Lied vom stillen Sommernachtstraum - Lars Osterland - E-Book

Lied vom stillen Sommernachtstraum E-Book

Lars Osterland

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Beschreibung

Lars, der vor einem guten Vierteljahr beschloss, alles hinter sich zu lassen und die vergangenen Monate mit bescheidenen finanziellen Mitteln an den spanischen und portugiesischen Küsten sowie auf Jakobswegen verbracht hat (siehe Band I "Letzte Ausfahrt Jakobsweg"), ist nun bereits mitten drin in seinem Wander-Abenteuer. Sein Ziel ist nach wie vor das Nordkap, noch immer verlässt er sich auf seine eigenen Fähigkeiten und nicht auf technische Hilfsmittel. Knapp 4.000 Kilometer liegen ihm, doch weitere 5.000 liegen noch vor ihm. Es ist bereits Mitte Mai und er weiß, dass er nur bis spätestens Anfang November Zeit hat, die Arktis im rauen Norden durchzustehen. Doch fürs Erste heißt es die warmen Tage so gut es geht zu nutzen, um Frankreich, Belgien und die Niederlande zu durchwandern, um schon bald zurück in Deutschland zu sein. Ein Wettlauf gegen die Zeit und doch auch viel Zeit, um sich weiter viele Gedanken über sein eigenes Leben zu machen. Wie aus Band I gewohnt wird dabei nicht mit selbstironischen Episoden gespart. Band II: Lars läuft die französische Atlantikküste bis hinauf nach Nantes, von wo aus er am Ufer der Loire bis nach Orléans spaziert. Von hier aus geht es über Paris und Brügge nach Amsterdam. Der Weg führt weiter durch die Niederlande bis zur deutschen Grenze, wo es an der deutschen Nordseeküste durch Ostfriesland geht und weiter bis nach Cuxhaven an der Elbmündung. In Hamburg endet dieser Teil.

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Seitenzahl: 567

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Lars Osterland

Lied vom stillen Sommernachtstraum

Band II der Nordkap-Trilogie - 9 Monate, 9 Länder, 9000 Kilometer

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

1. Irun – Nantes

2. Nantes – Paris

3. Paris – Amsterdam

4. Amsterdam – Wilhelmshaven

5. Wilhelmshaven – Hamburg

Danksagung

Hinweis

Impressum neobooks

1. Irun – Nantes

Die Hospitalera hat eine Kanne Kaffee gekocht und den Frühstückstisch gedeckt. Mihaela spendiert den Käse, ein anderer Pilger den Saft, perfekt. Roland, Mihaela, die zwei Franzosen vom Vortag und ich sitzen gemeinsam am Tisch, die Stimmung ist gut. Draußen wolkenloser Himmel, die Aufbruchsstimmung ist greifbar, der erste Tag kann beginnen … ihr erster Tag auf dem Jakobsweg, mein erster Tag in Frankreich. Als alle anderen fertig gefrühstückt haben, leere ich die letzten Reste und Mihaela bietet an, mir für unterwegs von ihrem Toastbrot und Käse Sandwichs zuzubereiten. Nehme ich natürlich gern an, so dicke habe ich es ja nicht mehr. Mihaela würde sich freuen, wenn ich sie mal in ihrer Heimatstadt Bukarest besuchen käme – ja, Rumänien steht noch an! Wir beide sind die Letzten die aufbrechen … schon vor der Herberge trennen sich unsere Wege … Küsschen da, Küsschen dort, alles Gute!

Ich laufe zum einzigen sehenswerten Gebäude von Irun, die Kirche. Dahinter liegt der Bahnhof, Busse fahren nach Santiago … spart man mindestens 24 Tage und verliert doch viel mehr … Ich suche verzweifelt nach Fotomotiven, um die letzten drei Fotos auf meiner Speicherkarte zu knipsen, damit ich völlig aufgeräumt das Kapitel Frankreich beginnen kann, also auch mit einer neuen, noch leeren Speicherkarte … aber ich finde nichts. Ich versäume es ebenso, die letzten 3,76 Euro auszugeben … also nur fast pleite über die Grenze! Dürfte trotzdem eine spannende Herausforderung werden. In der Bibliothek nutze ich noch einmal die Möglichkeit eines kostenlosen Internetzugangs, weil ich nicht weiß, ob auch Frankreich so kulant ist. Mit vier Tagen Verspätung lese ich die Geburtstagsgrüße an mich, viele sind es nicht, ganze sieben Menschen haben an mich gedacht – also beliebt bin ich anscheinend ja nicht, ich kanns verstehen … immerhin dachte sie daran; als kleine Aufmerksamkeit sehe ich das erste Bild von meiner Kleinen seit unserem letzten Treffen am 24. Januar diesen Jahres, also vor fast vier Monaten – lieb gemeint, nun weiß ich aber, wie sich ein Wespenstich mitten ins Herz anfühlen muss … ihre Haare sind länger, die Backen schmaler, die Stirn höher, sie lacht … sie ist wunderschön … ihre Mama bittet mich, dass ich endlich mit uns abschließe, damit wir nach meiner Rückkehr gemeinsam für unsere Tochter da sein können, vielleicht sogar ein freundliches Verhältnis miteinander aufbauen, zum Wohle der Kleinen … Wir beide seien zu sehr Melancholiker, um uns gegenseitig glücklich machen zu können … Vermutlich hat sie mal wieder recht, nur leider bin ich in Sachen Verarbeitung auf den ersten dreitausendsechshundert Kilometern meiner Reise keinen Millimeter vorangekommen. Ich hatte geglaubt, es ginge schneller, dass die Zeit etwas zackiger unterwegs ist, um die Wunden zu heilen … aber in Wahrheit ist sie ein ziemlich träger Lahmarsch. Ich kann mir an ihr kein Beispiel nehmen, muss weiter, zum Grenzfluss Bidasoa … und im nächsten Moment habe ich Spanien verlassen, befinde mich aber weiterhin im Baskenland, in der Mitte der Brücke beginnt der französische Ort Hendaye. Im Oktober 1940 trafen sich hier Franco und Hitler … der Diktator konnte aber den General nicht davon überzeugen, in den Krieg einzutreten, um gemeinsame Sache zu machen. Auch ich bleibe blass in dieser Kleinstadt, knüpfe keine Kontakte und bin deprimiert, dass ich keine Jakobsmuscheln mehr sehe. Außerdem habe ich kein Geld um mir etwas leisten zu können. Schon nach wenigen Stunden fehlt sie mir, die Aussicht, irgendwann mal wieder auf einen anderen Pilger zu treffen. Wochen des Schweigens drohen … gilt jedoch nicht für den Magen, der wird lauter denn je krakeelen. Aber noch nicht heute, dank der Sandwiches von Mihaela.

Das Begrüßungsgeschenk von Frankreich sind zwei makellose Marlboros auf dem Bürgersteig … eingesteckt und weiter in einen kleinen Park … von einer Bank aus Blick auf viele vor Anker liegende Jachten auf dem Bidasoa … präge mir die Sachen ein, die der Franzose für mich ins Französische übersetzt hat und schreibe meinen ersten Tagebucheintrag in Frankreich … ich will kein Risiko eingehen, denn wenn ich jetzt tot umfallen würde, könnte niemand mehr behaupten, dass ich nicht in Frankreich war! Ha, ein weiteres Häkchen hinter einem Land, das ich besucht habe! Ich bin nach außen hin gar kein so großer Angeber, aber vor mir selbst – und das Tagebuch ist ein Spiegel deiner selbst – mime ich gern den Prahlhans. Ich knipse die Speicherkarte voll, krame eine andere heraus … ironischerweise – nach der Email – sind auf dieser noch die Bilder unserer gemeinsamen Mitteleuropareise drauf, vergessen vor Reiseantritt zu formatieren. Oder war es beabsichtigt? Ich weiß es nicht mehr. Ich lass die Bilder in einer Dia durchlaufen … psychologisch möglicherweise der falsche Weg um mit etwas abzuschließen … die Sehnsucht nach ihr ist manchmal unerträglich groß … da ist sie, mit meinem Pulli am Tschirmer See in der Hohen Tatra … und nochmal da, wie sie Fotos von der Soča in Slowenien knipst … und auch hier, im Badeanzug an der Adria, kurz bevor es weiter nach Venedig geht … zugegeben, beim Betrachten ihrer Kurven ist auch manchmal die Sehnsucht nach ihrem Körper unerträglich groß; Frauen mögen das nicht verstehen, Männer schon … ich befreie mich aus meinem Delirium und formatiere die Speicherkarte, es ist vorbei, du hast ja recht … Schaust du dir denn nie Fotos aus unserer gemeinsamen Zeit an??? Rhetorische Fragen sind zum Kotzen! Frag nicht, mach weiter, lauf, lauf weiter, immer weiter, bis es nicht mehr weiter geht …

Jetzt nicht mehr auf Jakobsmuscheln oder gelbe Pfeile achten zu müssen, hat auch positive Seiten, eine davon ist, dass ich mich freier fühle … ich suche mir wieder allein meinen Weg, bin flexibler, es wird – wie am Anfang meiner Reise – Steine und Bäume geben, die ganz überrascht sein werden, wenn da jemand an ihnen vorbeiläuft. Die Steine und Bäume auf dem Jakobsweg konnte man da nicht mehr überraschen, die waren das gewohnt. Vorerst geht es am Strand weiter, ich sehe eine Frau, die ein Buch liest … eigentlich nicht weiter erwähnenswert, aber mir kommt dabei in den Sinn, dass ich in der ganzen Zeit in Spanien und Portugal keinen einzigen Menschen ein Buch lesen gesehen habe. Ohne voreilig Schlüsse ziehen zu wollen, aber vielleicht ist es ja so, dass die Franzosen wie die Deutschen sehr gern lesen und deshalb auch viele lesenswerte Autoren in die Welt gesetzt haben. Bei den Spaniern oder Portugiesen fällt mir kein einziger Autor ein, von dem ich schon mehr als ein Buch gelesen habe. Es gibt sicherlich ganz nette spanische und portugiesische Bücher, aber die wurden alle in Übersee geschrieben, in Brasilien, Kolumbien oder Chile. Nein, die Spanier haben ihren Don Quijote und das scheint ihnen auch zu reichen. Zum Glück haben wir nicht nur unseren Faust. Am Ortsausgang steht auch bereits das erste Schloss, auf einer grünen Anhöhe, mit Sicht aufs einige hundert Meter entfernte Meer. Ich bin weit und breit der einzige Mensch, ich nutze die Ruhe für meine Mittagspause. Nach den beiden Sandwiches geht es weiter, ein Auto kommt mir entgegen, eine junge Frau lässt die Scheibe runter … fragt mich, ob ich denn nicht wüsste, dass das hier Privatgelände ist … ich soll umkehren … ich entschuldige mich mit einem Lächeln … In 102 Tagen auf der Iberischen Halbinsel wurde ich kein einziges Mal verjagt, in Frankreich schon nach wenigen Kilometern das erste Mal, na das kann ja was werden! Es geht auf einem schmalen Weg neben der vollen Küstenstraße weiter … Privatgelände und Urlaubsdomizile versperren in der Regel den Blick aufs Meer, daran muss ich mich erst gewöhnen … ein markierter Wanderweg am Rand der Steilküste bringt etwas Ruhe und eine schöne Aussicht aufs Meer, ich bin jedoch nicht der einzige Spaziergänger. Ich erreiche die Kleinstadt Ciboure, mein zweiter Ort in Frankreich … Geburtsort des berühmten Komponisten Maurice Ravel … der Ort liegt in einer Bucht, gegenüber der etwas größeren Kleinstadt Saint-Jean-de-Luz, wo am langen Sandstrand viele Badegäste unterwegs sind … Da ich keine Ahnung von der Topographie Frankreichs habe, nehme ich jede Infotafel am Wegesrand mit, versuche meiner allgemeinen Unwissenheit etwas Abhilfe zu schaffen … dabei finde ich heraus, dass mein erstes Département in Frankreich Pyrénées-Atlantiques heißt und dies zu der Region Aquitanien gehört. In Ciboure gibt es einen kleinen Hafen, der von einer Festung und einem Leuchtturm überragt wird. Die Café-Besuche werden mir fehlen (in Frankreich auch deutlich teurer), meine Motivation ist etwas im Keller. Ich mach mich auf einer Bank lang, um mal an nichts zu denken, mich etwas zu entspannen.

Lang halte ich das Faulenzen jedoch nicht aus, ich laufe auf dem Wanderweg weiter nach Saint-Jean-de-Luz. Es sind so viele Leute unterwegs, dass ich mich richtig unwohl fühle, auch weil ich viele Blicke auf mich ziehe, dank meiner verstaubten Wanderstiefel, meines großen Rucksacks und – nicht zu vergessen – meines überaus hübschen Gesichts. Ich flüchte im Eiltempo aus diesem Ort, in dessen Kirche der Sonnenkönig im Jahr 1660 seine Maria Theresia (die von Spanien) heiratete. Am Ende der Strandpromenade geht es einen kleinen Berg hinauf, erst hier oben habe ich nicht mehr das Gefühl, auf der Flucht zu sein … ich blicke über die Bucht, sehe den Jaizkibel in Spanien … irgendwie kann ich mich für die ersten Orte in Frankreich noch nicht so recht begeistern, liegt auch daran, dass mir viel zu viele Touristen unterwegs sind, einschließlich mir. Ein Gefühl des Sattseins macht sich breit … das bekomme ich immer dann, wenn ich nichts mehr zum Naschen habe … aber als Medizin gegen allgemeine Lustlosigkeit habe ich ja Musik dabei … im ersten Lied trällert der Sänger I'm broken by you … Ist das so? Wenn es mir nicht gut geht, vermisse ich die beiden … wenn ich sie mal vermissen würde, wenn es mir gut geht, dann, erst dann würde ich sie wirklich vermissen … alles andere ist nur erbärmliches Selbstmitleid … Am Strand sind die ersten Bunker zu sehen, möchte demnächst mal in einem übernachten … Here I am. Here I am, waiting to hold you singt eine Frau … meine Augen werden feucht … was habe ich mir nur für Musik mitgenommen? Da kann man ja gar nicht anders, als an die beiden zu denken. Der Wanderweg entlang der Küste ist dann zu Ende. Wenig später gehe ich von einem Parkplatz aus runter zum Meer, laufe einige hundert Meter am kilometerlangen Strand, um ein paar wenige Spaziergänger hinter mir zu lassen. An einer ruhigen Stelle, zwischen zwei Orten, beschließe ich gegen 19 Uhr mein Nachtquartier aufzuschlagen, auch weil ich keine Muße habe, um mir in der nahen Stadt Biarritz in der Dunkelheit einen Schlafplatz zu suchen … 19 Uhr fühlt sich jedoch so zeitig an, ist es aber im Vergleich zu meinen Ankunftszeiten in den Pilgerherbergen gar nicht … es ist nur ungewohnt, nach der Zielankunft weiterhin draußen zu sein … Ich muss jetzt wieder darauf achten, mir rechtzeitig einen ruhigen Schlafplatz zu suchen, einfach bis in die Abenddämmerung hineinlaufen, um dann in einer Herberge einzuchecken, ist nicht mehr … Psychologisch ist das jetzt wieder eine deutlich schwierigere Herausforderung, jeden Tag stellt sich die Frage, wann mach ich Schluss, wann lohnt es sich noch weiterzulaufen … ich darf nur nicht träge werden, ich darf auch nicht jedes Risiko scheuen, denn dann würde ich zu viel Zeit einbüßen und die Tage und Kilometer würden am Ende in Norwegen fehlen. Für meine erste Nacht in Frankreich ist aber ein Schlafplatz unterhalb der Steilklippe, direkt am Atlantik und ohne jede Gefahr nachts Besuch zu bekommen, genau die richtige Wahl. Zu hören ist nur das Meer, der Wind und die Steine, die von der Klippe nach unten bröckeln. Ich freue mich auf viele Sonnenuntergänge über dem Meer, jetzt wo es endlich nach Norden und nicht länger nach Osten geht. An diesem 14. Mai geht sie Punkt 21.21 Uhr am Horizont unter. Ich werde ihr jetzt wieder mehr Aufmerksamkeit schenken. Es folgen Abendröte und Dunkelheit. Ich bin etwas deprimiert, außer Wasser und Zigaretten habe ich meinem Gaumen nichts anzubieten. Ich muss auch erst wieder lernen, mit so viel Freizeit – ohne Gesellschaft, ohne Barhocker, ohne Licht um noch im Tagebuch zu schreiben – zurechtzukommen … zumindest an dieser ersten Schlafstätte in Frankreich kann ich nichts mit mir anfangen, ich bin zu unruhig, um einfach nur in meinem Schlafsack zu liegen, in den Himmel oder aufs Meer zu starren und zu genießen. Auch von Dankbarkeit – wie in den ersten Wochen – keine Spur! Oh, ich habe mich auf dem Jakobsweg so richtig verhätschelt … es beweist nur mal wieder, dass zu viel Luxus dich von deiner inneren Zufriedenheit nur entfernt. Vor Regen hätte ich hier weit und breit keinen Schutz, aber der Himmel ist klar, ich bleibe – was das betrifft – unbesorgt. Hinter mir kommen immer wieder Steine und kleine Felsbrocken nach unten, durch einen kleinen Vorsprung über mir bin ich wenigstens etwas geschützt, ganz geheuer ist mir das nicht, zumal ich mich an meine Begegnung mit Antonio in Coimbra erinnere, der bei einer Übernachtung unterhalb einer Klippe gleich mehrere Schneidezähne verloren hat, weil ein Stein auf sein Gesicht gefallen war. Auch von hier sehe ich noch den Jaizkibel, nostalgisch schaue ich zurück auf dieses abgeschlossene Kapitel meiner Reise, meines Lebens. Im gegenwärtigen Kapitel bin ich noch nicht so recht angekommen, aber es ist ja auch erst das Ende des ersten Tages ...

Am Meer träumt man oft merkwürdige Dinge … ich bin mit John Fante und Charles Bukowski am Strand … während Fante seinen Riesenlümmel schwenkt und eine Riesenfontäne ins Meer pisst, steht Bukowski lustlos und verkatert daneben und ist Herr von über ein Dutzend Angeln, die jeweils ein paar Meter auseinander im Sand stecken, ohne dass sich nur irgendeine Schnur rührt … ich werde aufgeweckt, weil ein großer Stein direkt neben meinem Kopf aufschlägt … schlafe wieder ein … Fante pisst noch immer (ich bekomme Minderwertigkeitsgefühle wegen seinem Mordsteil), Bukowski steht genauso gelangweilt da wie vorher, einen Fisch hat er noch immer nicht gefangen … ein zweiter großer Stein schlägt neben mir auf, ich werde allmählich wütend, weil ich nicht oft die Chance habe, mit Fante und Bukowski Zeit zu verbringen … ich schlafe wieder ein … Fante ist fort, auch Bukowski ist weg, bloß die scheiß Angeln stehen noch da … nun ja, wahrscheinlich konnten beide mich nicht ausstehen und haben sich verpisst (vor allem Fante) … ich wache auf, der Morgen dämmert bereits, und ich denke mir, dass Bukowski wahrscheinlich niemals in seinem Leben geangelt hat.

Ich laufe nach Biarritz. Vom See- und Heilbad bekomme ich nichts weiter mit, irgendwie ist mir nicht nach einer Stadtbesichtigung zumute. Dabei ließ sich sogar Sisi hier kurieren, wobei sich Biarritz darauf nichts einzubilden braucht, da es sicherlich kein See- und Heilbad zur damaligen Zeit gab, was vor ihr sicher war. Mein Höhepunkt in Biarritz ist ein Thoreau-Zitat an der Tür eines Buchgeschäfts. Im Supermarkt gebe ich mein letztes Geld aus, für kalorienreiche Sachen, vor allem Kekse. Ich rechne den Einkaufsbetrag im Kopf mit. Ganze vier Cent bleiben mir, aber für heute und morgen bin ich erst einmal eingedeckt. Außerdem bin ich erleichtert, dass anscheinend die großen Supermarktketten viele der überteuerten Markenprodukte auch als No-Name-Produkte anbieten, für Preise, die fast durchweg günstiger als in Spanien sind, was mich überrascht. Zum Frühstück gibt es vor dem großen Supermarktgebäude eine Packung Chips, 1.100 Kalorien, mal ein etwas anderes Frühstück. Von einer Siedlung geht es übergangslos in eine andere, bis nach Bayonne – mit knapp 50.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt dieses Départements. Die Stadt liegt ein paar Kilometer im Landesinneren, wo die Nive in den Adour mündet. Von Weitem wird man bereits auf die große, schmucke Kathedrale Notre-Dame aufmerksam, ich laufe hin, gehe hinein, setze mich in eine der vorderen Reihen, schreibe Tagebuch, während leise Kirchenmusik aus Lautsprechern zu hören ist. Ein paar Leute sind da, ich schaue auf meine Sobrados … sie sind ein Glücksfall, fast eintausend Kilometer mit ihnen gelaufen und sie befinden sich noch immer in einem guten Zustand. Draußen nehme ich mir dann doch mal Zeit für eine Stadtbesichtigung. Und das lohnt sich, denn Bayonne ist der erste Ort in Frankreich, dem ich etwas abgewinnen kann. Vor allem die vielen kleinen, schmalen Häuser, entlang der Straße am Fluss Nive, in allen möglichen Farben, gefallen mir. Zur Mittagszeit sind viele junge Menschen unterwegs, sitzen im Park oder am Ufer, lesen oder unterhalten sich, essen Pizza oder Döner (gab es für mich in diesem Jahr noch gar nicht!) … in ihrer Nähe fühle ich mich wohl, ich sehe die Universität … das erklärt den jungen Altersdurchschnitt – einer Stadt ohne Uni droht Arthritis! Auch eine alte Festungsanlage gibt es in Bayonne. Die Mündung der Nive in den Adour mitten im Stadtzentrum verleiht der Stadt zusätzlich Charme. Ich verbringe einige Stunden in Bayonne, auch weil ich meine Möglichkeiten überprüfen möchte. Im Fremdenbüro frage ich nach karitativen Einrichtungen, womit die Frau nicht viel anfangen kann – wenn es so etwas in Frankreich gibt, dann nur in den Großstädten. Eine kleine Ernüchterung, aber nützt ja nichts. Dafür bekomme ich eine Karte vom Département Landes, welches auf der anderen Uferseite des Adours beginnt … kann ich gut gebrauchen, da ich noch keine Ahnung habe, wie ich weiterlaufen soll. Auch die Frau kann mir nichts empfehlen, ihr kommt es etwas seltsam vor, dass ich meine Beine gebrauchen möchte um voranzukommen. In der Bibliothek darf ich 45 Minuten kostenfrei das Internet nutzen, eine gute Möglichkeit, um mir Informationen zum Weg einzuholen.

Vom Stadtzentrum aus laufe ich auf Fußwegen nach Norden, komme dabei durch Industriegebiet, das sich vor allem an der Norduferseite des Adours konzentriert. Obwohl ich in der Nähe des Flusses bleibe, diesen sozusagen zur Mündung in den Atlantik begleite, bekomme ich vom Adour nichts weiter zu sehen, da Kräne, Container, Mauern oder Gebäude im Weg stehen. Das einzig Gute für einen Wanderer in einem Industriegebiet ist, dass er versucht keine Zeit zu vertrödeln, um zügig voran- und aus dem ganzen Lärm wieder herauszukommen. Kurz bevor ich zurück am Atlantik bin, kommt mir ein älterer Pilger entgegen, hochdekoriert, zumindest hat er massig Anstecknadeln an seiner Kleidung. Wir kommen ins Gespräch, ich kann dabei etwas mein Französisch üben. Er kommt aus Straßburg, ist seit Paris zu Fuß unterwegs, 880 Kilometer in 36 Tagen, wie er mir stolz berichtet. Er lief dabei auch ein Teilstück an der Loire, von Orléans nach Tours, ehe er auf einem eher unbekannten Jakobsweg hier runter lief. Da ich noch länger an der Küste bleiben möchte, dürften es für mich zweihundert zusätzliche Kilometer Wegestrecke werden. Meine Entscheidung scheint zu stehen, zumal der Mann mir verrät, dass der Jakobsweg von/nach Paris nicht wirklich markiert ist. Und günstige Herbergen gibt es in Frankreich schon gar nicht. Immerhin kann er mich trösten, dass es nun in den nächsten Tagen auf Radwegen entlang der Dünen gut vorangeht.

In der Tat, hundert Meter weiter beginnt dieser Radweg, durch einen Naturpark, neben der Düne, ein Waldgürtel rechts von mir, keine Straßen mehr, einige wenige Radfahrer sind unterwegs. Erstmals in Frankreich tauchen sogar Jakobsmuscheln auf, das tut irgendwie gut, man fühlt sich weniger alleingelassen. Die Küste ist von nun an durchweg flach, ein Problem dabei wird sein, immer einen gegen Regen geschützten Schlafplatz zu finden, denn es gibt keine Klippen mehr, die mir als Unterschlupf dienen könnten. Passend zu meiner Befürchtung fallen ein paar Tropfen, jedoch ohne dass es stark zu regnen anfängt. Am Strand ist es nicht einfach zu laufen, man versinkt allzu oft, wie es an Dünenstränden üblich ist. Neue Zuversicht bringen mir die vielen Bunker, die hier aller paar hundert Meter oder Kilometer am Strand stehen und von der Zeit vergessen wurden. Der erste Bunker, an dem ich vorbeilaufe, ist noch klein und unüberdacht. Der Zweite dagegen scheint mir der perfekte Schlafplatz zu sein. Bei meiner Ankunft viertel sieben sind noch zwei Männer mit ihren Hunden hier, wenig später bin ich allein und niemand kommt mehr vorbei. Der Bunker kann von zwei Seiten betreten werden, Türen gibt es nicht, im Inneren viel Platz, auch nach oben hin, und ein weicher, trockener Sandboden macht das Ganze sogar recht komfortabel. Das Meer kommt nah an den Bunker heran, aber nicht hinein. Durch die zwei Eingänge ist es drinnen hell, Platzangst oder Angst, dass man von draußen nichts mitbekommt, hat man hier nicht. Durch den Durchzug ist auch die Luft rein, der Bunker frei von Müll. Ich freue mich, so einen praktischen Schlafplatz gefunden zu haben, der mir eine sorglose Nacht verspricht. Ich lege meine Matte in eine Ecke, um vom durchziehenden Wind möglichst verschont zu bleiben. Der nächstgelegene Ort ist Ondres, hinter der Düne führt laut Karte nur eine Straße in das Dorf, das vier Kilometer im Landesinneren liegt. Häuser sind keine zu sehen. Ein schöner einsamer Schlafplatz, so wie ich es mag. Ich setze mich raus, blicke aufs Meer, die Sonne versucht gegen die Wolken anzukommen, ein schönes Bild. Das Abendessen ist bescheiden, aber ausreichend: Toastbrot mit Margarine, dazu Kekse und auch das vorerst letzte Bier lass ich mir noch mal so richtig schmecken. Nach der Mahlzeit geht es ins warme Stübchen, im Schlafsack nasche ich noch Schokolade, rauche und denke etwas nach. Mir kommt dabei in den Sinn, dass ich bisher keinen einzigen deutschen Campingwagen in Frankreich gesehen habe, in Spanien waren es noch so viele. So wird es schwer um Hilfe zu bitten, noch schwerer welche auch zu bekommen … um Kontakt zu Franzosen zu suchen, fehlt mir momentan noch der Mut, ich brauche endlich ein positives Erlebnis, endlich eine freudige Begegnung mit den Menschen hier. Aber heute war schon einmal ein guter Tag: die erste schöne Stadt und der erste schöne Schlafplatz in Frankreich, beides wird sicherlich unvergessen bleiben.

Die Sonne geht über der Düne auf, sie scheint und strahlt durch den Bunkereingang direkt zu mir in die Ecke, wo ich noch im Schlafsack liege. So wird man gern geweckt, ein entspannter Morgen nach einer ruhigen und warmen Nacht … nur das Meer und ich, ach wie ich das liebe! Direkt am Meer geht es auf Sand weiter und ich stelle dabei zufrieden fest, dass ich den besten Bunker weit und breit erwischt habe, denn die anderen sind entweder nicht zugänglich oder nicht überdacht, oder zu nah am Wasser oder am nächsten Ort gelegen. Dieser nächste Ort ist Capbreton, acht anstrengende Wanderkilometer von meinem Schlafplatz entfernt. Die Kleinstadt ist ein Surferparadies; viele junge Kerle sind bereits am frühen Morgen unterwegs, oberflächlich betrachtet wirkt der eine oberflächlicher als der andere … jedenfalls passe ich mit meinen verstaubten Wanderstiefeln und verdreckten Klamotten so gar nicht hier rein … unter Surfern fühle ich mich unwohl … vielleicht wird dieses Unwohlsein durch Minderwertigkeitsgefühle ausgelöst, weil sie alle so schöne, braungebrannte und muskulöse Körper haben, weil die Mädchen auf sie stehen, weil eine Aura der Unbesiegbarkeit von ihnen ausgeht, weil sie keine Sorgen zu haben scheinen … Ich komme nicht in Schwung, obwohl ich wieder festen Boden unter den Füßen habe und doppelt so viel Kilometer die Stunde abspulen könnte, als auf Sand. Ich sitze auf einer Bank an einem Fluss, beobachte ein Entenpärchen, Gesellschaft täte gut. Ich habe Brand, eine kalte Cola wäre jetzt riesig. Ansonsten habe ich auf nichts Appetit, mir ist übel und trotz Sonne fröstelt es mich immer wieder. Ich mag nichts essen, nicht rauchen … anscheinend bin ich krank … Ich habe keine Lust weiterzulaufen, aber was bleibt mir anderes übrig? Ich quäle mich von Bank zu Bank, am Jachthafen vorbei zum Place des Basques, von dem aus viele junge Menschen zum langen Sandstrand stolzieren, die meisten mit einem Surfbrett unterm Arm. Auch fröhlich wirkende Familien sind unterwegs. Es tut mir leid, dass ich meinen kleinen Engel im Stich gelassen habe. Mit einer großen Portion Reue geht es auf der Strandpromenade raus aus Capbreton. Beim Laufen und an Pausenplätzen fallen mir immer wieder die Augen zu, vielleicht fehlt mir auch einfach nur Koffein. Mit Keksen versuche ich gegen die völlige Kraftlosigkeit anzukämpfen, dabei weiß ich, dass das Problem nicht im Magen, sondern im Kopf liegt. Immerhin gibt es eine Premiere, ich sehe zum ersten Mal einen Fisch an einer Angelschnur zappeln, bei einer Frau, offenkundig Laie, denn ein Mann kommt und hilft ihr beim Herausfischen. Ein Fahrradweg führt neben der Düne lang, keine Sicht aufs Meer, öde. Mir gelingt es nicht, mal eine Stunde am Stück zu laufen. Anders als auf dem Jakobsweg gibt es zurzeit keine Tagesziele, was die Beine lähmt. Stattdessen spüre ich auf einmal das Verlangen irgendwo allein zu sein, einen einsamen, ruhigen, vom Wetter geschützten Schlafplatz zu finden. Ich steige auf die Düne, um mir einen besseren Überblick zu verschaffen, finde dabei nichts was als überdachter Schlafplatz dienen könnte. Meer, Düne und Wald, sonst nichts, außer vereinzelt Menschen am breiten Sandstrand. Barfuß geht es am Ufer weiter, ehe ich nach wenigen Kilometern erneut auf die Düne steige und in einer kleinen Senke meinen Schlafplatz finde, nach nur 23 Kilometern an diesem Tag. Irgendwer hat hier ein paar Äste auf 30 Zentimeter Höhe aufeinandergestapelt, was im Liegen einen ganz guten Windschutz bietet. Etwas Gras und kleine Sträucher um mich herum sorgen für etwas Intimität; wenn ich liege, bin ich vom Strand aus nur schwer zu sehen. Das scheint mir doch der beste Lagerplatz weit und breit zu sein, zumal der nächste Ort ein paar Kilometer entfernt ist und Spaziergänger am späten Abend oder in der Nacht nicht zu erwarten sind. Zu erwarten ist auch kein Regen, wenn doch hätte ich ein Problem, denn ich habe keine Ahnung, wo ich als Nächstes einen Schutz finden würde. Trübselig sitze ich auf der Düne, blicke zum Meer raus. Klar, es könnte schlechter laufen; das Wetter ist gut, die Knie halten einigermaßen und noch ist auch der Magen nicht leer … und dennoch frage ich mich: Wozu das Ganze noch? Bin müde, satt, ausgelaugt … zurück nach Deutschland möchte ich nicht, weil ich null Perspektive habe; zumal gescheitert zurückkommen, es gäbe nichts Schlimmeres, die in einhundert Tagen mühsam aufgebaute Selbstachtung wäre mit einem Schlag dahin … und überhaupt, unabhängig wann ich zurückkehre, wo sollte ich hin? Sie wohnt dann wahrscheinlich schon mit ihrem neuen Kerl zusammen, in Leipzig habe ich eine enttäuschte Familie zurückgelassen, Freunde habe ich keine … tolle Aussichten … ich kann ja gar nicht zurück … und hier? Morgen ist Christi Himmelfahrt, für mich wohl eher Lars Atlantikfahrt … eine Wasserbahnfahrt ans Ende des Diesseits? Aber ich kann mir ja nicht einmal Alkohol leisten, um mich besoffen in den Atlantik zu stürzen … erstmals ist da wieder diese Sehnsucht nach dem Tod, nach der ewigen Ruhe … zu ziellos, zu schwach bin ich zurzeit … Ich ningle mir selbst die Ohren voll, wenn schon kein anderer zuhört … vor allem in meinem Tagebuch: Komme ich noch mal zurück? Bist du noch bei mir? Irgendein schlauer Geist wird sicherlich mal behauptet haben, dass nur die Schwachen Hilfe von oben erhoffen … das kann schon sein, aber immerhin gewährt es etwas Aufschub … man kann noch hoffen, man hat noch nicht aufgegeben, man ist noch nicht am Arsch …

Ich erreiche immer zeitiger meinen Schlafplatz und breche jeden Morgen etwas später auf – das sagt wohl bereits alles aus … ich täte sie so gern in meine Arme nehmen und nie wieder loslassen … ich muss kein Buch schreiben, ich muss mir selbst nichts beweisen, ich muss für meine Kleine da sein, das ist alles … doch nun, nun werde ich tatsächlich hier draufgehen, weil sich einfach keine Türen mehr für mich öffnen wollen … der morgige Tag dürfte alles entscheiden. Auch am nächsten Schlafplatz ist die Stimmung extrem tief im Keller, eine Mischung aus Verzweiflung und Resignation. Wenn sich wirklich keine Tür mehr öffnen sollte, wenn mir niemand mehr hilft und ich nichts mehr zu essen habe, dann möchte ich mir einen ruhigen, überdachten Platz am Meer suchen, wahrscheinlich einen Bunker, um dort solang zu verweilen, bis alles vorbei ist … interessant wäre es ja, immerhin würde ich dann die tiefsten Abgründe meiner Psyche kennenlernen. Kann ein Mensch wirklich untätig herumliegen und darauf warten, dass er stirbt? Oder würde man irgendwann einen Punkt erreichen, wo man einen letzten Versuch unternimmt, um zu leben?

Mit Beginn der Morgendämmerung lag ich die längste Zeit wach in meinem Schlafsack, versuchte immer wieder einzuschlafen, konnte mich einfach nicht zum Aufstehen überwinden. Die Nacht war warm, dank des Holzes und der Senke verschonte mich der starke Wind. Jedes Mal wenn ich wach wurde, blinzelte ich zum Himmel, suchte einen Stern, den gefunden ich beruhigt weiterschlafen konnte. Erst kurz nach acht erhob ich mich, um zusammenzupacken und aufzubrechen. Hinter dem Dünengürtel liegt ein Waldgebiet, das sich bis hinauf an die Gironde erstreckt, es soll der größte zusammenhängende Wald in Westeuropa sein. Da ich mich nicht verlaufen wollte, entschied ich mich am Ufer zu bleiben. Nach zwei Stunden kam ich im kleinen Ort Vieux-Boucau-les-Bains an, von da an versuchte ich es auf Asphalt, um etwas Strecke zu machen. Auf der einzigen Straße nach Norden, die D652, war es etwas heikel zu laufen. Die Straße war schmal, neben der Fahrbahn gab es kein bisschen Platz für Fahrradfahrer oder Spaziergänger. Also immer auf der weißen Linie von Ort zu Ort, ständig auf den Gegenverkehr achtend, eine stupide Wanderung, nicht mal das Meer war zu sehen. Kommt mir auf Straßen ein metallic-grüner Mondeo entgegen, blicke ich immer als Erstes ganz unbewusst aufs Kennzeichen … ich erschrecke kurz, wenn es dann eines der hier häufig vorkommenden BZ-Kennzeichen ist … muss dann an unsere gemeinsamen Fahrten / Ausflüge denken, an all die Dinge, die ich nicht zu schätzen wusste. In Moliets-et-Maa füllte mir der Kellner in einem Restaurant meine Wasserflaschen auf, die vielen Mittagsgäste betrachteten mich skeptisch, wenn nicht gar angewidert. Ich konnte es verstehen, blickte sie kein bisschen anders an. Da ich genug von dieser Département-Straße hatte, bog ich in den Wald ab, auf Pisten quer durch, ohne irgendeine Ahnung gehabt zu haben, ob ich hier schlussendlich auch weiter nach Norden gelangen würde. Die Sonne schien da noch, was bei der Orientierung half. Wie am Tag davor fühlte ich mich wieder ziemlich kraftlos, zum ersten Mal sprang mir das Springseil in meinem Rucksack ins Bewusstsein, was an den vielen Bäumen gelegen haben muss. Wenn gar nichts mehr geht, sollte man doch wenigstens noch einen geeigneten, festen Ast finden. Nach nur 28 Kilometern an diesem Tag kam ich hier an, zurück am Meer, wieder auf der Düne, diesmal sogar mit einem Bunker.

Meine Hütte ist durch einen schmalen Eingang betretbar, im Inneren gibt es nur einen etwa zwölf Quadratmeter großen Raum, etwas Müll liegt auf dem sandigen Boden, ich räume mir eine Ecke frei. Es ist dunkel, aber immerhin gelangt etwas Licht durch eine kleine Spalte. Dieser Bunker hier ist eigentlich genau der Ort zum Verweilen, den ich mir gewünscht habe: geschützt gegen Regen und Wind, draußen eine tolle Aussicht aufs Meer, Ruhe, niemand würde mich hier oben auf der Düne beim Sterben stören, den Strand sehe ich nicht, also auch keine Menschen. Der nächste Ort ist weit genug entfernt, wie die meisten Orte hier etwa fünf Kilometer hinter der Küstenlinie, weil zwischen Düne und Ortschaft der Wald als Auffangbecken der Unmengen von Sand dient, die durch Wind kilometerweit ins Landesinnere transportiert werden. Ich setze mich neben den Bunker, um zu schreiben. Etwas Last kann ich dabei abwerfen. Ich denke den ganzen Tag schon an das Himmelfahrtsfest, das ich die letzten zehn Jahre immer mit meinen Jungs von den Paparazzis in Leipzig gefeiert habe, bei Achim im Garten, mit viel Bier, geselliges Zusammensein aller Fanclub-Mitglieder, zum Mittag leckere Wurst vom Fleischer, dazu Brötchen, am Nachmittag ein Kick auf der Parkwiese, mit Bierflasche in der Hand, danach Grillen … oh weh, ich wusste ja anscheinend gar nichts in meinem Leben zu schätzen. Nun bin ich allein, keine warme Mahlzeit, gerade noch fünf Kekse und drei Kippen im Rucksack, vier lächerliche Cent im Portemonnaie, am Ende. Die melancholische Musik hilft da auch nicht … wieder läuft Song to Siren … Here I am. Here I am … wie schon an der Sagrada Família … wie vor drei Jahren in Fredericia, auch damals mit Blick aufs Meer … nur da wartete noch eine Familie auf mich … Ich steigere mich immer mehr in meine Wehmut hinein, aber was solls, denn Reue ohne Weh wäre auch keine Reue.

Von wegen meine Ruhe. Ich penne bereits vor 20 Uhr ein, wenig später werde ich aufgeschreckt, weil jemand gegen meinen Schlafsack tritt. Ein älterer Mann schaut zu mir runter – dachte hier läge nur Müll, womit er auch nicht ganz im Unrecht lag – reicht mir die Hand, entschuldigt sich und verschwindet gleich wieder, „bonne nuit“. Der Rest der Nacht ist wirklich gut, ich kann jedenfalls nicht meckern und kann ausgeruht in den Tag der Entscheidung starten. Der Himmel ist grau, aber es bleibt weiterhin trocken in Frankreich. Auf der D652 geht es weiter nach Norden, von kurzen Pausen in den aller paar Kilometer kommenden Dörfern unterbrochen … mit der Motivation steht es heute überraschend gar nicht so schlecht, pro Pause gibt es einen Stimmungsaufheller, entweder eine Kippe oder einen Keks, immer im Wechsel. Erstaunlicherweise bin ich damit zufrieden, so verändern sich die Maßstäbe … vor zwei Wochen wäre ich noch ziemlich ernüchtert gewesen. Ich gerate endlich mal wieder richtig ins Rollen, in den letzten Tagen habe ich eindeutig zu wenig Strecke gemacht. Zwischen zwei Ortschaften komme ich an einem Restaurant vorbei, gehe spontan hinein, keine Gäste, frage die Kellnerin ob sie irgendwelche Essensreste in der Küche hätten. Sie scheint Mitleid mit mir zu haben und würde gern, muss aber erst ihren Chef fragen. Ein Mann im Che-Shirt kommt nach vorn und beantwortet meine Bitte mit einem einfachen „no!“ … okay, ich gehe trotzdem zufrieden heraus, denn ich habe es wenigstens versucht, was mir viel Überwindung abverlangte … außerdem werde ich in meiner Meinung bestätigt, dass nicht jeder, der Ches Konterfei herumträgt, auch wie Che denkt, nicht einmal ansatzweise, es ist und bleibt eine Modeerscheinung … für mich jedoch wird Che immer ein Vorbild sein. Auch im Guerillakrieg wurden die Rebellen nicht überall, wo sie vorbeikamen, unterstützt. Aber sie mussten es versuchen, immer wieder. Also starte ich im Dorf Lit-et-Mixe einen zweiten Versuch … diesmal eine Pizzeria (Restaurant Camping L'univers), erneut kaum Autos auf dem Parkplatz davor, was die Hemmschwelle geringer werden lässt … gleich vier Menschen hinter der Bartheke … eine ältere Frau, ein Mann im mittleren Alter, daneben wohl seine Frau und noch eine Jugendliche … also wahrscheinlich drei Generationen einer Familie. Ich frage erneut auf Französisch, um so etwas Bonuspunkte zu sammeln. Die Jugendliche hilft mir, spricht als Einzige in der Familie Englisch und übersetzt für die anderen. Sie fangen an zu lachen, ich lache mit … die Chancen scheinen gut … ich soll auf dem Barhocker Platz nehmen und warten. Wenig später kommt die Frau der mittleren Generation zurück, reicht mir einen Teller mit einem halben Baguette, mit Schinken belegt … der Mann stellt mir ein Glas Wein neben den Teller. Ich bin glücklich und bedanke mich freudestrahlend vielmals. Ich bin weniger glücklich, etwas Ordentliches in den Bauch zu bekommen, als vielmehr, dass ich endlich nette Menschen in Frankreich getroffen habe, das bringt neue Zuversicht. Als ich fertig bin, bedanke ich mich noch mal bei allen; die ältere Frau meint, dass ich Gott danken soll … vermutlich hat sie recht …

Die Département-Straße ist zum Glück recht leer, was die schmale Straße einigermaßen erträglich macht. Bei den Pausen bleibt es dabei, entweder Keks oder Kippe … auf dem Rathausplatz von Saint-Julien-en-Born ist es ein Keks … auf einer Grünfläche vor der Kirche von Bias eine Kippe … das letzte Stück auf der D652 nach Mimizan ist dann doch noch etwas stressig, deutlich mehr Autos, muss immer mal zur Seite springen, so dass ich erleichtert bin, endlich in der kleinen Stadt zu sein, durch der auch ein Jakobsweg führt. Vor einem großen Supermarkt sehe ich einen alten VW-Bus, intuitiv schaue ich nach dem Kennzeichen … oh, aus Deutschland … ich gehe hin, weil ich einen Mann neben dem Fahrzeug stehen sehe, eine Frau steigt aus … sie wollen gerade in den Supermarkt gehen, als ich sie anspreche, was ja so gar nicht meine Art ist … die Not ändert den Charakter eines Menschen … ich frage geradeaus, ob sie etwas Essbares für mich hätten … beide fühlen sich offensichtlich etwas von mir überrumpelt … wir unterhalten uns ein wenig, ich erwähne meine Probleme mit meiner Geldkarte und dass ich schon seit Spanien unterwegs bin … beide scheinen dann doch ein gutes Gefühl bei mir zu haben, öffnen noch einmal den Bus, um ein paar Lebensmittel für mich zusammenzusuchen … er gießt mir noch ein Glas Apfelsaft ein und reicht mir einen Fünf-Euro-Schein … wenn man nur noch vier Cent hat, fühlen sich fünf Euro wie der Jackpot im Lotto an … dementsprechend bedanke ich mich bei Karsten und Ilse aus Königsdorf (Bayern) und ziehe beglückt weiter, das bevorstehende Wochenende ist schon mal gesichert ... Weil ich gerade so einen Lauf habe, versuche ich es dann auch noch beim Bäcker, frage nach Backwaren nach, die sie morgen nicht mehr verkaufen können, aber die gute Frau holt mich zurück auf die Erde, sie hat nichts für mich. Man darf auch nicht zu gierig werden, wobei ich hier einfach nur mal sehen wollte, ob ich auch ohne Not zu leiden um Hilfe bitten kann. Auf dem Rathausplatz von Mimizan bin ich ganz allein, alles hat bereits geschlossen, es ist kurz vor sieben Uhr. Ich komme in den Genuss endlich mal wieder richtiges Schwarzbrot zu essen. In der öffentlichen Toilette kann ich auch endlich mal meine Füße waschen und die völlig durchlöcherten Socken entsorgen. Der Himmel hat sich den ganzen Tag über nicht aufgelockert, eine Regennacht droht.

Etwas außerhalb von Mimizan komme ich am See Étang d'Aureilhan vorbei, hier will ich mir einen Schlafplatz suchen. Nur noch wenige Leute sind am etwa zwei mal drei Kilometer großen, vom Wald umschlossenen See unterwegs. Ein Wanderweg führt um den See, dabei sieht man sogar hin und wieder eine Jakobsmuschel. Ein stoischer Dachs steht am Ufer, schaut mich an, schaut wieder zum See raus … erst als ich ganz nah komme, springt er ins Wasser und dreht ein paar Showrunden in Ufernähe, es scheint mir, als würde er mir sogar winken … Mücken scheint es zurzeit keine zu geben, zumindest werde ich verschont. Ich würde gern zum Feierabend hier am See eine rauchen, aber nichts mehr da. In einer ruhigen Ecke des Sees, abseits der Campingplätze, wo auch keine Autos lang können, beschließe ich unter einem großen Baum mein Nachtquartier aufzuschlagen, nur fünf Meter vom Ufer entfernt. Das Blätterdach des Baumes und der umliegenden Bäume imponiert nicht wirklich. Da es ein perfekter Tag war, hoffe ich, dass mein Glück anhält und es in der Nacht trocken bleibt. Eine Nacht an einem See ist ganz nach meinem Geschmack, denn ich mochte schon immer diese Idylle, die von einem See ausgeht, der mitten im Wald liegt. Vielleicht liegt es an irgendwelchen eingestaubten Kindheitserinnerungen, keine Ahnung, aber mir gefällts. Nachdem ich noch etwas gespeist habe, gehe ich auf dem Wanderweg am Ufer spazieren, nach nur 200 Metern sehe ich ein Zelt, direkt am Wasser aufgebaut. Ein junges Pärchen sitzt daneben, mit Bier, Zigaretten, zwei Angelruten und Schlauchboot … ach ja … an einem romantischen Ort wie hier fehlt sie mir am meisten … noch einmal unschuldig jung sein, Zweisamkeit ausleben, sich oft und überall lieben, davor und danach ein Bier trinken … oder auch als Familie hier sein, zusammen sein, nur das zählt … ich spreche die beiden an, bitte dabei um eine Zigarette … sie lächeln, der Kerl reicht mir eine Kippe … ich gehe wieder zurück zu meinem Nachtquartier, möchte sie in diesem schönen Moment ihres Lebens nicht länger stören. Aber auch mein Tag war schön, ein voller Erfolg. Fast 50 Kilometer gelaufen. Genug zu essen. Angenehme Begegnungen. Wieder ein paar Euro in der Tasche. Ein idyllischer Schlafplatz. Sogar eine Gute-Nacht-Kippe habe ich nun … morgen ist ein neuer Tag! Nun genieße ich den Augenblick, liege in meinem Schlafsack, blicke auf den Wasserspiegel, rauche, während sich das letzte Tageslicht in der Nacht verliert.

Ab zwei Uhr beginnt es zu nieseln, im Halbschlaf verkrümle ich mich noch tiefer in meinen Schlafsack, darauf hoffend, dass es gleich wieder aufhört. Die Strafe folgt wenige Minuten später, es gießt aus vollen Kübeln. Ich stehe auf, krame schnell meine Sachen zusammen, suche unter einem anderen Baum Schutz, was aber auch nichts bringt, weil es nun auch zu stürmen anfängt. Es ist stockduster, ich sehe fast gar nichts, habe schwer damit zu tun meine Sachen einzupacken, hier und da ein Blitz bringt etwas Licht. Ich brauche schnell einen Platz, wo ich geschützt bin. Es ist erst das zweite Mal, dass ich mein Nachtquartier wegen Regen verlassen muss. Vom Weg hierher weiß ich, dass vierhundert Meter zurück ein paar Baracken eines Wassersportvereins stehen. Also renne ich dorthin, habe Glück im Unglück, weil sich die Kajaks unter einer großen Zeltplane befinden. Dort muss ich als Erstes aus meinen nassen Klamotten heraus, lege mich dann in meinen Schlafsack, der Gott sei Dank nur außen klitschnass ist. Das Schlafen fällt schwer, da es stundenlang schüttet, am schlimmsten ist der starke Wind, der mir die Regentropfen unter die Plane weht. Der Boden neben mir wird immer schlammiger, mitten drin mein Rucksack, immerhin hat die Plane keine Löcher und ist fest genug angebunden, um nicht fortzufliegen. Gegen acht Uhr höre ich die ersten Stimmen, junge Männer und ihr Coach. Dieser begrüßt mich mit einem „bonjour“, ich befürchte, nun auch noch mit meinen nassen Klamotten fortgejagt zu werden … aber kein Problem, der Mann ist nett, wir kommen ins Gespräch. Er ist begeistert, dass ich schon fast viertausend Kilometer in den Beinen habe. Der Trainer geht zu seinen Nachwuchssportlern, redet über mich, sagt so viel wie: schaut, was man alles mit Willensstärke erreichen kann. Ändert freilich nichts an der Tatsache, dass ich im Dreck liege, wie ein begossener Pudel. Der Trainer errät was ich brauche, bittet einen der Jugendlichen, mir die Kabine zu zeigen, wo ich mich duschen und meine Sachen reinigen kann. Ich bin dankbar, so durchnässt und schmutzig nicht aufbrechen zu müssen. Stattdessen breite ich meine nasse, schmutzige Ausrüstung in der ganzen Kabine aus, befreie alles nach und nach vom Schlamm und lass es noch etwas neben der Heizung trocknen. Auch die erste Dusche in Frankreich tut gut. Ich bin erstaunt, dass die jungen Kerle, die sich bereits umgezogen haben, ihre Sachen hier mit mir allein lassen, anscheinend nicht damit rechnen, dass ich etwas stehlen könnte. Das ehrt mich, weil ich rein äußerlich sicherlich einen Vorzeigelandstreicher abgebe. Zu weiteren Gesprächen kommt es jedoch nicht. Erst nach zwei Stunden bin ich soweit wieder gereinigt, vor allem mental, um aufbrechen zu können. Ich bin froh, dass es aufgehört hat zu regnen, zwischen den kleinen Ortschaften findet man so gut wie keinen Regenschutz. Ich bedanke mich beim Coach, der lächelt, wahrscheinlich wird er später seiner Frau von mir berichten. Netter Gedanke.

Auf Radweg geht es 15 Kilometer zum nächsten See Lac de Biscarrosse et de Parentis, recht groß, etwa 25 Kilometer Gesamtuferlänge, nur fünf Kilometer vom Atlantik entfernt. Im kleinen Ort Gastes setze ich mich auf eine Bank bei einem Spielplatz, direkt am See. Obwohl keine Sonne scheint, hänge ich meine nassen Klamotten auf den Ästen mehrerer Bäume auf, nebenbei schreibe ich in meinem Tagebuch. Nur kurz, denn ein 14jähriger Junge kommt von der Schaukel direkt zu mir und wir plaudern etwas auf Französisch. Es fällt nicht schwer dabei zu bemerken, dass er schnell Gefallen an mir findet, in gewisser Weise zu mir aufschaut … sein zarter, verträumter, nachdenklicher Charakter gefällt mir, daraus sind oft die schönsten Menschen hervorgegangen. Obwohl wir nicht alles verstehen was der andere sagt, weiß er schnell wie er mir eine Freude bereiten kann. Er sagt zu mir, dass ich kurz warten soll, und verschwindet auf einem nahen Campingplatz. Nach fünf Minuten taucht er wieder auf, mit einem Beutel, wo sich ein Baguette, eine Konserve Wurst und eine Tüte Chips befinden. Ich bin erstaunt, habe ich ja um nichts gebeten, auch nicht erwähnt, dass ich nichts zu essen habe. Ich bin beeindruckt von so viel Feingefühl, als Jugendlicher hätte ich so etwas nie zustande gebracht … wahrscheinlich nicht mal jetzt, trotz aller Erfahrungen, die ich seitdem sammeln durfte. Eine Frau kommt zu uns an die Bank, fragt mich ob ich auf dem Weg nach Santiago bin. Sie verrät mir, dass ihr Mann und sie vor drei Jahren den Camino Francés gelaufen sind und dass sie sogar mal ehrenamtlich in der Pilgerherberge von Saint-Jean-Pied-de-Port ausgeholfen haben. Sie lädt mich auf eine Tasse Kaffee ein, im Wohnwagen nur ein paar Meter hinter meiner Bank. Ich nehme gern an, möchte aber noch ein paar Minuten mit Thomas, so heißt der Junge, verbringen. Es beginnt dann wieder zu regnen, gemeinsam sammeln wir meine Klamotten zusammen und finden anschließend unter dem Dach einer Spielanlage Schutz. Mit seinen Eltern macht er hier am See Campingurlaub. Es scheint Thomas hier zu gefallen, jedoch fehlt ihm irgendetwas … immer wieder bewundert er meinen Mut und wünscht sich auch eines Tages so mutig zu sein, um ein bisschen von dieser Welt zu entdecken. Wie alle jungen Menschen, die ein reines Herz haben, wird auch Thomas vor der Herausforderung stehen, sich gegen alle Schikanen des Lebens die Reinheit seines Herzens zu bewahren. Ich wünsche es ihm sehr. Denn die Welt braucht gute Menschen, jeden einzelnen, überall auf der Welt. Er sieht meine leeren Wasserflaschen und geht diese auf dem Campingplatz für mich auffüllen, bringt mir auch ein Messer mit, damit ich mir die Wurst aufs Baguette schmieren kann. Das mach ich auch gleich, Thomas selbst möchte nichts, es gab vorhin erst Mittag. Nach meiner Mittagsmahlzeit gehen wir zurück Richtung Bank, es nieselt noch etwas, als uns ein Mann entgegenkommt … er reicht mir die Hand, stellt sich als Joël vor … er ist der Mann von Josette, die vorhin bei uns an der Bank war … ich bin nun bereit für einen Kaffee im warmen und trockenen Wohnwagen, verabschiede mich herzlich von Thomas, der mir in seiner ganzen Zartheit eine gute Reise wünscht …

Bei Joël und Josette im als Wohnwagen ausgebauten Mercedes-Transporter begegne ich der Offenheit und Freundlichkeit, die ich mir schon seit Tagen in Frankreich gewünscht und erhofft habe. Wir unterhalten uns über das Pilgern, Joël spricht etwas Englisch, was ich gleich ausnutze, um mir das ein oder andere in Französisch übersetzen zu lassen. Der heiße Kaffee tut gut, dazu gibt es eine Rührkuchenspezialität aus der Region. Das ältere Pärchen entpuppt sich immer mehr zu einer glücklichen Begegnung für mich. Sie können mir nämlich wertvolle Tipps für das Pilgern in Frankreich geben. Zum Beispiel könnte ich morgen in Sanguinet (etwa 25 km entfernt) ins Rathaus gehen, um nachzufragen, ob noch ein Platz in der kostenlosen Pilgerherberge des Ortes frei ist. Hier in Frankreich soll das in den kleineren Orten oft möglich sein, einfach im Rathaus nachfragen. Ein guter Tipp. Das beweist, dass der Kontakt zu den Einheimischen einige Vorteile bringen kann, erst recht wenn man nichts mehr zu verlieren hat. Joël und Josette kommen aus Pau, vor drei Jahren liefen sie die achthundert Kilometer auf dem Jakobsweg, es war gleichzeitig der Abschluss ihres Berufslebens. Beide arbeiteten mit behinderten Kindern und finden es schön, dass ich auch in Zukunft mit Kindern arbeiten möchte. Immer wieder bieten sie mir etwas von dem leckeren Rührkuchen an, ich lange ordentlich zu … auch eine zweite Tasse Kaffee gibt es … sie wollen mir etwas Gutes tun und Josette ruft im nächsten Ort Parentis-en-Born im Rathaus an, ob es dort eine kostenfreie Schlafmöglichkeit gibt. Sie erfährt, dass wir zu einem Campingplatz fahren sollen und dort noch mal nachfragen müssten.

Das machen wir dann auch, nach wenigen Minuten erreichen wir Camping Municipal Le Pipiou, drei Kilometer außerhalb von Parentis-en-Born, nun an der Ostseite des gleichen Sees. Zum Wochenende ist die Rezeption unbesetzt, Josette ruft wieder an, wenig später kommt eine junge Frau. Übernachtung? Kein Problem. Es ist für Pilger kostenlos, die Gemeinde von Parentis macht dies möglich, denn hier läuft auch einer der französischen Jakobswege lang. Da morgen Sonntag ist, könnte ich auch bis Montag bleiben. Ich habe allen Grund begeistert zu sein, denn wieder mal bin ich überrascht, was einem Vagabunden so alles widerfahren kann. Man kommt in Situationen, mit denen man am Morgen nie und nimmer gerechnet, diese sich nicht einmal erträumt hätte. Joël und Josette freuen sich mit mir, er will mir einen Zehner geben, als Josette meint, dass es hier doch gar keinen Supermarkt gibt, und stattdessen mir einen Proviantbeutel zurechtmacht. Dank Kaffee, Äpfel, Joghurt und einem Päckchen Kartoffelsuppe, dazu die Sachen von Thomas, ist auch für die Abendverpflegung und das Frühstück am Morgen gesorgt … Schritt für Schritt geht es voran, die Hauptsache ist nur, dass ich immer weiterlaufe, nirgendwo festklebe. Nach einer herzlichen Verabschiedung brechen Joël und Josette auf, ich bin ihnen zutiefst dankbar. Nach der Horrornacht, die Sachen sind noch immer durchnässt, habe ich nun die Möglichkeit, wieder alles in Ordnung zu bringen … und auch mein Körper wird mir etwas Ruhe und Komfort danken. Die nette Frau an der Rezeption gibt mir noch eine Übersichtskarte vom Campingplatz, erklärt das Wichtigste und dann kann ich mit einem Schlüssel in der Hand über den großen Campingplatz stolzieren, auf der Suche nach Appartement 488. Der Platz ist gut gefüllt, auch deutsche Kennzeichen sind zu sehen. Erst als ich mit dem Schlüssel die Tür meines kleinen, schmucken Häuschens öffne und eintrete, fühle ich mich sicher; es ist kein Witz, ich darf wirklich bleiben und hier übernachten – es ist einer dieser wunderbaren Glücksmomente.

Ich schaue mich im Appartement um, alles da was man braucht, modern eingerichtet, zwei Schlafzimmer. Nur mit dem Gasherd habe ich meine Probleme, obwohl die Gasflasche offen ist, zündet nichts. Ich frage bei meinen französischen Nachbarn nach. Erst kommt ein Mann, dann ein anderer, aber sie haben auch keine Ahnung – weshalb ich mich nicht mehr ganz so dämlich fühle. Ein Campingplatzarbeiter tauscht die Gasflasche aus, aber auch nichts. Erst die Frau einer meiner Helfer weiß Rat, indem unter der Spüle ein Hahn aufgedreht werden muss – Frauen sind gar nicht immer so doof wie Mann denkt. Ich bedanke mich bei meinen Helfern, am liebsten hätte ich sie alle auf ein Bier eingeladen … das ist doch mal ein Tag! Nun auch in der Praxis die Erkenntnis: Franzosen können ja nett sein! Da ich viel Zeit habe, kümmere ich mich erst einmal eine Stunde um meine Kleidung. Draußen am Wäscheständer aufgehängt und als es wieder zu regnen beginnt, drehe ich alle Heizkörper auf, um die Klamotten bis morgen zu trocknen. Die letzte akkurate Wäsche gab es bei Joao Miguel in Lissabon, das ist nun doch schon einige Wochen her. Zum Abendessen gibt es einen ganzen Liter Kartoffelsuppe, wobei der größte Teil an Kartoffeln von den von Thomas spendierten Chips stammt, was dem Ganzen etwas Würze bringt. Als Dessert gibt es Joghurt und ohne Unterbrechung Kaffee oder Tee. Einen Fernseher gibt es nicht, dabei hätte ich große Lust auf das Champions League Finale zwischen Bayern und Chelsea. Halb neun breche ich zum Abendspaziergang auf, in der Hoffnung ein Restaurant zu finden, das Fußball überträgt. Das auf dem Campingplatz liegende Restaurant ist voll, aber Fußball läuft nicht. Weiter am See lang, die Sonne geht gerade darüber unter … nach ein paar hundert Metern eine Kneipe, meine letzte Chance … ich gehe hinein, keine Gäste, frage im besten Französisch, das mir möglich ist, ob sie hier das Spiel übertragen … gestehe aber auch gleichzeitig ein, dass ich blank bin und mir kein Getränk leisten kann. Der Wirt und sein Mitarbeiter lachen … geht in Ordnung, ich darf mich setzen, sie schalten um, das Spiel beginnt gerade … endlich mal wieder auf einem Barhocker, nebenbei schreibe ich im Tagebuch, zum vollkommenen Glück fehlt nur noch ein Bier … im nächsten Moment steht ein kaltes, gezapftes Pils vor meiner Nase … geht aufs Haus … es gibt tatsächlich Tage, da funktioniert alles … nicht so toll sind die Tage, wo es genau andersrum läuft. Zum Finale drücke ich mal ausnahmsweise den Bayern die Daumen … sie sind drückend überlegen, nur ein Tor will nicht fallen … schon nach der Hälfte der ersten Halbzeit führen sie nach Ecken gefühlte 30:0. Ich bin der einzige Gast, ironischerweise aber ohne einen Cent in der Tasche. Ab und an springen ein paar kleine Kinder und ein Mops in der kleinen Kneipe herum, gehören anscheinend zur Familie. Es gibt nur einen einzigen Tisch hier … dieser wird schließlich gedeckt, wo die Familie, einschließlich der Mutter, speist. Ich trinke genüsslich mein Bier, schaue das Spiel, schreibe, genieße den Moment der heute nicht enden wollenden Euphorie. Ich muss an das Endspiel von vor zwei Jahren denken, damals verlor Bayern gegen Inter Mailand, ich war in einem Pub in der Dresdner Altstadt, gegenüber der Frauenkirche, allein, mit Guinness und Live-Musik … das war toll, aber dieses Finale hier wird sich auch in mein Gedächtnis brennen … in der 83. Minute, kurz vor halb elf, erlöst Müller die Bayern, endlich das hochverdiente 1:0 … zum Glück keine Verlängerung, nicht dass der Wirt nur wegen mir noch nicht dicht gemacht hat … Gäste werden nun auch keine mehr kommen … erste Ecke für Chelsea und Tor, Drogba wars … manchmal ist Fußball echt ungerecht … Abpfiff, Verlängerung … ich frage nach, ob sie schließen wollen, nein ich kann zu Ende schauen … Le Lagon Bleu heißt die Bar hier, das Oberstock dient als Pension, ich sehe kurz eine Familie, die hier untergekommen ist … juhu, Elfmeter, nun aber! Robben und … verschossen … irgendwie mit Ansage, warum schießt auch nicht Schweinsteiger? … Bayern vergibt noch weitere Großchancen … Elfmeterschießen … Olic gehalten, Schweini Innenpfosten, Drogba Tor … der Wirt und sein Kumpel trösten mich („im nächsten Jahr klappts!“) … ich bedanke mich für die Freundlichkeit, dass ich das Finale hier sehen konnte … ärgere mich, dass Bayern verloren hat; was wäre das erst geworden, wenn meine Bundesligalieblinge aus Dortmund das Finale verloren hätten, jedoch auch müßig darüber nachzudenken, weil der BVB wohl niemals mehr im Finale der Champions League stehen wird … am Nachthimmel zwei Sterne, trocken, es ist ruhig am See, angenehme Atmosphäre. Zurück im Appartement verbringe ich meine erste „zivilisierte“ Nacht in Frankreich. Sich am Abend glücklich und zufrieden hinlegen, welch eine Seltenheit, wenn man mitten im Alltag steckt. Aber ein Vagabund kennt keinen Alltag, man nimmt wie es kommt und es kommt oft besser, als man glaubt.

Am frühen Morgen sind die Sachen trocken. Dass ich noch immer kein Tier bin, merke ich daran, dass ich zum Frühstück Teller, Tasse und Besteck benutze. Endlich mal ein entspanntes Frühstück, wo mir nicht der futterneidische Wind den ein oder anderen Krümel raubt. Ich stöbere in meinem Kartenmaterial, auf der Suche nach der besten Route nach Bordeaux. Draußen sieht es grau und trostlos aus, immerhin keine Autogeräusche, dafür Vogelverkehr … ich überdenke noch einmal den ursprünglichen Plan, nach einer Nacht weiterzuziehen. Wenn es mir schon angeboten wird … Ich beschließe noch einen kleinen Spaziergang zu machen, zum See und mit der Hoffnung, noch in ein Gespräch verwickelt zu werden. Aber so früh am Morgen ist noch niemand der anderen Camper draußen unterwegs, die meisten Autos haben französischen Kennzeichen, und nach nur fünf Minuten (einmal zum See) beginnt es zu regnen, also wieder zurück und darin bestärkt, heute endlich mal wieder einen Ruhetag – erst der Dritte nach Lagoa Formosa und Lissabon – einzulegen. Ich setze mich an den Tisch, nutze die gebrauchten Teebeutel ein zweites Mal, um etwas Warmes in den Bauch zu bekommen. Mein einziges Problem ist, dass ich die Vorräte am Abend und am Morgen fast komplett aufgebraucht habe. Mir bleiben ein Apfel zum Mittag und eine kleine Packung Chips zum Abendessen. Punkt elf nehme ich einen zweiten Anlauf in Sachen Spaziergang, es hat aufgehört zu regnen. Neben einem Wohnwagen aus Deutschland steht ein Mann an seinem Fahrrad. Ich spreche ihn an, er will gerade zum Supermarkt nach Parentis (3,5 Kilometer) radeln. Das ist schon mal eine gute Nachricht, darum kehre ich um, schnappe mir meine fünf Euro und vier Cent und laufe in die kleine Stadt mit ihren 5.000 Einwohnern hinein. Nach dem Einkauf bleiben mir 12 Cent … also zum vierten Mal völlig pleite, aber für die nächsten drei Tage eingedeckt. In meinem Appartement bereite ich mir Makkaroni mit Tomatensauce zu.

Am frühen Nachmittag verfliegt auch das letzte schlechte Gewissen darüber, dass ich einen Tag „opfere“. Auch am dritten Ruhetag ist das Wetter bescheiden, hin und wieder regnet es … an einem sonnigen Tag würde ich mich schon ärgern, wenn ich faul herumläge. Wie hier im Bett, eine Tafel Schokolade neben mir, Vorhang zu, meine Lektüre verlorener Gedanken vor den Augen, wo ich auf die Gedanken stoße, die ich zu den letzten knapp einhundert Büchern, die ich vor meiner Reise gelesen habe, notiert habe. Es ist ein Zufall, dass das Büchlein mit einem Sartre beginnt und auch endet. Es ist auch ein Zufall, dass ich Kerouacs On the road am 2. Februar 2011 begonnen hatte, also exakt ein Jahr vor Beginn meiner Wanderung in Barcelona. Beim Lesen der Gedanken muss ich feststellen, dass sich in meinem Reisetagebuch weit weniger dieser Gedanken – die man fast schon philosophisch nennen könnte – finden lassen … also kaum einer dieser für sich alleinstehenden Gedanken, die hier und jetzt nur wie kleine, seltene Geister durch mein Tagebuch spuken. Ich bin unterwegs und null inspiriert? Das kann eigentlich nicht sein, was soll das dann mal für ein bescheuertes Buch werden? Bin ich abgestumpft? Werde ich etwa alt? Wo ist die kindlich, naiv fragende Jugend? Wo Feingefühl und Melancholie? Wo sind die aus meiner eigenen Feder entstandenen Gedanken, die auf mein eigenes Hirn großen Eindruck machen? Ist das der Preis einer gesteigerten Philanthropie? Muss ich wieder häufiger die Einsamkeit suchen? Wo ist die Natur? Habe mich zu ihr gesehnt und nun fliehe ich vor ihr, um Menschen kennenzulernen? Ist das Jahr 2012 doch das Ende? Mein Ende? Das Ende der Originalität? Mein Tagebuch ist ausschließlich ein Bericht, kann das mein Anspruch sein? Aber was ist, wenn ich es auch einfach nicht (mehr) draufhabe? Jetzt gerade in meinem Appartement mache ich mir doch auch Gedanken, sind sie etwa alle Produkte des Müßiggangs? Dann will ich wieder Müßiggänger sein! Zuhause habe ich mir Gedanken über die Welt gemacht, und jetzt wo ich in ihr unterwegs bin, kommen mir keine Gedanken? Warum muss es einem immer erst schlecht gehen, dass man die Feder zückt und die besten Sachen schreibt? Ich verliere hier meine einzige Fähigkeit, nämlich mit wenigen Worten viel zu sagen. Es ist weg, ich schreibe viel, ich schreibe nichts. Nein, ich will nicht erwachsen sein, weg mit der Sachlichkeit! Gib mir meine Träumereien zurück, meine Melancholie, meine Depressionen, meine Einsamkeit! Wo ist das Rehlein in mir? Und überhaupt kann etwas mit mir nicht stimmen, wenn ich mich überhaupt nicht mehr in die Arme einer schönen Frau sehne … Eigentlich wollte ich den Ruhetag nutzen, um endlich den Hamsun zu beginnen, aber meine eigenen Sachen fetzen irgendwie auch.

Wieder pleite zu sein beunruhigt mich. Wenn ich aber zurückblicke, dann hatte ich am ersten Tag geglaubt, bereits aufgegeben zu haben. Nun bin ich in der 16. Wanderwoche, an Tag 109 … Anfang Februar musste ich mich noch viel mehr durchbeißen, vergiss das nicht … du wirst schon nicht verhungern. Apropos „verhungern“, da ich keine einzige Zutat zu der anderen Hälfte des Kilogramms Nudeln habe, beschließe ich gegen 20 Uhr vor zu dem deutschen Campingwagen zu gehen. Ich klopfe an, frage das Pärchen nicht direkt nach Essen, sondern stattdessen ob sie eine Idee haben, wie ich zu Fuß am besten nach Bordeaux komme. Lothar holt einen Autoatlas heraus, was mir aber auch nicht weiterhilft. Seine Frau Pamela lächelt mich die ganze Zeit an, was Zuversicht bringt. Sie machen zwei Wochen Urlaub in Frankreich … morgen geht es auch für sie nach Bordeaux weiter, verlockend, ich überlege kurz ob ich sie frage, ob sie mich mitnehmen könnten. Aber nein, es wird auch so schon gehen. Wir plaudern übers Reisen, von meiner Tour … bis Pamela schließlich aufsteht, im Wohnbereich des Wagens verschwindet und kurze Zeit später mit 30 Euro auftaucht und diese mir in die Hand drückt. „Wenn jemand so etwas macht, müssen wir das unterstützen“, sagt Pamela. Lothar nickt zustimmend. Ich strahle mal wieder wie ein Kind und bin mal wieder schlagartig euphorisch. Ich erfahre, dass die beiden aus Brühl bei Heidelberg kommen, wo sie mehr oder weniger auch Nachbarn der Familie Graf sind, wobei Steffi nur noch selten zu sehen sei. Ich erinnere mich an meinen eigentlichen Grund für die Ruhestörung, eine Zutat zu meinen Nudeln. Sie haben aber nichts Passendes da, dafür aber eine Konserve Linseneintopf. Ich danke den beiden überschwänglich und wir wünschen einander eine gute Reise. Auf dem kurzen „Heimweg“ blicke ich ganz automatisch hoch zum Himmel … den ganzen Tag über war er griesgrämig und nun lächelt er mich an, nur mich. Danke. Mit 30 Euro in der Geldbörse kann sich ein Vagabund ein eigenes Königreich schaffen, und in diesem für einige Wochen lang den Thron in Anspruch nehmen, wenn er mit dem Reichshaushalt sparsam umzugehen lernt. Beglückt lege ich mich ins Bett, die Nachttischlampe an, noch ein Blick in die Lektüre verlorener Gedanken