht vorbei.

Am Morgen hörte sie Musik aus Simons Wohnung, kurz überlegte sie, sofort runterzugehen und sich zu beschweren, aber dazu reichte die Zeit dann doch nicht.

Am Abend klingelte sie wieder bei ihm. Diesmal öffnete Simon. „Ach der Dosenöffner. Den hatte ich schon ganz vergessen, dabei habe ich inzwischen meinen eigenen ausgepackt.“

Er bat sie herein. Im Wohnzimmer stand das rote Sofa mit zwei passenden Sesseln, an der langen Wand war ein kleiner Schrank und ein großes Fernsehgerät.

Er brachte den Dosenöffner aus der Küche und zwei Gläser. „Ein Glas Wein als Entschädigung?“, fragte er.

Sie schaute auf die Uhr. „Eigentlich wollte ich noch zum Schwimmen.“

„Mit einem Glas Riesling geht es bestimmt viel besser.“

„Nein, damit gehe ich unter wie ein Sandsack.“ Sie lachte und setzte sich auf das Sofa. Er schenkte die Gläser ein und ließ sich auf dem Sessel nieder.

„Auf gute Nachbarschaft.“

„Auf gute Nachbarschaft! Sind Sie neu in der Stadt?“, fragte Inken.

„Nein, ich habe hier studiert. Bin aber jetzt von München hergezogen. Ich habe mich hier immer wohlgefühlt.“ Er streckte seine Beine aus.

„Wo arbeiten Sie denn?“

Offen erzählte er von seinem Job als Journalist.

„Oh, das ist sicher spannend. Ich arbeite nur für eine Versicherung.“ Inken ließ ihr Schwimmen ausfallen. Ihre beiden Freundinnen würden es ihr verzeihen. Aber der Typ war zu süß, die Gelegenheit wollte sie nicht verpassen.

Leider blieb es bei diesem einen Gespräch. In den nächsten Wochen sah sie ihn nicht. So konnte sie ihn auch nicht bitten, über Weihnachten ihre Blumen zu gießen.

Anfang Februar schneite es wieder. Sie brauchte täglich lange, um zur Arbeit zu kommen. Die Busse fuhren verspätet. Selbst der Fußweg durch den hohen Schnee zur Haltestelle war anstrengend und dauerte. Sie war froh, überhaupt in die Firma zu kommen.

Hin und wieder sah sie in Simons Wohnung Licht brennen. Leider fiel Inken nichts ein, um zu klingeln, ohne aufdringlich zu wirken. Sie musste sich eben in Geduld fassen.

„Kommst du mit zum Fasching?“, fragte ihre Freundin eines Tages bei einem Treffen.

Inken zögerte. Ohne Partner machte so ein Fest keinen Spaß. Dann fiel ihr Simon ein. Ob er als Journalist zur Feier ging, um darüber zu berichten? Sie würde ihn fragen oder besser noch ihn einladen, damit er davon schreiben konnte.

Sie hatte Glück und traf ihn am Wochenende beim Bäcker. „Kommen Sie auch zum Fasching des Sportvereins? Das ist in unserem Stadtteil die größte Feier.“

Er schüttelte den Kopf.

„Ich dachte, Sie schreiben einen Artikel darüber“, sagte sie enttäuscht.

Er lächelte. „Für die Vereine bin ich nicht mehr zuständig. Ich arbeite im Politikressort.“ Nach einer kleinen Pause ergänzte er: „In einer überregionalen Zeitung.“

Sie biss sich auf die Lippen. Dann zwang sie sich zu einem Lächeln. „Sind Sie viel unterwegs?“

„Ja, ich bin häufig in Berlin.“

Noch immer wusste sie nicht, ob er eine feste Partnerin hatte. Doch sie wagte nicht, direkt zu fragen, schließlich kannte sie ihn kaum.

Eine Woche später traf sie ihn wieder. Diesmal im Treppenhaus. Es hatte getaut, draußen sangen die Vögel, die Haselnüsse blühten und selbst die Krokusse streckten ihre Blätter aus dem Boden.

„Wir planen schon unser Nachbarschaftsfest. Helfen Sie auch dabei?“, fragte sie und als er überrascht aufsah: „Eigentlich feiern wir erst am letzten Wochenende vor den Sommerferien. Aber Frau Braun ist die Einzige im Organisationskomitee, deshalb fängt sie jetzt schon an, alle Nachbarn einzuspannen.“

„Und warum fragt sie mich nicht direkt?“ Es klang nicht sehr ermutigend, doch Inken ließ sich nicht aus der Fassung bringen. „Weil Sie nie daheim sind. Sie hat schon mehrmals bei Ihnen geklingelt.“

Er lachte. „Richten Sie ihr aus, dass ich keine Zeit habe und nicht komme.“

Sehr gesellig schien er nicht zu sein. „Das wissen Sie schon jetzt?“ Sie zweifelte an seiner Ehrlichkeit.

„Im Sommer bin ich unterwegs“, erwiderte er kühl.

Drei Tage später war der Winter zurückgekommen und die Straße spiegelglatt. Niedergeschlagen fuhr Inken mit dem Bus zur Arbeit. Jetzt wohnte dieser gutaussehende Mann schon seit zehn Wochen unter ihr, aber sie hatte ihn erst fünfmal getroffen und nur wenige Worte mit ihm gewechselt.

Kurz vor der Firma drehte sich der Bus um sich selbst bei dem Versuch, vor der roten Ampel zu bremsen.

Inken stieg besonders vorsichtig aus. Der Tag verlief genauso mies, wie er angefangen hatte. Sie hatte zwei fürchterliche Kundengespräche. Ihre Kollegin war gestürzt und lag im Krankenhaus. Inken würde die nächsten Wochen ihre Arbeit übernehmen müssen. Und ihre Chefin erlitt einen Wutanfall, weil der neue Azubi vergessen hatte, die Anzeige rechtzeitig abzuschicken.

Erleichtert stieg Inken abends in den Bus, schloss die Augen und nickte doch tatsächlich ein. Erst als sie ein Martinshorn hörte, schaute sie hoch. Himmel, ihre Station. Die nächste war besonders weit entfernt. Sie sprang hoch und durch die sich gerade schließenden Türen hinaus. Dabei rutschte sie aus, fiel erst auf ihr Bein, dann auf ihren Steiß und schließlich auf ihren Arm. Ein stechender Schmerz durchzuckte sie. Sie schrie auf. Der Fußweg war so glatt, dass sie noch ein Stück weiterrutschte. Direkt in einen Mann, der am Kiosk neben ihrem Hauseingang stand. Selbst das bremste sie nicht völlig ab, sondern riss ihn nur von den Beinen. Er stürzte auf sie und sie schlug jetzt auch noch mit ihrem Kopf auf. Sie stöhnte auf. Tränen schossen in ihre Augen.

„Hallo, Sie sind aber stürmisch.“ Der Mann richtete sich auf, indem er sich an der Regenrinne festhielt. „Frau Rattke? Ist alles in Ordnung?“ Simon blickte auf sie herab und reichte ihr die Hand.

Inken biss die Zähne zusammen, griff mit der schmerzfreien Linken zu und ließ sich hochziehen. Doch sie konnte kaum auf ihrem rechten Bein stehen.

„Wirklich alles in Ordnung?“ Besorgt musterte er sie.

„Nein, mein Bein. Ich kann nicht stehen.“ Sie biss ihre Zähne zusammen.

„Am besten bringen wir Sie ins Krankenhaus.“ Er zog sein Handy aus der Tasche und rief den Notdienst, der meinte, es könne dauern, sie hätten so viele Notfälle, deshalb rief er ein Taxi. Dann bugsierte er Inken in den Kiosk und setzte sie dort auf einen Stuhl, den der Verkäufer aus einem Hinterzimmer holte.

Als die Taxe kam, setzte er sie nicht nur hinein, sondern begleitete sie. Im Krankenhaus mussten sie mehrere Stunden warten, weil so viele Menschen gestürzt waren. Simon las ihr vor und spielte Mau-Mau mit ihr. Den Roman und das Kartenspiel hatte er im Krankenhausladen besorgt. Als Inken aufgerufen wurde, verabschiedete Simon sich.

Inken wurde untersucht und geröntgt. Ihr Arm und ihr Steiß waren geprellt, das Bein gebrochen. Die Ärzte gipsten es ein, der Arm erhielt einen Zinkleimverband. Anschließend wurde sie mit der Taxe nach Hause geschickt.

Der Wagen hielt direkt vor dem Hauseingang. Sie stieg mühsam aus und humpelte vorsichtig zum Eingang. Dann stand sie vor der Treppe und schaute verzweifelt hoch. Drei Stockwerke. Wie sollte sie das schaffen?

Zum Glück hatte Simon auf sie gewartet und kam die Treppe heruntergeeilt. „Ich kann dich doch nicht hier stehenlassen. Irgendjemand muss dir doch die Treppe hoch helfen.“

Inken schaute ihn zweifelnd an. Eigentlich brauchte sie einen Fahrstuhl, selbst mit Hilfe würde es anstrengend werden.

„Na, dann wollen wir mal.“ Simon bückte sich leicht und hob sie hoch.

„Ich bin viel zu schwer“, protestierte sie.

„Nicht schwerer als die Gewichte im Fitness-Studio.“ Er trug sie in den ersten Stock. Dann machte er eine Pause.

„Lass mich hinunter. Ich schaffe es schon“, sagte sie. Es war ihr peinlich, dass Simon sich so abquälen musste.

Aber er hielt sie fest und setzte sich wieder in Bewegung. „Ich verzichte heute auf das Fitness-Studio“, antwortete er keuchend.

„Dazu ist es sicher schon zu spät.“

Er lachte und musste eine Pause machen, weil er keine Luft mehr bekam.

Oben setzte er sie vor ihrer Tür ab. Nachdem sie aufgeschlossen hatte, trug er sie ins Wohnzimmer bis zum Sofa.

„Kann ich dir noch etwas zu essen und trinken holen?“, fragte er, nachdem er endlich wieder ruhig atmete.

„Das wäre lieb. Im Kühlschrank steht Saft. Und ein Joghurt.“

Er bot an, für sie zu kochen, doch sie lehnte ab. „Ich bin viel zu müde, um noch groß zu essen.“

„Kann ich sonst noch irgendwie helfen?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Dann gehe ich. Morgen Abend schaue ich wieder vorbei. Schreib einen Einkaufszettel, ich besorge dir dann alles.“ Er zwinkerte ihr zu und zog die Tür hinter sich zu.

Inken strahlte. Natürlich ärgerte sie sich über ihren Gips. Und die Verletzungen schmerzten trotz der Medikamente. Außerdem würde sie das Schlittschuhlaufen mit ihren Freunden am Wochenende absagen müssen. Aber wenn Simon dafür öfter bei ihr vorbeischaute, würde es sie vollauf entschädigen.

Retter in der Not

In Gedanken versunken öffnete ich die Wohnungstür, warf die Handtasche auf den Schuhschrank und streifte die Pumps von den Füßen, bevor ich barfuß in die Küche lief. Dort holte ich Mineralwasser aus dem Kühlschrank und schenkte mir erst einmal ein Glas ein. Anschließend stellte ich den Wasserkocher an. Ein Becher Frauenpower-Tee würde mir jetzt guttun. Der Tag war so anstrengend gewesen und mein Kopf schmerzte entsetzlich. Musste mein Mandant auch so halsstarrig sein? Erst vereinbarten wir, dass wir auf einen Vergleich hinarbeiten wollten, doch im letzten Augenblick weigerte er sich, ihn anzuerkennen. Er hatte keine Chance, den Prozess zu gewinnen, doch das konnte ich ihm nicht klarmachen.

Ich ging mit dem Glas in der Hand ins Wohnzimmer und legte eine CD auf, Wellnessmusik zur Entspannung. Auf dem Anrufbeantworter war eine Nachricht.

„Miriam, ich habe am Freitag zwei Karten für die Oper. Es gibt Tosca. Ich hole dich gegen 18 Uhr ab, dann können wir vorher noch einen kleinen Imbiss zu uns nehmen.“

Ich schnappte nach Luft. Begriff Raoul denn nicht, dass es vorbei war? Der Anruf war so typisch für ihn. Er fragte nicht einmal, ob ich Zeit hätte, sondern setzte voraus, dass ich voller Begeisterung mitkäme.

Ich wollte schon zum Hörer greifen, um ihm unfreundlich zu antworten, dann besann ich mich. Nein, es wäre besser, ihn vor der Tür stehen zu lassen. Sonst würde das hier doch nie ein Ende haben.

Schnell nahm ich die Zeitung und suchte nach den Veranstaltungen. Ja, der neue Kinofilm war passend. Nichts Schweres, sondern einfach nur zum Amüsieren, genau das Richtige für einen Abend mit meiner Schwester. Also rief ich Ines an. „Hast du Lust, mit mir am Freitag ins Kino zu gehen?“

„Ja, prima. Ich komme gleich von der Arbeit bei dir vorbei, dann können wir noch ein bisschen klönen, bevor wir losziehen.“

Das wäre erledigt. Jetzt konnte der Feierabend beginnen. Leider war das Fernsehprogramm nicht besonders. Und mein neuer Krimi, dem ich mich stattdessen widmete, auch nicht.

Um neun Uhr schlief ich auf dem Sofa ein. Nur um kurz darauf aus dem Schlaf gerissen zu werden. Über mir hämmerte jemand. Wer kam zu dieser späten Stunde bloß auf die Idee, noch zu werkeln? Jetzt wurde etwas Schweres rumpelnd über den Boden gezogen. Dann fing das Gehämmer erneut an. Wütend stand ich auf, hob das Buch vom Teppich auf und schlüpfte wieder in die Pumps. Klack, klack, klack stolzierte ich die Treppe hoch und klingelte an der Wohnung über meiner Sturm. Es musste ein neuer Mieter sein. Die alte Frau Martens war vor einem Monat in ein Pflegeheim gezogen.

Ein junger Mann in einem nicht mehr so sauberen T-Shirt und einer abgewetzten Jeans öffnete.

„Wissen Sie, wie spät es ist?“, fauchte ich ihn an.

„Noch nicht zehn Uhr. Bis zehn darf man doch Lärm machen!“ Der Mann lächelte mich an, doch mir war nicht nach Lächeln zumute.

„Nein, nur bis 20 Uhr sagt die ordnungsbehördliche Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.“ Ich funkelte ihn böse an. Was für Proleten sich jetzt in dieser guten Gegend schon breitmachten! Wenn es so weiterging, müsste ich mir eine neue Wohnung suchen. Dabei gefiel mir meine wirklich gut. Außerdem hatte ich keine Lust auf die damit verbundene Arbeit.

„Aber ...“

„Kein Aber. Bis 20 Uhr dürfen Sie Lärm machen, danach müssen Sie ...“

„Über den Boden schweben?“ Der Mann grinste frech. Um seine Augen bildeten sich tiefe Lachfalten. „Dann sollten Sie aber gleich einmal Ihre Schuhe ausziehen. Sie sind damit im ganzen Haus zu hören.“

Am liebsten hätte ich ihm eine geknallt, aber ich beherrschte mich.

„Bieten Sie mir ein Bett an? Ich bin gerade dabei, meins aufzubauen, und habe keine Lust, heute auf dem Fußboden zu schlafen.“

„Und das macht so viel Lärm?“ Ich glaubte ihm kein Wort.

Der Mann öffnete seine Tür noch weiter und machte eine einladende Bewegung. „Vielleicht können Sie mir helfen. Ich bin handwerklich nicht so versiert, aber irgendetwas stimmt mit der Gebrauchsanleitung nicht.“

Ich zögerte, doch dann siegte die Neugier. Zögernd betrat ich die Wohnung. Überall standen Umzugskartons herum. Im Wohnzimmer war immerhin schon ein Schrank aufgebaut, ebenso im Schlafzimmer.

„Meine Freunde haben mir beim Umzug und Aufbau der Schränke geholfen, doch dann habe ich sie nach Hause geschickt. Sie müssen noch drei Stunden zurückfahren.“ Er zeigte mir die Gebrauchsanweisung.

„Verstehen Sie sie? Können Sie das Bett zusammenbauen?“

Ich las die Gebrauchsanweisung, dann kontrollierte ich, was mein Nachbar schon geleistet hatte.

„Das stimmt bisher.“

„Trotzdem passen die Schrauben nicht hinein.“

Ich glaubte ihm nicht, kniete mich neben die Einzelteile und versuchte es selbst. Es klappte wirklich nicht.

„Die Löcher sind noch nicht vorgebohrt“, erklärte er, als ich wieder aufstand.

„Beanstanden Sie es und bringen Sie das Bett zurück“, sagte ich und weil er nicht so begeistert aussah, bot ich an: „Ich setzte Ihnen notfalls auch ein Schreiben auf.“

Jetzt lachte er laut. „Ich habe es in Berlin gekauft. Außerdem möchte ich heute noch darin schlafen. Also bohre ich lieber ein paar Löcher, als das Bett zurückzubringen.“

Er nahm die Bohrmaschine, setzte den Holzbohrer ein und grinste mich herausfordernd an.

„Natürlich verstoße ich damit gegen die Ruheverordnung.“ Dann bohrte er an allen Pfosten die fehlenden Löcher. Jetzt ließ sich das Bett einfach zusammenbauen, und da ich die Teile hielt, war er schnell fertig.

„Sehen Sie, manchmal macht man halt Lärm, bei einem Umzug lässt es sich nicht vermeiden. Aber lieber an einem Tag etwas länger arbeiten als an den nächsten Tagen auch noch. Oder?“

Ich murmelte eine unverständliche Antwort, dann flüchtete ich. Wieder schallte das Klacken meiner Absätze laut durch das Treppenhaus.

Am Freitagmittag rief Ines an und sagte unser Treffen ab. „Tut mir leid, aber Jonas ist krank geworden. Er hat Fieber und jammert. Ich glaube, er bekommt Scharlach. So kann ich ihn auf keinen Fall der Babysitterin zumuten.“

Ich bemitleidete meine Schwester und wünschte meinem Neffen gute Besserung, dann versuchte ich, noch eine Freundin aufzutreiben, aber so kurzfristig hatten alle etwas vor. Also bummelte ich durch die Geschäfte, doch gegen sieben Uhr hatte ich keine Lust mehr, die Zeit totzuschlagen. Sicher hatte Raoul längst aufgegeben und ich konnte unbesorgt nach Hause gehen. Doch ich hatte mich getäuscht. Als ich in die Tiefgarage einbog, sah ich seinen Porsche auf der anderen Straßenseite stehen. Aber jetzt war es zu spät, wieder umzudrehen, bestimmt hatte er mich schon entdeckt.

Seufzend lief ich die Treppe zur Wohnung hoch. Raoul stand wartend vor der Tür. Sein wütender Gesichtsausdruck versprach nichts Gutes.

„Hättest du mich nicht anrufen können, wenn es bei dir länger dauert!“, kanzelte er mich ab.

„Ich habe eine Verabredung“, erwiderte ich kühl.

„Ja, mit mir.“

„Nein, ich will mit einem Bekannten ins Kino“, log ich.

„Und warum sagst du dann bei mir nicht ab?“ Raouls Kiefermuskeln verkrampften sich, gleich würde er explodieren. Ich hasste es und ich hatte Angst vor seinen Wutanfällen.

„Du hast mich nicht gefragt, dann hättest du es erfahren.“ Leider wirkte ich nicht besonders selbstsicher.

„Wer ist es?“, fragte Raoul und trat auf mich zu, sodass er mich fast berührte. „Wen ziehst du mir vor?“

Fieberhaft überlegte ich, wen ich nennen sollte. Doch bevor ich antwortete, kam der neue Nachbar pfeifend die Treppe heruntergelaufen.

„Bist du dann so weit? Ich muss nur noch die Waschmaschine abstellen, dann können wir losgehen“, erklärte er. Dann küsste er mich rechts und links auf die Wangen.

Raoul sah aus, als würde er sich gleich auf den Fremden werfen, allerdings war mein Nachbar fast genauso groß wie Raoul, sah aber wesentlich muskulöser aus.

„Darf ich mich vorstellen? Ich bin Fabian Wittig und wohne seit ein paar Tagen über Miriam.“

„Ich habe Fabian neulich beim Möbelaufbauen geholfen, deshalb hat er mich ins Kino eingeladen“, soufflierte ich.

„Wie kommen Sie dazu, meine Verlobte anzumachen?“ Raoul trat drohend einen Schritt vor und stand jetzt direkt vor Fabian. Gleich würde er die Beherrschung verlieren. Ich zitterte vor Angst.

Doch Fabian lächelte ihn nur an. „Auch ihre Verlobte darf frei entscheiden, ob sie mit mir ins Kino will oder nicht. Ich habe sie nicht gezwungen.“ Dann legte er Raoul eine Hand auf die Schulter und drückte so stark zu, dass Raoul einen Schmerzensschrei ausstieß und in die Knie ging. „Sie sollten sich nicht auf Ihre Körperkräfte verlassen. Dafür sind Sie einfach zu untrainiert.“

„Ich zeige Sie an!“ Raoul sah aus, als ob er gleich einen Mord begehen würde.

„Warum? Weil ich eine Frau ins Kino eingeladen habe?“

„Wegen Körperverletzung!“, stieß Raoul zwischen den Zähnen hervor.

Fabian lachte. „Weil ich Ihren Arm freundschaftlich gedrückt habe? Sind Sie so zimperlich? Na gut, dann zeigen Sie mich eben an.“ Er wandte sich mir zu: „Kommst du?“ Ich nickte und folgte ihm in seine Wohnung.

Nachdem er die Tür geschlossen hatte, entschuldigte er sich: „Ich hatte das Gefühl, dass Sie Hilfe brauchten. Ich habe das Gespräch mitbekommen, weil ich mein Namensschild angeschraubt habe.“

„Danke, Sie haben mich gerettet. Aber wir sollten jetzt wirklich aus dem Haus gehen. Raoul wird uns kontrollieren.“

„Oh, hier im Kino gibt es eine Komödie. Die habe ich noch nicht gesehen. Wollen wir dahin gehen?“

Ich nickte nur.

„Hat Ihr Verlobter einen Schlüssel zu Ihrer Wohnung?“

Ich schüttelte den Kopf. „Zum Glück nicht mehr. Vor zwei Wochen klemmte das Schloss und ich brauchte ein neues.“

„Ich traue diesem Mann nicht über den Weg. Ich habe schon viel Aggression erlebt, aber nicht solchen unkontrollierten Hass.“

Er zog sich schnell ein neues T-Shirt an. Und gab mir dabei die Gelegenheit, seinen durchtrainierten Oberkörper zu bewundern.

„Bist du Bodybuilder?“

„Ex-Handballer. Aber damit ist es vorbei. Mein Knie ist kaputt. Ich kann nie wieder als Profi spielen.“

Wir gingen zusammen los. Vor dem Kino lud er mich noch in die Pizzeria daneben ein. Nicht gerade das, wohin ich sonst ging. „Sie gehen nur in französische Restaurants?“, fragte er.

Ich errötete.

„Ich fühle mich in den piekfeinen Restaurants nicht wohl. Außerdem werde ich da nicht satt.“

Verlegen schaute ich aus dem Fenster. „Raoul ist anscheinend doch nach Hause gefahren“, sagte ich, um abzulenken.

„Nein, er sitzt drüben im Imbiss und beobachtet uns durch die Scheibe.“ Dann lachte er laut. „Das ist wohl schon eine ziemliche Strafe für sein Verhalten, dass der feine Herr sich in so einem Schuppen aufhalten muss.“ Wir ließen uns Zeit mit dem Essen und ich erzählte Fabian von meiner Arbeit als Anwältin.

„Und Ihr Ex ist Ihr Kollege?“

Ich nickte. „Zum Glück aber nicht in derselben Kanzlei wie ich. Aber wir treffen uns bei Gericht oder Fortbildungsveranstaltungen. Bisher war es schön, die gleichen Interessen zu haben.“

„Und jetzt?“

Ich schwieg eine Weile. „Er fragt nicht mehr, was ich will. Es ist selbstverständlich, dass ich alles mache, was er befiehlt. Er will mit mir renommieren und sieht mich nicht als eigenständige Persönlichkeit.“

„Früher war es anders?“

„Hm, zuerst ja. Sein Verhalten hat sich so langsam verändert, dass ich es erst nicht bemerkt habe. Es läuft schon eine Weile so. Aber neulich hatte mein Neffe Taufe und Raoul hatte gleichzeitig eine Einladung bei seinem Chef angenommen. Er hat mir eine Riesenszene gemacht, weil ich nicht mitgekommen bin, obwohl er doch zugesagt hatte. Dabei stand der Termin für die Taufe schon seit Monaten fest und ich hatte es ihm gesagt.“

„Es interessierte ihn nicht.“

Ich nickte. „Meine Schwester ist Frisörin und mein Schwager nur Schlosser.“

„Oh, und jetzt auch noch ein Ex-Handballer.“ Er lachte so ansteckend, dass ich mitlachte. Natürlich verpassten wir die erste Vorstellung, was Fabian mit einem Blick auf den Imbiss guthieß, also tranken wir Wein, unterhielten uns weiter und gingen erst in die Spätvorstellung.

„Hast du Lust, morgen zum Bundesliga-Handballspiel mitzukommen? Die Stimmung ist immer spitze“, schlug er vor, als wir nach der Vorstellung zurückliefen. Wie selbstverständlich legte er seinen Arm um meine Schulter.

„Gern“, sagte ich, ohne nachzudenken, dabei interessiert mich Sport überhaupt nicht. Aber ich wollte meine Chance bei ihm nicht verderben.

Der Porsche stand nicht mehr vor dem Haus, als wir zurückkamen. Trotzdem wartete Fabian, bis ich die Wohnungstür hinter mir abgeschlossen hatte, bevor er die Treppe zu seiner Wohnung hochlief.

Völlig ausgebrannt

Ich sah von der Arbeit auf, als meine Kollegin Sarah den Raum betrat. Von ihr ging ein Strahlen aus, als ob die Sonne aufgehen würde. Und das am frühen Montagmorgen. Ich konnte es nicht fassen. Hatte Sarah sechs Richtige im Lotto gewonnen?

„Ich habe gekündigt“, sprudelte Sarah heraus.

„Und was machst du jetzt?“, fragte Jan. Er sortierte die Fotos für seine Margarine-Werbung.

„Ich studiere. Ich habe einen Platz an der Journalistenschule bekommen. Und da ich noch Resturlaub habe, werde ich nur noch zwei Wochen arbeiten. Dann bin ich weg.“

Ich schluckte. Lena würde auch nur noch die paar Wochen bis zum Mutterschutz hierbleiben, wenn sie überhaupt noch erschien, da sie immer wieder krankgeschrieben wurde. Der Stress in der Firma setzte ihr so zu, dass ihr Arzt Sorge um ihr Baby hatte. Und Sophie hatte nach Süddeutschland geheiratet und war schon seit zwei Monaten weg. Ersatz hatten wir nicht wirklich bekommen. Unser Chef hatte nämlich festgestellt, dass Praktikanten fast genauso gut arbeiteten wie seine festangestellten Mitarbeiter, aber erheblich preiswerter waren.

Den ganzen Tag hatte ich Probleme, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Eigentlich hatte ich im Mai heiraten und bald Kinder bekommen wollen. Dann wäre ich auch weg gewesen. Doch Martin hatte im letzten Augenblick Panik bekommen. Wahrscheinlich hatte seine Mutter gestichelt und mich schlechtgemacht. Also hatte er unsere Hochzeit platzen lassen.

Wenn schon keine Ehe und Familie, dann musste ich eben etwas anderes in meinem Leben ändern. Mir fielen meine einstigen Pläne ein, ins Ausland zu gehen. Gleich nach der Schule hatte ich als Au-pair-Mädchen arbeiten wollen. Doch dann war mein Vater krank geworden und ich konnte meine Mutter nicht im Stich lassen. Sie war so schon mit dem Alltag überfordert gewesen.

Aber jetzt, mit Mitte zwanzig noch als Au-pair-Mädchen in eine Familie gehen? Doch wie sollte ich sonst im Ausland meinen Unterhalt verdienen? Meine Englisch-Kenntnisse waren recht dürftig. Sprachen lagen mir nicht, trotzdem reizte mich ein Auslandsaufenthalt. Andere Länder und andere Menschen kennenlernen, ein ganz anderes Leben zu führen, davon hatte ich schon als kleines Kind geträumt. Im Büro würde ich nicht arbeiten können. Wie also könnte ich Geld verdienen? Oder sollte ich meine Ersparnisse aufbrauchen? Für die Hochzeit und den Haushalt brauchte ich das Geld jetzt nicht mehr.

Tagelang beschäftigte mich die Frage. Es musste auch gar nicht England sein. Vielleicht könnte ich irgendwo in einem Dritte-Welt-Land helfen? In unserer Zeitung stand ein Artikel von einer Abiturientin, die in Südamerika lebte. Ich musste mich einfach einmal erkundigen.

Die Arbeit in der Firma wurde noch stressiger. Lena war über Wochen krankgeschrieben, demnächst würde ihr Mutterschutz beginnen. Sarah jobbte inzwischen bei einem Anzeigenblatt. „Vielleicht kann ich dort während des Studiums ein bisschen dazuverdienen“, sagte sie.

Und von Sophie kamen lange Mails. Sie hatte in München einen Traumjob gefunden. Jan wurde immer unleidlicher. Wir beiden mussten Praktikanten einarbeiten, sie bei Laune halten und nebenbei unsere Arbeit erledigen. Inzwischen entwarf ich auch schon Texte, obwohl ich eigentlich nur als Bürokraft eingestellt war und mit unserer Buchhaltung mehr als genug zu tun hatte.

„Mach doch noch eine Ausbildung als Texterin oder als Journalistin“, schlug Jan vor, als ich mich mal wieder beschwerte.

„Und du?“

„Ich? Ich hoffe, auf einen großen Auftrag, der mich berühmt macht.“

„Doch nicht hier.“

Dazu sagte er nichts, sah aber so komisch aus.

„Willst du auch weg?“, fragte ich geschockt.

Er nahm einen Schluck Kaffee aus seiner Tasse. „Das Telefon klingelt.“ Schnell stand er auf und verschwand.

Dabei konnte ich nichts hören, obwohl ich gute Ohren besaß.

Wenn ich nicht bald etwas unternehmen würde, wäre ich die letzte Festangestellte. Wenn jetzt auch noch Jan wegging ...

Daheim holte ich mir Eis aus dem Kühlschrank und zog mich mit dem dicken Schmöker, den ich mir am Bahnhof gekauft hatte, auf das Sofa zurück und las bis zum frühen Morgen. Am nächsten Tag ging es mir noch immer nicht besser. Kein Wunder, so übermüdet wie ich war.

Aber ich fand eine Organisation, die Freiwillige zur Restaurierung von historischen Gebäuden einsetzte. In Frankreich wurde gerade eine Burg wiederaufgebaut.

Mein Französisch war nie gut gewesen und seit der Schulzeit hatte ich es auch nicht mehr benutzt. Doch die Gegend sah toll aus. Südfrankreich. Ich müsste nicht monatelang dort leben, sondern nur ein paar Wochen. Und nebenbei konnte ich einen Sprachkurs machen. Am besten besuchte ich vorher schon einen. Gesagt, getan. Gleich am nächsten Tag meldete ich mich an einer privaten Sprachschule für einen Abendkurs an.

Natürlich war es anstrengend. Nach einem stressigen Tag in der Firma konnte ich mich kaum konzentrieren. Aber ich wollte unbedingt Französisch lernen. Und ich bewarb mich bei dieser Organisation.

Ich hatte Glück und wurde für den Spätsommer genommen. Also kündigte ich gleich am nächsten Tag meinen Arbeitsvertrag und meine kleine Einzimmerwohnung. Das Bett und den Kleiderschrank wollte ich im Keller meiner Eltern unterstellen. An Lena verkaufte ich meine Waschmaschine und Jan war bereit, mein Bücherregal und meinen Tisch zu übernehmen.

„Und was machst du nach dem Frankreichaufenthalt?“, fragte Jan.

„Vielleicht suche ich mir einen Job als Buchhalterin; ich war blöd, mir keinen Wechsel zuzutrauen. Oder ich gehe für ein paar Monate nach Großbritannien.“

„Hast du keine Lust, noch zu studieren?“

„Ein Jahr lang eine Auszeit zu nehmen, kann ich finanzieren. Ich habe es durchgerechnet. Aber vier Jahre studieren geht nicht.“

„Du kannst nebenbei arbeiten. Eventuell bekommst du Bafög?“

Ich schüttelte den Kopf. „Leider nein. Aber vielleicht sollte ich meinen Bilanzbuchhalter machen. Dauert ein Jahr in der Abendschule. Nur in unserer Firma kann man Abendkurse doch vergessen.“ Ich sprach aus leidvoller Erfahrung. Jede Französischstunde musste ich mir erkämpfen, da mein Chef wollte, dass ich die liegengebliebene Arbeit noch erledigte. Erst nach einem Monat Streit nahm ich meinen Mut zusammen und suchte eine Aussprache. Mir konnte doch gar nichts passieren. Ich hatte längst gekündigt.

„Die Arbeitsbedingungen sind in den letzten Wochen katastrophal geworden. Wenn Sie nichts ändern, werden Sie keine guten Kräfte mehr finden. Jan und ich arbeiten bis zur völligen Erschöpfung, weil Sie die weggegangenen Kollegen nicht ersetzt haben. Deswegen gehe ich jetzt auch. Und mehr als die gesetzlich zulässigen Stunden arbeite ich nicht mehr. Notfalls schalte ich die Gewerkschaft ein.“

Dem Chef blieb der Mund offen stehen. Wahrscheinlich würde er mir ein schlechtes Zeugnis ausstellen – sei‘s drum. Ich musste mich zum Glück hier nicht mehr lange betätigen. Nach dem Gespräch machte ich täglich pünktlich Schluss. Egal, wie viel Arbeit noch herumlag.

Die freie Zeit brauchte ich auch. Ich musste so viel erledigen. Alle Vorsorgetermine bei den Ärzten nahm ich in Anspruch. Wer weiß, wie die Ärzte in Frankreich waren und ob ich sie verstehen konnte.

Dann musste ich mich überall abmelden oder ummelden. Dieser deutsche Papierkram. Versicherungen, GEZ, Strom und Wasser und und und ...

Endlich ging es los. Meine Eltern brachten mich zum Flughafen. Meine Mutter hatte Tränen in den Augen. „Mama, ich wandere doch nicht aus. Es ist nur für zwei Monate.“ Ich umarmte sie und lachte. Dabei war mir momentan eher nach Weinen zumute.

Aufgeregt checkte ich ein und wartete, bis ich endlich aufgerufen wurde. Ich war heilfroh, den Französischkurs gemacht zu haben. In Toulouse musste ich in den Bus umsteigen und irgendwann landete ich müde im Camp.

Die ersten vier Wochen vergingen wie im Fluge. Unsere Gruppe bestand aus jungen Studenten aus aller Herren Länder und wir verstanden uns hervorragend. Nach der Arbeit unternahmen wir gemeinsam etwas, feierten, machten Ausflüge oder unterhielten uns einfach. Zweimal in der Woche besuchte ich einen Französischkurs und da mir meine Kollegen halfen, lernte ich mehr als in der Schulzeit. Vielleicht war ich doch gar nicht so sprachunbegabt, wie ich immer gedacht hatte.

Mit meiner Familie und meinen Freunden daheim blieb ich übers Internet und das Handy verbunden. Jan hatte kurz nach mir gekündigt und arbeitete jetzt in einer großen Werbeagentur.

Gegen Ende meiner Zeit besuchte er mich und wir machten gemeinsam einen Ausflug nach Marseille.

„Schreib doch einen Text über dein Leben hier in Frankreich“, schlug er vor. Und da es die letzte Woche regnete, setzte ich mich tatsächlich an den PC und berichtete über das Leben und die Arbeit. Ich schrieb nicht nur einen Text, sondern gleich mehrere, weil ich mich nicht entscheiden konnte. Ich beschrieb die Gegend, die Arbeit als Freiwillige und meine Erfahrungen mit dem Sprachenlernen.

Nach den zwei Monaten reiste ich mit dem Zug durch Frankreich. Ich bereiste das Rhonetal und die Alpen, die Loire, die Bretagne und Paris. Am Ende beschloss ich, vorerst nicht in Deutschland zu arbeiten. Ich besuchte meine Eltern und blieb ein paar Wochen bei ihnen, bis meine Papiere für Südamerika fertig waren. Ich wollte dort in einem Kindergarten arbeiten. Kein ganzes Jahr, das war mir zu viel, aber ein halbes. Ich lernte Spanisch, in einem einwöchigen Intensivkurs an einer Sprachenschule und machte mich dann optimistisch auf den Weg nach Bolivien.

Diesmal hatte ich leider keine so fröhliche Gruppe wie in Frankreich. Doch die Mitarbeiter waren nett und meine Hilfe war wirklich nötig. Die Armut der Menschen erschütterte mich. Trotz der vielen Arbeit besuchte ich Spanischkurse, übte daheim und während der Arbeit, die wenige Freizeit nutzte ich, um meine Eindrücke zu Papier zu bringen.

Jan hatte sich bemüht, für meine Manuskripte aus Frankreich Abnehmer zu finden. Tatsächlich erschienen alle Texte in Zeitungen und Zeitschriften. Das motivierte mich, weiterzuschreiben, und bald wurden auch die Artikel aus Südamerika gedruckt.

„Willst du nicht doch Journalistin werden? Du schreibst so interessant“, lobte Jan.

Inzwischen hatte ich mir eine gute Kamera angeschafft und machte viele Fotos. Langsam zweifelte ich an meinem Vorhaben, Bilanzbuchhalterin zu werden. Schreiben und Fotografieren machten mir wirklich viel Spaß.

Als meine Zeit um war, reiste ich durch Südamerika. In Rio de Janeiro traf ich mich mit Jan und wir sahen uns gemeinsam Brasilien an.

„Kann ich auch daheim schreiben? Da passiert doch nichts“, zweifelte ich, als er mich wieder darauf ansprach.

„Du kannst auch über den Harz oder die Lüneburger Heide berichten“, tröstete Jan.

Gemeinsam flogen wir zurück. Daheim meldete ich mich für ein Fernstudium Journalismus an. Wenn die Honorare für die Zeitungsartikel nicht reichten, würde ich eben stundenweise als Buchhalterin arbeiten. Aber Jan hatte recht, ich wollte wirklich noch studieren.

Seit meinem Sabbatical und den Auslandsaufenthalten bin ich viel selbstbewusster geworden. Ich habe zusätzlich ein paar Englischkurse gemacht und bin jetzt viersprachig, außerdem habe ich es geschafft, allein im Ausland zurechtzukommen. Am meisten motiviert mich aber mein journalistischer Erfolg. Ich hätte nie gedacht, meine Texte verkaufen zu können. Ab und zu reise ich, oft begleitet mich Jan. Die Fahrten sind nicht mehr so lang, aber lang genug, um einen Eindruck von der Gegend zu bekommen und darüber berichten zu können. Aus den Fotos und den Erlebnissen mache ich nicht nur Zeitungsartikel, sondern schreibe inzwischen auch Bücher.

Jan ist als Werbetexter erfolgreich. Aber auch er hat aus unserer alten Firma gelernt und lässt sich nicht mehr so stark vereinnahmen. Er sorgt dafür, dass er genug Pausen hat und sein Privatleben nicht zu kurz kommt. Darauf lege ich großen Wert. Im nächsten Monat wollen wir nämlich heiraten.

Rosa Rosen für die große Liebe

Ich hänge an meinem Blumenladen, auch wenn ich als selbstständige Floristin lange und hart arbeiten muss. Heute stand ich wieder einmal schon morgens um vier Uhr auf, um rechtzeitig auf dem Großmarkt zu sein. Trotzdem kann ich mir keine schönere Tätigkeit vorstellen, deshalb hatte ich nach einer kurzen Bedenkzeit zugegriffen, als meine Chefin Gudrun mich eines Tages fragte, ob ich den Laden übernehmen würde. „Weißt du, Vicky, ich kann ihn auch an eine Filiale einer Parfümerie- oder Eiscafékette verkaufen. Seit ein paar Jahren rennen sie mir die Bude ein und machen mir traumhafte Angebote. Aber ich habe es nicht nötig. Für die Miete und ein paar Reisen reichen meine Ersparnisse. Was sollen unsere Stammkunden sagen, wenn es hier keinen Blumenladen mehr gibt?“

„Ich habe kein Geld“, hatte ich geantwortet.

„Macht nichts, dann beteiligst du mich am Gewinn.“ Sie lächelte mich strahlend an und vermittelte mir Zuversicht.

Nach drei Tagen Grübeln sagte ich zu. Und so ist Gudrun meine stille Gesellschafterin geworden.

Zu meinem Leidwesen heiße ich Vicky, eigentlich Viktoria, was noch schlimmer ist! Wie konnten mir meine Eltern bloß so einen schrecklichen Vornamen geben? Ich bin doch keine Prinzessin, die den Namen ihrer Urgroßmutter auftragen muss. Für mich 1,56 Meter kleine Person mit honigblondem Kurzhaarschnitt, weil meine Mähne mit den zwei Wirbeln einfach nicht zu bändigen ist, ist der Name viel zu pompös.

Auf dem Großmarkt war ich diesmal schnell fertig, da ich die Händler kannte, bei denen ich immer kaufte. Die Straße war zu der frühen Zeit wie gewohnt noch frei und ich kam rasch zurück. Daheim brachte ich die Blumen, die ich besorgt hatte, in den Kühlraum im Keller, nur die rosa Buschrosen stellte ich griffbereit in die Werkstatt, dann schaltete ich die Kaffeemaschine an. Erst jetzt hatte ich Zeit zu frühstücken, bevor ich den Laden öffnete.

Anschließend band ich zwei große Kränze und drei Gestecke für eine Beerdigung. Seltene Aufträge in meinem Blumenladen, da der Friedhof ganz am anderen Ende unsere Kleinstadt lag. Zum Glück holten die Kunden alles selbst ab, sonst hätte ich die Aushilfe hinschicken müssen.

Ein junger, dunkelhaariger Mann mit einem Grübchen am Kinn riss mich aus meiner Arbeit. Er verlangte einen Strauß rosa Buschrosen. Ich band sie schnell, gab ein paar Gräser hinzu, um den Blumenstrauß aufzupeppen. Als er ging, schaute ich zur Uhr. Wo blieb bloß Herr Reimers?

Herr Reimers war unser Stammkunde, er war schon 87 Jahre alt. Jeden Montag kaufte er einen Strauß rosa Buschrosen. Irgendwann hatte er uns erzählt, dass sie für seine Frau waren. Er liebte sie auch nach 63 Jahren noch genauso wie als junger Mann. Sie war sein großer Glücksgriff, da sie immer sanft und geduldig war und ihm alles verzieh. Ohne sie wäre er auf die schiefe Bahn geraten. Als unreifer Bursche war er wild und unbeherrscht. Er stritt sich viel, prügelte sich sogar. Dazu wechselte er ständig die Firma, weil er mit niemanden zurechtkam. Aber sie sah das Gute in ihm und redet ihm zu, damit er gelassener wurde. Erst als ein Mann, mit dem er Streit hatte, seine Anneli mit einem Messer bedrohte, kam er zur Vernunft. Er beherzigte ihren Vorschlag, den Schulabschluss auf der Abendschule nachzuholen. Anschließend machte er eine Ausbildung zum Schlosser. Danach lernte er weiter und wurde sogar Meister. Zwischenzeitlich hatten sie geheiratet und mehrere Kinder bekommen.

„Sie ist so warmherzig und wunderschön mit ihren blauen Augen und den blonden Haaren, dazu sanft wie ein Engel.“ Er lachte. „Aber beharrlich.“

Inzwischen bekam Herr Reimers bei uns jedes Mal einen Becher Kaffee, weil er Stammkunde war und wir Floristinnen ihn gernhatten. Er hatte schon bei Gudruns Vorgänger eingekauft. Alt und weise, wie er war, erkundigte er sich stets nach unserem Befinden und tröstete, wenn wir Kummer hatten.

Langsam sorgte ich mich wirklich um ihn. Er war sonst pünktlich um elf Uhr im Laden. „Wir frühstücken immer erst gemütlich“, hatte er erklärt.

Vorsichtshalber lief ich in der Mittagspause zu Herrn Reimsers‘ Wohnung. Von unseren vielen Gesprächen wusste ich, wo er wohnte. Doch auf mein Klingeln öffnete keiner die Tür. Auch bei den Nachbarn war niemand daheim, der mir Auskunft geben konnte.

Besorgt eilte ich zum Blumenladen zurück. Es war höchste Zeit, ihn wieder zu öffnen. Auch am nächsten Tag versuchte ich erneut, Herrn Reimers zu erreichen. Vergeblich. Also ging ich nach Feierabend noch einmal in die Kochstraße und klingelte bei den Nachbarn. Diesmal hatte ich Glück und eine ältere Dame öffnete die Tür zur Nachbarwohnung.

„Können Sie mir sagen, was mit Herrn Reimers ist? Ich mache mir Sorgen. Er hat seit Jahren jeden Montag Blumen für seine Frau gekauft, aber gestern war er nicht da“, sprudelte ich heraus.

„Oh, Herr Reimers ist gestürzt und hat einen Oberschenkelhalsbruch.“ Die Dame war so freundlich und nannte mir das Krankenhaus, in dem er lag.

„Was ist mit seiner Frau, wer versorgt sie jetzt?“, wollte ich wissen.

„Ach, Frau Reimers, die lebt doch schon seit drei Jahren im Pflegeheim. Herr Reimers hält sich normalerweise dort den ganzen Tag auf. Das ist gar nicht schlecht. Er isst mit ihr zusammen und braucht sich hier um nichts kümmern. Das bisschen Haushalt macht eine Haushaltshilfe.“

Ich bedankte mich und marschierte nachdenklich nach Hause. In der Woche schaffte ich es nicht, das Krankenhaus aufzusuchen. Aber ich nahm mir vor, ihn am Wochenende zu besuchen.

Am nächsten Tag stand der junge Dunkelhaarige wieder im Laden. Diesmal verlangte er einfach einen bunten Strauß, ohne besondere Wünsche zu äußern.

„Wohnen Sie hier in der Nähe?“, fragte ich, während ich den Blumenstrauß band.

„Nein, aber ich besuche meinen Großvater im Krankenhaus“, erklärte er. „Er hat Ihren Laden empfohlen.“

Ich wunderte mich, immerhin war die Klinik etwas weiter entfernt, sodass ich normalerweise keine Blumensträuße an Krankenhausbesucher verkaufte.

Am Samstag suchte ich kurz vor Geschäftsschluss die schönsten Blumen aus und band sie zu einem großen Strauß. Dann fuhr ich zum Krankenhaus. Im zweiten Stock befand sich die Chirurgie. Eine Schwester zeigte mir den Schrank mit den Vasen.

Herr Reimers strahlte mich an, als ich das Zimmer betrat. „Wie schön, dass Sie mich besuchen. Das ist lieb, wo Sie doch so viel Arbeit haben.“

Ich lächelte ihn an. „Meinen besten Stammkunden kann ich doch nicht einfach im Krankenhaus liegenlassen, ohne ihn aufzumuntern.“ Ich stellte den Blumenstrauß auf den Tisch am Fenster. Auf seinem Nachttisch stand schon ein bunter Strauß, der mir sehr bekannt vorkam.

Tatsächlich klopfte es kurz darauf an der Tür und der junge dunkelhaarige Kunde betrat das Zimmer.

„Mein Enkel Marten“, stellte Herr Reimers ihn vor. Ihm war die Freude an dem Besuch anzusehen.

Ich nickte dem jungen Mann zu. „Wir kennen uns. Ihr Enkel hat bei mir eingekauft.“ Klar, warum war ich nicht selbst darauf gekommen? Buschrosen verkaufte ich nur selten, noch dazu in Rosa. Wenn er etwas gesagt hätte, hätte ich den Strauß so gebunden, wie sein Großvater ihn immer haben wollte.

„Marten ist erst vor Kurzem hergezogen. Er hat lange Zeit in der Schweiz gearbeitet. Ich bin so froh, dass er jetzt in der Nähe wohnt und sich um meine Anneli kümmern kann.“

„Wo haben Sie denn in der Schweiz gelebt?“, fragte ich und dann unterhielten wir uns lebhaft über Interlaken. Ich hatte dort einmal Urlaub gemacht. Und auch Herr Reimers war in jungen Jahren mehrmals in die Schweiz gereist.

Als es dunkel wurde, schaute ich auf die Uhr und sprang erschrocken auf. „So spät schon, jetzt muss ich mich sputen, um noch etwas einzukaufen.“ Ich sorgte mich auch, dass unser Geplauder für Herrn Reimers zu anstrengend würde.

„Vielen Dank für den Besuch, ich habe mich so darüber gefreut“, sagte Herr Reimers, als ich ging. Sein Enkel kam mit.

„Ich komme morgen wieder“, versprach er seinem Großvater.

„Es ist wichtiger, dass du Anneli besuchst“, meinte Herr Reimers.

„Ich werde beides schaffen.“ Marten lächelte ihn an. „Allerdings kann ich nicht den ganzen Tag bei ihr verbringen.“

„Vielleicht sollte ich ebenfalls in das Pflegeheim ziehen“, sagte sein Großvater nachdenklich. „Ich weiß nicht, ob ich noch allein in der Wohnung zurechtkomme.“

„Warte es erst einmal ab. Aber wenn du willst, kann ich im Heim nach freien Plätzen fragen“, bot Marten an.

Gemeinsam liefen wir zum Parkplatz. „Wie gut, dass du gerade rechtzeitig hergezogen bist“, meinte ich. Inzwischen waren wir zum Du übergegangen.

Er nickte. „Ja, ich bin auch sehr froh darüber.“ Dann lächelte er mich gewinnend an. „Darf ich dich heute Abend zum Essen einladen? Vielleicht in die Pizzeria neben deinem Laden?“

Überrascht blieb ich stehen. „Ja, gern. Um acht Uhr?“ Dadurch hatte ich genug Zeit zum Einkaufen und Putzen der Wohnung.

Beim Essen abends unterhielten wir uns genauso intensiv wie im Krankenhaus. Immer wieder trafen sich unsere Blicke und lösten bei mir ein Kribbeln im Bauch aus.

„Hast du morgen Zeit? Und hat du vielleicht Lust, mit mir ins Kino zu gehen?“, fragte er, als wir uns verabschiedeten.

„Ja, gern“, sagte ich gegen alle Vernunft, denn die Nacht würde sehr kurz werden, da ich montags zum Großmarkt fuhr.

Seit dem Abend treffen wir uns regelmäßig. Ab und zu besuche ich seine Großeltern im Pflegeheim, denn Herr Reimers war inzwischen zu seiner Anneli gezogen. Manchmal nehme ich Gudrun mit. Und der Buschrosenstrauß geht inzwischen auf meine Rechnung. Aber es ist kein Verlustgeschäft, denn bei den Besuchern des Pflegeheims hat es sich herumgesprochen, dass ich wunderschöne Sträuße binde.

Zum Valentinstag lud Marten mich ins Musical ein. „Blumen mag ich dir gar nicht schenken, die hast du doch den ganzen Tag um dich herum“, erklärte er und überreichte mir eine Kette mit einer wunderschönen, filigranen Libelle als Anhänger.

Ob wir uns in 63 Jahren noch genauso lieben wie seine Großeltern?

Der Blick in die Zukunft

„Los, Fränzi, leg mir die Karten“, drängte Julia ihre Freundin.

Fränzi hatte während eines langen Krankenhausaufenthalts im letzten Jahr von ihrer Bettnachbarin das Kartenlegen gelernt. „Sie sind sehr begabt“, hatte die alte Frau Meyerfeld sie gelobt. Seitdem sagte Fränzi ihren Freunden die Zukunft voraus und überlegte, ob sie nicht damit ihr Geld verdienen sollte.

„Was willst du wissen?“

„Hm, so überhaupt“, druckste Julia herum. Sie wollte Fränzi nicht eingestehen, dass sie wissen wollte, ob Dennis sie bald heiraten oder wenigstens mit ihr zusammenziehen würde.

Dennis war Betriebswirt und trotz seiner dreißig Jahre schon Manager. Mit seinen dunklen Locken und Augen wirkte er südländisch. Julia bemerkte in ihrer Verliebtheit nicht, wie kühl ihre Freunde ihm begegneten.

Fränzi schaute Julia prüfend an. „Ich probiere es, mit näheren Angaben wäre es einfacher.“ Sie reichte Julia die Karten zum Mischen. „Es ist nur eine Möglichkeit. Was tatsächlich passiert, hängt von deinem Verhalten ab“, erklärte Fränzi.

Julia nickte, ohne richtig zuzuhören. Schließlich gab sie den Stapel zurück.

Fränzi deckte erst einzelne Karten auf und betrachtete sie nachdenklich, dann nickte sie und legte auch noch den Rest auf den Tisch.

Julia rutschte auf die Stuhlkante vor.

„Da ist ein Mann, mit dem du glücklich wirst. Du wirst heiraten.“

„Wann?“

Fränzi zuckte die Achseln. „Vielleicht in einem Jahr.“ Sie betrachtete die Karten und runzelte dabei die Stirn. „Vorher hast du Ärger mit einem dunklen Mann.“ Sie zeigte mit ihrem Finger auf eine Karte. „Ich sehe eine Reise.“ Der Finger wanderte weiter. Dann sah sie auf. „Beruflich gibt es eine Veränderung. Vielleicht wechselst du die Firma, zumindest dein Aufgabengebiet.“

Julia wäre Fränzi am liebsten um den Hals gefallen, so rosige Zukunftsaussichten! Da konnte sie ein bisschen Ärger durchaus einstecken.

Einige Wochen später zog sie mit Dennis zusammen. Sie hatte kaum noch Zeit für ihre Freunde. Bereitwillig übernahm sie die gesamte Hausarbeit, obwohl sie beruflich sehr eingespannt war. Zum Jahreswechsel gab es bei einem Steuerberater immer viel zu tun. Außerdem unterwarf sie sich Dennis Ansprüchen. Er erwartete von ihr, schon am Sonntagmorgen geschminkt und tipptopp frisiert am Tisch zu sitzen, dabei liebte Julia ein gemütliches Frühstück im Bett.

Als Julia im Februar völlig erschöpft von der doppelten Belastung war, lud ihre alte Schulfreundin sie ein. Die Band von Birtes Bruder Gerhard gab ein Konzert im Dorfgasthof. Spontan sagte Julia zu.

„Du willst in einer verräucherten Kneipe sitzen und diese Provinzband hören?“, fragte Dennis entsetzt.

„Bei Gerhards Auftritten ist immer Stimmung. Außerdem habe ich Birte lange nicht mehr gesehen“, verteidigte sich Julia.

Dennis verächtlicher Gesichtsausdruck veranlasste sie, ihren Jugendfreund zu verteidigen. „Du hast sie nicht gehört. Sie spielen aus Freude und das kommt rüber.“

„Wir sollten lieber ein Musical besuchen“, schlug Dennis vor.

„Ich gehe in das Konzert“, erklärte Julia. Zum ersten Mal fügte sie sich Dennis Wünschen nicht.

Da sie nachts ungern Auto fuhr, nahm sie Birtes Einladung an, bei ihr zu übernachten.