Light Years - Supernova - Kass Morgan - E-Book
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Light Years - Supernova E-Book

Kass Morgan

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Beschreibung

Die Quatra-Flottenakademie hat ihre Tore für Studenten aller Planeten geöffnet, denn für den Krieg gegen die Sylvaner werden die besten Raumschiffcrews gebraucht. Während beide Seiten zu einer gewaltigen Schlacht rüsten, wird die Freundschaft von vier Flottenkadetten auf eine harte Probe gestellt.

Orelia wurde wegen Spionage verhaftet, doch die Quartaner machen ihr ein Angebot, das nicht nur ihr Leben, sondern die gesamte Galaxis retten könnte. Arran muss eine bittere Trennung verarbeiten und flüchtet sich in die Arme eines anderen Jungen, doch sein Herz gehört nach wie vor seinem Ex. Cormack, der unter falschem Namen an der Akademie ist, dachte, er hätte alle getäuscht – bis sein Geheimnis auffliegt und plötzlich alles auf dem Spiel steht. Und Vesper ist auf dem besten Wege, eine der genialsten Offizierinnen aller Zeiten zu werden, bis sie eine Verschwörung entdeckt, die alles, woran sie je geglaubt hat, infrage stellt.

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Das Buch

Die Quatra-Flottenakademie hat ihre Tore für Studenten aller Planeten geöffnet, denn für den Krieg gegen die Sylvaner werden die besten Raumschiffcrews gebraucht. Während beide Seiten zu einer gewaltigen Schlacht rüsten, wird die Freundschaft von vier Flottenkadetten auf eine harte Probe gestellt. Orelia wurde wegen Spionage verhaftet, doch die Quartaner machen ihr ein Angebot, das nicht nur ihr Leben, sondern die gesamte Galaxis retten könnte. Arran muss eine bittere Trennung verarbeiten und flüchtet sich in die Arme eines anderen Jungen, doch sein Herz gehört nach wie vor seinem Ex. Cormak, der unter falschem Namen an der Akademie ist, dachte, er hätte alle getäuscht – bis sein Geheimnis auffliegt und plötzlich alles auf dem Spiel steht. Und Vesper ist auf dem besten Wege, eine der genialsten Offizierinnen aller Zeiten zu werden, bis sie eine Verschwörung entdeckt, die alles, woran sie je geglaubt hat, infrage stellt.

Die Autorin

Kass Morgan studierte Literaturwissenschaft an der Brown University und in Oxford. Derzeit lebt sie als Lektorin und freie Autorin in Brooklyn. Noch vor Erscheinen ihres ersten Buches, Die 100, konnte sie bereits die Rechte der Serienverfilmung verkaufen. Die 100 schaffte es auf Anhieb auf die Spiegel-Bestsellerliste, und auch mit den drei Folgebänden knüpfte Kass Morgan an ihren sensationellen Erfolg an. Light Years ist ihre neue Erfolgsserie voller Action und Romantik.

Mehr über Kass Morgan und ihre Werke erfahren Sie auf:

KASS MORGAN

SUPERNOVA

Roman

Aus dem Amerikanischen

von Urban Hofstetter

WILHELMHEYNEVERLAG

MÜNCHEN

Titel der Originalausgabe: SUPERNOVA

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Deutsche Erstausgabe 08/2022

Redaktion: Maike Hallmann

Copyright © 2019 by Alloy Entertainment

Copyright © 2022 dieser Ausgabe und der Übersetzung

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: DASILLUSTRAT, München,

nach einem Originalentwurf von Sammy Yuen

(© 2019 by Hachette Book Group, Inc.)

Unter Verwendung von Motiven von © Shutterstock.com

(AJR_photo); © iStockphoto (ChristinaFelsing, kemalbas, lambada, Paffy69, xxmmxx, Yuri_Arcurs)

Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss

ISBN 978-3-641-28783-2V001

www.diezukunft.de

Zum Andenken an meinen Freund David Christ:

Autor, Lehrer, Abenteuer und Sci-Fi-Evangelist.

Danke, dass du mich auf die Suche nach

wundersamen neuen Welten geschickt hast.

1

Orelia

Orelia lag rücklings auf der schmalen, harten Pritsche – dem einzigen Möbelstück in der winzigen Zelle. Die Schwerkraft war anders eingestellt als in der restlichen Akademie. Sie war so drückend, dass Orelia kaum den Arm heben konnte, um sich an der Nase zu kratzen, geschweige denn einen Fluchtversuch zu unternehmen. Stehen war unmöglich, und selbst das Sitzen war so mühsam, dass sie es nur ein paar Minuten am Stück schaffte. Sie glaubte zu spüren, wie viel Mühe es ihrem Herzen bereitete, Blut durch ihren schweren, unbeweglichen Körper zu pumpen.

Seit sie am Vortag von den Wachen verhaftet und aus Zafirs Büro geschleift worden war, hatte niemand mehr mit ihr gesprochen. Sie war sich nicht einmal sicher, was genau man ihr vorwarf. Hatte die Quatra-Flotte herausgefunden, dass sie ein Geist war? Oder war sie nur misstrauisch, weil Orelia ihr Wissen über das Wechselspektrum der Geister dazu genutzt hatte, gemeinsam mit ihren Staffelkameraden das Schiff zu zerstören, das zur Akademie unterwegs gewesen war? Wenn Ersteres zutraf, würden Orelias mühevolle Atemzüge ganz sicher ihre letzten sein. Die besten Geheimdienstoffiziere der Flotte würden sie foltern und verhören, vielleicht sogar Zafir persönlich. Orelia erschauderte bei der Vorstellung, dass der Mann, der ihr Herz höher hatte schlagen lassen, möglicherweise teilnahmslos beobachten würde, wie sie sich vor Schmerzen wand.

Sie schloss die Augen und zwang ihre überlastete Lunge zu ein paar tiefen Atemzügen, um gegen die Panik anzukämpfen, die sich wie Giftgas in ihr ausbreitete. Sie hatte sich ihr ganzes Leben auf diesen Einsatz vorbereitet und war trotz der immensen Gefahr erfolgreich gewesen. Sie hatte es geschafft, die Quatra-Flottenakademie zu infiltrieren, ihren streng geheimen Standort zu triangulieren und die entsprechenden Koordinaten an ihre Führungsoffizierin auf Sylvan zu übermitteln. Dank Orelia hatten die Sylvaner endlich den Angriff durchführen können, den sie jahrelang geplant hatten – einen vernichtenden Schlag gegen das Herzstück des quatranischen Militärs, die Quatra-Flottenakademie. Im entscheidenden Moment hatte Orelia jedoch kalte Füße bekommen, weil sie nicht mit ansehen konnte, wie die Sylvaner die ersten echten Freunde umbrachten, die sie je gehabt hatte. Und so hatte sie den herzzerreißenden Entschluss gefasst, die Attacke zu sabotieren. Sie hatte ihren Staffelkameraden erklärt, dass sie die Kommunikationssysteme des sylvanischen Schiffs zerstören konnten, indem sie einen gerichteten Energieimpuls mit verschiedenen Frequenzen darauf abfeuerten. Der Plan war aufgegangen, doch der Erfolg hatte einen verheerenden Preis gehabt: Alle Sylvaner auf dem Schlachtschiff waren umgekommen, und die Quatraner hatten sich argwöhnisch gefragt, woher Orelia so viel über Geistertechnologie wusste.

Die Tür glitt zischend auf, und Orelia zuckte zusammen. Ihr Kopf fühlte sich zu schwer an, um ihn zu bewegen, und so blieb sie angespannt und reglos liegen.

»Hallo, Orelia«, sagte eine vertraute tiefe Stimme. Sie schaffte es, den Kopf gerade so weit zu wenden, dass sie Zafir und Admiralin Haze im Eingang stehen sah.

»Können Sie sich bitte aufsetzen?« Zafir drückte auf seinen Link, und das Gewicht, das Orelia auf der Pritsche fixierte, verschwand. Sie bewegte vorsichtig die Finger und krümmte ein paarmal die Zehen, ehe sie sich auf die Seite rollte und sich in eine sitzende Position hochzustemmen versuchte. Bei ihrer Ankunft in der Akademie war sie so fit gewesen wie noch nie zuvor und hatte seither jeden Tag hart trainiert, um diese ausgezeichnete körperliche Verfassung beizubehalten. Doch während der langen Stunden in der Zelle hatten sich ihre Muskeln so sehr verkrampft, dass selbst dieser kleine Kraftakt eine große Herausforderung war.

Sie warf einen kurzen Blick zu Zafir, der die Zelle betrat und sie mit undurchdringlicher Miene musterte. Noch vor wenigen Tagen wäre es ihr ganz normal vorgekommen, wenn er die Hand ausgestreckt und ihr hochgeholfen hätte. Orelia glaubte noch immer ein Echo der Wärme zu spüren, die seine letzte Berührung in ihrem Körper hinterlassen hatte. Doch jetzt sah Zafir teilnahmslos zu, wie sie sich mühsam aufrappelte und gegen die Wand lehnte.

Orelia wusste nicht, weshalb seine Leidenschaftslosigkeit sie so überraschte. Obwohl sie beide ungefähr gleich alt waren, war Zafir einer der fähigsten Spionageabwehr-Offiziere der Quatra-Flotte. Wie Orelia war auch er dazu ausgebildet worden, unter allen Umständen professionell zu bleiben, selbst wenn er das Mädchen verhörte, das ihn im Ozean-Simulator geküsst hatte. Oder – eine weitere Welle der Furcht spülte über sie hinweg – hatte er etwa ihr Geheimnis von Anfang an gekannt und nur so getan, als fühlte er sich zu ihr hingezogen, um an sie heranzukommen? Hätte er den Blick, mit dem er sie in jener Nacht betrachtet hatte, wirklich vortäuschen können? Und die innige Zärtlichkeit, mit der er ihren Kuss erwidert hatte?

»Was soll das? Wieso bin ich hier? Da muss irgendein Irrtum vorliegen …« Es fiel ihr nicht schwer, verwirrt und verängstigt zu klingen statt schuldbewusst und verängstigt.

»Sie können sich das Getue sparen«, sagte Admiralin Haze. »Nennen Sie uns Ihren Namen.«

»Orelia.«

»Ihren echten Namen.«

»Das ist mein echter Name.« Und das war die Wahrheit. Die Sylvaner hatten es nicht für nötig gehalten, sich einen Decknamen für sie auszudenken. Soweit sie wussten, hatten die Quatraner noch nie einen sogenannten Geist gesehen, und sie verfügten ganz sicher nicht über eine Liste ihrer Geheimagenten.

Admiralin Haze bedachte Orelia mit einem finsteren Blick, dann nickte sie Zafir knapp zu. Die angedeutete Geste jagte Orelia einen unheilvollen Schauer über den Rücken. Wie oft hatte Haze ihren Spionageabwehrexperten und Vernehmungsspezialisten wohl schon angewiesen, einem widerspenstigen Gesprächspartner wichtige Informationen abzutrotzen?

»Woher wussten Sie von dem Wechselspektrum?«, fragte Zafir erstaunlich ungerührt, als befänden sie sich wieder in seinem Klassenzimmer und nicht in einer Hochsicherheitsgefängniszelle.

»Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Das war ein Glückstreffer.«

Admiralin Haze zog eine noch grimmigere Miene und verschränkte die Arme vor der Brust, doch Zafir hob lediglich eine Augenbraue. »Sie verfügen über einen beeindruckend analytischen Verstand, Orelia. Ich bezweifle, dass Sie sich jemals auf reine Vermutungen verlassen.« Er klang eher amüsiert als anklagend, doch das machte die Situation nur noch beängstigender. Es spielte keine Rolle, dass es um ihr Leben ging. Für ihn war das nur ein Spiel. Es ist alles nur ein Spiel.

»Das stimmt«, sagte Orelia. »Wir haben vieles ausprobiert, aber nichts hat funktioniert. Das Wechselspektrum erschien mir zwar wenig wahrscheinlich, aber es war einen Versuch wert.«

»Wir wissen, dass Sie diese verschlüsselte Botschaft mit den Koordinaten abgeschickt haben«, sagte Admiral Haze, ohne Zafirs warnenden Blick zu beachten. Offenbar hatten sie sich auf eine andere Taktik verständigt. »Die Überwachungskameras haben Sie gefilmt, während Sie sich in gesperrten Bereichen herumtrieben. Sie waren für den Angriff verantwortlich. Also spionieren Sie entweder für die Geister, oder …« Sie verstummte und runzelte die Stirn, als wäre die Alternative zu verstörend, um sie in Worte zu fassen.

»Oder Sie sind ein Geist«, fuhr Zafir ruhig fort.

Dank jahrelanger Übung gelang es Orelia, trotz ihres wild pochenden Herzens ruhig zu sprechen und zu atmen. »Ein Geist?«, wiederholte sie so ungläubig wie möglich.

»Das reicht«, blaffte Admiralin Haze. »Wir haben genügend Beweise, um Sie für den Rest Ihres Lebens auf Chetire einzusperren. Wenn Sie es überhaupt bis dorthin schaffen. Die Quatra-Föderation weiß, dass wir eine Spionin erwischt haben, die das gesamte Sonnensystem in Gefahr gebracht hat, und wir sind dazu befugt, mit allen notwendigen Mitteln Informationen aus Ihnen herauszupressen. Wenn Sie sich weigern, die Wahrheit zu sagen, wird Lieutenant Prateek zu weniger angenehmen Methoden greifen müssen.«

Orelia suchte in Zafirs Gesicht verzweifelt nach einem Zeichen von Mitgefühl, irgendeinem Hinweis, dass er alles in seiner Macht Stehende tun würde, um sie zu beschützen. Doch sein Gesichtsausdruck blieb gewohnt undurchschaubar.

Sie war darauf trainiert worden, einem Verhör zu widerstehen. Das war der beängstigendste und zermürbendste Teil ihrer intensiven Vorbereitungen gewesen, aber sie hatte gelernt, ruhig zu bleiben und Schmerzen zu ertragen. Die hier wird nie zusammenbrechen, hatte ihr schroffer Ausbilder zu Generalin Greet gesagt, während Orelia zusammengesunken auf einem Stuhl saß und heftig nach Atem rang, nachdem er ihr eine Weile den Sauerstoff entzogen hatte. Schon bald würde sie herausfinden, ob er recht gehabt hatte.

»Ich glaube nicht, dass das nötig sein wird, Admiralin«, sagte Zafir und sah Orelia an. Statt des sadistischen Funkelns, das sie in den Augen eines Verhörexperten erwartete, lag in seinem Blick eher Staunen. »Sie ist bestimmt ein Geist.«

»Das ist lächerlich«, erwiderte Orelia rasch. Diese Tatsache würde sie unter gar keinen Umständen zugeben. Es war immer noch besser, eines schrecklichen und gewaltsamen Todes zu sterben, als ihr gesamtes Volk zu gefährden.

Zafirs Miene verhärtete sich. Er griff in seine Jacke und holte einen Gegenstand aus Metall hervor, den Orelia nicht identifizieren konnte. »Na gut. Wenn Sie nicht mit uns kooperieren wollen, haben wir auch noch andere Möglichkeiten, der Wahrheit auf den Grund zu gehen.«

Orelia holte tief Luft und ließ sie langsam entweichen, um sich für das zu wappnen, was nun geschehen würde. Im Grunde hatte sie immer gewusst, dass sie irgendwann in so eine Situation geraten würde, sich jedoch nie ausgemalt, dass sie ausgerechnet von dem ersten Menschen, an dem ihr wirklich etwas lag, gefoltert werden würde.

»Ich frage Sie noch einmal«, sagte Zafir mit verstörender Gelassenheit und trat neben ihre Pritsche. »Sind Sie ein Geist?«

»Natürlich nicht. Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.«

Zafir beugte sich mit dem Metallgerät zu ihr vor. Orelia drehte sich weg, doch er schaffte es, sie damit am Arm zu streifen. Sie spürte einen kleinen Stich und machte sich auf einen blendenden Schmerz gefasst, doch zu ihrer Verblüffung und Erleichterung richtete Zafir sich gleich wieder auf. Er hob das Gerät in die Höhe und betrachtete mit zusammengezogenen Augenbrauen das kleine Display, das Orelia bisher noch gar nicht bemerkt hatte. Da wurde ihr klar, dass es gar kein Folterwerkzeug war, und sie spürte, wie ihre Erleichterung wieder verflog. Es war etwas viel Gefährlicheres.

»Und?«, fragte Admiralin Haze.

»Ihre DNS-Struktur deckt sich mit den Proben, die wir auf dem Geisterschiff genommen haben.« Orelia merkte, dass es ihn große Mühe kostete, Ruhe zu bewahren. Er drehte sich zu ihr um. »Das ist bemerkenswert. Sie sind tatsächlich ein Geist. Obwohl Sie selbst sich sicher nicht so nennen würden, oder?«

Ihre Gedanken rasten, während sie nach einer plausiblen Ausrede suchte: Der DNS-Scanner hatte eine Fehlfunktion oder war kontaminiert worden. Doch die Worte erstarben ihr auf den Lippen, als sie Zafirs Blick sah. Er kannte die Wahrheit, und zum ersten Mal, seit sie von ihrem Heimatplaneten aufgebrochen war, erfüllte sie dieser Gedanke eher mit Erleichterung als mit Schrecken.

»Nein.« Orelia sah ihm in die Augen. »Ich bin eine Sylvanerin.« Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft im Quatra-System hatte sie dieses Wort laut ausgesprochen.

»Sylvanerin«, wiederholte Zafir mit gerunzelter Stirn. »Wie viele gibt es an der Akademie?«

»Nur mich«, antwortete Orelia schnell.

»Wie viele gibt es im Quatra-System?«

Seine Stimme klang wieder streng, und jegliches Staunen war aus seinem Blick gewichen.

»Nur mich«, wiederholte sie. »Ich bin die Einzige.«

»Das ist lächerlich«, sagte Admiralin Haze mit einem abschätzigen Schnauben. »Wieso sollten die Sie allein losschicken? Das wäre eine Selbstmordmission. Wenn Sie tatsächlich ein Geist sind, dann müssen noch weitere Ihrer Art im Quatra-System stationiert sein.«

»Ich sage Ihnen die Wahrheit. Ich bin die Einzige.«

Admiralin Haze ging mit zusammengekniffenen Augen ein paar Schritte auf Orelia zu. »Was wollen die Geister von uns?«

Orelia starrte sie an und überlegte, ob das ein Trick war. Sie sah Zafir fragend an, doch der Spionageabwehroffizier betrachtete sie ebenfalls forschend. »Wir wollen gar nichts von Ihnen«, sagte Orelia. »Wir möchten nur, dass Sie aufhören, uns umzubringen.«

»Dann hätten Sie uns vielleicht nicht grundlos angreifen sollen«, erwiderte Admiralin Haze trocken.

Sie wissen es wirklich nicht, dachte Orelia, und ihre Verwirrung verwandelte sich in Unglauben. Während ihrer ersten Woche an der Akademie hatte sie herausgefunden, dass die Kadetten und Ausbilder unter dem falschen Eindruck standen, die Sylvaner und nicht die Quatraner hätten den Erstschlag ausgeführt. Doch ihr war nicht klar gewesen, wie weit sich diese Lüge verbreitet hatte. Nicht einmal die hochrangigen Offiziere der Quatra-Flotte schienen die Wahrheit zu kennen.

»Das haben wir nicht getan«, entgegnete Orelia, sorgsam darauf bedacht, nachdrücklich, aber nicht anklagend zu klingen. »Vor fünfzehn tridianischen Jahren hat die Quatra-Flotte eine Sonde nach Sylvan geschickt, um Bodenproben einzusammeln. Ein paar Monate danach sind drei Schlachtschiffe aufgekreuzt und haben eine Bombe auf unsere Hauptstadt geworfen.«

»Das ist unmöglich«, fuhr Admiralin Haze sie an. »Kein quatranisches Schlachtschiff hat es je bis zu Ihrem Heimatplaneten geschafft.«

»Das hat man Ihnen erzählt, aber es ist eine Lüge.«

»Das wird mir langsam zu dumm. Lieutenant Prateek, Sie haben zehn Minuten, um die Wahrheit aus ihr herauszuholen. Andernfalls betraue ich jemand anderen mit dieser Aufgabe. Wir haben einen Robodiener, der darauf programmiert ist, Staatsfeinde zu verhören. Er hat eine hundertprozentige Erfolgsrate und macht anschließend sogar alles sauber, egal, wie hoch das Blut auf dem Boden steht.«

»Einen Moment noch, Admiralin«, sagte Zafir und wandte sich wieder zu Orelia um. »Was für Bodenproben? Wissen Sie, wonach die Sonde gesucht hat?«

»Fyron«, erwiderte Orelia. Zafir und Admiralin Haze sahen sich verwundert an.

»Sind Sie sicher?«, fragte Zafir.

»Ja. Nach dem ersten Bombardement stand fest, dass die Quatraner bereit waren, sämtliche Sylvaner auf dem Planeten zu töten, um an dieses Mineral zu kommen. Deshalb haben wir einen Vergeltungsschlag in die Wege geleitet.« Sie holte tief Luft und schloss die Augen. »Und darum bin ich hergeschickt worden, um die Koordinaten der Akademie zu übermitteln.«

»Das ist die absurdeste Geschichte, die ich je gehört habe«, sagte Haze und warf Zafir einen Seitenblick zu. »Es existieren keinerlei Aufzeichnungen über eine derartige Mission.«

»Aber so ist es gewesen«, erwiderte Orelia und hörte selbst, dass sie aus Verzweiflung die Stimme erhoben hatte.

Als Haze Orelia mit einem langen forschenden Blick musterte, war sie froh, dass die Admiralin Vespers Mutter war und nicht ihre. Schließlich fuhr Haze zu Zafir herum und sah stattdessen ihn eindringlich an. »Können wir ihr trauen?«

Zafir betrachtete Orelia von Kopf bis Fuß, und sie spürte, wie ihre Nervosität ein wenig nachließ. Damals hatte er sie mit einem Blick bedacht, wie sie ihn nie zuvor auf sich gespürt hatte. Als könnte er ihr wahres Ich erkennen und würde deswegen ihren Kuss erwidern.

Zafir würde ihr glauben. Er würde begreifen, dass sie in Anbetracht der schrecklichen Lage, in der sie sich befand, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt hatte.

Als er sprach, klang seine Stimme gelöst, sodass sie einen Moment brauchte, um die Bedeutung seiner Worte zu verstehen. Beinahe amüsiert erwiderte er: »Sie ist die Letzte, der ich vertrauen würde.«

2

Arran

Ist alles in Ordnung?« Vesper warf Arran einen besorgten Blick zu, während sie durch den überfüllten Korridor zum Flugdeck eilten, wo sie sich zum Patrouillendienst melden mussten. Seit der Attacke der Geister hatte die Quatra-Flotte die Sicherheitsmaßnahmen der Akademie verdreifacht. Dafür waren so viele zusätzliche Einsatzkräfte nötig, dass selbst Kadetten im ersten Jahr zum Dienst auf Patrouillenschiffen eingeteilt wurden.

»Ich bin nicht sicher, was ich darauf antworten soll«, erwiderte Arran mit einem kläglichen Lächeln. Nur wenige Tage zuvor war es ihrer Staffel gelungen, die Geister abzuwehren. Während sie sich noch von dieser Begegnung mit dem Tod erholten, wappneten sie sich bereits für den unausweichlich scheinenden nächsten, voraussichtlich größeren Angriff. Doch wie sollten sie sich auf diese Aufgabe konzentrieren, solange ihre Staffelkameradin Orelia nicht bei ihnen war? Arran hatte seit fast zwei Tagen nichts mehr von ihr gesehen oder gehört, obwohl er ihr acht Nachrichten geschickt hatte und mehrfach zu ihrer Unterkunft gegangen war.

Vesper stieß ein humorloses Lachen aus. »Ich meine ja nicht in einem grundlegenden existenziellen Sinn. Du hast nur gerade besonders angespannt gewirkt.«

Arran schaute über die Schulter zu den rund zwei Dutzend Wachen mit geschlossenen Helmvisieren zurück, die zu beiden Seiten des langen Ganges aufgereiht standen. Sie waren ein paar Stunden nach der Sprengung des Geisterschiffs eingetroffen – offenkundig, um die Kadetten zu beschützen. Dennoch schlug ihm bei ihrem Anblick das Herz bis zum Hals. Arran zuckte die Achseln. »Ich habe nicht mit so vielen Wachen gerechnet.«

»Ich kann gar nicht glauben, dass dich nach der Konfrontation mit den Geistern der Anblick der Wachen nervös macht«, frotzelte Vesper lachend. »Hast du etwa Angst vor einem Strafzettel wegen überhöhter Geschwindigkeit?«

»Nein, das ist es nicht, worüber wir uns auf Chetire bei ihrem Anblick Sorgen machen«, erwiderte Arran leise. Auf seinem eisbedeckten Heimatplaneten, dem abgelegensten im Sonnensystem, erinnerten die Wachen die Bevölkerung permanent daran, dass die reichen quatranischen Minenbesitzer mit Duldung der Regierung tun und lassen konnten, was sie wollten. Sie setzten die von Steuergeldern bezahlten Wachen wie private Sicherheitskräfte ein, die Streiks niederschlugen und jeden zum Schweigen brachten, der verzweifelt oder dumm genug war, um gegen die brutale Behandlung der Minenarbeiter zu protestieren.

Vesper kniff verlegen die Lippen zusammen. »Entschuldige. Ich vergesse immer wieder, dass es nicht überall gleich zugeht.«

»Schon gut. Ich muss mir nur vergegenwärtigen, dass die Wachen hier sind, um mich gegen die Geister zu verteidigen, und nicht, um mir die Visage zu polieren.« Arran senkte die Stimme. »Hast du irgendwas von Orelia gehört?«

Vesper schüttelte den Kopf. Dann blickte sie auf ihren Link und scrollte durch eine Nachricht.

Arran bemerkte, dass sie rot wurde. »Dann ist zwischen dir und Rex also wieder alles gut?«, fragte er und musste trotz seines nervösen Magens lächeln.

»Ich weiß nicht. Vielleicht. Glaub schon.« Vesper klang ungewohnt verunsichert und lief noch dunkler an. »Es kommt mir angesichts der aktuellen Ereignisse ein bisschen albern vor, mir über so etwas Gedanken zu machen.«

»Das ist überhaupt nicht albern«, entgegnete Arran ein wenig wehmütig. »Wofür lohnt es sich denn zu kämpfen, wenn wir uns kein Recht auf Glück zugestehen?«

Vesper schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln. Sie war eine der wenigen, denen er erzählt hatte, dass Dash sich von ihm getrennt hatte.

Zu Beginn ihrer Ausbildung hatte Arran wie besessen jede Begegnung mit Dash im Nachhinein haarklein seziert. Er hatte sich gewundert, wieso jemand, der so gut aussehend, klug und charmant war, mit einem unbeholfenen Chetrier wie ihm zu flirten schien. Noch skeptischer war Arran geworden, als er erfuhr, dass Dashs Vater Larz Muscatine war – jener Admiral, der sich besonders vehement gegen die Öffnung der Quatra-Flottenakademie für Siedler ausgesprochen hatte. Doch Dash war beharrlich geblieben und hatte es schließlich geschafft, sein Vertrauen zu gewinnen, woraufhin Arran ein paar selige Wochen lang zum ersten Mal in seinem Leben wirklich glücklich gewesen war.

Bis Dash ihm vor wenigen Tagen gesagt hatte, dass sein Vater von ihrer Beziehung erfahren habe und er die Akademie verlassen müsse, wenn er nicht mit Arran Schluss mache. Und so hatte Dash – der erste Junge, in den Arran je verliebt gewesen war, der erste, der ihn geküsst und ihm das Gefühl gegeben hatte, er sei wichtig und würde die Zukunft, die er sich erträumte, tatsächlich verdienen – ihn einfach sitzen gelassen. Seither steckten die Scherben seines gebrochenen Herzens wie Schrapnellsplitter in seiner Brust.

Sula schloss zu Vesper und Arran auf. »Hey, habt ihr heute Nachmittag auch Patrouillendienst?«

Vesper nickte, ohne den Blick von ihrem Link zu lösen.

»Ja«, erwiderte Arran. »Ist das deine erste Schicht?«

»Nein, die war gestern.« Sula rieb sich die Augen. »Ich habe fünf Stunden lang den Radarschirm angestarrt.«

Arran runzelte die Stirn. »Es ist nicht okay, dass sie dir zwei aufeinanderfolgende Schichten aufbrummen.«

»Es macht mir nichts aus«, antwortete Sula mit einem erschöpften Lächeln. »Ich mag das Gefühl, dass wir tatsächlich etwas unternehmen, weißt du. Ich stelle mir gern vor, dass meine kleine Schwester besser schläft, weil sie weiß, dass ich hier oben bin und dabei helfe, sie zu beschützen.«

Arran dachte bedrückt an seine Mutter, die auf dem mehrere Parsec entfernten Planeten Chetire allein in ihrer spärlich eingerichteten, blitzsauberen Hütte saß. »Ich weiß, was du meinst.« Ehe er noch mehr sagen konnte, klingelte der Überwacher in seinem Ohr. »Melden Sie sich umgehend im Büro der Leiterin. Von Ihrem derzeitigen Aufenthaltsort aus benötigen Sie bis dorthin schätzungsweise acht Minuten.« Vespers Blick verriet, dass sie dieselbe Nachricht erhalten hatte.

Sie sagten Sula, dass sie auf dem Flugdeck wieder zu ihr stoßen würden, und eilten zum Verwaltungstrakt.

Arran spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. »Hast du irgendeine Vorstellung, worum es geht?«

»Nein«, erwiderte Vesper mit gezwungenem Lächeln. Als Tochter der Leiterin wusste sie besser als sonst irgendwer an der Akademie, dass eine solche Vorladung selten etwas Gutes verhieß.

Als sie in den Korridor vor Admiralin Haze’ Büro einbogen, kam ihnen aus der anderen Richtung Rex entgegen. Sein grimmiger Gesichtsausdruck entspannte sich, als er sie sah. »Anscheinend sind wir zu einer Überraschungsparty eingeladen.«

Vesper verdrehte die Augen und bedachte Rex mit einem zärtlichen Lächeln, das Arran zugleich glücklich und traurig machte. Die Sensoren vor dem Büro ihrer Mutter erfassten sie, und die Tür glitt auf, ehe die drei ihre Links an den Scanner halten konnten. Zu Arrans Überraschung war Admiralin Haze nicht allein. Neben ihrem Schreibtisch stand Commander Stepney, der Oberbefehlshaber der Quatra-Flotte. Arran hatte ihn noch nie so besorgt gesehen.

Admiralin Haze kam umgehend zur Sache: »Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Was ich Ihnen erzählen werde, ist streng geheim. Angesichts der außergewöhnlichen Umstände bin ich jedoch dazu befugt, Sie ins Vertrauen zu ziehen. Orelia ist verhaftet worden. Sie steht im Verdacht, eine Verräterin zu sein.« Admiralin Haze hielt kurz inne und suchte die Gesichter der Kadetten nach einem Hinweis ab, dass sie etwas davon gewusst oder vermutet hatten. Ihr bestürztes Schweigen verriet jedoch, dass die drei vollkommen ahnungslos gewesen waren. »Wir glauben, dass Orelia Informationen an die Geister weitergegeben hat«, fuhr sie schließlich fort. »Dass sie über das Wechselspektrum Bescheid wusste, hat uns misstrauisch gemacht, und eine weitere Untersuchung hat ergeben, dass vor ein paar Wochen jemand in die Kommandozentrale eingebrochen ist und eine Botschaft mit den Koordinaten der Akademie abgesetzt hat.« Haze beugte sich vor. »Also gut, ich werde Ihnen diese Frage nur ein einziges Mal stellen: Haben Sie je etwas Ungewöhnliches an Orelia bemerkt? Wenn Sie irgendetwas wissen und es jetzt sagen, werden wir Sie nicht bestrafen. Doch dieses Angebot gilt nur so lange, bis Sie mein Büro verlassen. Also überlegen Sie sich Ihre Antwort gut.«

Arran wurde mulmig. Er fühlte sich noch orientierungsloser als bei seinem ersten Shuttleflug, als er dabei zugesehen hatte, wie die Erde unter ihm zurückfiel. Orelia war auf Loos aufgewachsen. Sie war elf Jahre alt gewesen, als die Geister die Hauptstadt ihres Planeten zerstört hatten. Wieso sollte sie für diese herzlosen Ungeheuer arbeiten, die eine halbe Million Menschen ermordet hatten? »Bei allem gebotenen Respekt, das ergibt keinen Sinn«, sagte er. »Warum würde sie die Geister unterstützen wollen? Und wie sollen die Geister überhaupt mit ihr Kontakt aufgenommen haben? Ich verstehe nicht, wie …« Er verstummte, als er den eiskalten Blick bemerkte, mit dem der Kommandeur der Quatra-Flotte ihn fixierte.

»Sie hat den Geistern nicht geholfen. Sie ist ein Geist.«

Arran starrte Commander Stepney begriffsstutzig an.

»Wie bitte?«, fragte Rex.

»Ihre Staffelkameradin ist eine Spionin der Geister. Sie hat die Akademie als falsche Kadettin unterwandert. Das hat sie während ihrer Befragung zugegeben.«

Arran war klar, dass mit dem Begriff Befragung in Wahrheit ein Verhör gemeint war. Das offizielle Folterverbot der Quatra-Flotte galt nicht für Personen, die des Verrats bezichtigt wurden – ein Vorwurf, der alles und nichts umfassen konnte. »Wo ist sie?«, fragte er, von seiner eigenen Heftigkeit überrascht. »Was machen Sie mit ihr?«

Commander Stepney bedachte ihn mit einem weiteren frostigen Blick. »Ich finde es verstörend, dass Sie mehr um das Wohlergehen einer Geisterspionin als um die Sicherheit des Quatra-Systems besorgt zu sein scheinen. Noch bestürzender finde ich allerdings, dass keiner von Ihnen bemerkt haben will, dass mit dem Mädchen etwas nicht stimmt. Wie viele Stunden haben Sie denn miteinander verbracht?«

Arran zuckte beschämt zusammen. Er hätte nicht so mit dem Kommandeur der Quatra-Flotte sprechen dürfen.

»Aber Orelia hat nie etwas Verdächtiges getan«, sagte Vesper und sah Rex an, der zustimmend nickte. »Sie war wortkarg, mehr aber auch nicht. Und sie war diejenige, die auf den Einfall gekommen ist, wie wir das Schiff in die Luft sprengen können. Sie hat uns allen das Leben gerettet.«

Admiralin Haze stand auf und stellte sich zwischen Commander Stepney und die Kadetten. »Wenn Sie sagen, dass Sie nichts Verdächtiges bemerkt haben, glaube ich Ihnen.«

»Ich finde, das sollten wir unter vier Augen besprechen«, entgegnete Stepney frostig und wandte sich zu Arran, Vesper und Rex um. »Sie drei können wegtreten.«

Sie salutierten und verließen eilig das Büro. Erst als sie den Verwaltungstrakt verlassen hatten, brach Arran das Schweigen: »Das muss ein Irrtum sein, meint ihr nicht? Wie sollte Orelia eine …?« Er presste die Lippen aufeinander, unfähig, das Wort laut auszusprechen.

»Ich weiß es nicht«, erwiderte Rex und schüttelte den Kopf. »Irgendwer muss die Koordinaten übermittelt haben, und es war wirklich eigenartig, dass Orelia über das Wechselspektrum Bescheid wusste.«

»Wirklich?«, fuhr Arran ihn an, einen Moment lang eher wütend als verwirrt. »Vielleicht hat es ja eine riesige geheimdienstliche Panne gegeben, und es ist leichter für sie, eine Kadettin zu beschuldigen, als selbst die Verantwortung zu übernehmen.«

»Vielleicht«, erwiderte Rex, unbeeindruckt von Arrans Ausbruch. »Aber das glaube ich nicht. Sosehr es uns auch schmerzt, wir müssen uns damit abfinden, dass Orelia uns an der Nase herumgeführt hat.«

3

Vesper

Dies war ein richtiger Patrouillenflug, keine Trainingssitzung im Simulschiff oder eine kurze Mission wie die, auf die Staffel 20 zur Belohnung für das gewonnene Turnier geschickt worden war. Erfahrene Flottenoffiziere würden das Schiff steuern – Kadetten im ersten Jahr wie Vesper und Arran waren nur dabei, um die Radaranzeigen auszuwerten. Als Vesper die Stufen zum Schlachtschiff hinaufstieg, wäre sie am liebsten nicht nach rechts zur Technikerabteilung, sondern nach links zum Pilotensitz abgebogen. Dass sie noch nie etwas auch nur annähernd so Großes wie ein Schlachtschiff geflogen hatte, änderte nichts an ihrem fast schmerzhaften Verlangen, die Steuerung zu übernehmen. Sie vermisste alles am Fliegen, in diesem Moment jedoch hauptsächlich, dass es ihre komplette Konzentration beanspruchte und ihren Kopf von allen nicht unmittelbar notwendigen Gedanken befreite. Seit sie das Büro ihrer Mutter verlassen hatten, war ihr Verstand außer Kontrolle. War Orelia wirklich ein Geist?

Vesper bekam diese Vorstellung nicht in den Kopf. Noch nie hatte irgendwer diese brutalen Wesen zu Gesicht bekommen, die seit weit über einem Jahrzehnt tödliche Angriffe auf das Quatra-System flogen. Alle feindlichen Schiffe, die die Flotte hatte aufhalten können, waren im Weltraum abgeschossen worden, sodass es unmöglich gewesen war, einen Blick auf die blutrünstigen Killer in ihrem Inneren zu erhaschen. Darum wurden sie Geister genannt. Niemand wusste, ob sie Menschen ähnelten oder einer komplett anderen Gattung angehörten. Angesichts der Kaltblütigkeit, mit der sie Millionen von Quatranern töteten, ohne jemals mit ihnen in Kontakt zu treten, gingen die meisten jedoch davon aus, dass es sich bei den Geistern um eine außerirdische Lebensform handelte – und ganz sicher nicht um ein stilles blondes Mädchen, das, wenn es sich endlich öffnete, erstaunliches Einfühlungsvermögen bewies. Vesper konnte sich kaum vorstellen, dass Orelia Informationen an die Geister weitergab, und schon gar nicht, dass sie selbst einer war.

Doch das hatte Stepney nicht als Verteidigung gelten lassen. Vesper wurde flau im Magen, als sie sich an den angewiderten Gesichtsausdruck erinnerte, mit dem der Commander sie und ihre Staffelkameraden angebrüllt hatte. Fünf Jahre lang hatte sie sich um einen Platz an der Akademie bemüht und dann alles getan, um sich während des ersten Semesters hervorzutun. Allen Widrigkeiten zum Trotz hatte ihre Staffel das Turnier gewonnen und ein Geisterschiff zerstört, das auf die Akademie zugeflogen war. Doch nun war der Kommandeur der Quatra-Flotte böse auf sie, und damit schien all ihre harte Arbeit vergebens gewesen zu sein.

Im Unterschied zum Kampfschiff, das nur aus einer einzigen Kabine bestand, verfügte das viel größere Schlachtschiff über mehrere Decks. Arran und Vesper waren auf dem Hauptdeck stationiert, wo sie das Radar nach Anzeichen für feindliche Aktivitäten absuchen würden, während Sula sich im Kontrollraum auf der unteren Ebene in der Nähe des Waffenraums zum Dienst melden sollte. »Bleiben Sie während des Starts auf Ihren Plätzen sitzen«, ertönte die Stimme des Co-Piloten in Vespers Ohr. Nachdem sie an Bord gegangen waren, hatten sich ihre Überwacher automatisch mit dem Netzwerk des Schiffs synchronisiert.

Auf diese Ankündigung folgte eine Reihe leiser Pieptöne, die anzeigten, dass sich das Schiff auf den Schienen des Flugdecks in Richtung Luftschleuse bewegte und in Kürze die Akademie verlassen würde. Sie spürte ein leichtes Ruckeln, als die Backbordseite des Schiffs gegen die Hangarwand stieß. Normalerweise hätte sie jetzt einen dramatischen Seufzer ausgestoßen, worauf Arran mit einem freundschaftlichen Augenrollen reagiert hätte. Doch im Moment hatte sie Wichtigeres zu tun, als einen schlecht ausgeführten Start zu kommentieren. Immer wieder ging sie in Gedanken durch, was sie über Orelia wusste. Was nicht viel war. In den ersten Wochen hatte sie während der Trainingseinheiten im Simulator kaum gesprochen. Niemand war so schüchtern. Rückblickend hätte Vesper vielleicht klar sein müssen, dass Orelia irgendein Geheimnis hütete.

Sie blickte zu Arran hinüber, der ebenfalls in Gedanken versunken schien und apathisch auf den Monitor starrte, wie er es seit seiner Trennung von Dash immer häufiger tat. Sie hätte gern irgendwas getan, um ihren fehlgeleiteten Kindheitsfreund zur Vernunft zu bringen – besonders jetzt, da Arran Dashs Unterstützung mehr denn je brauchte. Von allen Kadetten ihres Jahrgangs hatte er Orelia am nächsten gestanden. Daher traf ihn diese Nachricht sicher besonders schwer. Es war nicht einzusehen, dass zwei Menschen, die sich offenkundig liebten, aus Stolz oder wegen eines Missverständnisses auseinanderdrifteten. Allerdings war Arran ein sehr zurückhaltender Junge, und sie hatte fast ein ganzes Semester gebraucht, um sein Vertrauen zu gewinnen. Sie wollte es auf keinen Fall riskieren, indem sie sich ungebeten in seine Angelegenheiten einmischte.

Sie war dankbar, dass sie und Rex ihren Streit bei der Abschlussfeier inzwischen beigelegt hatten. Damals hatte sie erfahren, dass er ihre erste Runde im Turnier absichtlich in den Sand gesetzt hatte, um bei einer Wette Geld zu gewinnen. Nach der Niederlage war die extrem ehrgeizige Vesper in ein tiefes Loch gefallen. Doch sie hatte ihm die Täuschung verziehen, und im Gegenzug hatte er über die fürchterlichen Gemeinheiten hinweggesehen, die sie ihm deswegen im Zorn an den Kopf geworfen hatte. Ihr wurde noch immer ganz anders, wenn sie an diese Beleidigungen zurückdachte. Doch aus irgendeinem Grund störte sich Rex nicht an Vespers gelegentlichen Ausbrüchen. Im Gegensatz zu ihrem Ex-Freund Ward, der ihr immer gesagt hatte, sie solle sich »entspannen« und aufhören, »sich so aufzuregen«, schien Rex ihr hitziges Gemüt sogar zu schätzen. Sie unterdrückte ein Lächeln, als sie an die Nachricht dachte, die er ihr vor der Patrouillenschicht geschickt hatte: Hilfst du mir vor dem Essen mit der Krawatte? Ich kann mich nicht mehr an den Trick erinnern, den du mir gezeigt hast …

Vor ein paar Tagen hatte Dash Rex für die förmlichen Abendessen an der Akademie einen eleganten Anzug geliehen, und Rex hatte Vesper gebeten, ihm mit dem Krawattenknoten zu helfen. Ihr Besuch hatte damit geendet, dass sie beide viel weniger Kleidungsstücke trugen, als sie ursprünglich angehabt hatten. Vesper zweifelte nicht daran, dass der hochbegabte Rex, der beim Eignungstest die höchste Punktzahl sämtlicher Kadetten im ersten Jahr erhalten hatte, selbst herausfinden konnte, wie man einen Binder knotete. Aber sie war froh, wenn er noch ein bisschen mit dieser Scharade weitermachte.

»Wir haben Reisegeschwindigkeit erreicht. Bitte beginnen Sie mit dem Normalbetrieb.« Vesper löste ihren Gurt und begann gemeinsam mit Arran, die Radarschirme nach ungewöhnlichen Bewegungen an den Rändern des Sonnensystems abzusuchen. Es war eine mühsame und zugleich nervenaufreibende Arbeit. Solange die Geisterschiffe mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs waren, gab es keine Möglichkeit, sie aufzuspüren, und so konnten sie jederzeit ohne jede Vorwarnung in den Außenbereichen des Quatra-Systems auftauchen.

»Tut sich irgendwas?«

Vesper drehte sich um und sah Captain Arrezo quer über das Deck zur Navigationsstation kommen. In ihrer weißen Uniform mit den glänzenden Messingknöpfen wirkte sie elegant und kraftvoll.

»Nichts, Captain«, antwortete Arran.

Vesper schüttelte zur Bestätigung den Kopf.

Arrezo betrachtete stirnrunzelnd ihren Link. »Sula berichtet von widersprüchlichen Messwerten im Stromnetz. Könnten Sie das bitte überprüfen, Korbet?«

»Sofort.« Arran salutierte und eilte davon. Obwohl sich Kadetten im ersten Jahr offiziell noch nicht spezialisierten, war dem Lehrkörper Arrans technische Begabung nicht verborgen geblieben.

Während Arran in den Korridor hinaustrat, der vom Hauptdeck zur Treppe führte, ertönte ein markerschütterndes Donnern. Das Schiff kippte zur Seite. Als Pilotin konnte Vesper urplötzliche Bewegungen, bei denen ihr flau im Magen wurde, eigentlich gut verkraften, doch normalerweise saß sie auch in einem wendigen Kampfschiff und nicht an Bord eines großen Schlachtschiffs. Da sie nicht angeschnallt war, wurde sie aus dem Sitz geschleudert und prallte schmerzhaft gegen die Wand.

»Wir wurden getroffen!«, rief der Pilot. Selbst von Weitem konnte Vesper sehen, wie sich seine Fingerknöchel weiß verfärbten, während er mit aller Kraft das taumelnde Gefährt zu stabilisieren versuchte.

Captain Arrezo stand noch immer aufrecht. Sie stützte sich mit einer Hand an der Wand ab und hob den Link zum Mund. »Das sind die Geister! Alle auf die Gefechtsstationen«, drang ihre gefasste Stimme aus den Lautsprechern. Sie ließ den Arm wieder sinken und wischte durch die verschiedenen Konfigurationen auf dem Radarschirm. »Wo zur Hölle sind die?«, murmelte sie. »Haben Sie vor der Explosion irgendetwas gesehen?«

»Nein, da war nichts«, sagte Vesper und betrachtete benommen den Monitor. »Ich zeige Ihnen die Aufnahmen der letzten Minuten.« Inzwischen hatte das Wackeln des Schiffs so weit nachgelassen, dass Vesper schwankend zu ihrem Sitz zurückkehren konnte. Dort angekommen, merkte sie jedoch, dass sie nicht Platz nehmen konnte. Die Schwerkraft des Schiffs war ausgefallen.

»Scheiße«, stöhnte Arrezo, während sie sich mühsam an der Wand entlanghangelte. »Sie müssen eine Art elektromagnetischen Impuls gesendet haben, um die Schwerkraft zu deaktivieren, und wer weiß, was sonst noch alles. Mills, drehen Sie um!«, rief sie dem Piloten zu, bevor sie sich an Vesper wandte. »Finden Sie sofort das Schiff, das uns angegriffen hat. Ich muss die Akademie alarmieren.«

»Schon dabei.« Vesper stieß sich von der Wand ab und schaffte es, die Beine lange genug um den Sockel ihres Stuhls zu schlingen, um sich wieder anzugurten. Sie vergrößerte und verkleinerte die Radarfenster und inspizierte die Umgebung aus allen Blickwinkeln, doch nirgends war eine Bewegung zu entdecken. Wo zum Teufel sind sie hin?

»Siehst du irgendwas, Arran?« Keine Antwort. »Arran?«

Der Gurt schnitt ihr in die Schulter, als sie sich umdrehte. Sie hatte damit gerechnet, dass Arran nach Arrezos Befehl zu seinem Platz zurückgekehrt war, doch sein Platz war leer. »Arran?«, rief sie erneut und drehte sich in die andere Richtung. Aus dem Augenwinkel sah sie eine reglose Gestalt vor dem Eingang zur Brücke schweben. »Arran!«

Vesper schnallte sich los, hielt sich an ihrem Stuhl fest und stieß sich mit aller Kraft mit den Füßen von der Rückenlehne ab. Der Schwung reichte nur für die halbe Distanz. Um nicht hilflos in der Mitte der Kabine zu schweben, wendete sie eine Technik an, die sie während ihrer stundenlangen Übungen im Schwerelosigkeitsraum gelernt hatte: Sie landete in der Hocke, stieß sich erneut ab und kam leichtfüßig neben Arran auf, wo sie den Fuß an der Tür einhakte, sodass sie nicht von ihm wegtrieb.

Arran schwebte wenige Zentimeter über dem Boden. Er war unter einem Metallstück eingeklemmt, das sich von der Decke gelöst hatte. »Arran«, flüsterte sie und drückte sanft seine Schulter. Seine Augen waren geschlossen, die Haut wirkte gräulich. »Geht es dir gut?« Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, entdeckte sie einen Blutfleck, der sich rasch ausbreitete. Als sie sah, was die Blutung verursachte, verschlug es ihr den Atem: Aus Arrans Oberschenkel ragte ein gezacktes Metallstück.

»Nein …« Vesper streckte die Finger nach seinem Hals aus. Sein Puls war noch immer stark. Sie musste nur die Blutung stoppen. »Ich brauche hier Hilfe!«, rief sie.

»Was ist los?«, erwiderte Captain Arrezo, während sie zu ihnen herüberschwebte.

»Arran ist verletzt. Ich weiß nicht, was ich tun soll.«

Captain Arrezo erreichte sie und tastete nach Arrans Puls. »Kadett Korbet benötigt medizinische Hilfe«, sagte sie in ihren Link und fluchte leise. »Der Medizinroboter sitzt in der Krankenstation fest. Die Tür ist blockiert. Sie müssen einfach Ihr Bestes geben.«

»Was?« Vesper starrte Captain Arrezo entsetzt an. »Ich habe überhaupt keine Ahnung, was ich tun soll.«

»Die Einsatzleitung will mit Ihnen sprechen, Captain«, rief der Pilot heiser.

»Ich muss zurück«, sagte Arrezo. »Fragen Sie Ihren Überwacher nach Anweisungen. Wenn irgendetwas schiefgeht, komme ich gleich wieder.« Sie schnellte zur Kommandozentrale zurück und ließ Vesper mit Arran allein.

»Hilf mir bitte«, sagte Vesper zu ihrem Überwacher.

»Notfallmodus aktiviert. Bitte warten Sie auf Anweisungen.«

»O Antares, Arran«, flüsterte Vesper und drückte seine Hand. »Bitte, halte durch. Bitte.«

»Laut meinen Scans befinden sich auf Ihrer Hautoberfläche nur sehr wenige gefährliche Mikroben. Sie können den Fremdkörper aus dem Bein des Patienten entfernen.«

Vesper starrte mit einem mulmigen Gefühl auf das Metallstück in Arrans Schenkel hinab. »Wird es ihm wehtun?«

»Der Schmerz wird nicht lange anhalten.«

Vespers Herz pochte. Sie spürte, wie sich Schweiß auf ihren Handflächen sammelte. Beinahe hätte sie ihn an ihrer Jacke abgewischt, besann sich aber gerade noch eines Besseren. Sie durfte ihre Hände keinesfalls noch weiter verunreinigen. »Okay, Arran, ich werde so schnell machen, wie ich kann. Es ist gleich vorbei, und dann wird alles wieder gut. Das verspreche ich dir.«

Zögernd legte sie eine Hand auf den Metallgegenstand, der wie ein Teil des Filtersystems aussah, und suchte eine Weile nach dem richtigen Griff, bevor sie ihn schließlich fest packte. Sie verankerte einen Fuß an der Wand, holte tief Luft und zog. Der Fremdkörper glitt aus der Wunde und schwebte in der Luft, als Vesper ihn losließ. Arrans Augenlider flatterten, öffneten sich aber nicht. »Okay, und was jetzt?«

Vespers Überwacher erklärte ihr, wie man einen provisorischen Druckverband anfertigt. Sie befolgte die Anweisungen und platzierte den letzten Knoten direkt über der Wunde um Arrans Bein.

»Vesper«, sagte Arran benommen und schlug die Augen auf. Antares sei Dank war wieder Farbe in seine Wangen zurückgekehrt. »Was ist hier los?«

»Wir sind angegriffen worden, und die Schwerkraft ist ausgefallen. Ich bringe dich zu deinem Platz zurück.«

»Nein.« Er schüttelte den Kopf und verzog gleich darauf das Gesicht. »Ich muss nach Sula sehen.«

»Auf keinen Fall. Du bist gerade fast verblutet!«

»Achtung, Sauerstoffabfall«, ertönte eine teilnahmslos klingende automatische Stimme, und die Lichter begannen zu flackern. »Das Lebenserhaltungssystem ist beschädigt.«