Lingam: Zwölf asiatische Novellen - Max Dauthendey - E-Book
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Lingam: Zwölf asiatische Novellen E-Book

Max Dauthendey

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Beschreibung

Max Dauthendey's 'Lingam: Zwölf asiatische Novellen' ist eine faszinierende Sammlung von Kurzgeschichten, die den Leser in exotische Welten entführen. Die Geschichten sind in einem lyrischen Stil geschrieben und zeichnen sich durch ihre lebendigen Beschreibungen asiatischer Kultur und Traditionen aus. Dauthendey gelingt es, durch seine poetische Sprache und seine tiefgreifende Kenntnis der asiatischen Welt einzigartige und atmosphärische Bilder zu schaffen, die den Leser in ihren Bann ziehen. Die Novellen spiegeln die Vielfalt und die Mystik Asiens wider und laden dazu ein, in die fremden Welten einzutauchen und neue Horizonte zu entdecken. Als Teil des deutschen Impressionismus steht Dauthendey in der Tradition von Autoren wie Rainer Maria Rilke und Stefan George, die ebenfalls für ihre sensiblen und bildhaften Darstellungen bekannt sind. Die Novellensammlung 'Lingam' ist ein beeindruckendes literarisches Werk, das nicht nur durch seine künstlerische Raffinesse, sondern auch durch seine kulturelle Tiefe besticht. Max Dauthendey, selbst ein Erkunder und Bewunderer der asiatischen Lebensweise, vermittelt in diesen Geschichten seine faszinierte Sichtweise auf den Osten. Seine Reisen und Studien in Asien haben ihn zu einem Experten für asiatische Philosophie und Ästhetik gemacht, was sich in seinem Werk widerspiegelt. Die Sensibilität und das Einfühlungsvermögen des Autors für die asiatische Kultur machen 'Lingam' zu einem einzigartigen literarischen Schatz, der sowohl unterhaltend als auch erhellend ist. Diese Novellensammlung ist ein absolutes Muss für Leser, die sich für die Kunst des Erzählens, die Vielfalt der Welt und die Schönheit der asiatischen Kultur begeistern.

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Max Dauthendey

Lingam: Zwölf asiatische Novellen

 
EAN 8596547077299
DigiCat, 2022 Contact: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Lingam
Lingam
Dalar rächt sich
Der Zauberer Walai
Unter den Totentürmen
Der Knabe auf dem Kopf des Elefanten
Eingeschlossene Tiere
Der Kuli Kimgun
Der Garten ohne Jahreszeiten
Im blauen Licht von Penang
Likse und Panulla
Der unbeerdigte Vater
Im Mandarinenklub
Die Auferstehung allen Fleisches

Lingam:

Inhaltsverzeichnis

Seite

Dalar rächt sich

11

Der Zauberer Walai

21

Unter den Totentürmen

35

Der Knabe auf dem Kopf des Elefanten

55

Eingeschlossene Tiere

67

Der Kuli Kimgun

83

Der Garten ohne Jahreszeiten

107

Im blauen Licht von Penang

131

Likse und Panulla

149

Der unbeerdigte Vater

165

Im Mandarinenklub

177

Die Auferstehung allen Fleisches

191

Lingam

Inhaltsverzeichnis

Ich drehe in meiner Hand einen kleinen Kupfernapf mit breitem Rand, der im Licht rötlich blitzt. Der kleine Napf ist winziger als ein Eierbecher und darin ist, halb hineingesteckt, ein schwarzes Marmorei. Das Ei ist unscheinbarer als ein Taubenei. Das schwarze Ei in dem kupfernen Eierbecher, beide stellen zusammen ein Lingam dar, das indische Symbol geschlechtlicher Vereinigung, das heiligste Liebessymbol und Symbol des ewigen Lebens.

Wenn ich das Lingam betrachte, sehe ich vor mir deutlich eine der engsten Tempelgassen in Benares, wo ich in einer Lingambude das kleine schwarze Steinei im Kupferbecher kaufte. Die Pflastersteine der dunkeln schmalen Gasse sind glitschig und fettig von den Füßen der tausend Pilger, die dort jeden Morgen zum Sonnenaufgang, heute noch wie vor tausend Jahren, in langen Zügen mit Trommeln und Pfeifen vom Tempel des heiligen schwarzen Stieres, vorbei am Tempel der weißen heiligen Kühe, hinunter zum heiligen Gangesstrom ziehen. Zu beiden Seiten der höhlenartigen Gasse sind Öffnungen in den Hauswänden. Da stehen auf hölzernen Tischen zu Hunderten die Lingams in allen Größen zum Verkauf. Die Tische scheinen schwarz von den schwarzen Marmoreiern, die in rötlichen kupfernen oder weißen marmornen Näpfen stecken.

Man sagt, der höchste Gott Rama ging eines Abends zum Ganges und traf dort ein schönes fremdes Weib, das Wasser schöpfte. Sein Herz begann sich für das schöne Weib zu erregen, und er näherte sich ihm und liebkoste es. Das Weib, von der Gewalt des obersten Gottes erschüttert, legte sich in den Sand und zog den Gott in seinen Schoß, und beide vereinten sich in süßer Liebesumarmung.

Aber die Gemahlin Ramas, von Unruhe getrieben, folgte den Fußspuren ihres Gemahles im Ganges-Sand, und als sie den ungetreuen Mann mit einem fremden Weibe vereinigt fand, hob sie heimlich das Schwert, das Rama neben sich gelegt hatte, und holte zu einem Hiebe aus, der den Gott von dem Weibe trennte, so daß das göttliche Glied in dem Schoße des Weibes zurückblieb.

Aber das abgehauene Glied Ramas befruchtete noch die Frau, aus deren Schoß neue Götter, ein neues Menschengeschlecht, ein neues Tier- und Pflanzenreich entstanden. Alle die von dem Gott und dem Weib Erzeugten lieben sich jetzt ewig und müssen sich ewig unter dem Symbol des Lingam weiterzeugen.

Damit Mann und Frau nicht vergessen sollen, daß sie zur herzlichen sinnlichen Vereinigung auf die Welt gekommen sind, wird ihnen in allen Tempeln und in allen Häusern, und von klein auf, das Symbol des Lingam in tausend Formen immer wieder vor die Augen gestellt, in Bild und Rede.

Denn die Menschen sind vergeßlich und unwissend, und alles muß ihnen immer wieder gelehrt werden, auch die Liebe, – das bedenke, o Mensch.

Dalar rächt sich

Inhaltsverzeichnis

Die Frau des Dalar stand an einer Straßenpumpe in einer der Eingeborenenstraßen von Bombay. Sie drehte den Hahn auf und hielt den Kopf ihres sechsjährigen Knaben darunter und wusch ihn mit den Händen.

Es ist morgens sieben Uhr, und die Straße wimmelt von Indiern, die wie nackte Rudel Rotwild aneinander vorüber eilen. Ziegenherden und Scharen von Truthühnern treiben neben zweiräderigen hohen Lastkarren über das Pflaster. Indier sitzen am Trottoirrand, lassen sich rasieren, ihre Ohren reinigen und ihren Leib massieren. Die Straßenfriseure mit dem Toilettenwerkzeug im Gürtel, und bis auf Gürtel und Turban unbekleidet, hocken neben ihrer Kundschaft am Trottoirrand.

Die Frau des Dalar hatte ihrem Knaben das schwarze Haar blank gestrichen, daß sein Kopf wie der Lackschuh eines Europäers glänzte. Sie öffnete jetzt ihr eigenes Haar und hielt ihren Kopf unter die Straßenpumpe; sie ließ den Wasserstrahl wie einen Glaskolben aufschlagen, und das Wasser zerplatzte weit im Kreise.

Ein Zebukalb, ein wilder Hund und ein paar Truthühner, die sich um die Pumpe tummelten, kamen herbei und schlürften die Wassertropfen auf.

Die zwei indischen Arbeiter in Dalars offener Schneiderbude, welche Turbanbänder und Schleier auf englischen Nähmaschinen säumten, lachten über den spritzenden Wasserstrahl, und Oliman, der eine der Gehilfen, rief der Frau des Dalar den Brahmanenspruch zu: »Elida, nimm dein Haupt in Acht, daß es nicht zu Wasser wird unter der Quelle.«

Elida, die Frau des Dalar, antwortet ihm nicht.

Sie schickte aber, als sie ihr schwarzes Haar ausrang und sich aufrichtete, mit der Wimper zuckend den Knaben zu dem, der gesprochen hatte. Oliman legte seine Hand eine Sekunde auf das frische schwarze Haar des Knaben, murmelte ein Gebet über ihn und ließ ihn wieder gehen. Dann beugte er sich demütig und scheu über seine Nähmaschine, ließ Öl aus der Kanne in die Räder tropfen und nähte weiter.

Jedesmal, wenn die Frau ihr Haar an der Pumpe vor dem Laden ihres Mannes wusch, geschah es, daß sie das Kind zu Oliman schickte und dieser ein Gebet über den Knaben sprach; das geschah jeden Morgen, seitdem der Knabe laufen konnte.

Niemand in der Straße dachte darüber nach, warum Oliman den Knaben jeden Morgen segnete. Aber Dalar, der Besitzer der Nähmaschinen, saß jetzt tagelang drüben beim Silberschmied an der Ecke und dachte nach. Er ließ seine Wasserpfeife oft ausgehen, zündete sie wieder an und dachte weiter. Dalar konnte quer über das Gewühl der Zebukarren und über das Gerenne des Bazarvolkes und heimlich über die Schulter seines Freundes, des Silberschmiedes, hinweg seinen Laden beobachten, seine Nähmaschinen, sein Weib an der Pumpe, den Knaben und Oliman.

An diesem Morgen, als die Frau mit dem Kind ins Haus gegangen war, wischte sich Dalar mit der Handfläche den Schweiß von der Stirne, stand auf, schlüpfte mit den Füßen in seine Pantoffel und ging finster in Gedanken fort in das Straßengewühl. Im Geschäftsgetriebe bemerkte niemand bei dem Silberschmied, daß Dalar verschwand. Dalar ging, bis er in eine Gasse vor eine Zeltbude kam.

Vor dem Zeltvorhang saß die rächende Göttin Kali, die Vielarmige, aus Holz geschnitzt. Drinnen im Zelt sind die rächenden Todesgötter der Indier aufgestellt, die bei Prozessionen an Festtagen durch die Straßen getragen werden. Vor dem Zelteingang neben der Göttin steht ein großer Blechkasten als Opferstock. Dalar warf ein Silberstück hinein und wünschte sich einen rächenden Gedanken. Er starrte dabei finster auf die hölzerne schwarze Gestalt der Göttin Kali, die auf einem zitronengelben Tiger sitzt, welchem statt Menschenblut rote Ölfarbe um das Maul gemalt ist. Die vielen schwarzen Arme der Göttin schwingen vergiftete Dolche, vergiftete Säbel und vergiftete Speere; sie hält ein ganzes Arsenal blitzender Waffen in die Luft. Alles Straßenvolk geht grüßend an ihr vorüber, und aller Indier Augen blitzen für eine Sekunde beim Gruß, wie Raketen in der Nacht. Dalar verbeugte sich dreimal und klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit der schwarzen Göttin zu erwecken. – Daß ihn sein Weib Elida mit Oliman betrogen hatte, wußte er jetzt, denn er sah es deutlich an dem Kind, welches Oliman täglich ähnlicher wurde. Heute hatte er endlich beschlossen, sich an Elida zu rächen.

Dalar trat in die staubige Tempelbude, um sich einen Tod für sein Weib auszusuchen.

Lange Reihen hölzerner, rot, gelb und grün gemalter Puppen standen drinnen unter dem grauen Zelttuch auf langen Tischen. Da waren Menschen an Marterpfähle gebunden, mit brennenden Pfeilen gespickt; englische Soldaten, welche vom wütenden Elefantengott zerstampft wurden; die Göttin Kali auf unzähligen Tigergestalten, auf roten und schwarzen Tigern, Feuer und Pest darstellend; der blaue Affengott, der die Menschenaugen irrsinnig macht mit seinen Grimassen und Verrenkungen. Es wurden Menschen von der Rachegöttin zu Tode gepeitscht, der Tiger hielt Verzweifelte in seinen Tatzen und riß ihnen die Gedärme aus der Bauchhöhle. Der gelbe Tigergott hatte grüne Glaskugeln als Augen und echte, heilige, zornige Tigerkrallen. Jede mögliche Folter und jeder schrecklichste Tod hatte sein Bild hier. Um das vergossene Blut zu schildern, war an den plastischen Figurengruppen nicht mit Scharlachfarbe, Purpur und Rötel gespart.

Dalar grübelte. Seine Augen liebkosten die rotgemalten Folterqualen, als stünde er vor den Blumenbeeten in den Gärten des Paradieses. Aber als er die langen Reihen zweimal auf und ab gegangen war und alle Todesschmerzen am eigenen Leibe nachgefühlt hatte, fand er unter allen grausamen Todesarten keinen Tod grausam genug für sein Weib. Nicht den roten Tod, das Feuer, das den Menschen zernagen konnte; nicht den schwarzen Tod, die Pest, mit ihren schwarzen Beulen; nicht den blauen Tod, den Wahnsinn, mit seinen verrenkten Grimassen; nicht den gelben Tod, den Tigerhunger, mit den eigenen Därmen im Maul; den Tod, den Dalar für Elida suchte, fand er nicht unter den dreihundertsechzig Todesarten.

Wie von der Göttin gekränkt, wollte Dalar schon die graue Tempelbude verlassen. Da – unter dem Zeltausgang, blieb sein Turban an einem rostigen Nagel hängen, das Turbantuch schlitzte auf, und Dalars ganzer Geldvorrat, den er, wie alle ärmeren Orientalen, stets in den Turban gewickelt trug, rollte in hundert Silbermünzen über Schultern, Rücken und Brust an ihm herab, auf die Erde, der vielarmigen Göttin Kali zu Füßen.

Dalar sah und horchte erstaunt auf die klingenden Münzen, als hörte er jedes Silberstück sprechen.

Erleuchtet von einem plötzlichen Gedanken, beugte er sich dreimal tief und ehrfürchtig vor dem Götterbild, verließ dann das Zelt und ließ sein ganzes Geld hinter sich bei der rächenden Göttin liegen.

»Die Göttin Kali hat gesprochen!«

»Den grauen Tod, die Armut wünscht dir die Göttin Kali, Elida!« Und Dalar nickte ernst und zustimmend, dann verschwand er im Straßengewühl. –

Tief in der Nacht, als die grellen Tropensternbilder wie Stachelzäune über den Häusern standen, schlich Dalar an seine Haustür und malte mit ein wenig Indigofarbe einen blauen Kreis an den Türpfosten, zum Zeichen, daß einer im Haus gestorben sei. Dann ging der Mann weiter durch die Nacht. Sein Weib würde am nächsten Morgen glauben, er wäre an der Türschwelle umgefallen und von der englischen Nachtpatrouille als pestverdächtig in die Baracken fortgetragen worden. Der Offizier der Patrouille hätte dann, wie gewöhnlich, das blaue Zeichen lakonisch an die Tür gemalt.

Dalar wanderte unter den Ketten der schweren Sterne durch die Nacht. Morgen war der Monatsanfang, an dem die beiden Nähmaschinen den unerbittlichen englischen Fabrikanten bezahlt werden mußten; morgen war der Monatsanfang, an dem die Hauspacht entrichtet werden mußte. Die armseligen feigen Ladengehilfen konnten Elida nichts nützen. Morgen mußte Oliman sich eine andere Stelle suchen, morgen mußte Elida mit ihrem Knaben betteln gehen.

Dalar schritt unter dem Steingewichte der Sterne durch die Nacht, und ihm war, als hätte er alle Arme der Göttin Kali am Leibe, so glücklich fühlte er sich. Er rächte sich tief mit allen göttlichen Armen der Rache.

Dalar wanderte in dieser Nacht, reich wie die Finsternis, als Pilger zu dem Berg Abu, um ein Jaïn zu werden. Die Jaïns leben dort am Berge nackt und sprechen dem Weibe jede Seele ab.