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Wo warf Goethe sein Taschenmesser in die Lahn? Und wo steht das hessische Neuschwanstein? Kennen Sie die Wiege der modernen Fotografie? Ahnen Sie, wo das Backpulver erfunden wurde? Andrea Reidt nimmt Sie mit auf eine Entdeckungsreise durch das Lahntal von der sickernden Quelle am Rothaargebirge bis zur Mündung in den Rhein, zeigt Lieblingsplätze in lauschiger Landschaft, quirligen Städten, erzählt von Tüftlern und Fantasten. Begleiten Sie die Autorin nach Bad Laasphe, Biedenkopf, Marburg, Gießen, Wetzlar, Braunfels, Weilburg, Limburg, Diez, Nassau, Bad Ems und Lahnstein!
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Lieblingsplätze im Lahntal
Andrea Reidt
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Bildarchiv Foto Marburg/VG Bild-Kunst, Bonn 2024 10; Stadt Biedenkopf/Angelika Blöcher 22; Katharina Zürcher Schartenhof Eckelshausen 24; Bildarchiv Foto Marburg/mit freundl. Genehm. von Brigitte Ubbelohde-Doering und der Otto-Ubbelohde-Stiftung 30; Andrea Reidt/mit freundl. Genehmigung von Leny Schellenberg-de Kreij 32; VG Bild-Kunst Bonn 2024 58; Minox 90; Leica Camera AG 100; Walter Klein, Düsseldorf/Städtische Sammlungen Wetzlar 106; Andrea Reidt/mit freundl. Genehmigung von 3steps 108; Museum Nassau-Oranien/Museums- und Geschichtsverein für Diez und Umgebung e. V. 158; A. Gössel/Corpus Vitrearum Deutschland/LWL-Museum für Kunst und Kultur (Westfälisches Landesmuseum) Münster 172; Andrea Reidt/mit freundl. Genehm. der Staatsbad Bad Ems GmbH 174
Alle Seitenangaben in diesem Buch beziehen sich auf die Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe.
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3., überarbeitete Neuausgabe 2025
© 2016 – Gmeiner-Verlag GmbH
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Alle Rechte vorbehalten
Lektorat/Redaktion: Ricarda Dück
Satz/Layout: Julia Franze
E-Book: Mirjam Hecht
Bildbearbeitung/Umschlaggestaltung: Benjamin Arnold unter Verwendung der Illustrationen von © SimpLine – stock.adobe.com; © Sylwia Nowik – stock.adobe.com; © lapencia – stock.adobe.com; © yurkaimmortal – stock.adobe.com; © ratkom – stock.adobe.com; © SG- design – stock.adobe.com; © OpenClipart-Vectors – pixabay.com; © Benjamin Arnold; © Katrin Lahmer
Kartendesign: © Maps4News.com/HERE
ISBN 978-3-7349-3296-0
Das Lahntal zählt zu den schönsten Nebentälern des Rheins. Und das nicht nur wegen seiner Naturschönheiten, den dichten und doch lichten Laub- und Nadelwäldern, den naturbelassenen Auen, den Pfaden und Höhenwegen, den sonnenverwöhnten Weinbergen (ja!), dem sanft mäandernden Fluss, den rauschenden Staustufen. Beschauliche Dörfer, quirlige Fachwerkstädte säumen die Ufer. Wie viele Adelssitze es im Lahntal gibt! An Ufern und Hängen, auf Felsnasen thronen mehr als 300 Ruinen und prächtig erhaltene Wehrbauten, Ringwälle, Wacht- und Hexentürme, Stadtmauern, mittelalterliche und historistische Ritterburgen, Renaissance- und Barockschlösser, sogar ein englisches Tudorschloss. Die Marburger Elisabethkirche als erstes gotisches Gotteshaus östlich des Rheins, der majestätische Limburger Dom, der unvollendete Wetzlarer Dom, stolze Kloster-, gepflegte Dorfkirchen – sie alle tragen zum architektonischen Reichtum des Lahntals bei.
Das Lahntal befindet sich in direkter Nachbarschaft zu den Welterbe-Stätten Oberes Mittelrheintal und Nationalpark Kellerwald-Edersee. Die Lahn schlängelt sich vom 612 Meter hohen Ederkopf im Rothaargebirge auf 245 Kilometern in zahllosen Schleifen talabwärts, bei einem Gefälle von 567 Metern. Unterhalb der Burg Lahneck zwischen Nieder- und Oberlahnstein schließlich mündet sie in den Rhein. Der lückenlos von der Quelle zum Rhein verlaufende Lahnradweg zählt zu den beliebtesten Flussradstrecken Deutschlands. Der Lahnwanderweg, im südlichen Verlauf identisch mit dem mal durch Taunus, mal durch Westerwald verlaufenden Lahnhöhenweg, lockt von Jahr zu Jahr mehr Wanderer und sogar Pilger an.
Stille und Entschleunigung finden Paddler bei gemäßigter Strömung auf dem Wasser. Kanuten, Radler und Camper vergöttern den verträumten, schönsten Flussabschnitt von Weilburg nach Runkel und Limburg. Sportbootfahrer kommen ab Steeden auf Touren. Alle profitieren sie davon, dass die Berufsschifffahrt auf der Lahn 1981 eingestellt wurde. Manche Wehre sind mittelalterliche Steinkonstruktionen, wurden vor 1.000 Jahren als Mühlenwehre gebaut und erfüllen immer noch ihre Funktion. Wo sonst gibt es noch so viele handbetriebene Schleusen, ein Dutzend davon mit Service durch Schleusenwärter? Und in Weilburg durchquert man den einzigen Schifffahrtstunnel Deutschlands. Das Schienennetz der Bahn verläuft parallel zum Fluss; es ist leicht, in Etappen zu wandern, zu rollen, zu gleiten.
Einst mussten Fuhrleute ihre Wagen durch so manche Flussfurt manövrieren. Inzwischen gibt es genug Brücken aus Holz, Stein, Stahl, Beton; wie viele weiß niemand genau. Es dürften mindestens 150 Übergänge sein: Schwimmende Ponton-Sommerbrücke in Wetzlar, eleganter Stahlseil-Steg in Gießen, wuchtige Balken-Eisenbahnbrücke in Lahnstein, 80-Millionen-Euro-Autobahnbrücke bei Limburg in spektakulärer Höhe. Nicht zu vergessen die ältesten Lahnbrücken: Wetzlar, Limburg, Weidenhausen in Marburg.
Wir befinden uns in einer geschichtsträchtigen Region, in der Kelten, Römer, Alemannen, Franken siedelten. Die Wurzeln des niederländischen Königshauses und der luxemburgischen Großherzöge reichen ins Lahntal. Die Nassauer Adelsfamilien, die Mainzer Erzbischöfe, die Landgrafen von Thüringen und Hessen rivalisierten um Territorien und vermehrten ihren Besitz durch geschickte Heiratspolitik. Im 19. und 20. Jahrhundert entdeckten Künstler, Literaten und Heimatforscher das Lahntal, verewigten es in Landschaftsgemälden, Poesie und Märchen über freche Froschkönige, traurige Mädchen in Rapunzeltürmen, gierige Wölfe und Liebesleid. In Wirklichkeit lebten im Lahntal allerhand Fantasten und Visionäre mit verrückten und sensationellen Ideen. Und wenn sie nicht alle schon gestorben wären, so lebten sie noch heute.
Der Expressive Realist Franz Frank (1897 – 1986) malte dieses Ölbild 1950; es stellt die alte Lahnbrücke in Goßfelden dar.
Ich glaub, ich träume. Bin ich wieder im Allgäu, in dieser herrlichen hügeligen Voralpenlandschaft? Das Rothaargebirge. Die Wanderroute Rothaarsteig verbindet Brilon im Sauerland mit Dillenburg im südlichen Lahn-Dill-Bergland. Auf dem Rothaarkamm verläuft die Wasserscheide zwischen Rhein und Weser; die Haincher Höhe bei Netphen wiederum scheidet Lahn und Sieg. Denn die Quellen der Lahn, Sieg und Eder sickern hier im Abstand von wenigen Kilometern ans Tageslicht und streben voneinander fort.
Die Lahn »entspringt« eigentlich nicht, sondern bildet im Untergrund des kleinen Naturschutzgebiets Auerhahnwald Rinnsale, die sich zu einem runden Tümpel hochschaffen, dem Lahntopf in Lahnhof auf 607 Metern Höhe, Start oder Station mehrerer Wanderwege. Spaziert man im Hochsommer um den von einer giftgrünen Algenschicht bedeckten Quellteich, aus dem Aststücke ragen, rührt sich da kein Wässerchen; er wirkt wie ein Land-Art-Werk von Kurt Fleckenstein. Etwas weiter verbindet eine Viehbrücke zwei Kuhweiden, damit das Bächlein unter ihr geschont wird – unsere Lahn, da ist sie, nackt und armselig.
So wie äußere Anregungen den Charakter eines Menschen sein Leben lang beeinflussen, formt der Einfluss anderer Gewässer die Lahn. Ilse heißt eine ihrer ersten Freundinnen, in Heiligenborn steigt sie aus dem Boden, schon in Feudingen vereint sie sich mit ihr. Die Lahn nimmt während ihrer Reise durch sechs Landkreise in drei Bundesländern 104 Bäche und Flüsse in sich auf, bevor sie sich nach 245 Kilometern selbst als fünftgrößter Nebenstrom in den Rhein ergießt. Ihr längster Nebenfluss, die knapp 60 Kilometer lange Ohm, gesellt sich ihr bei Cölbe zu, gefolgt von Dill, Aar und Weil. Das kürzeste namentlich bekannte Wasser, das sich der Lahn anschließt, ist der 1,2 Kilometer messende Untere Ansbach im Kreis Limburg-Weilburg.
Sehr gut ausgeschildert sind der Lahnradweg und der Lahnwanderweg mit Start in Lahnhof und Ende in Lahnstein am Rhein.
Lahnquelle
Startpunkt Wanderung: Forsthaus Lahnquelle
Lahnhof 1
57250 Netphen
Organisierte Touren ab der Lahnquelle: Velociped Fahrradreisen
Alte Kasseler Straße 43
35039 Marburg
06421 886890
Bad Laasphe im Grenzgebiet von Hessen und Nordrhein-Westfalen überwand die Hürden zur Zertifizierung als Kneipp Premium-Class mit Kurpark, Kräutergarten, Arm- und Tretbecken. Spaziert man durch die hervorragend erhaltene historische Fachwerkstadt, die von gepflegter Beschaulichkeit ist und trotzdem nicht verschlafen wirkt (außer vielleicht in sommerlicher Mittagshitze), sieht man gelegentlich Schaufenster mit Tafeln und Objekten zu den Sehenswürdigkeiten. Zahlreiche Bronzetafeln an historisch bemerkenswerten Gebäuden geben Erläuterungen.
Die Kirche von 1230 ist der älteste erhaltene Bau Bad Laasphes, der behelmte Turm 500 Jahre jünger; er wirkt, als habe ein Riese ihm einen Hut übergestülpt. Laasphes Sohn Johannes Bonemilch kam zu einem Nachruhm, den er vermutlich als Makel ansehen würde: Als Weihbischof des hessischen und thüringischen Erzbistums Mainz weihte er 1507 Martin Luther im Erfurter Dom zum Priester. Bonemilch starb 1510, noch vor Luthers reformatorischer Wandlung.
Bad Laasphe hat 14.000 Einwohner in 24 Ortschaften, in der Kernstadt leben 6.000 Menschen. Im waldumschlossenen Weiler Heiligenborn im Rothaargebirge unweit der Lahnquelle, im Winter gelegentlich eingeschneit, stehen noch fünf Häuser, darunter die ehemalige Schule, und es gibt einen alten Friedhof. Bis Ende der 1960er-Jahre wanderten die Kinder des Dorfes Sohl gut drei Kilometer nach Heiligenborn zum Unterricht. Sohl hat heute rund 25 Einwohner. Heiligenborn ist eines der um 1700 von den Grafen Wittgenstein gegründeten »Kanondörfer«, deren Siedler roden sollten und zum Ausgleich nur geringe Steuer (den Kanon) zahlten. Heiligenborn passiert man auf dem Lahnwanderweg, es gehört zum Bad Laaspher Stadtteil Banfe.
Sehenswert: Industriemuseum Amalienhütte, Heimatmuseen Oberes Lahntal und Banfetal, Pilzkundemuseum, Alte Druckerei Ernst Schmidt, Handwerksbrauerei Bosch.
Altstadt Bad Laasphe
Rund um den Kirchplatz
57334 Bad Laasphe
TKS Tourismus, Kur und Stadtentwicklung Bad Laasphe
Wilhelmsplatz 3
57334 Bad Laasphe
02752 898
Die Grenze zwischen Marburger Land und Hessischem Hinterland verläuft irgendwo zwischen Elmshausen und Kernbach an der Lahn. Der 498 Meter hohe Rimberg in Caldern »gehört« der Großgemeinde Lahntal. Was Erhebungen angeht, punktet Biedenkopf mit einem 674 Meter hohen Hausberg, Sackpfeife genannt. Der hat eine Sommerrodelbahn, und im Winter tummeln sich auf ihm Skiläufer, Rodler, Snowboarder und Eisläufer. Man muss sich also nicht wundern, dass Biedenkopf Mitglied im Oberhessischen Gebirgsverein ist, was einen Allgäuer Älpler seltsam anmuten wird. Andere verwundert wohl die namentliche Zuordnung zu Oberhessen. Die komplizierte hessische Geschichte lässt grüßen: Dieses Oberhessen meint eine Region des alten Kurhessen-Kassel, während die frühere Hessen-Darmstädtische Provinz Oberhessen den Vogelsberg bezeichnete. Das Hinterland gehörte weder zu dem einen noch zu dem anderen Oberhessen.
Eder und Lahn, Perf und Salzböde durchfließen das Hinterland. Im idyllisch gelegenen Perfstausee zwischen Breidenstein und Breidenbach ist das Baden leider dauerhaft wegen Keimverunreinigung verboten. Die Talsperre reguliert den Zufluss der Perf in die Lahn und schützt die Umgebung seit 1993 vor den einst verheerenden Hochwasserschäden. Der nur zwei bis vier Meter tiefe 18-Hektar-See fasst im Normalfall 600.000 Kubikmeter, kann aber bis zu 2,15 Millionen Kubikmeter aufnehmen. Das Naturschutzgebiet am hinteren Seeteil ist ein ungestörter Lebensraum für Wasservögel; ein Spazierweg führt rundherum.
Am Perfstausee sind wir mitten im nordöstlichen Teil des Naturparks Lahn-Dill-Bergland, einer wundervollen Mittelgebirgslandschaft mit ausgedehnten Tälern, Hügelkuppen und Senken. Dass dem Hinterland keine große Durchgangsstraße von Nord nach Süd zugedacht wurde, erweist sich als Segen für Bewohner und Besucher dieses heimeligen Fleckchens Erde.
Das denkmalgeschützte Rittergut Elmshausen (1586) im gleichnamigen Ortsteil von Dautphetal ist ein artgerechter Pferdebetrieb mit etwa 30 Schulpferden und Pensionsstall für 35 Pferde und Ponys (www.rittergut-elmshausen.de).
Perfstausee
Gaststätte Seeblick
Am Perfstausee
35216 Biedenkopf
Region Lahn-Dill-Bergland e.V. (Tourismusbüro)
Herborner Straße 1
35080 Bad Endbach
02776 80115
Sind die Hinterländer, deren Identität sich in Eigennamen wie der Tageszeitung Hinterländer Anzeiger ausdrückt, nicht eigentlich Hinterwäldler? Tatsächlich überziehen Laub- und Nadelwälder die Hälfte des Altkreises Biedenkopf. Die Liebe zum heimatlichen Wald bestimmt allerhand Bräuche und Rituale, etwa das alle sieben Jahre gefeierte Kultfest Grenzgang, zu dem Biedenkopfer aus aller Welt in die Fachwerkstadt am Schlossberg strömen. Auf den Brott, das Kartoffelbraten im Wald zwischen kokelndem Buchenholz, müssen Freunde und Vereine nicht sieben Jahre warten, das feuchtfröhliche Ereignis findet jedes Jahr im Frühherbst statt.
Biedenkopfs Schriftstellersohn Stephan Thome setzte dem Grenzgang in seinem gleichnamigen Roman ein literarisches Denkmal, seinen Heimatort taufte er darin in »Bergenstadt« um. Andreas Steinhöfel lässt seinen Kinderbuchbestseller Paul Vier und die Schröders in »Bergwald« spielen, einer Kleinstadt, die auch Biedenkopf nachempfunden ist. Mittlerweile ist Steinhöfel nach Jahren in Metropolen ins Hinterland zurückgekehrt; er hatte Heimweh. Ubbo Enninga, auch ein Künstlersohn Biedenkopfs, schuf vier Figuren für den Skulpturenrundweg, zum Beispiel die Plastik EÏOUA (Foto), Darstellung einer Afrikanerin.
Woher stammt nun der Name »Hinterland«? Nachdem der Marburger Landgraf Ludwig IV. 1604 kinderlos gestorben war, fiel die Region an Hessen-Darmstadt. Von Gießen zog sich ein schmaler, teils nur 500 Meter breiter, Korridor die alte Handelsstraße Westfalenweg entlang nach Norden in dieses »hintere Land«, eingeklemmt zwischen Preußen, Nassau und Kurhessen. Dorthin wurde man strafversetzt. 1866 wurde das Hinterland »musspreußisch«, doch trotz großspuriger Ankündigungen nicht zum »Vorderland«. Nach 1945 integrierte das Hinterland 15.000 Heimatvertriebene und Evakuierte, ein Fünftel der eigenen Bevölkerung, viele arbeiteten in der Textilindustrie.
Das Hinterlandmuseum im Landgrafenschloss hat eine bedeutende Sammlung zu Textilhandwerk und Tracht. Weitere Themen: Post, Feuerwehr, Eisenindustrie, Grenzgang.
Biedenkopf im Hinterland
Skulpturenrundweg (9 Stationen)
Startpunkt: Kriegerdenkmal am Marktplatz
35216 Biedenkopf
Tourist-Information Biedenkopf
Rathaus
Hainstraße 63
35216 Biedenkopf
06461 704500
»Was will die ale Frau nur mit dem ale Haus!?« So sprach man 1970 im Dorf, als die damals 46-jährige Annemarie Gottfried den verfallenen Schartenhof Eckelshausen mitten im Ort, umgeben von alten Bäumen und großem Garten, kaufte. »Ich brauchte Freiraum für meine künstlerische Arbeit«, erzählte sie mir. Drei kaputte Dächer, keine Kanalisation, kein Strom, keine Dusche – eine Ruine. Die Hausbesitzerin erlernte mit der Hilfe des Nachbarn das Maurerhandwerk und restaurierte die von 1875 stammende hohe Kratzputz-Fachwerkwand des 1690 erbauten Wohnhauses selbst, wobei sie die ursprünglichen Ornamente erhielt. Später gab es Preise für diese Leistung – und Aufträge für die Sanierung weiterer Fachwerkfassaden. Mittlerweile ist die Seele des privaten Kulturzentrums im Oberen Lahntal 98-jährig verstorben – ihr Geist lebt weiterhin auf dem herrlichen Anwesen.
Ihre erste Puppe bastelte Annemarie Gottfried aus Stoffresten, Sägemehl und Hanf, nach 1945 betrieb sie in Biedenkopf eine Puppenwerkstatt und setzte dies während ihrer Ausbildung an der Kunstakademie Düsseldorf fort. Mit Heimarbeiterinnen fertigte sie Hunderttausende Maskottchen für die Industrie. Ihre eigentliche Berufung galt jedoch der Gestaltung künstlerischer Figurinen, Papierskulpturen und Bronzeplastiken. Die ausdrucksstarken Figuren für das Marionettentheater Schartenhof stammen aus ihrer Hand. Die Profibühne dieses kleinen Musiktheaters mit Kulissen und Lichttechnik baute Heinz Zürcher nach Modellen großer Opernbühnen. Seit mehr als drei Jahrzehnten haben sich die Eckelshausener Musiktage als beliebtes Kammermusikfestival profiliert. In Kirchen, Schlössern, Industriebauten, Rathäusern, Scheunen und Gärten zwischen Bad Laasphe und Marburg gastieren alle zwei Jahre im Frühling Musiker von Weltrang. Das Marionettentheater mit Opernaufführungen jeweils im Vorfrühling und im Herbst blieb ein Geheimtipp im Marburger Land und gibt Gastspiele im In- und Ausland.
Die wehrhafte evangelische Kirche romanischen Ursprungs neben dem Schartenhof überragt den alten Dorfkern von Eckelshausen.
Schartenhof – Konzerte, Ausstellungen, Marionettentheater
Obere Bergstraße 12
35216 Biedenkopf-
Eckelshausen
06461 2710