Liliental - Kleine mystische Schriften - Thomas von Kempen - E-Book

Liliental - Kleine mystische Schriften E-Book

Thomas von Kempen

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Beschreibung

Dieses (...) schreib dir, kleiner Schüler, in dein Herz, wie in das Buch des Lebens ein. Alle Tage schau in dieses dein Büchlein hinein, und gewöhne dich an gute Sitten. Es sind nur wenige Worte; aber sie enthalten große Geheimnisse, und die Werke der Vollkommenen. Sie zieren dein Äußeres, und beruhigen dein Inneres. In der Verachtung und Abtötung seiner selbst liegt der Anfang und das Wachstum der Gottseligkeit, die zur Anschauung Gottes führt. Niemand steht fest, außer allein in Gott. Die Liebe zu Gott ist ein fester Grund, und der Demut wird diese Gnade gegeben. Wer auf Gott vertraut, der erträgt alles mit Geduld: und wer Gott aus reiner Absicht sucht, der wird leicht zufrieden sein. Wer sich selbst sucht, wird sich selbst finden. Wer auf jedes Wort antworten will, der wird erfahren, daß es ihm schädlich sei. So lange das Herz nur in irdischen Dingen seinen Trost sucht, wird es immer hin und her wogen. In Gott ist wahre Herzensfreude; außer Gott gibt es keinen Frieden und keine Ruhe. Thomas von Kempen

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Vorrede.

SO bekannt das goldene Buch von der Nachfolge Christi in der ganzen christlichen Welt ist, so unbekannt sind großenteils die übrigen vielen Schriften des nämlichen frommen Verfassers.

Während nun bisher nur immer dessen eine kostbarste Perle vorgezeigt wurde, glaube ich kein unwillkommenes Geschäft unternommen zu haben, daß ich auch von den übrigen, auch guten Perlen einige aus ihrer unverdienten Verborgenheit hervorziehe.

Ich wählte aus den sämtlichen Werken des gottseligen Verfassers sechs längere und kürzere Schriften aus, und übersetzte sie mit der Beflissenheit, bei reinem Sprachausdruck jene Einfalt beizubehalten, welche in dem Original das Herz des Lesers so sanft anspricht, eingedenk, daß Gott gern mit den Einfältigen rede.1

Möge dieses Werkchen in recht viele Hände kommen, und in ebenso vielen Herzen gute Früchte für das ewige Leben zur Verherrlichung Gottes hervorbringen. Dies ist der einzige Wunsch, wie die einzige Absicht des Übersetzers.

1 Spr. 3, 32.

Inhalt.

Liliental, oder Abhandlung von Tugenden, die Jesus Christus auf die Demut gründet.

Von den drei Hütten, oder von der Armut, Demut und Geduld.

Von der wahren Zerknirschung des Herzens, oder Seufzer einer Büßenden Seele.

Vom Anerkennen eigener Gebrechlichkeit.

Ermahnung zum Wachstum im Geiste.

Kleines Alphabet für Schüler in der Schule Christi.

I. Liliental, oder Abhandlung von Tugenden, die Jesus Christus auf die Demut gründet.

Zur Verherrlichung Gottes, zum Trost der Bedrängten.

Vorbericht.

DER Gerechte wird gleich einer Lilie aufkeimen, und ewig vor dem Herrn blühen.2 Dieses Büchlein kann Liliental überschrieben werden, weil es von vielen Tugenden handelt, die gleich glänzenden Lilien von dem Herrn Jesus in dem Tal der Demut gepflanzt, und durch innere Ergießung des Heiligen Geistes mild betaut werden. Der heilige Papst Gregorius sagt: Wer sich Tugenden erwerben will ohne Demut, der trägt Staub in den Wind. Von solchen Lilien redet auch die Braut Christi, die demütige, andächtige Seele, im Hohen Lied zu ihrem Jesus, wenn sie voll Freude in ihrem Herzen über seine Heimsuchung und Gnaden mit dem Mund singt: Mein Geliebter ist mein, und ich bin sein: er weidet unter Lilien.3 Und wiederum: Mein Geliebter ist weiß und rot: er wird sich an meine Brust senken.4 Ihm sei Lob, Ehre und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

2 Hos. 14, 6.

3 Hohel. 2, 16.

4 Hohel. 5, 10. 1, 12.

1. Kapitel.

Von einem dreifachen Zustand des menschlichen Lebens.

Ich bin wie eine Blume auf dem Feld, wie eine Lilie im Tal.5

SO spricht Christus im allgemeinen zu seiner heiligen Kirche, und insbesondere zu jeder andächtigen Seele. Denn Christus ist der holdselige Bräutigam der heiligen Kirche, das Haupt aller Gläubigen, die Blume aller Tugenden, die Lilie des Tales, der Liebhaber der Demut und Keuschheit.

Wer daher Christus dienen, und ihm, dem himmlischen Bräutigam, gefallen will, der befleiße sich, seine sündhaften Neigungen zu besiegen, Lilien der Tugenden zu sammeln, den Müßiggang zu meiden, gern zu studieren, Bücher zu schreiben, eine nützliche Handarbeit vorzunehmen, oft zu beten, mit Gott innig vertrauten Umgang zu haben, von lärmenden Gesellschaften fernzubleiben, die Einsamkeit zu lieben, über fremde Dinge, die ihm nachteilig werden könnten, zu schweigen.

Äußeres gutes Betragen ohne innere Tugend hat wenig Wert vor Gott. Es ist ein Gefäß, das von außen schön geziert, im Innern aber leer ist. Wie aus einem Geschirr, das mit gutem Wein gefüllt ist, ein guter Geruch hervorkommt: so kommen aus dem guten Herzen eines gottseligen Menschen gute Worte und heilige Werke hervor, zur Verherrlichung Gottes, und zum Heil des Nächsten.

Lieber Bruder! Sei aufmerksam auf den Beruf, in dem du dich befindest, und vor den Menschen wandelst: suche Gott würdig zu gefallen, und deine Mitmenschen durch heilige Sitten und Handlungen zu erbauen. Denn was du immer Gutes tust, was du immer Böses vor Gott begehst, das fällt ganz auf dich zurück.

Wenn du daher ißt und trinkst, schläfst und ruhst, und nach deinem Willen und Gutdünken bald da, bald dorthin gehst, dann vollziehst du Werke des Fleisches, und gleichst den Tieren der Erde; denn auch sie laufen umher, fressen und trinken, und füllen ihren Bauch an, bis sie satt sind. Wer sie daran hindern will, den greifen sie mit ihren Hörnern und Krallen an, schrecken ihn durch ihre Blicke, beißen ihn mit ihren Zähnen, und erheben ein fürchterliches Gebrüll.

So sind die fleischlichen Menschen, die Sklaven des Bauches, die Geizigen, Stolzen, Zornmütigen und Zanksüchtigen, die den Geist Gottes nicht haben, sondern von ihren Leidenschaften sich beherrschen lassen.

Allein, wenn du wachst und betest, wenn du liest, und Psalmen und Hymnen zum Preis Gottes und seiner Heiligen singst; oder wenn du fastest, von Sünden dich enthältst, und dem Nächsten dienst; oder wenn du über deine Sünden trauerst, seufzt und weinst, sie beichtest, und Gott um Verzeihung bittest; dann vollbringst du Werke des Heiligen Geistes, wandelst nach dem Geist, und hältst dich an die Ordnung eines gottseligen Lebens.

Denn so wirst du den heiligen Engeln im Himmel gleich, die immer Gott loben, preisen und ihm singen, die ihr Angesicht nie von ihm abwenden.

Wenn du aber stolz bist, zürnst, verleumdest, murrst, betrügst und lügst, andere beunruhigst, über ihr Unglück dich freust, und über ihr Glück dich betrübst; oder wenn du deinen Nächsten verachtest, und in allen Dingen nur deinen Vorteil suchst: dann folgst du dem Satan, und wirst den Teufeln ähnlich, wegen deiner Bosheit, und durch die Sünden, die du begehst.

Denn diese folgen nur ihren Leidenschaften, und tun Böses, soviel sie nach ihrer Verwegenheit tun können: sie haben ihre Freude am Bösen, weil sie nicht gut sind, und gehen nur darauf aus, andere zu verführen, und zu verschlimmern.

Das Leben der Gerechten ist also den Engeln verwandt, das Leben der Fleischlichen ist ähnlich den Tieren, und das Leben der Stolzen gleicht den Teufeln. O du Diener Gottes! Sei auf deiner Hut, daß du nicht in ihre Fallstricke verwickelt, und im Gericht von ihnen angeklagt und zuschanden gemacht wirst.

2. Kapitel.

Vom Lob Gottes bei der Armut und Andacht.

Der Arme und der Dürftige werden deinen Namen loben, o Herr!6

F ÜHLST du Trockenheit, Kälte und Überdruß in deinem Gebet, und in deinen frommen Betrachtungen über Gott, so verzage darum nicht, und laß nicht ab, in Demut zu Jesus zu rufen, lobe Gott bei der Armut deines Geistes, danke ihm, und lies gern zu deinem Trost diesen Vers: Der Arme und der Dürftige werden deinen Namen loben, o Herr!

Denn viele Heilige und Andächtige sind manchmal trocken, und lange Zeit von Gott wie verlassen gewesen; durch den Schmerz und die Hilflosigkeit, in welche sie versetzt wurden, mußten sie lernen, geduldig zu sein, mit anderen Mitleid zu haben, und zur Zeit der Andacht und der Herzensfreude nicht zu viel Vertrauen auf sich selbst zu setzen.

Lies auch diesen Vers aus dem Psalm des Propheten: Ich bin zwar arm und dürftig; der Herr sorgt aber für mich.7 Ich vertraue auf den Herrn; denn er ist meine Kraft und mein Heil. Das ist wahr; denn alles Gute kommt von Gott.

Übernimm dich daher nicht, wenn du fröhlich bist, und werde nicht mutlos, wenn Traurigkeit auf dir liegt; sondern sei du in allem zufrieden, wie es dem Herrn in seinen Augen wohlgefällig ist. Du hast ja nichts Gutes aus dir selbst; alles Gute kommt von Gott.

Wird dir die Gnade der Andacht gegeben, dann strahlt die Sonne am Himmel, die Seele wird erleuchtet, sie frohlockt, als wären ihr Schätze beschert. Allein du täuschst dich zu deinem Unglück, wenn du dich übernimmst, und aufgeblasen wirst.

Wird dir aber die Gnade im Stillen entzogen, und deiner undankbaren Seele entrissen, dann bist du wahrhaft arm und krank, du kannst wenig ertragen, und findest keinen Geschmack am Beten.

Nimm es als eine Wohltat an, daß Gott dich arm macht, und mit seinen Auserwählten demütigt, daß er für deine verborgenen Fehltritte und täglichen vielen Vernachlässigungen deinen Rücken mit der Rute seiner Kinder schlägt, auf daß du gering wirst in deinen Augen, und nie eine hohe Meinung von dir hast, nach der Warnung des heiligen Paulus im Brief an die Römer: Sei nicht hoffärtig, sondern fürchte dich!8 Von sich gering denken und alles Gute vom Grund aus Gott zuschreiben, ist ein großer Gewinn für die Seele.

3. Kapitel.

Die Gerechten werden durch Widerwärtigkeiten geprüft.

Gerechte! Freut euch in dem Herrn.9

IM Himmel ist unaufhörliche Freude; in der Hölle ist unaufhörliche Traurigkeit; auf der Erde ist Freude und Traurigkeit abwechselnd, zur Prüfung der guten und der bösen Menschen.

Im Sommer sind die Tage heller, und im Winter sind sie trüber: so ist es auch mit einer andächtigen Seele. Wenn die Gnade Gottes sie heimsucht, und erleuchtet; dann sieht und versteht sie viele verborgene Wahrheiten, und singt und frohlockt im Gefühl einer großen Andacht.

Allein zur Stunde der Prüfung, wo ihr die Gnade der Andacht entzogen wird, da ist Winter und Frost, Dunkelheit im Verstand und Schüchternheit im Gemüt. In so einer Lage hat sie die Geduld vonnöten, sie ist Gott noch angenehmer; die Tugend nimmt in der Trübsal zu, und durch Geduld vermehrt sich auch ihre Belohnung in der Ewigkeit.

Widerwärtigkeiten demütigen und reinigen die Seele, beschämen den Stolz, und verjagen die eitle Ehre.

So lange die Seele im Leib wohnt, hat sie Gutes und Böses zu ertragen, um in der Liebe zu Christus immer mehr zuzunehmen.

Es ist daher eine große Kunst, und eine große Tugend, vom Guten und Bösen den rechten Gebrauch zu machen wissen.

Meine Seele! Preise den Herrn zu jeder Zeit: Sion! Lobe Tag und Nacht deinen Gott; überall wird dein Lohn groß sein, vor Gott im Himmel, und hier auf Erde, und alles wird dir frommen, Glück und Unglück, Gutes und Böses, Freude und Traurigkeit.

Darum sagt der Apostel: Denen, die Gott lieben, dient alles zum Guten10, und denen, die ihn fürchten, wird es an nichts fehlen. Selig, die in allen Dingen nur auf Gottes Willen sehen.

5 Hohel. 2, 1.

6 Ps. 73, 21.

7 Ps. 39, 18.

8 Röm. 11, 20.

9 Ps. 32, 11.

10 Römer 8, 28.

4. Kapitel.

Die wahre Liebe zu Gott.

Liebt den Herrn, ihr alle seine Heiligen, kleine und große; denn er hat den Kleinen und den Großen erschaffen.11

WER Gott wahrhaft liebt, der hat eine reine Liebe zu ihm, er liebt Gott wegen Gott, einzig, um ihn zu genießen, nicht um Gewinn aus ihm zu ziehen, nicht irgendeines Eigennutzes wegen, nicht, um dadurch Trost oder Belohnung zu verdienen; sondern das ganze und letzte Ziel der Liebe ist Gottes unendliche Güte und über alles erhabene Würde.

Darum spricht und wiederholt auch der Psalmensänger zum Preis Gottes oft diese Worte: Dankt dem Herrn; denn er ist gütig. O! Wie ist dieses Wort dem Liebenden so süß.

Der Beisatz: Denn ewig währt seine Barmherzigkeit, ist ein großer Trost für jene, welche Buße tun, und ihre Sünden bereuen. Der gebrechliche Mensch verzweifle daher nicht seiner Sünden wegen; denn Gottes Barmherzigkeit währt ewig.

Wer sich am tiefsten erniedrigt, und Gott am innigsten liebt, der gefällt ihm am meisten.

Selig, der sich für den Allergeringsten ansieht, und alles meidet, was er als mißfällig vor Gott erkennt.

Selig, der wegen Gott, und um ihm zu gefallen, alle seine Werke aus Liebe und reiner Absicht verrichtet, und jeden guten Gedanken ganz zur Ehre, zum Preis und zur Verherrlichung Gottes aufopfert.

Selig, der sich nichts zurückbehält, sondern alles frei Gott zurückgibt, was er von ihm empfangen hat.

11 Ps. 30, 24. Weish. 6. 8.

5. Kapitel.

Von der Dankbarkeit der Seele für alles Gute.

Preist des Herrn Größe mit mir. Laßt uns vereint seinen Namen erhöhen.12

D ERJENIGE preist Gottes Größe, der ihm auch für die kleinsten Wohltaten den größten Dank weiß; denn sie kommen von dem, der über alles hocherhaben ist.

Nichts darf dir klein, nichts gering sein, was der Allerhöchste aus bloßer Gnade dir gibt.

Darauf sieht, und das fordert Gott ganz vorzüglich, daß man ihn aus reiner Absicht liebe, jede Sünde meide, und immer und in allen Dingen gegen ihn dankbar sei.

Der ist groß vor Gott, der sich aus wahrer Demut gering schätzt und unterwirft, der sich aller Gaben und Wohltaten unwert hält, über nichts Gutes eine eitle Freude hat, und nicht begierig nach Lob ist.

Noch größer ist derjenige, der, wie Hiob, geschlagen und verachtet, gelästert und verarmt, verlassen und geprüft, bedrängt, verspottet und verschmäht Gott dankt, und freudig ihn preist, der jede Beschwerde, jedes Unglück, das ihm widerfährt, für den größten Gewinn hält, aus Liebe zu Gott erduldet, und um keine Klage weiß.

Selig, der die schmerzende Rute mit frommem Sinn, wie Hiob, von der Hand Gottes empfängt, und sich gänzlich dem Willen Gottes überläßt, und hinopfert.

Selig, der stets nur das sucht und wählt, was Gott gefälliger ist, statt des Ergötzlichen nur nach dem Schlechten greift, in der Kränkung größere Freude fühlt, und jeden zeitlichen Schaden für einen Gewinn der Seele ansieht.

12 Ps. 33, 4.

6. Kapitel.

Von her Gleichförmigkeit einer andächtigen Seele mit Jesus dem Gekreuzigten.

Ich bin bei ihm in der Trübsal.13

WAS ist das, o Herr! Erkläre mir dieses Wort, das du geredet hast, enthülle mir den Sinn dieses Verses, zum Trost deines Knechtes.

Höre, mein Sohn! Wenn Trübsal und Herzensangst über dich kommt, dann bist du mit Jesus an das Kreuz geschlagen; und wenn du wieder Trost bei deiner Andacht fühlst, und in Hymnen und Liedern zum Preis Gottes entzückt bist, dann stehst du, erneut im Geist, mit Jesus auf, du wirst gleichsam von den Toten aus dem Grab auferweckt, und singst ein fröhliches Halleluja.

Wenn du aber auf deinen Knien für deine Sünden betest, und in deinem Innersten trauerst und weinst; dann klopfst du mit harten Schlägen an die Pforte des Himmels an.

Wenn du um alles Irdische ganz unbekümmert bist, und in deinem Herzen nur an das Himmlische denkst, dann fährst du mit Jesus zum Himmel, und gesellst dich zu den Engeln.

Sei daher sanftmütig, demütig und geduldig bei jedem Ereignis, bei jeder Schwachheit, die über dich hereinbricht, und zwar aus Liebe zu Gott: trag dein Kreuz geduldig mit Jesus, stirb täglich am Kreuz, um deines ewigen Heiles willen; denn in jeder mit Geduld übertragenen Trübsal des Fleisches liegt eine Arznei für die Seele, eine Genugtuung für die Sünden, und die Hoffnung der zukünftigen Seligkeit und Herrlichkeit. Amen.

13 Ps. 90, 15.

7. Kapitel.

Von dem Wandel einer reinen Seele vor Gott.

Wandelt, so lange ihr das Licht habt.14

DER wandelt im Licht mit Gott, der nichts von dieser Welt zu haben wünscht, sondern sein Herz zu Gott im Himmel fest gerichtet hält. Denn dort ist der verborgene Schatz der Seele, unser Herr Jesus Christus, in dem alles Gute enthalten ist.

Wer Gott nicht zum Freund hat, der ist immer elend und dürftig, wenn er auch alles hat. Gott hat aber den zum Freund, der ihn liebt, und sein Wort hält.

Der hält Gottes Wort getreu, der nie ein müßiges Wort redet, der im Werk zeigt, was er mit dem Mund spricht, der seine eigene Ehre nicht sucht, sondern alles Gute, das er getan hat, oder an anderen wahrnimmt, durchaus auf Gottes Verherrlichung zieht.

Wer sich selbst gefällt, der gefällt einem Toren, mißfällt aber Gott. Befleiße dich daher, in allen deinen guten Handlungen und Reden Gott zu gefallen, damit du des Guten noch mehr von ihm empfängst.

Warum rühmst du dich wegen natürlicher Gaben? Du bist ja sterblich, und bald wirst du eine Speise der Würmer sein. O Jüngling! Höre die Lehre eines Greises: Entferne dich von Dingen, die dich zerstreuen; denn du wirst keine Ruhe finden, außer du ziehst dich in dein Herz zurück, sehnst dich nach Gott mehr, als nach allem, was gut ist, und liebst ihn auf das innigste.

14 Joh. 12, 35.

8. Kapitel.

Vom Frieden des Herzens, und von der Ruhe in Gott.

Im Frieden ist seine Wohnung.15

WER besitzt den wahren Frieden? Der sanftmütig, und vom Herzen demütig ist. Warum willst du wissen, wie es mit anderen stehe, und gibst in gar vielen Dingen auf dich selbst nicht acht?

Sieh! Wer sich mehr zu verdemütigen, und mehr für Gott zu leiden weiß, der hat auch mehr Frieden. Ihm wird jede Arbeit leicht für Gott, den er in seinem Herzen hat.

Selig, wer mit Gott redet, geschehe es durch Beten, Betrachten, Singen oder Lesen, und der von fremdartigen Dingen schweigt, die sich in der Welt ereignen.

Wo du immer bist, vorübergehst, oder fliehst, geht auch dein Gedanke mit dir vorüber. Ein guter Gedanke bringt Freude, ein böser Traurigkeit. Der Zorn verwirrt, der Neid verblendet, der Haß tötet. Andächtiges Lesen gibt Unterricht, Gebet entzündet das Herz, und Handeln vollzieht das Wort.

Heilige Gespräche reinigen das Herz, eitle beflecken, müßige ärgern, harte kränken, sittliche erbauen, geschichtliche stärken den Glauben, himmlische erheben das Herz in den Himmel.

Reinige daher dein Herz von aller Bosheit, und du wirst wahren Frieden genießen. Wahren Frieden hat nur der Gottselige, nur der Tugendhafte, der aus Liebe zu Gott alle seine Pflichten genau vollzieht.

Halte dich ruhig, lerne für Gott etwas Geringes ertragen; er wird dir jede Beschwerde, jede Unruhe abnehmen.

Ein gottseliges Leben, und ein gutes Gewissen machen, daß man in der Trübsal und im Tod Zuversicht zu Gott hat; ein böses Gewissen aber hat immerwährend Furcht und Streit.

Ein zornmütiger Mensch gerät schnell von einem kleineren in ein größeres Übel. Wer geduldig und sanftmütig ist, der macht sich seinen Feind zum Freund, und wird finden, daß Gott, wegen seiner Erbarmungen, die er gegen ihn, den Sünder hat, ihm gnädig sei.

9. Kapitel.

Versammle dein Herz in Gott.

Wer mit mir nicht sammelt, der zerstreut, sagt unser Herr Jesus Christus.16

WENN du viel zerstreut bist, und zu keiner rechten Andacht kommen kannst, weil der Satan dir mancherlei vorspiegelt, die Leidenschaft dein Herz erbittert, Menschen dir mißfallen und dich beunruhigen, so gib dir Mühe, dich im stillen zu versammeln, bete ein Vaterunser und den englischen Gruß, wirf dich zur Erde nieder vor einem heiligen Kruzifixbild, vor einem Bild der seligsten Jungfrau Maria, oder vor einem anderen zur Andacht weckenden Bild eines Heiligen, das zur Ehre Gottes und zum Andenken der Heiligen ist gemacht worden.

Ruf besonders Jesus und Maria an mit allen Engeln und Himmelsbürgern, damit dir wieder Barmherzigkeit und Gnade des göttlichen Trostes gegeben werde, sprich mit dem heiligen Psalmensänger David: Herr! Vor dir liegt meine ganze Sehnsucht, und meine Seufzer sind vor dir nicht verborgen.17 Herr! Du bist meine Hoffnung von Jugend auf; zu dir nehme ich in der Trübsal meine Zuflucht.

Lehre mich, o Herr, meinen Willen verleugnen, und stets nur auf deinen Willen sehen und ihn vollziehen; denn das ist dir wohlgefällig und mir nützlich; es gereicht zum Heil meiner Seele.

O Heer! Möge mir nie widerfahren, daß ich etwas denke, wünsche oder tue, das dir mißfällig oder meinem Nächsten schädlich ist, nach dem Gebot, das du mir und allen denen, die dir dienen, gegeben hast.

Wenn ich dawider handle, so bringe mich zur Besserung nach deiner Barmherzigkeit, und richte mich nicht nach deinem Zorn zugrunde; denn du bist mein Gott, und ich bin dein armer, dein gebrechlicher Knecht, der in allen Dingen deiner Gnade und Barmherzigkeit ganz vorzüglich bedürftig ist. Dein heiliger Name sei jetzt und in Ewigkeit über alles hochgepriesen. Amen.

10. Kapitel.

Von der Wachsamkeit und dem Gebet wider die Versuchungen.

Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallt18 von seiten des Fleisches oder des Geistes, des Satans, oder der Welt.

DAS Fleisch reizt zur Begierlichkeit, der Geist zum Hochmut, der Satan zum Neid, die Welt zur Eitelkeit. Christus aber lehrt uns das Gegenteil.

Denn sein Wort empfiehlt uns Keuschheit, Demut, Liebe und Verachtung der Welt, damit wir das Reich Gottes verdienen, und der Strafe der Hölle entgehen.

Wir müssen daher allzeit und überall wachen und beten; denn nirgends haben wir Ruhe vor dem bösen Feind, der nie ruht, und nie abläßt, uns zu versuchen, sondern umhergeht und sucht, wen er hintergehen und beunruhigen, in den Übungen der Gottseligkeit verhindern und vom Gebet abwendig machen möge.

Das ist die Ursache, warum unser Herr Jesus Christus, der die Bosheit des Satans, den Nutzen des Gebetes, die Stärke des Feindes und die Schwäche des Menschen kennt, seine Jünger und alle seine Gläubigen mit allem Nachdruck ermahnt, sie sollen wachen und beten, wenn sie nicht ihren Feinden, d. i. ihren sündhaften Neigungen unterliegen wollen.

Wacht daher und betet, damit ihr nicht in die Versuchung des Satans geratet, und derselben nicht unterliegt. Kannst du nicht alle Psalmen lesen, so lies nur einen Psalm, nur einen Vers, nur ein andächtiges Lied von Jesus, von Maria, von irgendeinem Heiligen, um durch Seufzen und durch den Ausbruch des mündlichen Gebetes dein Herz mit Gewalt zu Gott emporzuheben.

Der Herr ist nahe allen denen, die ihn mit Demut anrufen. Denn das demütige Gebet des Gerechten dringt durch den Himmel, gibt Zuversicht zu Gott, und vereitelt den Plan, die Macht, die Drohungen und Possen des Teufels.

Wenn du von außen lauter Hindernisse findest, so geh nach dem Rat Christi in dein Kämmerlein, schließ die Tür zu und bete im verborgenen zu deinem Vater. Denn er weiß um deine Gedanken, Wünsche und Bedürfnisse.

Sprich daher in allen deinen Gebeten so: „Vater! Nur dein, nicht mein Wille soll allzeit geschehen: mach es mit mir, wie es dir wohlgefällig, und mir heilsam ist.“

Befindest du dich mit anderen im Chor (im gemeinschaftlichen Gebet), so lies und sing mit ihnen, wie ein Engel vor Gott. Verbinde mit dem äußerlichen Gesang innerliche Zerknirschung. Gefalle den Menschen; aber mißfalle dabei Gott und seinen heiligen Engeln nicht.

Gott sieht mehr auf ein zerknirschtes Herz, als auf eine lauttönende Stimme; denn durch demütiges Gebet wird Gott versöhnt, durch eitle Ehre aber wird er beleidigt. Die Träne des Bußgeistes zieht Gnade von Gott herab und vermehrt die Tugend; über das zu laute Geschrei geht die Andacht verloren, und jede Schuld und Nachlässigkeit wird der Strafe nicht entgehen. Die Gnade Gottes bewahre uns vor diesen Übeln, und führe uns in das Himmelreich. Amen.

11. Kapitel.

Von der Furcht der ewigen Pein, dem Verwahrungsmittel vor Fleischessünden und Hoffart des Geistes.

Durchbohre mein Fleisch mit der Furcht vor dir.19

DAS ist ein heilsames Gebet wider die Fleischessünden, und zur Unterdrückung der Hoffart des Geistes.

Diese zwei Übel bereiten dem Menschen täglich Kampf und Unruhe; denn entweder hat das Fleisch unerlaubte Gelüste, oder der Geist erhebt sich des Guten wegen und hascht nach Lob. Ein zweifaches großes Übel, verbunden mit einer zweifachen großen Gefahr.

Leidest du Versuchung von dem armseligen Fleisch, das in kurzer Zeit sterben muß, so denke an die Pein des ewigen Feuers; durch das Feuer der Hölle wirst du das Feuer der Begierlichkeit auslöschen, die schwächeren Regungen werden durch die stärkeren erstickt werden, so, daß der Geist durch das Feuer gerettet wird.

Jede fleischliche Lust ist von kurzer Dauer: betrügerisch und eitel ist jede Freude der Welt, jede Schönheit des Leibes, alles, was Ehre und Ruhm heißt.

Wie ein heftiges Kopfweh einem im Vergnügen ausschweifenden Menschen mit Gewalt Seufzer und Tränen erpreßt; so bewirkt auch die Furcht vor dem Tod und das Feuer der Hölle, daß ein vielen Leidenschaften und Versuchungen unterworfener Mensch von der Sünde sich enthält.

Wer keine Furcht hat, der fällt bald in die Sünde: und wer vor Gott und seinen Heiligen sich nicht demütigt, der wird im Gericht von den Teufeln zuschanden gemacht, und von ihnen schwere Pein erdulden.

Kraft, Wahrheit und Untrüglichkeit liegt in dem Spruch: Sei jemand ein Mensch oder ein Engel, Gott widersetzt sich den Hoffärtigen, den Demütigen aber gibt er seine Gnade.20 Die Barmherzigkeit des Herrn ist von Ewigkeit, und waltet in Ewigkeit über seine Heiligen und Auserwählten.

Fürchte dich daher, o Stolzer, in allen deinen Handlungen vor dem Gericht Gottes; sei nicht eitel, und rühme dich nicht, wenn du für etwas angesehen wirst.

Tust du auch alles, was im Kreis deiner Kraft und deiner Pflicht liegt, so fehlst du doch noch in vielen Dingen, und kannst statt tausend kaum eines bezahlen.21 Fürchte dich vor der Rute Gottes, fürchte dich vor seinem Stab, fürchte dich vor dem zukünftigen Gericht. Nichts Böses bleibt ungestraft, wie auch nichts Gutes unbelohnt bleiben wird.

Wenn deine Wohnung in Brand geriete, würdest du dich nicht fürchten, nicht schnell dich aufmachen und fliehen? Sieh, was Furcht und Schrecken, und der Gedanke an die zukünftigen Peinen vermögen, die zu keiner Zeit ein Ende nehmen werden. Verstärkte Furcht vor der Hölle verscheucht nämlich die Trägheit, und belebt den Eifer zum Gebet.

15 Ps. 75, 2.

16 Luc. 11, 23.

17 Ps. 37, 10.

18 Marc. 14, 38.

19 Ps. 118, 120.

20 Jac. 4, 6.

21 Job 9, 3.

12. Kapitel.

Das Andenken an die Leiden des Herrn bewahrt vor zügelloser Freude.

Selig sind, die da trauern; denn sie werden getröstet werden.22

UND von wem? Von keinem anderen, als von Christus, in dem Innersten ihres Herzens, und nicht durch eitle Dinge dieser Welt.

Leichtfertige und scherzhafte Worte, und vieles Lachen sind nicht vereinbar mit dem heiligen Leiden Christi und mit seinen schmerzlichen Wunden.

Wenn nur ein einziger Dorn aus der Krone Christi mein Haupt oder meinen Rücken durchbohrte, würde ich wohl lachen? O nein! Vielmehr würde ich vor Schmerz weinen und laut aufschreien.

Oder hätte ich einen Nagel vom Kreuz in meinem Fuß, wo würde ich hingehen oder laufen? Wahrlich, weder gehen noch laufen würde ich, sondern sitzenbleiben und Schmerz fühlen, und das Gefühl meiner Schmerzen lehrte mich mit Christus leiden.

Und o! Könnte ich die bittersten Tränen weinen, um Verzeihung aller meiner Sünden zu erlangen. O! Wie heilig ist der Schmerz, wie süß die Träne, welche das Mitleid über die heiligen Wunden unsers Herrn Jesu Christi vergießt.

Überfällt dich eine Beschwerde, eine Versuchung, eine Schwachheit, so nimm schnell deine Zuflucht zum Gebet, eile zur Fahne des heiligen Kreuzes, und sieh dich in den heiligen Wundmalen Christi um eine heilsame Arznei wider deine Leidenschaften um, durch andächtiges Gebet, durch ernstliche Betrachtung seines Leidens.

Erwäge, wie groß, breit und hoch das heilige Kreuz war, an welchem Jesus Christus entblößt mit scharfen Nägeln angeheftet für dich gehangen ist.

Zähle aufmerksam die vielen spitzigen Dornen in der Krone des Herrn, die den heiligen Scheitel des Sohnes Gottes so schmerzlich durchstochen, und ihm so viel Blut geraubt haben.

Lege diese und alle übrigen Werkzeuge des Leidens Jesu Christi neben dich; sie sind dir eine gute Schutzwehr am Tag und in der Nacht, damit der neidische Feind, der Teufel, dich nicht leer von göttlichen Vorstellungen antreffe, und dein Herz nicht mit unreinen, das Gewissen verletzenden Bildern beflecke.

Dein Ruhebett sei daher nicht weichlich, zur Erinnerung an die heilige Geburt unseres Herrn Jesu. Christi; es gleiche der engen, armen, aber mit Tugenden ausgeschmückten Krippe, in welcher das Kind Jesu weinte, wo Windeln seine Kleidung, schlechtes Heu, statt seidener Hülle, seine Decke, und ein wenig Milch seiner jungfräulichen Mutter seine Nahrung war.

Dein hartes und rauhes Hauptkissen erinnere dich in etwas an das rauhe Felsengrab unseres Herrn Jesu Christi, der für dich am Kreuz wahrhaft gestorben ist, in dem Herzen der Erde begraben, und mit einem großen Stein im Grab eingeschlossen wurde.

So ruhe im Frieden Christi; vergiß alles, was in der Welt ist; sieh alles, was in den Augen anderer groß und erfreulich ist, für schlecht und für nichts an, damit du mit ihm jetzt in der Tugend und Gnade, und am jüngsten Tag mit seinen Auserwählten zur ewigen Herrlichkeit auferstehen mögest. Amen.

22 Matth. 5, 5.

13. Kapitel.

Von Anrufung des heiligsten Namens Jesus, und seiner heiligen, jungfräulichen Mutter Maria.

Mein Herr und mein Gott! Leite mich vor deinem Angesicht auf dem rechten Weg.23

DEINE Wege, Herr Jesus Christus, sind schöne, reine und sichere Wege, auf denen sich’s recht und vollkommen wandeln läßt. Auf allen deinen Wegen sind Friede und Heiligkeit, sie führen alle deine Gläubigen, die da vom Herzen demütig sind, zu deinem himmlischen Reich.

Du magst wo immer hingehen, wandeln, stehen oder sitzen, so ruf Jesus und seine heilige Mutter Maria an, und beschäftige dich gern, statt eines Reisegefährten, mit diesem Vers der Heiligen Schrift: Mein Herr und mein Gott! Leite mich vor deinem Angesicht auf dem rechten Weg.

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