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Seit dem Frühjahr 2018 gestaltet der in Halle (Saale) lebende Literaturwissenschaftler, Autor und Musiker Paul Bartsch die monatliche Sendung LiveRillen auf Radio Corax, in der er ausgewählte Ausschnitte aus Konzert-LPs und Live-Alben direkt vom Plattenteller serviert und kommentiert. So entsteht eine livehaftige Geschichte der populären Musik, erzählt aus der Perspektive der Bühne mit Einblicken hinter die Kulissen. Die mit viel Liebe zum Detail ausgearbeiteten Sendemanuskripte bilden die Grundlage für diese originelle Publikationsreihe, deren siebenter Band nunmehr vorliegt. Ein unterhaltsames Lesevergnügen für alle, die Freude an guter Musik haben und mehr über deren Hintergründe und Protagonisten erfahren wollen. Themen dieses Bandes sind unter anderem: Congratulations u. a. für Ian Hunter, Chris Spedding, Jeff Beck, John Wetton, Greg Kihn, Richard Davies oder Brian Auger Flötentöne in der populären Musik Die Jazzgitarre von Melodic bis Free Fab Four On Lonely Ways - Die Beatles nach den Beatles Auf den Spuren von Jimi Hendrix Big Black Melancholy: Tom Waits, Lou Reed, Nick Cave Ein musikalisches Luftschiff: Led Zeppelin MINT: Die 100 besten Livealben aller Zeiten (3 Teile) Engagiertes Songwriting - Bruce Cockburn wird 80
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Seitenzahl: 282
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Radio CORAX auf UKW 95.9 KHz und weltweit im Netz
an jedem ersten Freitag des Monats von 16 bis 18 Uhr
sowie als Wiederholung am dritten Sonntag des Monats von 12 bis 14 Uhr
https://radiocorax.de
Aufgrund der Vielzahl und des Alters der im Text erwähnten Schallplatten ist es schier unmöglich, die jeweiligen Bild- und Urheberrechte für die Cover bei den größtenteils nicht mehr existierenden Labels zu klären. Ich habe die Cover hier in durchaus werbender Absicht in den Text eingefügt. Als Quelle sind die konkreten Plattenausgaben mit Label und Erscheinungsjahr angegeben. Sollte(n) sich der oder die Inhaber der jeweiligen Rechte dennoch benachteiligt fühlen, bitte ich um entsprechende Information – sicher finden wir gemeinsam eine probate Lösung.
Falls Sie Interesse haben, die eine oder andere LiveRillen-Sendung komplett nachzuhören, stelle ich Ihnen diese gern zur Verfügung. Die mp3-Datei wird Ihnen per WeTransfer übertragen und ist ausschließlich für den privaten Gebrauch gedacht!
Anfragen richten Sie bitte per Mail an: [email protected]
Für zahlreiche inhaltliche Hinweise und formale Korrekturen danke ich sehr herzlich Michael Bäuerle!
Wieder ’ne Rille vorneweg
No. 75: Ian Hunter | Chris Spedding | Jeff Beck
No. 76: Congratulations für John Wetton | Greg Kihn |
Richard Davies | Brian Auger
No. 77: Flötentöne in der populären Musik
No. 78: Jazzgitarre – von Melodic bis Free
No. 79: Fab Four On Lonely Ways – Die Beatles nach den Beatles
No. 80: Auf den Spuren von Jimi Hendrix
No. 81: Big Black Melancholy: Tom Waits | Lou Reed | Nick Cave
No. 82: Ein musikalisches Luftschiff: Led Zeppelin
No. 83: MINT: Die 100 besten Livealben aller Zeiten –
Teil I (1965 – 1973)
No. 84: MINT: Die 100 besten Livealben aller Zeiten –
Teil II (1974 – 1978)
No. 85: MINT: Die 100 besten Livealben aller Zeiten –
Teil III (1979 – 1990)
No. 86: Engagiertes Songwriting – Bruce Cockburn wird 80
Index der Bands, Musiker und Stichworte
Nachsatz
LiveRillen live – eine musikalische Lesung
Liedermacher und Musiker
Im Schatten großer Brüder – eine musikalische Lesung
Ehre, wem Ehre gebührt – keine Frage! Seit jüngstem werden nun auch Schallplattenläden geehrt, und zwar von allerhöchster Stelle: Das von der früheren Ton/Steine/Scherben-Managerin Claudia Roth (bis zum „Ampel-Aus“) geführte Kulturstaatsministerium vergab in Zusammenarbeit mit dem Verband unabhängiger Musikunternehmerinnen und -unternehmer (VUT) am 1. Dezember 2024 erstmalig den EMIL_ Deutscher Preis für Schallplattenfachgeschäfte. In den Kölner Rheinterrassen wurden 14 Vinyl-Läden „als wichtige soziale und gesellschaftliche Orte“ mit diesem Preis bedacht, der nach den Worten von Frau Roth „ihre Bedeutung für die kulturelle Vielfalt und Bildung“1 unterstreichen soll. Ein höchst löbliches Signal gegenüber den grassierenden Streamingdiensten, die weitgehend kulturelles Fastfood liefern und zudem für Künstlerinnen und Künstler (bis auf Ausnahmen) höchst unfair agieren, was die Vergütung kreativer Arbeit betrifft.
„Vinyl lebt!“, sagte Claudia Roth in ihrer Rede. „Heute ist Vinyl nicht einfach nur ein Tonträger, es ist ein Lebensgefühl. Wer in der Musikszene etwas auf sich hält, veröffentlicht wieder auf Platte, es werden Sonderveröffentlichungen und wirklich tolle limitierte Auflagen gepresst, Musikfans geben viel Geld für handgearbeitete Plattenspieler aus. Vielleicht war Vinyl nie lebendiger als jetzt gerade.“2
Namenspatron des neuen Preises, der jährlich vergeben werden soll und für den sich Plattenläden in ganz Deutschland ab sofort bewerben können, ist übrigens der Erfinder von Grammophon und Schallplatte, Emil Berliner. Der 1851 in Hannover geborene Sohn eines jüdischen Textilkaufmanns wanderte als 19Jähriger aus Sorge, in die sich zum Feldzug gegen Frankreich rüstende preußische Armee einberufen zu werden, in die USA aus. In New York richtete er sich ein provisorisches Labor ein und konstruierte zunächst ein funktionsfähiges Mikrophon für den Telefonapparat von Alexander Graham Bell, was der Bell Telephone Company immerhin 50-tausend US-Dollar wert war. Ein willkommener Grundstock für weitere Experimente und Erfindungen, zu denen ab 1890 auch die anfangs aus Hartgummi, dann aus Schelllack bestehenden ersten Schallplatten-Tonträger gehörten. 1898 gründete Berliner dann die Deutsche Grammophon Gesellschaft. Der umtriebige Erfinder blieb bis ins hohe Alter aktiv; als er 1929 in Washington verstarb, hatte er unter anderem Patente für so unterschiedliche Dinge wie Parkettfußböden und Hubschrauber erworben.
Mit dem von ihm 1914 zu Ehren seiner Mutter gestifteten Sarah-Berliner-Stipendium (Sarah Berliner Research Fellowship) werden bis heute weltweit Frauen unterstützt, die auf naturwissenschaftlichem Gebiet forschen.
Doch zurück zur Vinyl-Schallplatte, deren eigentliche Geburtsstunde Emil Berliner selbst nicht mehr erleben konnte. Die erste „langspielende Vinylschallplatte“ mit einem Durchmesser von 30 Zentimetern und einer Laufgeschwindigkeit von 33 1⁄3 Umdrehungen pro Minute stellte RCA Victor 1930 und damit ein Jahr nach dem Tod des Erfinders vor. Seinerzeit aufgrund der noch fehlenden Abspielgeräte wohl ein „kommerzieller Fehler“3 – heute der Beginn einer Ära, die allen Unkenrufen des CD- und Streaming-Zeitalters zum Trotz nach wie vor anhält. So resümierte im Februar 2024 TV Bayern Live in einem Beitrag zum Schallplattenboom: „Die Nachfrage nach Schallplatten ist aktuell stark gestiegen. Marktanalysen zeigen, dass Konsumenten den klassischen Klang und den Charme traditioneller Musikformate schätzen.“4 Dass Kulturstaatsministerin Claudia Roth in dem Beitrag ebenfalls ausführlich zu Wort kommt, wundert da keineswegs.
Mich freut das alles natürlich sehr, genau wie die zahlreichen Hörerinnen und Hörer, die inzwischen deutschlandweit meine monatliche Nischensendung 5 im Internet verfolgen und mir vielfältige Kommentare und wichtige Anregungen für weitere Themen geben. Schließlich habe ich mir vorgenommen, die Sendung mindestens zehn Jahre lang und damit bis zur 120. Ausgabe zu gestalten.
An Material herrscht kein Mangel, und die teils recht umfangreichen Recherchen fördern für mich selbst viel Überraschendes zutage, was ich dann – wie hier ersichtlich – in meinem Homestudio als neue LiveRille verarbeiten kann. Wie sagte schon Loriot dereinst ganz richtig – „Ein Leben ohne Schallplatten ist möglich, aber sinnlos!“ Oder so ähnlich…
Und damit viel Freude und gute Unterhaltung bei der Lektüre des siebenten Bandes der LiveRillen…
1https://kulturstaatsministerin.de/ein-fest-der-schallplatte-und-der-schallplattenlaeden.
2 Ebenda.
3 Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Schallplatte#cite_note-4.
4https://www.tvbayernlive.de/mediathek/video/vinyl-comeback-kultur-und-leidenschaft-im-plattenladen/.
5 Die LiveRillen kommen jeweils am ersten Freitag des Monats von 16 bis 18 Uhr sowie als Wiederholung am dritten Sonntag desselben Monats von 12 bis 14 Uhr auf UKW 95.9 (Raum Halle/Leipzig/ Magdeburg) und weltweit im Netz unter https://radiocorax.de/ > Livestream.
Wieder mal ein kleines Jubiläum, Freunde: Dies ist tatsächlich die 75. Ausgabe der LiveRillen auf Radio Corax, und noch lange kein Ende in Sicht. Weder an Themen noch an Platten herrscht Mangel.
Heute gibt es aus gegebenem Anlass eine Gratulations-LiveRille für gleich drei Jubilare, allesamt gebürtige Briten. Der erste Glückwunsch erreicht einen noch immer aktiven 85Jährigen, dessen musikalische Spuren tief in die 1960er Jahre zurückreichen und der vor ziemlich genau einem Jahr mit „Defiance Part 1“ ein formidables Alterswerk vorgelegt hat. Unterstützt wurde er dabei von zahlreichen Freunden und Weggefährten des Rock’n’Roll-Zirkus, darunter Ringo Starr, Jeff Beck, Slash oder Johnny Depp. Vor wenigen Tagen hat er nun noch „Defiance Part 2: Fiction“ nachgelegt, und „wie sein Vorgänger bietet das neue Album eine der schillerndsten All-Star-Besetzungen, die je auf Platte gebannt wurden“ 6, so das Musikportal JPC. Die Rede ist von Ian Hunter.
Am 3. Juni 1939 in den britischen West Midlands geboren, begann er seine musikalische Laufbahn als Bassist in Skiffle-Formationen, gründete in den 60ern eigene Bands, spielte kurzzeitig bei den Yardbirds und sang alte Rock’n’Roll-Hits neu ein. Das große Los zog er aber erst an der Schwelle zum 30. Geburtstag: 1969 bewarb er sich auf eine Anzeige hin, die der Manager und Musikproduzent Guy Stevens im Melody Maker aufgegeben hatte, als Lead-Sänger für das britische Quartett Silence. Er bekam den Job, die Band wurde (nach einem Romantitel des amerikanischen Schriftstellers Willard Manus) in Mott The Hoople umbenannt und startete eine höchst erfolgreiche Karriere, indem sie – wie der Rolling Stone befand – „die Praxis des musikalischen Diebstahls glorifiziert(e)“7. So fanden sich in ihrer Musik Anleihen bei den Kinks, Procol Harum, den Rolling Stones oder Bob Dylan; zudem war David Bowie ein namhafter Förderer der Band, der ihr mit „All The Young Dudes“ zu einem echten Hit verhalf, der noch heute zu den Songklassikern der frühen 1970er Jahre gehört. Die gleichnamige, 1972 von Bowie produzierte LP wurde die erfolgreichste der Bandgeschichte.
Vor allem live wussten Mott The Hoople bei ihren ausgedehnten Tourneen zu überzeugen, die sie häufig gemeinsam mit führenden, stilistisch verwandten Bands ihrer Zeit absolvierten, darunter Traffic, Mountain oder Grand Funk Railroad. Dabei prägten besonders Gitarrist Mick Ralphs und eben Sänger Ian Hunter den energiereichen Sound der Band. Hier zwei Beispiele aus dieser Zeit – zunächst „Walking With A Mountain“, aufgenommen 1971 im Konserthuset Stockholm und 2010 auf Sireena Records veröffentlicht; gefolgt von „Sweet Angeline“, einem 1974 auf CBS erschienenen Mitschnitt aus dem Londoner Hammersmith Odeon. Beide Songs stammen aus der Feder von Ian Hunter.
1973 verließ Gitarrist Mick Ralphs die Band, um gemeinsam mit dem ex-Free-Sänger Paul Rodgers Bad Company zu gründen. Ian Hunter griff zeitweise selbst zur Gitarre, ehe im Folgejahr mit Mick Ronson von der David-Bowie-Band kongenialer Ersatz kam, allerdings nicht, um lange zu bleiben: Gemeinsam mit Ian Hunter verließ Ronson Mott The Hoople, die in wechselnden Besetzungen und mit schwankendem Erfolg noch einige Jahre weitermachten.
Ian Hunter gründete seine eigene Begleitcombo, in der Mick Ronson bis zu seinem frühen Tod 1993 immer wieder eine führende Rolle einnahm. So absolvierten sie gemeinsam mehrere erfolgreiche Welttourneen, die Hunters Ruf als einer der führenden britischen Rockinterpreten festigten. 1980 erschien auf Chrysalis das Livealbum „Welcome To The Club“, das im November 1979 im Roxy in Los Angeles mitgeschnitten wurde.
Hunter singt darauf nicht nur, sondern spielt auch Gitarre, Piano und Mundharmonika, unterstützt von Mick Ronson; dazu Martin Briley am Bass und Eric Parker am Schlagzeug sowie Tommy Mandel an den Keyboards und Tommy Morrongiello als weiterer Gitarrist. Zwei Songs habe ich ausgewählt – „Irene Wilde“ und „Cleveland Rocks“, die eindrucksvoll die breite Palette des Songwritings von Ian Hunter belegen.
Das rockt nicht nur Cleveland, wie man deutlich hören konnte: Ian Hunter mit seiner Band live im Herbst 1979. Unmittelbar nach der Veröffentlichung seines Livealbums „Welcome To The Club“ war er innerhalb seiner Promotion-Tour auch Gast im WDR-Rockpalast (einige erinnern sich vielleicht an meine Rockpalast-LiveRille vom Februar, in der Ian Hunter und Mick Ronson bereits zu hören waren). Die Set-List war weitgehend identisch mit jener, die bereits auf dem Livealbum veröffentlicht worden war. Trotzdem schön, dass der qualitativ sehr gute Rockpalast-Mitschnitt im Rahmen der Veröffentlichungsaktivitäten von MIG – Music In Germany seit 2016 nun auch auf Vinyl vorliegt. Daraus hören wir „I Wish I Was Your Mother“ und – natürlich, daran kommen wir im Zusammenhang mit Ian Hunter nicht vorbei – „All The Young Dudes“.
Für Ian Hunter war insbesondere der Tod von Mick Ronson, den 1993 der Krebs mitten aus der Arbeit an seinem dann postum erscheinenden Solo-Album „Heaven ’n Hull“ (1994) riss, ein herber Schicksalsschlag. Unterkriegen ließ er sich davon aber nicht: In größeren Abständen brachte er sich mit neuen Studioplatten in Erinnerung, veröffentlichte weitere Livealben und arbeitete unter anderem mit Brian May von Queen, Mick Jones von The Clash, Dennis Elliot von Foreigner sowie Clarence Clemons, Jaco Pastorius und natürlich seinem alten Kumpel David Bowie zusammen.
Auf seine jüngsten, wiederum mit der Unterstützung zahlreicher Weggefährten entstandenen Veröffentlichungen „Defiance Part 1“ und „Part 2“ habe ich eingangs bereits verwiesen. Somit bleibt mir neben der herzlichen Gratulation zu seinem 85. Geburtstag die Hoffnung, dass auch künftig Weiteres von Ian Hunter zu erwarten ist.
Hier nun die angekündigten Ausschnitte aus dem 1980er Rockpalast-Konzert der Ian-Hunter-Band featuring Mick Ronson, den der Rolling Stone in seiner 2003 (also zehn Jahre nach Ronsons Krebstod) veröffentlichten Rangliste der hundert weltbesten Gitarristen auf Platz 41 führt.
All diese jungen Kerle – ein Song für die Ewigkeit – das war meine Würdigung für das 85jährige Geburtstagskind Ian Hunter.
Bis dahin hat der folgende Jubilar, der in vielen Stilrichtungen zu Hause ist, noch fünf Jahre Zeit – auf der Visitenkarte des am 17. Juni 1944 geborenen britischen Gitarristen Chris Spedding finden Rock und Blues, Folk und Country, Fusion, Wave und selbst Punkrock angemessen Platz. Wenige Wochen nach seiner Geburt wurde der als Halbwaise zur Welt gekommene Peter Robinson von einer Pflegefamilie adoptiert und erhielt den neuen Namen Christopher Spedding – sein leiblicher Vater war als Angehöriger der britischen Luftwaffe kurz zuvor im Krieg gefallen. Er wuchs in Sheffield und Birmingham auf, wo er 15jährig seine erste Schulband gründete. Mit Zwanzig wurde er Profi, spielte in der vom Trompeter Ian Carr gegründeten Jazzrock-Formation Nucleus und wurde aufgrund seines sich rasch verbreitenden Rufs als herausragender und höchst flexibler Gitarrist zunehmend für Studioaufnahmen gebucht, so etwa von Roxy Music, Elton John, Jack Bruce, Paul McCartney oder Tom Waits; sogar die Bay City Rollers habe er – allerdings ohne Namensnennung – später mal gitarristisch unterstützt.
Mit dem ex-Free-Bassisten Andy Fraser gründete er 1972 die Sharks, mit denen er drei LPs einspielte. Ende 1974 lehnte er das Angebot der Rolling Stones, bei ihnen für den abtrünnigen Mick Taylor einzusteigen, schlichtweg ab. Im Folgejahr hatte er dann mit „Motorbikin‘“ sogar einen eigenen Top-Twenty-Hit in Großbritannien und Deutschland. Im Laufe der Jahrzehnte erschien ein gutes Dutzend Solo-Alben von Chris Spedding, zumeist in wechselnden Trio-Formationen mit Bass und Schlagzeug aufgenommen; die letzte Studio-LP „Joyland“ datiert von 2015. Fünf Jahre später kam dann noch die Liveplatte „Face To Face“ heraus, die seinen Londoner Auftritt zum 50jährigen Bühnenjubiläum 2018 präsentiert.
Ich lege jetzt die 1981 bei Passport Records erschienene Konzertplatte „Friday the 13th“ auf, die am Freitag, dem 13. März 81, im New Yorker Music-Club Trax mitgeschnitten wurde. Da stand Spedding gemeinsam mit dem Bassisten Michael „Busta“ Jones auf der Bühne, der unter anderem durch seine Zusammenarbeit mit
Albert King oder den Talking Heads bekannt wurde – er ist 1995 mit nur 44 Jahren an Herzinsuffizienz verstorben. Am Schlagzeug saß bei diesem Konzert Tony Machine, der auch beim Singer/Songwriter Elliott Murphy oder David Johansen, dem einstigen Frontmann der New York Dolls, trommelte.
Ausgewählt habe ich den erwähnten Single-Hit „Motorbikin‘“ sowie den ebenfalls aus Chris Speddings Feder stammenden Song „Hungry Man“.
Live ist Chris Spedding, der seit den 1970er Jahren in den USA lebt und in Kürze seinen 80. Geburtstag feiern kann, noch immer aktiv. So war er zuletzt mit dem Musicalprojekt „The War Of The Worlds“ auf Tour, das der US-Amerikaner Jeff Wayne 1978 nach der Erzählung „Der Krieg der Welten“ von H. G. Wells geschaffen hat. Die seinerzeit zum Stück produzierte Doppel-LP, an der Chris Spedding bereits maßgeblich beteiligt war, verkaufte sich weltweit über 13 Millionen Mal und heimste etliche Gold- und Platin-Auszeichnungen ein. Allein in den britischen Album-Charts konnte sich die aufwändige Produktion dreihundert
Wochen lang platzieren; in den USA gab es 1980 dafür die Auszeichnung als „The Best Recording In Science Fiction And Fantasy“8. Klar, dass Chris Spedding nun auch bei der Tournee-Neuauflage des Erfolgs-Musicals mit von der Partie war. Zudem ist er hin und wieder mit seinem alten Musikerfreund Bryan Ferry zu erleben.
1989 war Chris Spedding erneut mit einer Trio-Formation in Deutschland auf Tour. Am Schlagzeug saß wiederum Tony Machine; für den groovenden Bass sorgte Ernie Brooks, ansonsten ebenfalls Mitglied der Begleitband von Elliott Murphy.
Einige Mitschnitte wurden auf der 1991 bei Fan Club Records erschienenen Liveplatte „Just Plug Him In!“ veröffentlicht, darunter „Silver Bullet“ und das selbstironische „Love’s Made A Fool Of You“; eine alte Buddy-Holly-Nummer aus dem Jahr 1959. Liebe macht einen Dummkopf aus dir – inwieweit dies auch eine ganz persönliche Erfahrung von Chris Spedding ist, lassen wir angesichts seines demnächst anstehenden 80.
Geburtstages mal offen…
Alles in allem findet sich sein Name als Musiker oder Produzent bis heute auf mehr als 200 Alben unterschiedlicher Stilrichtungen der populären Musik, so ist er beispielsweise als Gastsolist auf der zweiten Solo-LP des Ärzte-Drummers Bela B zu hören. Und auch als Tournee-Sideman war Chris Spedding häufig zu erleben – zwei Beispiele sollen den ihm gewidmeten Part dieser LiveRillen abrunden.
Zunächst ein Konzertmitschnitt mit Alan Price. Der 1942 im Nordosten Englands Geborene war Gründungsmitglied der Animals und an den Tasten mitverantwortlich für den typischen Sound der Band um Frontmann Eric Burdon – man denke an seine wimmernde Hammond-Orgel im legendären „House Of The Rising Sun“. Allerdings stieg Alan Price bereits 1965 wieder aus; Grund war wohl seine Flugangst angesichts der zunehmenden Tourneeverpflichtungen. Musikalisch blieb er weiterhin aktiv, gründete das Alan Price Set, arbeitete dann längere Zeit mit Georgie Fame zusammen und erweiterte zudem sein künstlerisches Spektrum in Richtung Film und Fernsehen. Auch als Sänger versuchte er sich erfolgreich und tourte im Herbst 1980 mit Band, Bläsersatz und Background-Chor durch England, um alten Rock’n’Roll- und Country-Nummern neues Leben einzuhauchen. Ein Konzert im Royal Court Theatre wurde mitgeschnitten und erschien als Liveplatte auf dem britischen Mideosonic-Label. Zwei Gitarristen standen Alan Price dabei zur Seite – neben Colin Green, einem bekannten und noch heute aktiven Studio- und Sessionmusiker, eben auch Chris Spedding. Wir hören von dieser Platte den Song “Oh Lonesome Me”, den der Countrysänger Don Gibson 1958 als Single bei RCA herausgebracht hatte – Produzent war seinerzeit der als „Mr. Guitar“ bekannte Chat Atkins. Hier nun hat Chris Spedding den prägenden Gitarrenpart übernommen.
Danach hören wir den schon mehrfach erwähnten Singer/Songwriter Elliott Murphy selbst, mit dessen Bandmusikern auch Chris Spedding seit langem zusammenarbeitet. So ist es nicht verwunderlich, dass Spedding auch bei Murphys eigenen Produktionen und Konzerttourneen häufig als Gast zu erleben war. Der gebürtige New Yorker Elliott Murphy, der in jungen Jahren gemeinsam mit seinem Bruder Matthew als Straßenmusiker durch Europa tingelte und Mitte der 1970er Jahre von der Rockpresse schon mal als neuer Dylan9 gepriesen wurde, konnte im März dieses Jahres seinen 75. Geburtstag feiern; neben zahlreichen, von der Kritik zumeist hochgelobten Platten hat der mit Bruce Springsteen und Ian Matthews befreundete Singer/Songwriter auch Kurzgeschichten und einen Roman veröffentlicht.
Unter seinen Liveplatten ragt zweifellos die 1989 auf New Rose erschienene LP „Live At Hot Point“ heraus. Auf dem Back-Cover ist ein launiges Gespräch zwischen dem Produzenten Marc Ridet und ElliottMurphy abgedruckt, in dem es um den Wunsch nach einem besonderen Bühnengast geht – einer, der Magie in die Musik bringe, wie es dort heißt. In Amerika seien alle Hexen bereits verbrannt, so Marc Ridet. Darauf Elliott Murphy, er kenne da „einen Zauberer, der mit einer E-Gitarre fliegen kann, dessen Soli noch Jahrhunderte später zu hören sein werden, dessen Hände Flügel haben müssen und der sich normalerweise schwarz kleidet.“10
Ob er damit etwa Chris Spedding meine, fragt Ridet. Und Murphy bestätigt das mit den Worten, Spedding sei „der einzige Zauberer, dessen Magie sowohl schwarz als auch weiß sei – eben einfach Rock and Roll!“11
Den Beweis hören wir gleich mit der „Rock Ballad“ von der Liveplatte „Hot Point“; zuvor noch Chris Spedding in Diensten von Alan Price.
Und damit zum dritten Jubilar dieser LiveRillen-Ausgabe, der allerdings seinen am 24. Juni anstehenden 80. Geburtstag nicht mehr erleben kann: Jeff Beck ist am 10. Januar 2023 verstorben. Meinen Nachruf aus der Rest-In-Peace-Sendung vom Dezember letzten Jahres habt ihr vielleicht noch in Erinnerung. Dennoch soll der bevorstehende runde Geburtstag des als Geoffrey Arnold Beck in einem Londoner Vorort Geborenen Anlass sein, den ebenso genialen wie exzentrischen Musiker nochmals zu würdigen, der laut Rolling Stone bis heute zu den Top Five der hundert weltbesten Gitarristen zählt. Nach vierjährigem Studium am Londoner Wimbledon Art College stieg der in der Szene bereits bekannte Virtuose 1967 bei den Yardbirds ein, um die Lücke, die Eric Claptons Ausstieg dort hinterlassen hatte, zu füllen.
Musikalisch gelang das zwar, doch zwischenmenschlich knirschte es heftig. Beck gründete daraufhin mit Sänger Rod Stewart, Ron Wood am Bass, dem Pianisten Nicky Hopkins und dem Schlagzeuger Aynsley Dunbar seine eigene Band, die aber nach zwei stressigen US-Tourneen bereits wieder zerschlissen war. Ein Ende 1970 selbstverschuldeter Autounfall zog eine zweijährige Zwangspause nach sich, ehe er sich im Trio mit den ehemaligen Vanilla-Fudge-Musikern Tim Bogert am Bass und Carmine Appice am Schlagzeug auf der Bühne zurückmeldete – genau zu jener Zeit also, als zahlreiche Trios das Erbe der Supergroup Cream anzutreten suchten, man denke an Mountain oder Grand Funk Railroad, aber auch an stärker dem Bluesrock verpflichtete Bands wie Chicken Shack, Taste oder Ten Years After.
Im Mai 1973 gastierten Beck, Bogart & Appice in Japan; aus den Konzertmitschnitten in Osaka wurde ein Doppelalbum zusammengestellt, das noch im selben Jahr auf Epic erschien. Daraus spiele ich den vom 1946 in Philadelphia geborenen Songwriter Raymond LouisKennedy geschriebenen Titel „Why Should I Care“: „Du hast dich nie um mich gekümmert, als ich einsam, traurig und deprimiert war – warum sollte ich mich jetzt um dich kümmern?“
Jeff Beck – hier gemeinsam mit Tim Bogert und Carmine Appice im Konzert in der KOSEINENKIN HALL in Osaka; leider fand die Zusammenarbeit mit dem Ausnahmegitarristen nach nur zwei gemeinsamen Jahren ihr Ende.
1975 war übrigens auch Jeff Beck einer der Kandidaten für die Mick-Taylor-Nachfolge bei den Rolling Stones; daraus wurde nichts. Der divenhafte, aber auch zeitweise von Depressionen gebeutelte Star stieg daraufhin in John McLaughlins
Mahavishnu Orchestra ein und kreierte mit dessen Pianisten Jan Hammer ein gemeinsames Studio-und Tourprojekt, das bis 1980 Bestand hatte. Neben zwei Studio-CDs entstand in dieser Zeit auch eine 1977 in Osaka aufgenommene Liveplatte, aus der ich das von Jeff Beck komponierte Instrumental „Scatterbrain“ spiele, bei dem der Gitarrist von der jazzrockigen Jan Hammer Group kraftvoll und virtuos begleitet wird.
Überhaupt scheint Japan für den Gitarristen über die Jahrzehnte hinweg ein gutes Konzertpflaster gewesen zu sein. 1999 war Beck dort mit einer neu zusammengestellten Formation unterwegs, deren Rhythmusgruppe aus den Bluesrock-Urgesteinen Randy Hope-Taylor am Bass sowie Schlagzeuger Steve
Alexander bestand und die vervollständigt wurde durch die US-amerikanische Gitarrensolistin Jennifer Batten, die seit 1987 zur Liveband von Michael Jackson gehört hatte, daneben mit The Immigrants ein eigenes Bandprojekt betrieb und die Beck 1998 an seine Seite geholt hatte. Unter dem nicht besonders originellen LP-Titel „Live From Japan“ sind 2016 Höhepunkte eines Konzerts in Tokyo aus dem Jahr 1999 veröffentlicht worden – allesamt reine Instrumentalaufnahmen, die das Publikum dennoch hörbar zu Begeisterungsstürmen hinreißen konnten. Aus dieser Platte zwei Titel zur Erinnerung an Jeff Beck, der in diesem Monat seinen 80. Geburtstag begehen könnte, wenn er nicht vor anderthalb Jahren an einer bakteriellen Meningitis verstorben wäre. Zunächst „Even Odds“, das dann unmittelbar in „Star Cycle“ übergeht.
„Star Cycle“ - ein Sternenzyklus, den Jeff Beck hier gemeinsam mit der Gitarristin Jennifer Batten aus den Saiten seiner Fender Stratocaster zaubert. Apropos Fender Strat – auch dieser Inbegriff für eine sensibel gespielte Rockgitarre (der Herstellerslogan lautet nicht von ungefähr „The world's greatest electric guitar“!) – von Jimi Hendrix und Eric Clapton über Rory Gallagher bis Mark Knopfler und eben Jeff Beck – hatte gerade Geburtstag: 1954, also zwei Jahre nach der teuren Gibson Les Paul, präsentierte Firmengründer Leo Fender seine Herausforderung an die Konkurrenz, die 70 Jahre später „als beliebteste, meistverkaufte und meistkopierte E-Gitarre weltweit“12 gilt. Und natürlich hat es sich die Firma nicht nehmen lassen, im Jahr 2010 gemeinsam mit Jeff Beck ein Signature-Modell zu kreieren, das aufgrund seiner bevorzugten Spielweise „zusätzlich über ein modernes Tremolo mit rollengelagerter Saitenführung am Sattel verfügt“13.
Eric Clapton, der seit 2004 alle drei Jahre führende Rock- und Bluesgitarristen zu seinen Crossroads-Festivals einlädt, deren Erlös dem von ihm gegründeten Suchtbehandlungszentrum auf Antigua zugutekommt, hat natürlich nicht auf Jeff Beck verzichtet: 2007 war er ebenso wie Robert Cray, B.B. King, Jimmy Vaughan oder Willie Nelson umjubelter Gast dieses Gipfeltreffens der Gitarren-Virtuosen, und natürlich finden sich Mitschnitte dieses Großereignisses in der sechs LPs umfassenden Plattenbox „Crossroads Revisited“, die 2016 erschienen ist. Daraus spiele ich „Cause We’ve Ended As Lovers“, eine Ballade, die Stevie Wonder in den 1970er Jahren eigens für Jeff Beck komponiert hat. Und vielleicht hatte der Autor des Nachrufs, den der SPIEGEL im Vorjahr anlässlich des Todes von Jeff Beck veröffentlicht hat, genau dieses Stück im Ohr, als er schrieb: „Warm und unverkennbar und hochmelodisch klang seine Musik. Zu den breitbeinigen und machohaften Gniedlern gehörte er nie“.14
Dass der mit acht Grammys Geehrte zudem gleich zwei Mal in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wurde, 1992 mit den Yardbirds und 2009 als Solist, sei ebenfalls erwähnt – hier ist Jeff Beck mit seinem wunderbar singenden Gitarrenton beim Crossroads Festival 2007 mit „Cause We’ve Ended As Lovers“.
Dass auch der Texaner Stevie Ray Vaughan, der in den späten 1980er Jahren als eines der größten gitarristischen Talente weltweit galt, die Fender Stratocaster als Instrument bevorzugte, ist bekannt. Vielleicht ja auch ein Grund dafür, dass sich Stevie Ray und Jeff Beck zu dieser Zeit mehrfach die Bühne teilten, so auch auf Vaughans US-Tournee im Spätherbst 1989, als sich Jeff Beck als guest artist zu Vaughans Begleitband Double Trouble – bestehend aus Keyboarder Reese Wynans, Tommy Shannon am Bass und Schlagzeuger Chris Layton – gesellte.
Konzertausschnitte aus Albuquerque und Denver wurden 2019 durch RADIO LOOPLOOP als Bootleg, doch in bester Soundqualität auf einem Doppelalbum veröffentlicht. In einem Interview mit dem Magazin Classic Rock im Jahr 2021 sagte Jeff Beck über den 1990 bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommenen Gitarristen: „Ich denke, Stevie Ray kam Hendrix am nächsten, wenn es darum ging, den Blues zu spielen.“15 Und mit dem musikalischen Gedenken an den im Vorjahr verstorbenen Jeff Beck, dessen 80. Geburtstag in Kürze ansteht, neigen sich die heutigen LiveRillen ihrem Ende zu.
Die nächste Ausgabe der LiveRillen wird ebenfalls eine Gratulationssendung werden, denn am 18. Juli vollendet der gleichermaßen in Rock und Jazz anerkannte Hammondorganist Brian Auger sein 85. Lebensjahr. Freut euch drauf! Zum Abschluss der heutigen Sendung noch einmal Jeff Beck, hier als Gast von Stevie Ray Vaughan, mit „Life Without You“…
Jeff Beck / Tim Bogert / Carmine Apprice: Live, Epic, 1973
Jeff Beck: With The Jan Hammer Group, LP, Warner, 1977
Jeff Beck: Live From Japan (1999), LP, LOV Records, 2016
Eric Clapton And Guests: Crossroads Revisited / Selections From The Crossroads Guitar Festivals, 6-LP-Set, RHINO/Reprise Records/Duck Records, 2019
Ian Hunter: Live / Welcome To The Club, Do.-LP, Chrysalis, 1980
Ian Hunter Band Feat. Mick Ronson: Live At Rockpalast, Do.-LP, LTEV/WDR, 2016
Mott The Hoople: Live In Sweden 1971, LP, SIREENA RECORDS, 2010
Mott The Hoople: Live, LP, CBS, 1974
Elliott Murphy: Live / Special Guest Chris Spedding, LP, New Rose, 1989
Alan Price: A Rock’n’Roll Night At The Royal Court, LP, Midesonic, 1980
Chris Spedding: Friday The 13th, LP, Passport Records, 1981
Chris Spedding: Just Plug Him In!, LP, Fan Club Records, 1991
Steve Ray Vaughan: Live In Albuquerque & In Denver, Radio Looploop, 2019
6https://www.jpc.de/jpcng/poprock/detail/-/art/ian-hunter-defiance-part-2-fiction/hnum/11810661.
7 Zitiert nach RL, Band 2, S. 623.
8https://de.wikipedia.org/wiki/Jeff_Wayne%E2%80%99s_Musical_Version_of_the_War_of_the_Worlds.
9 Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Elliott_Murphy.
10 Im Original heißt es: But I know one magician who can fly with an electric guitar, whose solos will still be heard centuries from now, whose hands must have wings, and who usually dresses in black.
11 He is the only magician whose magic is both black and white - Rock and Roll.
12 Zitiert nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Fender_Stratocaster.
13 Ebenda.
14https://www.spiegel.de/kultur/musik/jeff-beck-gestorben-nachruf-auf-einen-virtuosen-breitbeinigen-a-e4c219ab-7e29-4cba-bf88-f91dda2a8dca.
15https://www.guitarworld.com/features/stevie-ray-vaughan-jeff-beck-goin-down-mtv-1989.
Wie bereits angekündigt, wird heute einiges von Brian Auger zu hören sein, dessen 85. Geburtstag am 18. Juli ansteht. Aber so eine Zweistunden-Sendung lebt ja auch von Abwechslung, und so erinnern die heutigen LiveRillen zunächst an einen stilprägenden britischen Prog-Rock-Musiker, der am 12. Juli seinen 75. Geburtstagstag begehen könnte. Der Konjunktiv deutet bereits an, dass es ihm nicht vergönnt ist: John Kenneth Wetton ist bereits vor sieben Jahren einer Krebserkrankung erlegen, nachdem ihm schon zuvor jahrelanger Alkoholmissbrauch, Arteriosklerose und eine koronare Herzerkrankung gesundheitlich zugesetzt hatten. Musikalisch war er dennoch bis kurz vor seinem frühen Tod aktiv, und die Spuren, die er in der populären Musik des letzten halben Jahrhunderts hinterlassen hat, sind vielfältig und bleibend.
Bereits als 13jähriger Schüler spielte er Bass und sang in einer Coverband, versuchte mit 18 vergeblich, bei Atomic Rooster unterzukommen, und zog schließlich aus der britischen Provinz nach London, wo er sich vor allem als Studiomusiker rasch einen Namen machte – neben seinem Hauptinstrument, dem E-Bass, beherrschte John Wetton auch Gitarre, Piano und Violine und war zudem ein passabler Vokalist. Im Zuge der sich zu Beginn der 1970er Jahre ausdifferenzierenden Musikstile gelangte der Progressive Rock zu einer ersten Blüte, die den jungen Musiker stark faszinierte. Er stieg zunächst in die experimentierfreudige Band Family um den Gitarristen Charlie Whitney und den Sänger Roger Chapman ein, mit der er zwei Platten einspielte und sich dabei auch als Arrangeur profilierte. 1972 kam dann das Angebot von Robert Fripp, in dessen 1969 gegründeter und zahlreichen Personalwechseln unterworfener ProgRock-Band King Crimson an der Seite des neuen Drummers Bill Bruford die Rhythmus-Sektion zu komplettieren. Zuvor hatten bei King Crimson unter anderem Greg Lake oder Boz Burrell den Bass bedient – John Wetton stand ihnen in Können und Kreativität jedoch keinesfalls nach.
Hier nun Live-Musik von King Crimson mit John Wetton am Bass. Zunächst das mit einer wuchtigen Bassfigur einsetzende „Easy Money“, mitgeschnitten im Herbst 1974 in Amsterdam und erschienen auf der Live-LP „Book Of Saturday“. Danach aus der USA-Tournee im Sommer desselben Jahres „Lament“ – an beiden Songs ist John Wetton neben Robert Fripp auch als Komponist beteiligt.
Robert Fripp, der eigenwillige und höchst kreative Kopf von King Crimson, löste die Band 1974 überraschend auf, um – wie er sagte – der Gefahr der Kommerzialisierung seiner Musik zu entgehen. Für John Wetton, der nach eigenem Bekunden gerne noch mindestens zwanzig Jahre in der improvisationsfreudigen Band weitergespielt hätte 16, brach eine Welt zusammen. Er musste sich nach neuen Partnern umschauen, was dem inzwischen allgemein anerkannten Musiker allerdings nicht schwerfiel. Aufgrund seiner Bekanntschaft mit Roxy Music wurde er gebeten, dort bei der Suche nach einem neuen Bassisten für die nach dem Ausstieg von Brian Eno ohnehin im Umbruch befindliche Band zu helfen. Da keiner der Kandidaten den hohen Erwartungen entsprach, sprang John Wetton kurzerhand selbst für eine bereits geplante Welttournee der angesagten Band ein – Ergebnis war die 1976 erschienene Live-Platte „VIVA!“. Daraus gleich der Eröffnungssong „Out Of The Blue“, den Keyboarder Bryan Ferry und Gitarrist Phil Manzanera gemeinsam verfasst hatten.
Nach der erfolgreichen Roxy-Music-Tour stieg John Wetton bei den britischen Stadionrockern Uriah Heep ein, die sich seinerzeit auf dem Gipfel ihres Ruhms befanden. Obwohl er dort nur ein Jahr blieb, hinterließ er durch die Einspielung der Studioplatten „Return To Fantasy“ und „High And Mighty“ ebenfalls deutliche Spuren in der noch heute aktiven Band, die seinerzeit von Keyboarder und Sänger Ken Hensley und dem Gitarristen Mick Box dominiert wurde; letzterer ist noch immer dabei.
Ende der 70er Jahre gründete Wetton mit dem ex-King-Crimson-Drummer Bill Bruford die Progrock-Band U.K., zu der auch Keyboarder und Elektroviolinist Eddie Jobson – man kannte sich bereits gut von Roxy Music her – sowie anfangs auch der Gitarrist Allan Holdsworth gehörten, der zuvor bei Soft Machine und Gong gespielt hatte.
Bei U.K. konnte Wetton nun endlich auch seine kompositorischen und gesanglichen Kompetenzen voll ausleben, was die 1979 erschienene Live-LP „Night After Night“ nachhaltig belegt – bei sieben der neun auf der Platte enthaltenen Titel taucht sein Name bei den Songcredits auf.
Ich habe das Stück „Nothing To Lose“ ausgewählt, das im Mittelteil vom eindrucksvollen Dialog zwischen Bass und Violine geprägt ist. Am Schlagzeug der nach dem Ausstieg von Holdsworth zum Trio geschrumpften Band sitzt nunmehr übrigens der US-Amerikaner Terry Bozzio, der zuvor schon für Frank Zappa und Jeff Beck getrommelt hatte.
„Nothing To Lose“ – nichts zu verlieren – für die leider nur kurzlebige Supergroup U.K. um ihren Sänger und Bassisten John Wetton trifft das wohl nicht zu: 1979 war hier bereits Schluss. Eddie Jobson stieg bei Jethro Tull ein, Terry Bozzio ging zurück in die USA, und John Wetton musste sich wieder mal neu orientieren.
Nach einer kurzen Stippvisite bei den Twin-Guitar-Heroen von Wishbone Ash, deren LP „Number The Brave“ er miteinspielte, kam für Wetton mit der 1981 aus vormaligen Mitgliedern von Yes, Emerson, Lake and Palmer, Saga, King Crimson, Uriah Heep oder den Buggles gegründeten Band ASIA nun aber auch endlich der kommerzielle Erfolg. Vor allem als in den Hymnen ihres Powerrocks schwelgende Liveband machte sich ASIA einen Namen, auch wenn die Besetzung mehrfach wechselte, was bei den dort jeweils versammelten Stars nicht verwundert. Zudem erlangten John Wettons Liveaktivitäten „unter seinen Fans traurige Berühmtheit …, weil bei jedem Konzert die Gefahr bestand, dass es kurzfristig abgesagt werden musste. Wettons schwerer Alkoholismus hatte dazu geführt, dass man ihn bisweilen nach dem ersten Song von der Bühne tragen musste“17, heißt es bei Wikipedia.
In den 2010er Jahren ereilte John Wetton dann die Krebsdiagnose. Am 31. Januar 2017 erlag er der Krankheit. In wenigen Tagen, am 12. Juli, wäre John Wetton 75 Jahre alt geworden.
Ebendiesen 75. Geburtstag kann zwei Tage zuvor ein US-amerikanischer Rockmusiker begehen, der sich zudem auch als Radiomoderator und Autor von Horror- und Fantasy-Romanen einen Namen gemacht hat: Gregory Stanley Kihn – kurz genannt Greg. Den entscheidenden Impuls für seinen musikalischen Lebensweg beschreibt er rückblickend so: