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Begleiten Sie Lisas Entwicklung von der Anfängerin bis zur gewieften Schachstrategin. Ihr Onkel Erich, Kaffeehaus-Schachkönig, bringt ihr geduldig das Schachspiel bei und ist dann doch ziemlich geschockt, als er eines Tages gegen Lisa verliert. Das vorliegende Lehrbuch führt den Anfänger pragmatisch und unterhaltsam, also leicht verständlich, in die Schachregeln ein und gibt auch Fortgeschritteneren Inspirationen, Tipps und Ideen, ihr Spiel zu verbessern. Dr. oec. Wolfgang Eisenbeiss, St. Gallen: «Das Buch ist reizend, mit Herz geschrieben und wird meines Erachtens viel Zuspruch bei jungen Anfängern finden. Es ist ein Schachbuch, in dem die Seele zu spüren ist, und das ist gut so.» Marcel Gottofrey, Morges: Erstaunlich wieviel wertvolles Material in diesem «Büchlein» enthalten ist! Auch die Kunst kommt nicht zu kurz : Rosemarie J. Pfortners Zeichnungen beschmücken dieses gute Buch auf ganz besondere Art und Weise.
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2016
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«Seit undenklichen Zeiten sind die Kampfspiele Lehrmeister des Menschen gewesen. Lange schon, bevor es auch nur eine Spur von wissenschaftlichem Denken gab, lernte der Mensch planvolles Handeln im Spiel.
Das höchste aller dieser Spiele ist das Schach.»
(Emanuel Lasker)
Vorwort
TEIL I
Lisa lernt Schach spielen
Das Schachbrett
Die Figuren in der Startaufstellung
Schachnotation (1. Teil)
Wirkungsbereich der Figuren
Der König
Der Turm
Der Läufer
Die Dame
Der Springer
Der Bauer
Blockierung durch eigene Steine
Die Pattsituation
Das Remis durch Dauerschach
Schachmatt als Ziel der Schachpartie
Die Rochade
Schachnotation (Teil 2)
Eröffnungen, allgemein
Bekannte Eröffnungen
Offene Spiele
Halboffene Spiele
Geschlossene Spiele
Eröffnungsfallen
Das Mittelspiel
Das Endspiel
König und Dame gegen König
König und Turm gegen König
König und zwei Läufer gegen König
König mit Läufer und Springer gegen König
König und zwei Springer gegen König
König und Dame gegen König und Turm
Bauernendspiele
Endspiele mit wenigen Figuren und Bauern
TEIL II
Lisas erster Sieg
TEIL III
Lisas Schachtraining
Das erstickte Matt
Der direkte Weg zum Sieg
Schachblind
Der vorentscheidende Zug
Die «Unsterbliche Partie von Rubinstein»
Von Fesselungen und Ablenkungen
Das Gespräch mit dem Trainer
TEIL IV
Lisas erste Wettkampfpartie
INDEX
Als Ursprungsländer des Schachspiels werden in den Literaturquellen am häufigsten Indien und Persien, manchmal auch China genannt. Historiker belegen, dass sich Schach im 7. Jahrhundert vom Nahen Osten bis Nordafrika verbreitet hat und im 11. Jahrhundert über Spanien und Russland ins abendländische Europa gelangt ist.
Im späteren Mittelalter gehörte Schach zu den ritterlichen Tugenden, und in dieser Zeit wurden die Spielregeln festgelegt, die bis heute Gültigkeit haben. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Europa und später weltweit regelmäßig Schachturniere durchgeführt.
Erster offizieller Schachweltmeister war zwischen 1886 und 1894 Wilhelm Steinitz, österreichisch-amerikanischer Bürger aus Böhmen. 1924 wurde in Paris der Weltschachbund Fédération Internationale des Echecs (FIDE) gegründet. Es gibt eine Weltrangliste, wobei die offizielle Elo-Zahl (Wertungssystem) eines Spielers über das Ranking entscheidet. Die sogenannten Internationalen Meister haben eine Elo-Zahl von über 2400, Großmeister kommen auf über 2700 Elo-Punkte.
Die große Mehrheit der Schachspieler spielt aber nicht um Elo-Punkte und nimmt nicht an Schachturnieren teil. Viele spielen Schach zum Vergnügen unter Freunden. Obschon man viele Schachprogramme, von denen manche die Spielstärke eines Schachmeisters haben, aus dem Internet herunterladen kann, macht es offensichtlich immer noch mehr Spaß, Partien mit Freunden live am Schachbrett zu spielen.
Die Regeln des Schachspiels sind einfacher, als viele glauben. Nach ein paar Lektionen kennt der Einsteiger die Figuren und weiß, wie sie sich auf dem Brett mit den 64 Feldern bewegen, wie gegnerische Steine geschlagen werden und wie ein Schachmatt aussieht.
Der Einstieg ins Schach ist für einen Anfänger nicht schwer, doch während bei Kartenspielen auch Glück und Zufall eine wichtige Rolle spielen – je nach Karten, die man aufgenommen hat –, ist die Ausgangslage beim Schach für die Spieler immer gleich. Nicht der Glücklichere gewinnt, sondern wer die bessere Strategie hat und die besseren Entscheidungen trifft. Das gilt zwar auch für andere Brettspiele wie Halma, Dame oder das Mühlespiel, doch im Vergleich zu diesen ist die Anzahl möglicher Züge im Schach unendlich viel größer, das Spiel komplexer.
Die Hamburger Grundschule an der Genslerstraße hat 2008 Schach als reguläres Schulfach eingeführt («Schach statt Mathe»), und inzwischen haben auch etliche andere Schulen nachgezogen. Schach wird auch in Zukunft als attraktives Denk- und Strategiespiel immer wieder neue Anhänger finden, junge und ältere, unabhängig von Hautfarbe, Sprache und Religion.
Zu diesem Lehrbuch
Zuerst ein Tipp: Schach-Anfängerinnen oder -Anfänger, die das Spiel systematisch lernen wollen, besorgen sich am besten ein herkömmliches Schachspiel mit beschrifteten Feldern am Brettrand. Um die Diagramme im Lehrbuch mit den Beispielen und Aufgaben zu verstehen, muss man die Schachnotation kennen, wie sie im Buch beschrieben ist.
Hier wird nicht nur das Schachspiel ausführlich erklärt, sondern wir begleiten Lisa bei ihren ersten Gehversuchen und Erlebnissen am Schachbrett bis zu ihrem ersten Sieg in einer Wettkampfpartie des regionalen Junioren-Schachklubs.
Lisa mag vielleicht etwas wie eine Streberin und brave Musterschülerin wirken, wenn sie hartnäckig Eröffnungsstrategien studiert und sich nach vielen verlorenen Partien nicht entmutigen lässt, weiterzumachen. Es gehört tatsächlich ein gewisser Ehrgeiz dazu, um sich vom Anfänger zu einem guten Spieler zu entwickeln. Lisa soll kein Maßstab sein, wie schnell und wie gut jemand das Schachspiel lernt. Schach kann man außerdem auch im fortgeschrittenen Alter noch lernen und spielen, was sicher dazu beiträgt, geistig fit zu bleiben.
Wenn Onkel Erich nicht gewesen wäre, hätte Lisa wohl nie im Leben begonnen, sich wirklich für Schach zu interessieren. «Schach ist ein großartiges Spiel», behauptete er, «wer es einmal erlernt hat, findet überall auf der Welt Freunde, die das Spiel kennen und mit denen man sich austauschen kann, selbst wenn sie eine andere Sprache sprechen und einer anderen Kultur angehören.»
Erich und seine Frau Maya kommen fast jeden Sonntagabend zu Besuch und schauen nach dem Essen meistens zusammen mit Lisas Eltern den «Tatort»-Krimi. Vor einem Monat hatten Lisas Eltern ihr erstmals erlaubt, den Krimi mitzuschauen, aber dessen Handlung und die der folgenden «Tatorte» ließen sie eher ratlos zurück. Onkel Erich war nicht entgangen, dass Lisa sich nicht sonderlich für das Verwirrspiel mit Mordopfern, Scheinverdächtigen und mutigen Ermittlern interessierte, die den Fall jeweils im letzten Moment lösen konnten.
Lisa ist zwölf Jahre alt und kommt mit dem Schulunterricht ganz gut zurecht, ohne dass sie deswegen als Streberin gilt. Am liebsten spielt sie in der Freizeit Fußball und darf auch mit den Jungs mitspielen. Sie schimpft gelegentlich heftig, wenn sie von einem Gegenspieler unsanft zu Fall gebracht wird, aber Jammern ist nicht ihr Ding. Im Übrigen teilt sie die Interessen ihrer Freundinnen und kichert mit ihnen über alles Mögliche, was zwölfjährige Mädchen lustig und aufregend finden.
«Also», begann Erich an einem Sonntagabend, «statt den Krimi zu schauen, erkläre ich dir, wie Schach funktioniert. Ich bringe dir die Schachregeln bei, und du wirst sehen, dass Schach spielen spannender ist als ein Konserven-Krimi in der Glotze.»
Lisas Vater lachte und meinte, dass seine Tochter wohl kaum an einem Schachbrett Probleme lösen werde, wenn sie statt dessen einen spannenden Film sehen könnte. Das sei doch kein Spiel für Mädchen, gab die Mutter zu bedenken, und Maya pflichtete ihr bei. Erich habe auch schon versucht, ihr das Schachspiel beizubringen, aber weil sie gegen ihn nie auch nur den Hauch einer Chance sah, habe sie das Interesse an Schach verloren.
Umso begeisterter war Onkel Erich, als Lisa behauptete, das Schachspiel lernen zu wollen. Das hatte etwas mit Rudi zu tun, ihrem Schulfreund, der Mitglied der Juniorenabteilung eines Schachklubs der Stadt ist und der sie schon gefragt hatte, ob sie nicht Lust hätte, mal in seinem Klub vorbeizuschauen. Da würden auch Mädchen mitmachen, meinte er.
«Wir setzen uns in eine ruhige Ecke, und ich erkläre dir erst einmal die Schachregeln.» Erich hat tatsächlich ein Schachbrett und die Figuren mitgenommen und baut nun das ganze Set auf.
An diesen Moment wird sich Lisa später genau erinnern. Jetzt konnte sie aber noch nicht ahnen, wie wichtig für sie das Schachspiel im Laufe der nächsten Monate und Jahre noch werden würde.
«Eine Schachpartie wird auf einem Brett mit 64 Feldern ausgetragen. Acht abwechselnd schwarze und weiße Felder in der Breite (a bis h) und in der Höhe (1 bis 8) bilden die quadratische Bühne für ein Schachspiel», doziert Erich. «Beim Aufstellen des Schachbretts ist darauf zu achten, dass der Spieler mit Weiß seine Figuren auf den Linien 1 und 2 platziert, die schwarzen Figuren stehen auf den Linien 7 und 8. Die Eckfelder a1 und h8 sind immer schwarz. Alles klar?»
«Schau mal, es gibt nur sechs verschiedene Figuren, von denen jede eine eigene Rolle hat im Schachspiel», meint Erich, «und du musst zuerst lernen, wie diese Figuren sich auf dem Brett bewegen dürfen: der König, die Dame, die Läufer, Springer, Türme und die Bauern. Sieh dir die Startaufstellung der Figuren genau an. Und jetzt stellst du die Figuren selber auf das Brett.» Mit diesen Worten schiebt Erich sämtliche Steine vom Brett und schaut Lisa anschließend zu, wie sie eine Figur nach der andern wieder auf ihre Startposition setzt.
Diagramm 1
Schwarz
König auf e8
Ke8
Dame auf d8
Dd8
Türme
Ta8
und
Th8
Läufer
Lc8
und
Lf8
Springer
Sb8
und
Sg8
8 Bauern auf
a7
bis
h7
Weiß
König auf e1
Ke1
Dame auf d1
Dd1
Türme
Ta1
und
Th1
Läufer
Lc1
und
Lf1
Springer
Sb1
und
Sg1
8 Bauern auf
a2
bis
h2
«Sehr gut, fast perfekt», lobt der Onkel, nachdem Lisa alle Steine wieder so hingestellt hatte, wie sie es für richtig hielt, «nur eine kleine, aber wichtige Änderung: Die Damen und Könige hast du auf die falschen Felder gestellt. Merk dir einfach, dass in der Grundstellung die weiße Dame immer auf dem weißen Feld und die schwarze Dame auf dem schwarzen Feld steht. Und beachte die Buchstaben und Ziffern am Brettrand. Der weiße König steht auf Feld e1, die Dame auf d1. So kann die Stellung jeder Figur notiert werden, also Ke1, Dd1 und so weiter. Wie würdest du die Position der beiden schwarzen Springer notieren?»
«Hm, ich denke, mit S würde man den Springer bezeichnen, also Sb8 und Sg8, richtig?» Lisa schaut Erich fragend an.
«Genau, damit hast du schon begriffen, dass jeder Schachzug schriftlich festgehalten werden kann. Das ist wichtig, wenn du später lernst, Schachpartien aus Lehrbüchern nachzuspielen. Jetzt wollen wir zuerst einmal sehen, wie man die einzelnen Figuren auf dem Brett bewegt. Du musst die weißen und die schwarzen Steine als zwei feindliche Heere betrachten, jedes der beiden will das andere besiegen. Schach ist ein Kampfspiel, nur dass dabei statt Muskelkraft mehr das Denkvermögen gefragt ist.»
Lisas Eltern und Maya sitzen vor dem TV, und Erich geht kurz weg, um mit einem gefüllten Weinglas zurückzukehren.
Erich macht das didaktisch ganz geschickt. Seine Haare sind schon leicht ergraut, und wegen seiner Stirnglatze, der dunklen Hornbrille mit den dicken Gläsern und seiner ruhigen Art zu sprechen, entspricht er dem Klischee eines Hochschullehrers. Tatsächlich aber arbeitet er als Grafiker in einem Zeitungsverlag.
«Jede der Schachfiguren kann sich von ihrem Standort aus nach ganz bestimmten Regeln fortbewegen. Eine Bewegung einer Figur ist ein Zug, der Spieler mit den weißen Steinen eröffnet die Partie, Schwarz spielt den Gegenzug und so weiter.» Erich erklärt Lisa im Folgenden, welche Rolle den einzelnen Figuren in einem Schachspiel zugedacht ist.
Der König
Der König ist nicht die stärkste Figur auf dem Feld, aber die wichtigste. Ist er verloren, also schachmatt gesetzt, ist die Partie zu Ende.
Seine Kampfstärke ist ziemlich bescheiden, denn er kann sich von seinem Standort aus nur um ein Feld in jeder Richtung fortbewegen. In Beispiel-Diagramm 2 beherrscht der weiße König 8 Felder, der schwarze deren 5.
Der Turm
Der Turm darf horizontal und vertikal nach allen Richtungen beliebig weit ziehen. Auf dem leeren Brett beherrscht er stets 14 Felder, unabhängig davon, auf welchem Feld er steht.
Der Turm ist nach der Dame die zweitstärkste Figur auf dem Brett. Zwei Türme haben etwa den gleichen Wert wie eine Dame.
Diagramm 2
Diagramm 3
Der Läufer beherrscht die Diagonalen. Er bewegt sich von seinem Standort aus nur schräg, ebenfalls beliebig weit wie der Turm. Im Gegensatz zu diesem reduziert sich sein Wirkungsbereich jedoch, je nachdem, auf welchem Feld er steht. Bedingt durch seine Gangart, ist es dem Läufer nicht möglich, die Farbe seiner Felder zu wechseln.
Diagramm 4
Rosemarie J. Pfortner, www.kunstundschach-rjp.com
Die einzige weibliche Figur ist zugleich die mächtigste, denn sie bewegt sich wie Turm und Läufer zusammen, also sowohl diagonal als auch gradlinig in jede Richtung.
Die Dame beherrscht fast die Hälfte des ganzen Schachbretts. Sie wird auch oft als Königin bezeichnet, in der englischen Notation schreibt man sie mit «Q» wie Queen.
Diagramm 5
Eine ganz spezielle Schachfigur ist das Pferd, Springer genannt (in den englischsprachigen Ländern nennt man diese Figur Knight [Knecht]). Springer ist eine zutreffende Bezeichnung, denn diese Figur zieht nicht, sondern springt, und zwar immer auf das zweitnächste andersfarbige Feld. Man kann die Springerbewegungen mit einem stehenden oder liegenden L vergleichen. Ausgehend von seinem Standort hat er 8 mögliche Zielfelder. Weil der Springer nur 8 Felder beherrscht, wird sein Wert von Anfängern oft unterschätzt. Zu Unrecht, wie spätere Beispiele zeigen werden.
Diagramm 6
Rosemarie J. Pfortner,www.kunstundschach-rjp.com
Während sich alle Figuren, die von den Grundlinien 1 und 8 aus ins Geschehen eingreifen, vorwärts und rückwärts bewegen können, gibt es für die Bauern nur eine Richtung: nach vorne, dem Feind entgegen!
«Schach ist ein Kampfspiel», betont Erich, «man kann die Figuren als zwei feindliche Heere betrachten, die sich gegenseitig zu überlisten und zu schwächen versuchen mit dem Ziel, den gegnerischen König festzunageln und mattzusetzen. Der Bauer ist mit dem Fußsoldaten vergleichbar. Er zieht in gerader Linie von Feld zu Feld, stets nur einen Schritt vorwärts, mit Ausnahme des ersten Zugs: Von der Grundstellung aus dürfen die Bauern, wenn es sinnvoll erscheint, einen Doppelschritt machen, zum Beispiel von d2 direkt auf d4.
Gelingt es einem Bauern, die gegnerische Grundlinie zu erreichen, verwandelt er sich in eine beliebige Figur (außer in einen König). Der so unscheinbare Bauer wird zum Ritter geschlagen und greift nun in einer andern Rolle, zum Beispiel als Dame, entscheidend ins Spiel ein. Es ist unbedeutend, ob die Dame zuvor schon geschlagen worden ist oder ob nun mehrere Damen der gleichen Truppe auf dem Brett stehen.»
Lisa prägt sich das alles gut ein. Sie glaubt verstanden zu haben, wie die einzelnen Figuren laufen.
«Bevor wir eine erste Partie spielen, musst du noch wissen, dass keine Figur ein Feld betreten darf, auf dem bereits eine Figur der eigenen Truppe steht. Und keine Figur, mit Ausnahme des Springers, darf eigene oder feindliche Figuren überspringen. Dazu machen wir eine kleine Übung.»
Erich platziert ein paar Figuren auf dem Brett und will anschließend von Lisa wissen, welche Zugmöglichkeiten die einzelnen Steine haben (siehe Diagramm 7).
«Stell dir vor, Weiß wäre am Zug. Erkläre mir nun, welche Züge die einzelnen weißen Steine theoretisch machen könnten, angefangen mit dem König auf g2!»
Lisa kommt sich ein wenig vor wie in der Schule. Am liebsten hätte sie gleich eine richtige Partie gespielt, aber sie ahnt, dass ihr noch das grundlegende Wissen fehlt, um mit den Figuren auf dem Brett etwas Gescheites anzufangen. Wie war das noch mit dem König? Komisch, dass er nicht die stärkste Figur ist und nur gerade einen Schritt auf das nächste Feld machen darf. Sie konzentriert sich aufs Brett und löst schließlich die Aufgabe fehlerfrei. Zuerst alle möglichen Züge der weißen Steine, dann die der schwarzen. Erich ist sehr zufrieden mit seiner Nichte.
«Das reicht für heute», meint Erich. «Nächste Woche machen wir weiter, dann reden wir über das Schlagen von Figuren und über das Schachmatt.»
Diagramm 7
Weiß hat folgende Wahl (Diagramm 7):
Kg2
kann auf die Felder g1, f1, f2, g3, h3, h2;
Th1
kann auf die Felder g1 bis d1 und h2 oder h3 ziehen;
Lc1
kann nirgends hin! Der Bauer b2 und der Springer d2 blockieren ihn;
Sd2
kann auf die Felder b1, b3, c4, e4 oder f1;
Bauern
b2 kann auf b3 oder b4; f3 kann auf f4; h4 ist blockiert; h5 kann auf h6.
Wäre Schwarz am Zug, stünden folgende Möglichkeiten zur Auswahl:
Ke8
kann auf d8, d7, f7, f8;
Tb8
kann auf a8, c8 oder d8;
Sc6
kann auf a5, b4, d4, d8, e5; Se7 auf c8, d5, g6 oder g8;
Bauern
a7 kann auf a6 oder a5; b7 auf b6 oder b5; e6 auf e5; f5 auf f4.
«Na, wie war euer Schachspiel?», ruft Lisas Vater, ohne den Blick vom Fernsehbildschirm abzuwenden, auf dem die letzten Minuten des «Tatorts» laufen.
«Gut», antwortet Lisa, «aber wir haben noch nicht richtig gespielt, ich bin noch am Lernen.» Tatsächlich ist sie ein wenig verwirrt. Sie hatte sich das Spiel einfacher vorgestellt und dachte, dass sie nach einer kurzen Einführung gegen Onkel Erich spielen und ihn womöglich gleich fordern könnte. Nun fängt sie an zu begreifen, dass das Schachbrett mit den 64 Feldern und den faszinierenden Figuren mit keinem Spiel zu vergleichen ist, das sie schon kennt.
Das Schlagen und die Fesselung
Die Woche nach Lisas erster Schachlektion verging wie im Flug. Schule besuchen, Hausaufgaben lösen, dazwischen Zeit mit Freundinnen verbringen, ein Wochenendausflug mit ihren Eltern – für Schach blieb keine Zeit. Sie freute sich aber auf Erichs nächste Schachlektion und war gespannt, was ihr Onkel ihr diesmal beibringen würde.
«Na, Lisa, wollen wir mit Schach weitermachen?», fragt Erich nach dem Essen und scheint keineswegs davon überzeugt, dass sich seine Nichte erneut entscheiden würde, das Schachspiel dem TV-Krimi vorzuziehen. «Ja, gerne», antwortet sie, «aber ich glaube, ich habe schon fast alles vergessen, was du mir letzte Woche beigebracht hast.»
«Glaub ich nicht», meint Erich, «aber kein Problem, wir repetieren kurz alles, was ich dir letzte Woche erklärt habe, dann befassen wir uns mit dem Schlagen von Figuren, mit Fesselungen und mit dem eigentlichen Ziel des Schachspiels, dem Mattsetzen des gegnerischen Königs.»
«Das tönt ja wieder sehr kriegerisch», lacht Lisas Mutter, «willst du dir das wirklich antun, Lisa?»
«Klar, Mama, guck du nur den Krimi, der ist noch viel brutaler», grinst Lisa. Ihre Mutter weiß nicht so recht, ob sie lachen oder schmollen soll.
Erich und Lisa spielen noch einmal die Rollen der einzelnen Figuren durch, und Lisa wird rasch wieder klar, wie Dame, Läufer, Springer, Türme und die Bauern ziehen können.
«Gut, wie du weißt, darf nur der Springer einen Stein überspringen. Es ist jedoch erlaubt, ein Feld zu betreten, auf dem sich ein gegnerischer Stein befindet, indem man diesen schlägt und vom Brett entfernt.»
Erich baut eine Stellung wie im Diagramm 8