LiveRillen No. 1 - Paul Bartsch - E-Book

LiveRillen No. 1 E-Book

Paul Bartsch

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Beschreibung

Seit dem Frühjahr 2018 gestaltet der in Halle (Saale) lebende Literaturwissenschaftler, Liedermacher und Autor Paul Bartsch die monatliche Rundfunksendung "LiveRillen" auf Radio Corax, in der er ausgewählte Ausschnitte aus Konzert-LPs und Live-Alben direkt vom Plattenteller serviert und kommentiert. Die mit viel Liebe zum Detail ausgearbeiteten Sendemanuskripte bilden die Grundlage für diese originelle Publikationsreihe. Ein unterhaltsames Lektürevergnügen für alle, die Freude an guter Musik haben und mehr über deren Hintergründe und Protagonisten erfahren wollen. Themen dieses Bandes sind unter anderem: * Dylan - (fast) ohne Bob * Bluesrock vom Feinsten * The Cover(s) of the Rolling Stone(s) * Der Club 27 * 30 Jahre Night of the Guitar * Folk und Verwandtes * Deep Purple - die Grundfarbe des Hardrock * Wishbone Ash - The Sound of Twin-Guitars

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Seitenzahl: 183

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Radio CORAX auf UKW 95.9 KHz und weltweit im Netz:

https://radiocorax.de

Hinweise in eigener Sache:

Aufgrund der Vielzahl und des Alters der im Text erwähnten Schallplatten ist es schier unmöglich, die jeweiligen Bild- und Urheberrechte für die Cover bei den größtenteils nicht mehr existierenden Labels zu klären. Ich habe die Cover hier in durchaus werbender Absicht in den Text eingefügt. Als Quelle sind die konkreten Plattenausgaben mit Label und Erscheinungsjahr angegeben. Sollte(n) sich der oder die Inhaber der jeweiligen Rechte dennoch benachteiligt fühlen, bitte ich um entsprechende Information – sicher finden wir gemeinsam eine probate Lösung.

Falls Sie Interesse haben, die eine oder andere LiveRillen-Sendung komplett nachzuhören, stelle ich Ihnen diese gern zur Verfügung. Die mp3-Datei wird Ihnen per WeTransfer übertragen und ist ausschließlich für den privaten Gebrauch gedacht!

Anfragen richten Sie bitte per Mail an: [email protected].

Inhalt:

Eine Rille vorab

No. 01: CREAM de la Crème

No. 02: Dylan – (fast) ohne Bob

No. 03: Bluesrock vom Feinsten

No. 04: The Cover(s) of the Rolling Stone(s)

No. 05: Von Yesterday bis Let It Be – Beatlessongs in Concert

No. 06: Der Club 27

No. 07: Sound of the Sixties – England

No. 08: 30 Jahre Night of the Guitar

No. 09: Folk & Verwandtes

No. 10: From California To The New York Island USA der 60er/70er Jahre – Teil I

No. 11: From California To The New York Island USA der 60er/70er Jahre – Teil II

No. 12: From California To The New York Island USA der 60er/70er Jahre – Teil III

No. 13: From California To The New York Island USA der 60er/70er Jahre – Teil IV

No. 14: Deep Purple – die Grundfarbe des Hardrock

No. 15: Wishbone Ash – The Sound of Twin Guitars

Index der Bands, Musiker und Stichworte

Nachsatz

Eine Rille vorab

Musik muss man hören. Klar. So, wie man Bilder sehen muss. Das unmittelbare Erlebnis eines Musikers oder einer Band im Konzert ist nicht zu ersetzen. Das wissen wir alle, die wir unzählige Male dabeigewesen sind – im Konzertsaal, auf der Freilichtbühne, im Stadion oder im Jazzclub. Was bleibt, ist die Erinnerung an unvergessliche Momente, an Begeisterung, Ergriffenheit, Emotionalität. Was kann es Schöneres geben?! Wie meinte da schon olle Goethe: Verweile doch, du bist so…

Aber natürlich konnte und kann man nicht überall dabei sein, wo die Musik spielt. Und viele einzigartige Konzertmomente sind inzwischen unwiederholbar – die Bands haben sich längst aufgelöst, oder die Musiker sind bereits Teil jener leider rasch größer werdenden Community, die auf Wolke Sieben gemeinsam mit Elvis, Jimi, Janis, Brian oder Jim für die himmlischen Heerscharen swingt, beatet, rockt und groovt. Was uns da bleibt? Nun – immerhin die Möglichkeit, die eine oder andere Scheibe aus dem Plattenregal zu ziehen, die Nadel vorsichtig auf das rotierende Vinyl abzusenken und uns durch das, was da aus den Lautsprechern dringt, mit geschlossenen Augen in die Atmosphäre des längst Vergangenen zurückversetzen zu lassen.

Äh – Schallplatte, wie, was?! Ist das nicht absolut veraltet und uncool? Ehrlich: So habe ich selbst mal gedacht. Das war 1990, die Mauer war endlich gefallen, ich hatte statt der DDR-Alu-Chips echtes Geld in den Händen und konnte mich ungehemmt mit dem seinerzeit neuen, modernen Medium Compact-Disc eindecken. Dafür habe ich meinen Plattenspieler verschrottet und meine zu Ostzeiten mühsam erkämpfte Sammlung von rund 200 Westplatten regelrecht verschleudert (für diejenigen, die es nicht miterlebt haben, nur mal zur Orientierung: man traf sich konspirativ in verrauchten Altbau-Wohnungen, in die man nur auf ein zuvor vereinbartes Klopfzeichen eingelassen wurde, zum Tauschen, Kaufen und Verkaufen des schwarzen Goldes – für „Physical Graffiti“ von Led Zeppelin habe ich 240,- DDR-Mark auf die abgeschabte Linoleumdecke eines Küchentisches gelegt, das war ein gutes Drittel meines Monatsgehalts an der Universität – allerdings belief sich seinerzeit die Miete für unsere 4-Zimmer-Altbauwohnung mit Küche, Bad und riesiger Veranda auf schlappe 80,- Mark…).

Nun, jedenfalls habe ich damals alle meine schwarzen Scheiben verkauft und durch schnöde Silberlinge ersetzt. Ja, ja, ich weiß – das war echt blöd! Aber manche Erfahrung braucht halt ihre Zeit. Die war für mich gekommen, als ich vor ein paar Jahren beim Besuch eines Freundes vor dessen Plattenregal stand. Wir zogen die eine oder andere Hülle heraus, klappten die Alben auf, vertieften uns in die Credits und die Bilder, genossen die gestalterische Ästhetik und das haptische Vergnügen, Musik tatsächlich in den Händen zu halten. Da war er, der Soundtrack unseres Lebens. Und an dem Abend wurde mir klar, dass mir vor dem irgendwann anstehenden Ruhestand nicht bange sein muss: Wer sammelt, der rostet nicht!

Ich habe also meine mehr als zweitausend CDs wieder verkauft und davon nur behalten, was mir wirklich wichtig ist. Und ich habe begonnen, Schallplatten zu sammeln. Dabei war klar: Bei dem Überangebot will ich nicht wild drauflos hamstern, sondern gezielt Ausschau halten. Wonach? Nun – ich bin selbst Musiker, und deshalb interessierten mich schon immer ganz besonders die Stunden der Wahrheit: Konzertmitschnitte. Also war klar: Meine Sammlung wird ein Archiv der Live-Alben! Und meine ersten drei Platten, die ich (in Warnemünde im Plattencafé am Leuchtturm) aus den Kisten wühlte, gehören noch heute zu meinen Favoriten: Wishbone Ash: Live Dates, Journey: Captured und Colosseum: Live!

Seither sind Hunderte hinzugekommen. Als ich noch Dienstreisen machen musste, habe ich vorher im Internet geschaut, ob die Städte, in die ich fuhr, einen Plattenladen haben. Ich besuche die regionalen Plattenbörsen in Leipzig oder Dresden, bin natürlich auf Ebay unterwegs und schaue mir die monatlichen Newsletter von Fun Records, Discogs und anderen Portalen sehr genau an. Stilistisch bin ich nicht festgelegt; meine Vorliebe für Gitarren, für Bluesrock und gutes Songwriting will ich natürlich nicht leugnen, doch findet sich in den Regalen auch Folk, Beat, Reggae, Soul, Hardrock, Wave oder Fusion-Jazz. Genau diese Vielfalt brachte mich auf die Idee, mehr daraus zu machen. Und da wir in Halle mit Radio Corax seit dem Sommer 2000 ein großartiges nichtkommerzielles, freies Radio haben, lag es nahe, dort anzuklopfen mit der Idee einer monatlichen Sendung – so wurden die LiveRillen geboren, die seit April 2018 regelmäßig on Air gehen.

In Vorbereitung der Sendungen sichte ich mein Plattenarchiv, höre mich durch die relevanten Alben, durchforste mein Musikbuch-Regal und recherchiere im Internet. Daraus entstehen die Sendungsmanuskripte, die ich seither brav abhefte. Warum aber sollten die zwischen Aktendeckeln verstauben? Mehrere Freunde der Sendung haben den Wunsch geäußert, das eine oder andere, was beim bloßen Hören verloren geht, in Ruhe nachlesen zu können. Das ist nunmehr möglich durch die Buchreihe LiveRillen, deren erster Band hiermit vorliegt.

Das funktioniert im Übrigen aber auch ganz ohne Kenntnis der ursprünglichen Sendung, zumal man sich die darin erwähnte Musik ja inzwischen auf die eine oder andere Weise verfügbar machen kann. Denn wie hieß es weiter oben: Musik muss man hören – wenn möglich, von Vinyl und parallel zur Lektüre dieses Buches!

Im Schaufenster eines Second-Hand-Ladens für Schallplatten in Berlin hängt dieses Schild: CDs sind Sondermüll mit Verpackung! Ganz so weit würde ich zwar nicht gehen in Zeiten, da Musik mehrheitlich unverpackt und digital per Audiostream an die jungen Endverbraucher*/_Innen gelangt, aber die Tendenz stimmt schon: Vinyl ist unersetzlich!

In diesem Sinne wünscht euch und Ihnen gute Unterhaltung Paul Bartsch!

No. 01: CREAM de la Crème

April 2018

Hallo und willkommen, liebe Freundinnen und Freunde der populären Musik!

Dies sind die LiveRillen, ein neues Format, das euch ausschließlich Konzertmitschnitte direkt von Vinyl nahebringen will, mit Knistern und mit Knacken – sozusagen als analoger Hörgenuss im digitalen Zeitalter! Ich hoffe, ihr habt dabei genauso viel Freude wie ich.

Ich werde monatlich ein Thema präsentieren, zu dem sich die Liveaufnahmen gesellen, und glaubt mir – ich habe eine Themenliste in der Schublade, die für die nächsten Jahre reicht. Immerhin stehen derzeit rund 320 Livealben in meinem Plattenregal (Anmerkung: Inzwischen sind es knapp Tausend – Stand 2021!).

In der heutigen ersten Ausgabe dreht sich alles rund um Cream, die (so das gängige Etikett) erste Supergroup der Rockgeschichte – drei exzellente Solisten unter einem Hut. Kann das gutgehen, darf man fragen, und in der Rückschau lautet die Antwort: Ja, aber wohl nur eine gewisse Zeit. Immerhin haben es die drei Exzentriker zweieinhalb Jahre miteinander ausgehalten, dabei tolle Platten veröffentlicht und uns so zahlreiche Titel hinterlassen, die zweifellos zu den Perlen der populären Musik der vergangenen gut fünfzig Jahre gehören.

Die drei Musiker, die ab 1966 unter dem selbstbewussten Namen Cream zusammenspielten, waren der Bassist Jack Bruce, Schlagzeuger Ginger Baker und Eric Clapton an der Gitarre. Alle drei waren zuvor bereits erfolgreich im Grenzbereich von Rock, Blues und Jazz unterwegs, hatten unter anderem in Alexis Corner‘s Blues Incorporated, der Graham Bond Organisation oder John Mayall‘s Bluesbreakers gespielt – alles Schmelztiegel der damaligen Londoner Szene, aus denen sich allmählich die Stars herauskristallisierten – und diese drei gehörten unbedingt dazu!

Unser musikalischer Einstieg bleibt auf jeden Fall Teil des kollektiven Musikgedächtnisses der 1960er Jahre – Cream mit „Sunshine Of Your Love“.

CREAM: Sunshine Of Your Love

Im Dezember 1968 ging die Ära Cream dann bereits zu Ende mit mehreren gefeierten Konzerten im New Yorker Madison Square Garden sowie der Royal Albert Hall London, die zum Glück mitgeschnitten wurden, sodass wir uns heute noch an der ungebändigten Spielfreude der drei exzellenten Virtuosen erfreuen können.

Hier aus diesen Abschiedskonzerten ein Stück, das mich seinerzeit schon begeistert hat. Ich war damals 14, hatte erst drei Jahre DDR-Schulenglisch hinter mir, doch diesen überschaubaren Text konnte ich verstehen und lauthals mitsingen: „Drivin‘ in my car / smoking my cigar / the only time I‘m happy when I play my guitar…“ – das unterschreibe ich heute noch!

Der Song trägt einen etwas merkwürdigen Titel: N.S.U. – allerdings hat hier nicht die alte deutsche Automarke Pate gestanden, sondern eine Geschlechtskrankheit, die sich Clapton seinerzeit eingefangen hatte – Non Specifical Urethritis – eine unspezifische Harnröhrenentzündung, über die sich die Jungs offenbar lustig machten… nun ja, wer den Schaden hat, braucht bekanntlich für den Spott nicht zu sorgen. Der Song selbst ist jedenfalls wunderbar fluffig, lässig wiegend, gerade so als läge man in einer Hängematte…

Cream: N.S.U.

Nur gut zweieinhalb Jahre dauerte also die Bandgeschichte von Cream, doch ihre vielfältigen Langzeitwirkungen auf die Rockmusik reichen bis in die Gegenwart:

Irgendwie muss sich jedes Gitarrentrio seither an Cream messen lassen, egal ob da nun Jimi Hendrix Experience, Ten Years After, Rory Gallagher oder Mountain draufstand.

1993 gabs dann den späten Ritterschlag für die Drei, die längst wieder ihre eigenen Wege gingen: Cream wurde in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen und spielten zu diesem Anlass sogar noch mal drei Stücke gemeinsam, darunter auch „Sunshine Of Your Love“.

Hier nun zwei Titel am Stück, die zu meinen Lieblingstiteln von Cream gehören:

Cream: Deserted Cities Of The Heart / White Room

Die meisten Cream-Stücke, so sie nicht auf traditionellen Bluesnummern basierten, waren durchaus komplexe, teils monumentale Kompositionen, vielleicht auch eher zu verstehen als kompositorischer Rahmen, innerhalb dessen sich die Solisten auf ihren Instrumenten virtuos austoben konnten. Geradezu exemplarisch zeigt sich dieses Prinzip in „Sweet Wine“, einer Komposition von Ginger Baker. Dessen Vorliebe für jazzige Polyrhythmik gibt ihm Gelegenheit, sein grandioses Können zu zeigen, und auch für die ausufernden Soli von Clapton und Bruce bleibt genügend Raum – in den besten Momenten des Titels gelingt wirklich eine kongeniale Fusion aller drei Solisten!

Cream: Sweet Wine

Das Aus von Cream zum Jahresende 1968 bietet Gelegenheit, den Weg der drei Musiker etwas genauer zu betrachten. Beginnen wir mit dem jüngsten: Eric Clapton, geboren am 30. März 1945, ist ja vor kurzem 73 Jahre alt geworden. Vor seinem Einstieg bei Cream hatte er bereits 16-jährig bei den Yardbirds und den Bluesbreakers von John Mayall als bluesgeprägter Gitarrist überzeugt. Nach Cream folgte dann ein Projekt namens Derek & The Dominos, das neben Clapton aus ex-Mitgliedern von Delaney & Bonnie bestand. 1970 erschien ihre Doppel-LP „Layla“; der Titelsong gehört ja bis heute zu den immer wieder gern gehörten Clapton-Klassikern.

Übrigens war auch der Allman-Brothers-Gitarrist Duane Allman an diesen Aufnahmen beteiligt. Von einer 1971 im Fillmore

East mitgeschnittenen Konzert-LP von Delaney & Bonnie & Friends mit Eric Clapton hier dessen Komposition “Presence Of The Lord“.

Eric Clapton / Delaney & Bonnie & Friends: Presence Of The Lord

Für Clapton war die Zeit nach Cream allerdings alles andere als einfach. Dem Stress des frühen Ruhms versuchte er mit zunehmendem Drogenkonsum zu begegnen, was nach einer kräftezehrenden, fünfmonatigen Mammuttournee zum physischen und psychischen Zusammenbruch führte. In der notwendig gewordenen Therapie wurde Claptons Heroinsucht zunächst durch Methadon substituiert. Während dieser Zeit war Clapton für das Publikum vollkommen von der Bildfläche verschwunden. Als aber sein langjähriger Freund, der ex-Beatle George Harrison, im Sommer 1971 daranging, ein großes Benefizkonzert für die rund zehn Millionen Flüchtlinge des Bangladesch-Krieges zu organisieren, war auch Clapton so weit, dass er am 1. August 1971 im New Yorker Madison Square Garden vor einigen zehntausend Besuchern wieder auf der Bühne stehen konnte. Das Programm wurde an diesem Tag sogar zwei Mal gespielt; beim Nachmittags- wie beim Abendkonzert engagierten sich neben Harrison und Clapton Stars wie Ravi Shankar, Bob Dylan, Ringo Starr und Billy Preston für das geschundene asiatische Volk. Als Begleitband für alle fungierten Badfinger, die Ende der 1960er Jahre als Beatles-Zöglinge mit dem von Lennon/McCartney geschriebenen „Come And Get It“ einen veritablen Hit verbucht hatten und inzwischen eine populäre, gut eingespielte und stilistisch versierte Truppe darstellten. Aus diesem Konzert hier ein Beatles-Klassiker aus der Feder von George Harrison, bei dessen Aufnahme seinerzeit bereits Clapton die gefühlvolle Melodiegitarre gespielt hatte: „While My Guitar Gently Weeps“.

Concert For Bangla Desh:

While My Guitar Gently Weeps

Anderthalb Jahre nach dem Bangla-Desh-Konzert, dessen Mitschnitt von Harrison und Phil Spector als Dreifach-Vinylalbum mit einem opulenten 64seitigen und reich bebilderten Begleitheft in einem orangefarbenen Karton herausgegeben wurde, ging in London ein All-Star-Konzert über die Bühne, das nicht nur Eric Clapton als eines der Zugpferde präsentieren konnte, sondern von diesem sogar maßgeblich organisiert worden war: Das Rainbow-Concert vom 31. Januar 1973. Die Idee dazu hatte Who-Mastermind Pete Townshend, und der Einladung gefolgt waren Faces-Gitarrist Ron Wood, der später bei den Rolling Stones den Platz von Mick Taylor einnehmen würde, dazu Rick Grech am Bass, der bei Blind Faith spielte, Traffic-Schlagzeuger Jim Capaldi sowie Steve Winwood, der als Keyboarder und Sänger mit Traffic, der Spencer-Davis-Group und Blind Faith bekanntgeworden war.

In diesem Konzert coverte Clapton auch „Little

Wing“ des 1970 verstorbenen Jimi Hendrix, und diese Version muss sich keineswegs hinter dem Original verstecken!

Eric Clapton: Little Wing

In den 1970er Jahren war Clapton dann mit unterschiedlichen Begleitmusikern vielfach live unterwegs; seine Studio-Alben, die in dieser Zeit erschienen, sind nicht alle herausragend, manches wiederholt sich, aber auf jeder Scheibe finden sich natürlich auch tolle Titel, die den Tag überdauert haben. Ganz sicher über „Just One Night“ hinaus Bestand hat aber zweifellos das gleichnamige Doppelalbum, das bei einem Konzert in der Nippon Budōkan Hall in der japanischen Hauptstadt Tokyo im Dezember 1979 mitgeschnitten wurde.

Eigentlich ist die Budōkan Hall ja eine Kampfsportarena, die für die Olympischen Sommerspiele 1964 errichtet wurde und rund 14.000 Besucher fasst. Daneben wurde sie aber auch oftmals zum Austragungsort großer Rockereignisse – neben Clapton muss natürlich Bob Dylans Livealbum „At Budokan“ erwähnt werden, ebenso eine Live-LP von Cheap Trick, und selbst die Beatles waren dort 1966 unter starken Sicherheitsvorkehrungen aufgetreten.

Claptons dort aufgenommene Doppel-LP „Just One Night“ besticht durch ihre Geradlinigkeit; er bespielte die Riesen-Arena mit einer überschaubaren, aber hochkarätigen Band, aus der zumindest Albert Lee an Gitarre und Keyboards erwähnt werden soll, der übrigens nicht verwandt ist mit Alvin Lee von Ten Years After, aber als einflussreicher Studiogitarrist auch live mit vielen Musikern gemeinsam auf der Bühne gestanden hat. Mehrfach wurde er in den USA zum besten Country-Gitarristen des Jahres gewählt.

Das Album – und das ist für Konzertplatten außergewöhnlich – erreicht Spitzenplätze in den internationalen Charts: in den USA erreichte es Platz 2 und in Großbritannien Platz 3!

Daraus jetzt „Tulsa Time“, ein Countrysong, geschrieben von Danny Flowers, den Don Williams 1978 auf Platz 1 der Country-Charts gebracht hatte. Seither ist er vielfach gecovert worden; gleich im Erscheinungsjahr eben auch von Eric Clapton auf dessen Studio-LP „Backless“.

Eric Clapton: Tulsa Time

Eric Clapton ist ja musikalisch durchaus nicht nur auf den Blues festgelegt, sondern in vielen stilistischen Gefilden unterwegs – neben Country unternimmt er bis heute gern mal Ausflüge in Richtung Reggae, Folk oder Ballade. Bekanntermaßen gilt er ja auch nicht als Flitzefinger, sondern eher als effektvoller Gitarrist, der auch sparsame Töne melodisch gekonnt einsetzt, sodass sie im Ohr bleiben – sein Ehrenname „Slowhand“ deutet es an.

1977 machte Clapton auf der gleichnamigen LP dem alle Ehre. Das ist bei „Wonderful Tonight“, einem der schönsten Titel dieses Albums, quasi in Perfektion zu erleben – und den Song hat er dann im Dezember 1979 auch in der Budōkan wunderbar gefühlvoll dargeboten…

Eric Clapton: Wonderful Tonight

Nun zu Jack Bruce, dem Bassisten und Sänger von Cream, geboren am 14. Mai 1943 in Schottland und 2014 im Alter von 71 Jahren verstorben.

In den 1960ern hat er unter anderem bei bzw. mit Alexis Corner, Graham Bond, John Mayall oder Manfred Mann gespielt, ehe es 1966 zur Gründung von Cream kam.

Nach deren Auflösung bemühte sich Jack Bruce mehrfach um die Fortsetzung des in seinen Augen bewährten Cream-Konzepts, also einer Trio-Besetzung mit drei gleichberechtigten Solisten. Nicht zuletzt deshalb wurden ja auch Mountain spätestens nach ihrem Woodstock-Auftritt als legitime Cream-Nachfolger gefeiert.

Als es 1972 zur ersten Auflösung von Mountain kam, formte Jack Bruce aus dem Mountain-Gitarristen Leslie West (eigtl. Weinstein) sowie Corky Laing an den Drums das Trio West, Bruce & Laing, das trotz seiner Kurzlebigkeit ein paar tolle Platten hinterlassen hat, darunter „Live’n’Kickin“ aus dem Jahr 1974.

„Die Combo zerbrach unter innerem Hochdruck und mangelnder musikalischer Kommunikationsbereitschaft ihrer Mitglieder“, ist im Rocklexikon von Schmidt-Joos/Graves zu lesen – wahrscheinlich kein ganz seltenes Problem bei ausgeprägten Individualisten.

Nach Auflösung von West, Bruce & Laing hat Jack Bruce mit zahlreichen Musikern zusammengearbeitet – in der illustren Liste finden sich die Jazzgitarristen John McLaughlin und Larry Coryell, die Pianistin Carla Bley, Mick Taylor von den Rolling Stones, Robin Trower, der einst bei Procol Harum die Gitarre gespielt hatte, sowie der Colosseum-Gitarrist Clem Clempson oder die Drummer Simon Philipps und Billy Cobham. Ein Who-Is-Who des Jazzrock rund um Jack Bruce!

Hier nun ein Titel aus dem Livealbum

„Live’n’Kickin“ von West, Bruce & Laing: Ein Stones-Cover! „Play With Fire“ hatten die Rolling Stones 1965 als Single-B-Seite von „The Last Time“ sowie auf ihrer Studio-LP „Out Of Our Heads“ veröffentlicht – und was Jack Bruce und seine Mitstreiter aus der alten Stones-Nummer machen, ist durchaus hörenswert!

West, Bruce & Laing: Play With Fire

Und schließlich noch zum ältesten der einstigen Cream-Musiker, dem am 19.

August 1939 geborenen Schlagzeuger Ginger Baker – in Kürze wird er also 79 Jahre alt! (Anmerkung: Ginger Baker ist kurz nach seinem 80. Geburtstag am 6. Oktober 2019 verstorben).

Baker gilt als ausgesprochener Individualist mit anarchischen, mitunter auch psychotischen Zügen, der diverse Drogenexzesse und vier Ehen hinter sich gebracht hat und heute in Südafrika lebt. Jay Bulgars biografische Dokumentation „Beware Of Mr. Baker“ („Warnung vor Mr. Baker“) von 2012 – kürzlich auf Arte zu sehen – zeichnet ein sehr offenes Porträt des Musikers, der selbst dem Regisseur während der Dreharbeiten schon mal Prügel anbot. Seine ersten Meriten erarbeitete sich Ginger Baker zu Beginn der 1960er Jahre in der britischen Bluesszene um John Mayall. Nach Cream folgten dann zahllose musikalische Projekte, die zumeist kurzlebiger Natur waren, aber von seiner ungebrochenen, mitunter jedoch sprunghaften Kreativität zeugten – ich erwähne nur Ginger Baker’s Air Force, seine Zusammenarbeit mit afrikanischen Musikern oder die Baker-Gurvitz-Army, die er 1974 gemeinsam mit ehemaligen Musikern der Hardrock-Combo Gun aus der Taufe hob.

Ich habe einen Titel der Air Force ausgewählt, jener lockeren Assoziation, zu der zeitweise Musiker wie der Gitarrist Danny Laine (eigtl. Brian Hines, ex Moody Blues, später auch bei Paul McCartneys Wings), Steve Winwood an Keyboards, Gitarre und Gesang, der zuvor in der Spencer Davis Group und bei Traffic gespielt hatte, Chris Wood (Flöte und Tenorsaxofon, ebenfalls Traffic), der Saxofonist Graham Bond, der in den 1960ern mit der GBO (Graham Bond Organisation) eine erfolgreiche Bluesrock-Bigband unterhielt, sowie der Blind Faith-Bassist Rick Grech gehörten.

Als Schlagzeuger und Perkussionist wirkte der Nigerianer Remi Kabaka mit, der später unter anderem mit Steve Winwood gearbeitet hat und 1977 festes Mitglied der Afrorockband Osibisa wurde. Er ist (neben Teddy Osai, Saxofon/Gesang) auch Mitkomponist des Titels „Aiko Biaye“, der bereits auf der 1971 erschienen Debüt-LP von Osibisa erschienen war – das Stück hatte übrigens auch die Klaus-Renft-Combo in der DDR im Konzertrepertoire! Hier aber die mitreißende Liveversion von Ginger Baker’s Air Force – „Aiko Biaye“!

Ginger Baker’s Airforce: Aiko Biaye

Tja, natürlich hat die Zeit nicht annähernd ausgereicht, um dem Werk von Cream sowie den Folgeprojekten ihrer Mitglieder gerecht zu werden. Aber ich denke, ein stimmiger Gesamteindruck sollte doch entstanden sein.

Den Schlusspunkt für heute setzen noch einmal West, Bruce & Laing mit einem echten Cream-Klassiker: „Politician“.

West, Bruce & Laing: Politician

Die nächste Sendung der LiveRillen dreht sich um „Dylan – (fast) ohne Bob“ – dann reden wir über Coversongs des Meisters in Liveaufnahmen von Joan Baez und den Byrds bis zu den Rolling Stones und der halleschen M.-Jones-Band, alles natürlich direkt von Vinyl – ich freue mich drauf – bis dahin!

Quellen:

Ginger Baker’s Airforce: o. T., Do.-LP, Polydor, 1970

The Concert For Bangla Desh, 3-LP-Set, Apple, 1972

Eric Clapton: Eric Clapton’s Rainbow Concert, LP, RSO, 1973

Eric Clapton: Just One Night, Do.-LP, RSO, 1980

Cream: Live In Detroit ’67, Do.-LP, London Calling, 2018

Cream: Steppin’ Out, LP, Swingin’ Pig Records, 1990

Cream: The Best Of Cream Live, Do.-LP, Karussell, 1972

Delaney & Bonnie & Friends: On Tour With Eric Clapton, LP, Atlantic, 1970/74

West, Bruce & Laing: Live’n’Kickin‘, LP, RSO, 1974