Nordfriesische Inseln und Halligen - Andrea Reidt - E-Book

Nordfriesische Inseln und Halligen E-Book

Andrea Reidt

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Beschreibung

Wo taufte Thomas Mann eine Wanderdüne? Wo werden Strandbuden alljährlich im Sand verbuddelt, um im nächsten Sommer wieder aufzutauchen? Wo findet der Wattwanderer Spuren versunkener Siedlungen? Wo erzählen Grabsteine ganze Lebensgeschichten? Auf Sylt, auf Amrum, auf Föhr, auf Pellworm. Lassen Sie sich von Andrea Reidt zu ihren Lieblingsplätzen entführen - alle auf diesen vier Nordfriesischen Inseln und den zehn Halligen. Und wer mehr erleben möchte, der kann Ausflüge unternehmen: nach Rømø etwa, auf Vogelkiek oder ins Watt.

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Seitenzahl: 131

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Lieblingsplätze

zum Entdecken

Nordfriesische Inseln und Halligen

Andrea Reidt

Impressum

Für Lewin und Jasper

Einige Inselmenschen vermittelten mir in Gesprächen, Vorträgen, Büchern oder Aufsätzen wertvolle Anregungen und Informationen. Ihnen möchte ich herzlich danken: Hartmut Schiller M. A. und Dr. Ekkehard Klatt (Sylt), Georg Quedens (Amrum), Walter Fohrbeck und Helmut Bahnsen (Pellworm), Dipl.-Soz. Harry Kunz und Prof. Dr. Thomas Steensen (Nordfriisk Instituut Bredstedt).

Autorin und Verlag haben alle Informationen geprüft. Gleichwohl wissen wir, dass sich Gegebenheiten im Verlauf der Zeit ändern, daher erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Sollten Sie Feedback haben, bitte schreiben Sie uns! Über Ihre Rückmeldung zum Buch freuen sich Autorin und Verlag: [email protected]

Sofern hier nicht aufgelistet, stammen die Fotos von der Autorin Andrea Reidt: Max Liebermann: »Badende Knaben«, 1902, Museum Kunst der Westküste 10-11; Ralf Bernsmann, Oldenburg 12, 22, 68; Peter Hering, Nieblum / Föhr, www.voegel-auf-foehr.de 24, 48, 100, 110, 130, 154, 162; Gabi Paulsen, Galerie Gabi Paulsen, Nebel / Amrum, www.gabipaulsen.de 74-75; Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger DGzRS, Peter Neumann 80; Andreas Dölz, www.andreas-doelz.de 94, 96; Leif Peters 84; Frank Niemeyer, Hamburg 86; Peder Severin Krøyer: »Vier Frauen und ein Mädchen am Meeressaum«, 1894, Museum Kunst der Westküste 114; Oluf Braren: »Späte Haustrauung auf Föhr«, um 1815, verbrannt 1980, Stiftung Historische Museen Hamburg – Altonaer Museum für Kunst und Kulturgeschichte 126; Georg Reynders, Alt-Katholische Kirche Nordstrand 136. Die Angaben beziehen sich auf die Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.gmeiner-verlag.de

3., aktualisierte Auflage 2018

© 2014 – Gmeiner-Verlag GmbH

Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch

Telefon 0 75 75/20 95-0

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat/Korrektorat: Claudia Reinert

Satz: Julia Franze

E-Book: Mirjam Hecht

Bildbearbeitung / Umschlaggestaltung: Alexander Somogyi

unter Verwendung eines Fotos von: © Undine Aust – fotolia.com

Kartendesign: Kim-Anna Bucher

ISBN 978-3-8392-5406-6

Inhalt

Impressum

1  Alles fließt: Tundra, Eichenwälder, junge Nordsee

Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer

2  Schweinswale, Seepferdchen und allerlei Seeabenteuer

Nordfriesische Utlande

Sylt

3  Das Wandern ist der Düne Lust

Sylter Sahara

4  Wilde Wikingerkerle und ihr Silberschatz im Kuhhorn

Listland

5  Im Land der Eierkönige und Vogelnistplätze

Königshafen

6  Wo Georg Jürgen heißt, spielt die Orgelmusik

List – Sankt Jürgen

7  TJEN DIE BIIKI ÖN! EIN FEST FÜR DIE HEIMAT

List – Biikebrennen

8  Die Sylter Dünenrose und ihre Lieblingsfeindin Rugosa

List – Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt

9  Auf Piratentörn oder Seehundfahrt ins Lister Tief

Unterwegs mit Gret Palucca und Rosa Paluka

10  Einsame Idylle mit Salzwiesenschafen und viel Sand

Nehrungshaken Ellenbogen

11  Ein Walknochenzaun als dänisches Naturdenkmal

Rømø – Strand

12  Als Wotan vom heiligen Ansgar vertrieben wurde

Ribe – Altstadt

13  Zwischen Austern und Asphalt an Abbruchkanten

Blidselbucht

14  Brandungsbaden – die ultimative Gesundheitsdroge

40 Kilometer Weststrand

15  Tänze am Strand, viel Musik, Hüttenromantik

Klappholttal – Akademie am Meer

16  Zwischen Kliffende und Kupferkanne: Kunst, Kunst, Kunst

Kampen

17  Naturoase inmitten Krähenbeere, Glockenheide, Besenheide

Braderuper Heide

18  Einen Steinwurf weit übers Meer bei Prinzens zu Hause

Møgeltønder

19  Wo die Post abging und der Raddampfer aus Hoyer anlegte

Munkmarsch

20  Packeis, Schnee, steifer Ostwind, sternklare Nacht

Winterwattweg von Keitum nach Munkmarsch

21  Wo alte Walfänger sich die müden Knochen wärmten

Keitum

22  Kirche am Kliff steht auf Kultstätte für Freya

Keitum – Sankt Severin

23  Zehn Millionen Jahre Erdgeschichte an einem Tag

Morsum-Kliff

24  Wo Gottvater über den toten Sohn wacht

Morsum – Sankt Martin

25  Katholischer Gottvater krönt Himmelskönigin Maria

Alt-Westerland – Dorfkirche Sankt Niels

26  Waterkant wörtlich: Am Weststrand Energie auftanken

Westerland – Weststrand

27  Sylter Welle rettet Laune ab Windstärke 6

Westerland – Syltness

28  Geht Sylt durch Klimawandel unter? 150 Jahre Buhnen

Hörnum Odde

Amrum

29  Schleswig in Seenot und gierige Strandvögte

Wittdün – Am Leuchtturm

30  Abstrakte Naturgemälde aus Watt, Marsch und Geest

Wittdün – Blick vom Leuchtturm

31  Das Rätsel um das U-Boot-Loch

Wittdün / Steenodde - Seezeichenhafen

32  Strand so weit das Auge blickt – ein Geschenk der Natur

Kniepsand

33  Kniepianer vor Kapitän in Sicht

Wittdün – Strandbudenkolonie

34  Schneetreiben und eisiger Schabernack

Nebel – Strand

35  Fantasien von Flaneuren: Wohnen unter Reet

Nebel – Dorf

36  Als der Tod sich ihrer alten Hütte näherte

Nebel – Friedhof Sankt Clemens

37  Im Meer geblieben, namenlos begraben

Nebel – Friedhof der Namenlosen

38  Christlicher Muslim: der Osmane von Amrum

Süddorf

39  Beach boys, Badegäste, blau gestreift

Norddorfer Strand

40  Den Menschen ein Wohlgefallen – den Sturmmöwen auch

Norddorf – Dünenweg

41  Nach dem Vogelkiek Pflaumensahnetorte

Amrumer Odde

42  Ferien als Waldarbeiter auf Amrum

Amrumer Wald

Föhr

43  Meeresbusse tragen Touris tidenabhängig zur Trauminsel

Wyk auf Föhr – Hafen

44  Königs Sommerfrische, Nordseewalzer und mondänes Leben

Wyk auf Föhr – Strand

45  In Wald und Teich – wo Lockvögel als Todesengel fett werden

Boldixumer Entenkoje

46  Friesische Dorfidylle mit Wiesenkathedrale

Süderende – Sankt Laurentii

47  Munch, Nolde, Liebermann – Nordseegemälde auf Weltniveau

Alkersum – Museum Kunst der Westküste

48  Vom Dorfgasthof zum skandinavischen Herrenhaus

Alkersum – Grethjens Gasthof

49  Wattritt ins weite Glück dieser Erde

Alkersum – Reiterhöfe und Gestüte

50  Im Friesendom rückt Johannes der Täufer Herodes zu Leibe

Nieblum

51  Wo der Fluss vor dem Meer zurückweicht

Witsum – Traumstraße und Godelniederung

52  Im nackten Nirgendwo zwischen Himmel und Erde

Von Dunsum übers Watt zur Amrumer Odde

53  Tragische Lebensgeschichte – der naive Maler Oluf Braren

Oldsum

54  Grüner grünt’s nicht auf Föhrs Marschwiesen

Marschland im Norden

55  Mehr Wasser in die Marsch!

Midlum – Elmeere und Andelhof

56  Entdeckungen der Langsamkeit beim Luststrampeln übers Eiland

Föhr umrunden – fünf Radtouren

Nordstrand

57  Predigten für Alt-katholiken, Ungläubige und Zweifler

Nordstrand – Theresiendom

58  Töpfern wie in Rungholt und Rosenkonfitüre zum Frühstück

Nordstrand – Süden

59  Halligwartin reitet zur Arbeit sieben Kilometer durchs Watt

Mit der Pferdekutsche von Nordstrand nach Hallig Südfall

Die Halligen

60  übers Watt ins wüste Moor

Vom Beltringharder Koog zur Hallig Nordstrandischmoor

61  Wie Träume im Nebel auf dem Meer – die kleinen Halligen

Süderoog, Norderoog, Habel, Hamburger Hallig

62  Die Marcellusflut, die Halliggräfin und die Okarinaflöte

Hallig Südfall

63  Als der Wind drehte und der dänische König Hurra schrie

Hallig Hooge – Hanswarft

64  Die Stille nach dem Touristenansturm ist ein Geschenk

Hallig Hooge – Backenswarft und Kirchwarft

65  Wikinger vor Hooge und tierische Begegnungen

Hallig Hooge Watt

66  Die halligste Marsch: Viel Strandflieder und viel Landunter

Hallig Gröde-Appelland

67  Vom allmählichen Verschwinden der Namen

Hallig Nordmarsch-Langeneß(-Butwehl)

68  Der Löffler löffelt gar nicht

Hallig Oland

Pellworm

69  Wo das Watt sich breit macht, müssen Schiffe weichen

Fähranleger Pellworm

70  Warten aufs Wasser am Grünstrand

Pellwormer Badestellen

71  Der schiefe Turm von Pellworm

Alte Kirche Sankt Salvator

72  Ökologisch alte Hasen – energetisch freie Friesen

Friesenhöfe

73  Zwei Schwarzwälder reif für die Insel: erster offener Garten

Clausenhof Waldhusentief

74  Fischreuse, Flussbett, Fething: Kulturlandschaft im Watt

Norderkoog

75  Schätze versunkener Welten, die das Watt freigibt

Rungholt-Museum

76  Warften aus Klei und Torfresten zum Schutz vor den Fluten

Inselmuseum

77  Warum Pellworm die schönste Insel der Welt ist

Radtour um Pellworm herum

Karte

Literaturverzeichnis

1  Alles fließt: Tundra, Eichenwälder, junge Nordsee

Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer

Wenn ich der mal sanften, mal stürmischen Musik der Wellen am Sylter Weststrand lausche, denke ich oft daran, dass dort, wo sich das Wasser ohne Landsicht weit zum Horizont zieht, einmal Mammuts, Rentiere und Pferde in einer subarktischen Tundra zu Hause waren und von Jägern aufgespürt wurden. Die amphibische Landschaft aus Wattenmeer, Inseln, Halligen und Sandbänken, die wir heute kennen, besteht erst seit 9000 Jahren. Als das letzte Stündlein der Eiszeit schlug, es um neun Grad wärmer wurde, die Gletscher abschmolzen, der Meeresspiegel um etwa 140 Meter stieg, endete die Urnordsee noch 300 Kilometer westlich des heutigen Sylt. Pellworm wurde nach Meinung einiger Forscher um 6400 v.Chr. überflutet. Das Wattenmeer bildet sich seit etwa 4000 Jahren in Form von Flachwasserlagunen im Schutz der Nehrungen aus, damals war Sylt vielleicht eine von Eichenwäldern bedeckte Halbinsel. Aus dieser Zeit stammen Hunderte Megalithgräber, von denen heute nur noch wenige erhalten sind – etwa in der westlichen Kampener Heide neben dem Quermarkenfeuer.

Zwischen 2000 und 1000 v.Chr. sinkt der Meeresspiegel wieder um mindestens zwei Meter. 200 n.Chr. hängen Föhr und Amrum vermutlich noch an einem Festland, dessen Rand aus Hochmooren, Schilfsümpfen und Seen besteht. Ab dem 12. Jahrhundert werden Deiche gebaut, Moore entwässert. Priele verbreitern sich, Sturmfluten wüten – und große Teile einer mittlerweile dicht besiedelten Kulturlandschaft verschwinden in Katastrophenfluten. Von den beiden ›Groten Mandränken‹, der Marcellusflut 1362 und der Burchardiflut 1634, sowie namenlosen anderen Sturmfluten sind die Utlande heftig betroffen.

Dieses flache Meer, der launische ›Blanke Hans‹, bestimmt den Rhythmus und die Wirtschaftsgeschichte der nordfriesischen Welt im größten Nationalpark zwischen Nordkap und Sizilien bis heute.

Tipp: Naturliebhabern sei der Rundwanderweg (9 Kilometer) um die eingedeichte Bucht des Sylter Rantumbeckens empfohlen; idealer Aussichtsplatz, um Vögel zu beobachten.

Vogelwart des Vereins Jordsand e. V., Schutzstation ///

Am Torbogen 7 /// 25980 Rantum /// 0 15 20 / 5 92 59 28 ///

www.jordsand.eu ///

Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und

Meeresschutz Schleswig-Holstein, Nationalparkverwaltung ///

Schlossgarten 1 /// 25832 Tönning /// 0 48 61 / 61 60 ///

www.nationalpark-wattenmeer.de/sh ///

2  Schweinswale, Seepferdchen und allerlei Seeabenteuer

Nordfriesische Utlande

In lauen Sommernächten, bei ruhigem Wellengang und leichtem Wind, entsteht dank der Bläschen des Zooplanktons ein wundersames Meeresleuchten. Wer davon erzählt, trägt dessen Glanz selbst in den Augen. Wer ständig am Meer lebt(e), wird selten von romantischen Gefühlen erfasst. Ein Pflug und ein Schiff – alte Symbole für Nordfriesland, Sinnbilder für Landwirtschaft und Seefahrt. Land im Meer. Die Utlande des Mittelalters, amphibische Außenlande des ›festen‹ Landes, in hügeliger, langsam verlandender nacheiszeitlicher Moränenlandschaft gelegen, waren ein politisches Gebilde des dänischen Königreichs. Die frühen Missionskirchen der Utlande stehen an germanischen Thingplätzen, die exakt gleich weit voneinander entfernt sind. Von Sankt Severin in Keitum über Sankt Johannis in Nieblum, Sankt Salvator auf Pellworm verläuft eine gerade Linie, sie endet bei Sankt Magnus in Tating auf Eiderstedt.

Kirchenbauten, Natureinflüsse und Wirtschaftsgeschichte sind eng verknüpft. War der Untergang der Stadt Rungholt, die wahrscheinlich im Gebiet der heutigen Hallig Südfall lag, eine Strafe Gottes? Um das 1362 in der Tiefe versunkene Atlantis der Nordsee ranken sich allerhand Legenden, Dichtungen und Deutungen. Der Meeresgrund übt auf viele Menschen dieselbe Faszination aus wie die dunkle Seite des Mondes oder das Leben auf anderen Planeten. Immerhin hat Rungholt wirklich existiert, die Stadt gehörte zu den wohlhabenden Steuerzahlern im dänischen Hoheitsgebiet.

Heutzutage kann Sylt in Sachen Reichtum die Pole Position für sich in Anspruch nehmen: Die florierende Tourismuswirtschaft der Insel trägt erheblich zum Volkseinkommen Schleswig-Holsteins bei. Allein Kampens Immobilienmarkt erzielt den höchsten Return on Investment Deutschlands. Auf den rund 100 Quadratkilometern der beliebtesten Ferieninsel der Deutschen werden jährlich 400 bis 600 (keineswegs nur baufällige) Häuser abgerissen, um luxuriösere zu errichten, berichtet der Geologe Ekkehard Klatt. Als Baugutachter und Experte für Bodensanierung weiß der Sylter, wovon er spricht. Der Mann bewohnt übrigens sein Elternhaus in Westerland selbst. Anderen Erben bleibt keine Wahl außer Verkauf, wenn Geschwister ausgezahlt werden müssen. Sylt ist eine Marke, an der wenige sehr viel und viele ganz ordentlich verdienen, auch manch einer der 5.000 Pendler, die täglich über den Hindenburgdamm zum Arbeiten kommen. Von nachhaltigem Tourismus allerdings scheint man weit entfernt zu sein – Hut ab vor den Amrumern, Föhrern, Pellwormern und Halligleuten, die auf diesem Gebiet offenbar mehr Glück und Verstand haben.

Raubbau an der Substanz ist nichts Neues. Schaufelten sich die Insulaner nicht bereits ihr eigenes Grab, als sie die Landschaft der mittelalterlichen Utlande mit Torfabbau zur Gewinnung des begehrten Friesensalzes im großen Stil ausbeuteten, wodurch das tiefer gelegte Land von vordringenden Prielen überschwemmt wurde? Die Wissenschaftler des Projekts Küstenatlas um den Geoarchäologen Dirk Meier verneinen das: Die großen Landverluste gehen ihrer Ansicht nach nicht allein auf den Menschen und seine Wirtschaftsweise zurück, die Natur selbst habe sie verursacht. Die Rungholter hatten ihre Siedlung demnach unwissentlich über einem tiefen eiszeitlichen Tal errichtet, das das Meer in Jahrtausenden mit losen Sedimentschichten überdeckte und verbarg.

Nach Ende des Torfabbaus verlegten sich die Inselfriesen für 300 Jahre auf eine andere Form der Ausbeutung, den Walfang, wodurch der ostatlantische Nordkaper praktisch ausgerottet wurde. An der Küste einem Wal zu begegnen, ist so gut wie ausgeschlossen, auch wenn gelegentlich mal ein toter Pottwal auf Pellworm strandet. Dafür sichtet man im Walschutzgebiet Sylter Riff die meisten Schweinswale der deutschen Nordsee. Sie paaren sich und kalben hier. Auch Kegelrobben bekommen auf Sandbänken vor Amrum ihren Nachwuchs. Einige Tausend Seehunde durchwandern die See zwischen ihren Fress-, Ruhe- und Paarungsplätzen. Sie zu jagen ist an der deutschen Küste verboten, die 40 Seehundjäger Schleswig-Holsteins sammeln vorwiegend verlassene Heuler ein und bringen sie in die Seehundstation nach Friedrichskoog. Als praktisch ausgestorben gelten Seepferdchen, weil es in der Nordsee kaum noch Seegraswiesen gibt, an denen die Tierchen sich festklammern, um nicht von der Strömung weggerissen zu werden.

Mag das touristische Sylt-System irgendwann kollabieren, so wird die Insel trotzdem so schnell nicht untergehen, meint Ekkehard Klatt: »Jeder Deich der Welt kann brechen, aber die Geest bleibt!« Jedoch könnte es enger werden im Ferienparadies. Die ›aktiven‹ Kliffs auf Sylt, das Weiße vor Braderup und das Rote vor Kampen, opfern der See bei jeder Sturmflut ein wenig von ihrem Steinkapital. Die Tide tut ihre Arbeit, sie nimmt und gibt. Immerhin entstanden auf diese Weise die friesischen Nordseeinseln – alles Sandbänke, mit Ausnahme von Texel in Holland, Föhr, Amrum und Sylt, die über einen Geestkern verfügen. Helgoland fällt aus dem Rahmen, das Eiland entstand als Bruchstück einer tiefer liegenden Gesteinsscholle, das durch aufsteigendes Salz nach oben gepresst wurde.

Die Balance zu halten zwischen Naturschutz, Artenvielfalt, Landschaftspflege, Wirtschaftsinteressen und Lebensqualität bleibt allemal eine schwierige Aufgabe. Die vielleicht wichtigste Rolle spielt dabei der Küstenschutz, für den das Land laut Umweltministerium durchschnittlich 70 Millionen Euro im Jahr ausgibt. Der Meeresspiegel steigt, neue Sturmfluten könnten vor allem die Halligen bedrohen. Zwar sind die Halligleute es gewohnt, dass ihre Umgebung mehrmals im Jahr von Wasser überflutet wird und man sich nur noch auf der eigenen Warft bewegen kann. Jedoch ist Landunter ›der kleine Bruder der gefährlichen Sturmfluten‹, heißt es im Magazin ›Wir Halliglüüd‹. Andererseits: Durch die Überflutungen gewinnen die Halligen neues Sediment aus Sand und Schlick. »Ohne Landunter würden sie vom Regen ausgewaschen und allmählich verschwinden. Wären sie eingedeicht, würden sie wie Pellworm nach kurzer Zeit unter dem Meeresspiegel liegen«, erläutert Geologe Klatt.

Tipp: Das Wattenmeer ist das vogelreichste Gebiet Europas, von Den Helder bis Esbjerg die größte Wattlandschaft der Welt, seit 2009 UNESCO-Weltnaturerbe.

Insel- und Halligkonferenz e. V. /// Hafenstrasse 23 ///

25938 Wyk auf Föhr /// www.inselundhalligkonferenz.de ///

Sylt

3  Das Wandern ist der Düne Lust

Sylter Sahara

Blick übers Watt vom Hindenburgdamm aus bei klarem Wetter: Im fernen Listland schimmern weiß die Wanderdünen. Der Blidselbucht vorgelagert türmen sie sich über 30 Meter hoch auf. Das Gebiet der drei Sandkolosse wird auch ›Sylter Sahara‹ genannt, eine Assoziation, die bereits Thomas Mann formulierte, der auf Sylt in den 20er-Jahren dreimal Ferien machte.

Die Lister Dünenlandschaft gehört zum 1923 ausgewiesenen Naturschutzgebiet Nord-Sylt, größtes der Weimarer Republik. Der wichtigste Vorkämpfer des Naturschutzes auf der Insel, Ferdinand Avenarius (1856 – 1923), schrieb 1913 in der einflussreichen Kulturzeitschrift ›Kunstwart‹: ›Meer rechts, Meer links, dazwischen aber über schön geschweifter Bucht, wie ein fernes Hochgebirge, das größte Dünengebiet Deutschlands‹. Avenarius gilt als Schutzpatron der nördlichen Sylter Nehrung, die durch diese frühe politische Entscheidung vor Bausünden gerettet wurde. Nach geologischen Kriterien verfügt die Insel Sylt über zwei Nehrungen, schmale Sandhaken nördlich und südlich des sogenannten Geestkerns im Dreieck Westerland, Keitum, Kampen. Die Nehrungen ziehen sich bis zur Ellenbogenspitze und bis zur Hörnum Odde. Noch vor 200 Jahren waren beide Nehrungen mit Wanderdünen bedeckt.

Es ist kein Zufall, dass es auf Sylt nunmehr keine anderen Wanderdünen gibt. Küstenschützern ist daran gelegen, alle Sandberge ›ortsfest‹ zu machen, allmählich mit Sandfangzäunen, Strandhafer und Heide in Grau- und Braundünen zu verwandeln. Durch den häufigen Westwind kann sich eine niedrige, unbewachsene Weißdüne jedes Jahr um mehrere Kilometer fortbewegen! Die Respekt heischenden hohen Sandberge im Listland schaffen ›nur‹ vier bis fünf Meter jährlich. Kleine Primärdünen, die der Wind aufweht, stattet man in der Uferzone mit Strandpflanzen aus, damit sie gar nicht erst zu wandern beginnen.

Tipp: Die Wanderdünen darf man nicht betreten, im Gegensatz zur befestigten Uwe-Düne bei Kampen: Mit 52 Metern ist sie die höchste Erhebung, eine Holztreppe führt hinauf.

Naturschutzgebiet Nord-Sylt ///

Alte Liststraße westlich von List ///

www.sylt.de/entdecken/natur/sylter-kuestenschutz.html ///

4  Wilde Wikingerkerle und ihr Silberschatz im Kuhhorn

Listland

Die drei Heidearten Krähenbeere, Glockenheide und Besenheide prägen nicht nur die Braderuper Heide, sondern auch die Braundünen des Listlandes. Von Mai bis Oktober leuchten die Sandhügel in lila-violetter Färbung, ein Bild, das sich täglich mit wechselndem Licht und variierter Witterung verändert.