London. Eine Stadt in Biographien - Marina Bohlmann-Modersohn - E-Book

London. Eine Stadt in Biographien E-Book

Marina Bohlmann-Modersohn

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Beschreibung

London. Eine Stadt in Biographien - Eine Stadt wird nicht nur von Gebäuden und Straßenzügen geprägt, die Identität von London entsteht erst mit den Geschichten seiner Bewohner. Denn was wäre die Stadt ohne Shakespeare Queen Victoria oder die Beatles? 20 ausgewählte Biographien zeichnen ein lebendiges, historisches wie auch aktuelles Bild der Stadt. Die Porträts werden durch Adressen ergänzt, die eine Stadterkundung auf den Spuren der porträtierten Personen ermöglichen. Dieser Band umfasst Porträts von: Henry VIII, Elizabeth I, William Shakespeare, Oliver Cromwell, Daniel Defoe, Georg Friedrich Händel, Horatio Nelson & Emma Hamilton, William Turner, George Gordon Noel Byron, Charles Dickens, Karl Marx, Queen Victoria, Oscar Wilde, Winston Churchill, Virginia Woolf, Agatha Christie, Alec Guinness, Elizabeth II, Mick Jagger und Alexander McQueen. Autorin: Marina Bohlmann-Modersohn

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Seitenzahl: 166

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Marina Bohlmann-Modersohn

LONDON

Eine Stadt in Biographien

TRAVEL HOUSE MEDIA GmbH

Herausgegeben von Norbert Lewandowski

INHALTSVERZEICHNIS

DIE AUTORINEDITORIALAUF EINEN BLICKORIENTIERUNGHENRY VIIIELIZABETH IWILLIAM SHAKESPEAREOLIVER CROMWELLDANIEL DEFOEGEORG FRIEDRICH HÄNDELHORATIO NELSON & EMMA HAMILTONWILLIAM TURNERGEORGE GORDON NOEL BYRONCHARLES DICKENSKARL MARXQUEEN VICTORIAOSCAR WILDEWINSTON CHURCHILLVIRGINIA WOOLFAGATHA CHRISTIEALEC GUINNESSELIZABETH IIMICK JAGGERALEXANDER MCQUEEN
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DIE AUTORIN

Marina Bohlmann-Modersohn studierte Literaturgeschichte in Hamburg, Paris und London. Während ihres mehrjährigen Aufenthalts in der britischen Metropole recherchierte und schrieb sie als freie Journalistin für verschiedene deutsche Magazine; ihre Liebe zu London hält bis heute.

Neben zahlreichen biographischen Essays veröffentlichte sie ein Buch über die Malerin Paula Modersohn-Becker. Außerdem ist sie Autorin der Bände »Paris« und »Hamburg« der Reihe MERIANporträts.

Eine Stadt mit magischer Anziehungskraft. Begegnungsstätte der Kulturen. Tradition trifft auf Nonkonformismus, Neue Welt auf altes Europa, Königshäuser auf Finanzimperien, arm auf unermesslich reich.

Eine Welthauptstadt mit acht Millionen Menschen, tief verwurzelt in der Geschichte. Wie jede außergewöhnliche Stadt wird auch London in erster Linie von den Menschen geprägt, die in ihren Mauern geboren wurden, gestorben sind oder entscheidende Jahre verbracht haben. MERIANporträts lässt diese Personen die Besucher in 20 Kapiteln wie individuelle Reiseleiter begleiten.

Wir stoßen auf die Skrupellosigkeit eines Henry VIII und die puritanische Rigorosität Oliver Cromwells, sind fasziniert vom Genie eines Shakespeares und der Erzählkunst von Charles Dickens, von der staatsmännischen Kraft Winston Churchills.

Natürlich ist es schwer, die »richtigen« 20 Personen auszuwählen; vermutlich ist es, objektiv betrachtet, sogar unmöglich, schließlich wurde London in seiner fast 2000-jährigen Geschichte von weit mehr als 20 Menschen geprägt. Doch in der Summe soll unsere subjektive Auswahl ein unverwechselbares Kaleidoskop ergeben.

Wir erleben den Sprachreichtum von Lord Byron und Oscar Wilde, die Beharrlichkeit der Windsors, wir fühlen mit bei der »amour fou« von Lord Nelson und Lady Hamilton, durchdringen den Nebel Londons, in dem eine Miss Marple die subtilen Mörder von Agatha Christie zur Strecke bringt. Wir leiden mit der Seelennot von Virginia Woolf, geben uns dem Rhythmus der Rolling Stones hin. Und sehen, wie ein mürrischer Karl Marx seinen Schatten in den Finanzdschungel der City wirft.

Alles zusammen ergibt das Faszinosum London. Eine zeitlose Stadt, die gleichzeitig in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft lebt.

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AUF EINEN BLICK

Ohne ihre Bewohner wäre die Stadt eine andere. Ohne William Shakespeare, Winston Churchill und Elizabeth II … wäre London nicht London.

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ORIENTIERUNG

Farbige Kästchen mit Ziffern 1 und farbige Buchstaben-Ziffern-Kombinationen (▶D 3) verweisen auf die Orientierungskarte.

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HENRY VIII

1491–1547

Wild entschlossen war er, dieser legendäre König, der die Macht so liebte. Er neigte zu radikalen Lösungen: bei seinem Streit mit dem Papst – und bei seinen Ehefrauen. Dabei floss stets sehr viel Blut.

Eigentlich hätten sich die Dinge ganz anders entwickeln sollen. Als im Juni 1491Henry VII aus der Tudor-Dynastie die Geburt seines gleichnamigen zweiten Sohnes verkünden ließ, konnte niemand ahnen, dass der kleine Prinz einmal Englands König würde. Thronfolger war sein älterer Bruder, Prinz Arthur, aber der starb als 15-Jähriger kurz nach seiner Hochzeit mit der gleichaltrigen Prinzessin Katharina von Aragon im Jahr 1501. Und der jüngere Henry (Heinrich) wurde zum Thronerben ernannt.

In London gibt es eine kleine Kirche, St Margaret’s, die sich an die Nordseite der gewaltigen Westminster Abbey45( ▶F 5) schmiegt; die Pfarrkirche des britischen Parlaments besitzt im Osten ein spätgotisches Fenster aus flämischem Glas in vorwiegend leuchtendem Blau: Prinz Arthur und Katharina von Aragon bekamen es zu ihrer Verlobung.

Zurück zu Henry, neunter Prinz of Wales, der bei seiner Ernennung zum Thronfolger, also 1501, zehn Jahre alt ist. Ein temperamentvoller Knabe, geistig wach und voller Lebenslust. Latein, Französisch, Geschichte – das Lernen fällt ihm nicht schwer. Musik und Literatur interessieren ihn besonders, später wird er sogar Gedichte schreiben. Schritt für Schritt macht König Heinrich VII. seinen Sohn mit den künftigen Aufgaben als Souverän vertraut, und mit wem sich der Prinz einmal vermählen soll, steht auch bald fest.

Was läge näher, als die jung verwitwete Katharina zu wählen. Die anmutige Renaissanceprinzessin mit dem hüftlangen rotgoldenen Haar und dem weißen Teint ist wohlerzogen und liebenswürdig, von humanistischer Bildung und ein frommes Mädchen. Schwager und Schwägerin kennen sich, die beiden jungen Menschen verbindet ein herzliches Verhältnis. Das Wichtigste jedoch: Katharina ist Spanierin. Dem englischen Hof geht es bei dieser Heirat vor allem um ein Bündnis mit Spanien.

Am 11. Juni 1509 führt der 18-jährige Bräutigam die fünf Jahre ältere Braut, nur sechs Wochen nach dem Tod des alten Königs, zum Traualtar; beide werden kurz darauf in Westminster Abbey45( ▶F 5) gekrönt. Mit Musik, Tanz, Maskenspielen und Turnieren feiert der Hof das neue Herrscherpaar. Henry sitzt zu Pferde und präsentiert den Massen die beiden verschlungenen Initialen H und K, die seine Rüstung zieren, als Symbol seiner Liebe zu Katharina.

Die gewaltigen Panzer aus geschmiedetem Stahl sind noch erhalten und Teil der reichen Sammlung von Rüstungen und Waffen aus verschiedenen Epochen, die im Tower43( ▶K 4) zu sehen ist, genauer im White Tower, dem ältesten Teil und Herzstück der Trutzburg am Themseufer. Hier stehen sie alle aufgereiht, die englischen Könige. Heinrich VIII. ist nur einer von ihnen. Hoch zu Ross, das Haupt erhoben – kaum zu glauben, dass aus dem einst so ranken Regenten ein schwergewichtiger Kahlkopf wurde, ein herrschsüchtiger Monarch, der sinnlose Kriege mit Frankreich und Schottland führte und Englands Klöster plündern ließ.

Man kennt das wenig schmeichelhafte Antlitz des wohlgenährten Herrschers mit dem roten Bart aus seinen späteren Jahren von zahlreichen Porträts, die Hans Holbein d.J. (1497–1543) von ihm gemacht hat. Der Renaissancemaler, Sohn einer Augsburger Künstlerfamilie, war während seines London-Aufenthaltes an den englischen Hof gekommen. Heinrich VIII. ernannte Holbein schließlich zu seinem Hofmaler.

EINE EHE UNTER EINEM SCHLECHTEN STERN

Doch 1509 ist Henry noch ein junger, schöner Mann, und ganz England jubelt, als der Hof verkündet, dass Königin Katharina schwanger ist. Niemand zweifelt daran: Es wird ein gesunder Junge sein, die Tudor-Thronfolge ist damit gesichert!

Das im Januar 1510 geborene Kind ist eine Tochter und kommt tot zur Welt. Zum Glück erfreut das Herrscherpaar sein Volk schon bald mit der Verkündung einer erneuten Schwangerschaft. Am Neujahrstag 1511 wird der ersehnte Prinz geboren. Wieder haben Hof und Untertanen Grund zum Jubeln, und wieder ist der Kummer groß, als sich nur wenige Wochen später die Nachricht vom Tod des neugeborenen Prinzen verbreitet. 1513 gebiert Katharina abermals ein Kind, auch dieses, es soll ein Junge gewesen sein, wird eine Totgeburt, 1516 dann noch ein Mädchen, Mary Tudor.

Königin Katharina, inzwischen fast 40, trägt die Entwicklungen mit Fassung, aber ihre Kräfte drohen zu schwinden. Dass sie England nach 20-jähriger Ehe nun noch den ersehnten legitimen Erben schenken könnte, daran glauben weder sie noch ihr Mann.

Auf einem Maskenball verliebt sich der 35-jährige König in die zehn Jahre jüngere Hofdame der Königin, Anne Boleyn. Hans Holbein hat die junge Diplomatentochter gemalt, ihr Porträt hängt in der National Portrait Gallery25( ▶ F 4): eine aparte Frau, gebildet, schlagfertig und von der Mode bis zur Lebensart vom französischen Hof geprägt, an dem sie ihre frühe Jugend verbrachte. Der Regent hätte sie liebend gern zur Mätresse. Anne Boleyn reicht diese Rolle nicht, sie gibt dem verliebten König zu verstehen, dass sie nur unter einer Bedingung auf seine Bewerbung eingehen könne: Er müsse sich scheiden lassen und sie zu seiner Königin machen.

Wie ist die Situation zu lösen? Ganz einfach: Henry lässt die Ehe mit der Frau seines verstorbenen Bruders rückwirkend für ungültig erklären. Mit der Begründung, sie sei gegen das göttliche Gebot geschlossen worden, wendet er sich mit der Bitte an Papst Clemens VII. in Rom, ihm die Einwilligung zur Scheidung zu geben. Das Kirchenoberhaupt lehnt ab; dennoch heiratet Heinrich VIII. heimlich Anne Boleyn am 25. Januar 1533. Seine Ehe mit Katharina von Aragon wird vom Obersten Gerichtshof für ungültig erklärt, und am 7. September 1533 bringt Anne Boleyn ein Mädchen zur Welt, Elizabeth, die spätere Königin Elizabeth I.

Heinrich VIII. ist nun wild entschlossen, fortan auch in religiösen Fragen das letzte Wort zu haben: Im November 1534 lässt er sich mit dem »Act of Supremacy« durch das Parlament zum »höchsten Oberhaupt der Kirche von England auf Erden« machen. Die Trennung der englischen Kirche von Rom ist damit endgültig, die anglikanische oder »High Church« gegründet und der Weg frei für die protestantische Reformation in England.

Verfolgung und Todesstrafe drohen nun all denen, die dem König die Anerkennung als höchstes Kirchenoberhaupt verweigern. Heinrich sammelt für die Krone entschlossen alles, was sich an herrlichem Kirchengut raffen lässt, er schafft die Klöster ab, lässt Mönche enthaupten. Die Residenz der Erzbischöfe von York verwandelt er binnen Kurzem in seinen prächtigen Londoner Stadtpalast, den er Whitehall Palace( ▶F 4) nennt.

Whitehall fällt 200 Jahre später einem Feuer zum Opfer: »Whitehall restlos abgebrannt, nichts mehr übrig außer Mauern und Ruinen«, notiert Sir John Evelyn in seinem Tagebuch. Aber ein Gebäude ist stehen geblieben, das architektonisch bedeutende Bankettgebäude Banqueting House6( ▶ F 4). Inigo Jones, der den venezianischen Baumeister Palladio bewunderte und die italienische Renaissance nach England brachte, hat es errichten lassen. Der 1622 vollendete Bau ist sein Meisterwerk. Sehenswert die lange Galerie im ersten Stock mit einem prachtvollen Deckengemälde des flämischen Malers Rubens. Bei dem Feuer in Whitehall muss auch das große Wandgemälde von Hans Holbein zerstört worden sein. Der Maler hatte darauf Heinrich VIII. in Lebensgröße dargestellt.

London, 19. Mai 1536: Im Innenhof des Tower43( ▶K 4) geht die 36-jährige Königin Anne die leicht ansteigende Rasenfläche, Tower Green, hoch zum Schafott. Wegen angeblichen Ehebruchs hat sich Heinrich VIII. von ihr getrennt und sie vor Gericht stellen lassen. Anne trägt einen Mantel aus Hermelin, darunter ein Gewand aus dunkelgrauem Damast und einen karmesinroten Unterrock. Eine Kappe aus weißem Leinen hält ihr Haar zusammen.

Sie kniet nieder und betet, ein Lächeln auf den Lippen, wie es ein Zeitzeuge beobachtet haben will, für den König, »den besten, edelsten und mildesten Fürsten, den es gibt« und wünscht ihrem Volk: »Und möge er lange über euch regieren.« Man nimmt ihr die Haube ab, ihre Augen werden verbunden. Dann holt der Henker mit dem Richtbeil aus.

DIE KÖNIGIN IST TOT, ES LEBE DIE KÖNIGIN

Kaum hat das Herz der Königin aufgehört zu schlagen, verspricht Heinrich VIII. seiner nächsten Frau die Ehe. Jane Seymour ist die Hofdame ihrer beiden Vorgängerinnen. Endlich ein Sohn! Edward VI kommt in Heinrichs großartigem Schloss Hampton Court zur Welt, aber, es ist wirklich schicksalhaft, die Mutter stirbt bei der Geburt, und Edward wird auch nicht älter als 16 Jahre.

Die Ehe mit der Deutschen Anna von Kleve hält nur wenige Monate. Angeblich soll Henry sich beklagt haben: »Ich habe sie vorher nicht geliebt und liebe sie jetzt noch weit weniger.« Er habe sich ihr, trotz großer Mühen, »fleischlich« nicht nähern können. Anna von Kleve hingegen vermisst nichts; sie scheint sexuell völlig desinteressiert zu sein. Ihren Hofdamen soll sie gesagt haben: »Wenn der König ins Bett geht, gibt er mir einen Kuss, nimmt meine Hand und wünscht mir eine gute Nacht. Am Morgen küsst er mich und sagt mir auf Wiedersehen. Ist das nicht genug?«

Heinrich lässt die Ehe wegen mangelnden Vollzugs auflösen. Es folgt 1540 die kaum 18-jährige Catherine Howard, die sich aber mit einem Kammerdiener vergnügt und ebenfalls wegen Ehebruchs geköpft wird.

Weder die Scheidung noch den Henker muss die sechste und letzte Frau des Monarchen fürchten, die bereits zweimal verwitwete Catherine Parr. Heinrich VIII. stirbt am 28. Januar 1547 mit 56 Jahren und wird in Windsor beerdigt.

Der englische Volksmund erinnert sich des königlichen Kraftkerls und seiner sechs Ehen mit einem makabren Abzählreim: »Divorced, beheaded, died, divorced, beheaded, survived – geschieden, geköpft, gestorben, geschieden, geköpft, überlebt.«

BANQUETING HOUSE 6▶F 4

Whitehall, Westminster, SW1

www.hrp.org.uk

▶ U-Bahn: Westminster

HAMPTON COURT

East Molesey, Surrey

www.hrp.org.uk

▶ U-Bahn: Hampton Court

ST MARGARET’S CHURCH (WESTMINSTER ABBEY) 45▶F 5

Broad Sanctuary, Westminster, SW1

▶ U-Bahn: Westminster

TOWER OF LONDON 43▶K 4

Tower Hill, EC3

www.hrp.org.uk

▶ U-Bahn: Tower Hill

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ELIZABETH I

1533–1603

Sie war eine kluge Frau und formte England zur Großmacht. Dafür entsagte sie der Liebe: »Ich wäre lieber eine Bettlerin und allein, als eine Königin und verheiratet. Der Ehering wäre für mich ein Joch.«

London wächst, zählt mehr als 200 000 Einwohner. Mit rasantem Tempo nähern sich entlang der Themse das Wirtschafts- und Handelszentrum City of London und der Sitz des Parlaments, die City of Westminster( ▶F 4/5). Auch zahllose Dörfer außerhalb des städtischen Kerns, einst im Besitz von Bischöfen und Abteien, wachsen zu Bezirken zusammen. Diese »boroughs« heißen Hampstead und Battersea, Chelsea und Kensington, Islington und St Pancras.

Das gelockte Haar rotblond, die Augen groß und braun, das Gesicht schmal geschnitten und von leuchtender Blässe. Lady Princess Elizabeth, die Tochter Henry VIII aus seiner zweiten Ehe mit Anne Boleyn, ist ein eigenwillig hübsches Mädchen. Weder der Hof noch das Reich hatten auf die Geburt der kleinen Elizabeth am 7. September 1533 in Greenwich mit Freude reagiert.

Schon wieder eine Prinzessin! Geboren von einer ehemaligen Hofdame, die den König nicht nur verführt und Königin Catherine verdrängt, sondern obendrein auch noch Ehebruch begangen hatte. »Ein Hurenbastard«, schimpfen Kirche und ganz England. Als ihre Mutter auf Befehl des Königs am 19. Mai 1536 durch das Henkerbeil starb, war Elizabeth kaum drei Jahre alt. Ein illegitimes Kind, wie der König anschließend offiziell verlauten ließ, um den Thron für den männlichen Erben zu sichern, den er mit seiner dritten Frau, Jane Seymour, ganz gewiss haben würde. 2000 Schüsse wurden vom Tower43( ▶ K 4) abgefeuert, im ganzen Land läuteten minutenlang die Kirchenglocken, als 1537 schließlich Prinz Edward geboren wurde.

Seit dem gewaltsamen Tod ihrer Mutter hatte Elizabeth in der Obhut einer Gouvernante meist auf Schloss Hatfield vor den Toren Londons gelebt und Französisch und Italienisch sprechen gelernt. Sie musizierte gern, las viel und konnte später die Texte griechischer Philosophen problemlos ins Englische übersetzen.

Mit zehn Jahren durfte das Mädchen wieder an den Hof nach London zurückkehren. An dieser Stelle muss auf einen besonders schönen Stadtpalast hingewiesen werden, das Somerset House37( ▶G 4) an der Straße Strand. Der im klassischen Stil errichtete Bau wurde 1547 vom Herzog von Somerset begonnen, und kurz bevor sie den Thron bestieg, lebte hier Prinzessin Elizabeth. Im mehrfach erweiterten Prachtgebäude sind heute die sehenswerten Kunstsammlungen der Courtauld Gallery und die Embankment Galleries( ▶G 4) zu Hause. Bestechend: der große Innenhof mit 55 tanzenden Wasserfontänen in seiner Mitte und die riesige Terrasse mit Restauration und Blick auf die Themse.

Nach dem Tod Heinrich VIII. geht es am englischen Hof chaotisch zu, es beginnt ein Spiel um Liebe und Macht, Intrigen und Verschwörungen reihen sich aneinander. Wild entschlossen, den Platz an Königin Katharinas Seite als König einzunehmen, umwirbt Großadmiral Thomas Seymour, ein Bruder des Lordprotektors Edward Seymour, die kinderlose Witwe und heiratet sie.

THOMAS SEYMOUR VERLIERT DEN KOPF

Nicht nur das. Es verlangt den attraktiven und ehrgeizigen Mann auch nach Prinzessin Elizabeth. Häufig stiehlt er sich am frühen Morgen in ihr Zimmer und versucht, sie zu verführen. Ohne Erfolg. Dennoch erdreistet sich Seymour unmittelbar nach dem Tod seiner Frau Katharina 1548 im Wochenbett, ganz offiziell um die Hand der Prinzessin anzuhalten. Jetzt reicht es dem Hof. Am 20. März 1549 wird Thomas Seymour hingerichtet: »Dem Herzog von Somerset wurde heute zwischen acht und neun Uhr morgens der Kopf abgeschlagen«, erklärt das Königshaus. Bis heute wird spekuliert, ob Seymours Aufdringlichkeiten dazu geführt haben könnten, dass Elizabeth während ihrer gesamten Regierungszeit alle Heiratsanträge ihrer zahlreichen Liebhaber ablehnte, sich als »jungfräuliche Königin« feiern ließ und am Ende auch noch die Chuzpe besaß, Sir Walter Raleighs erste englische Kolonie Virginia zu nennen.

Am 6. Juli 1553 stürzt eine erschütternde Nachricht ganz England in tiefe Trauer und sorgt erneut für große Probleme in der Thronnachfolge: Mit gerade 16 Jahren ist König Edward VI von der Schwindsucht dahingerafft worden. Wie soll es weitergehen? Der junge Edward war ein radikaler Protestant. Im Falle seines Todes, so hatte er verfügt, wolle er keinesfalls, dass seine katholische Schwester Mary die Nachfolge anträte. Darum hatte er vorsorglich die protestantische Jane Grey, eine Großnichte seines Vaters, zur Thronfolgerin bestimmt. Aber Volk, Heer und Hauptstadt dachten anders. Mary sei die rechtmäßige Nachfolgerin, und in den Straßen jubelte die Menge, als Mary, begleitet von ihrer 20-jährigen Stiefschwester Elizabeth, am 3. August 1553 ihren Krönungszug in London antrat.

Mary war eine sehr strenge Katholikin. Ihr Ziel: England in den Schoß der katholischen Kirche zurückzuführen. Die Stimmung im Volk drohte plötzlich zu kippen, als Mary auch noch ihre bevorstehende Hochzeit mit dem spanischen Thronfolger Philipp II. bekannt gab: Furcht vor einer übermäßigen Bevormundung durch das katholische Spanien breitete sich aus. Eine Verschwörung zielte auf Marys Sturz. Mary verdächtigte ihre jüngere Schwester der Verschwörung und befahl, Elizabeth in den Tower43( ▶ K 4) zu bringen. »Elizabeth’s Walk« heißt dort noch heute der Gang, den die Gefangene vom Bell Tower zum Beauchamp Tower gehen musste. Die Prinzessin stand Todesängste aus und bat ihre Schwester um Gerechtigkeit. Entlassung aus dem Tower ja, doch Hausarrest, lautete Marys Order.

AUS KÖNIGIN MARY WIRD »BLOODY MARY«

1554 beschließt das Parlament, die kirchlichen Reformen Heinrich VIII. rückgängig zu machen. Mary lässt Ketzer verfolgen, unzählige Menschen sterben auf den Scheiterhaufen. Das Grauen ist entsetzlich, das Volk empört. Fortan nennt England seine kinderlose Königin nur »Bloody Mary«. Dass nach ihr im 20. Jh. ein blutroter Drink aus Wodka und Tomatensaft benannt wird, ist nur mit angelsächsischem Humor zu erklären. Bevor die »blutige Maria« 1558 stirbt, geht sie auf den Vorschlag ihres Mannes Philipp ein, Elizabeth zu ihrer Nachfolgerin zu ernennen.

Ein Baldachin überspannt die mit goldenem Brokat ausgeschlagene Sänfte, in der zwei Monate später, am Morgen des 15. Januar 1559, die 25-jährige Prinzessin Elisabeth durch die pompös geschmückten Straßen von London zu ihrer Krönung in die Westminster Abbey45( ▶F 5) getragen wird. Die neue Königin von England und Irland heißt jetzt Elizabeth I, mit ihrer 45-jährigen Regentschaft beginnt für England eine so ruhmreiche und prägende Ära, dass man vom Elisabethanischen Zeitalter spricht.

Die junge Regentin macht den Hof zum Zentrum der monarchischen Gewalt. Im Whitehall Palace( ▶ F 4) drängen sich Adel, Räte und Staatsbeamte um Macht und Einfluss, zwölf Hofdamen und sechs Edelfräulein lesen der Königin jeden Wunsch von den Lippen ab und sorgen für den perfekten Sitz ihrer prunkvollen Kleidung, festgehalten auf zahlreichen zeitgenössischen Gemälden, wie sie auch in der Londoner National Portrait Gallery25( ▶ F 4) hängen.

Ein französischer Chronist berichtet: »Sie hatte ein Kleid aus weiß und karmesinrot gemusterter Silbergaze an mit geschlitzten, rot gefütterten Ärmeln. Der vordere Teil ihres Kleides stand offen, so dass man ihren ganzen Busen sehen konnte. Überhaupt knöpfte sie ihr Kleid häufig eigenhändig vorne auf, als ob es ihr zu warm wäre. Der Kragen der Robe war sehr hoch und innen mit Gehängen aus Rubinen und Perlen geschmückt. Um den Hals trug sie eine Kette, ebenfalls aus Rubinen und Perlen, ihre rötliche Perücke schmückte eine dazu passende Kette und viel Gold- und Silberflitter.«

Beeinflusst von der italienischen Renaissance, macht Elizabeth den englischen Hof auch zum Mittelpunkt des kulturellen Lebens. Dichter, Musiker und Maler kommen in Scharen an die Themse, 1583 gründet die Königin ihre eigene Schauspieltruppe, die »Queen Elizabeth’s Men«. Das Theater öffnet sich weltlichen Konflikten und Leidenschaften, und die drei Männer, die es repräsentieren, sind William Shakespeare (1564–1616), Christopher Marlowe (1564–1593) und Ben Jonson (1572–1637). Unter Englands Flagge segeln Sir Walter Raleigh, William Drake und Robert Essex