London Sins - The Promise - Rhyannon Byrd - E-Book

London Sins - The Promise E-Book

Rhyannon Byrd

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Beschreibung

Ein heißes Wochenende voller Leidenschaft, Verrat und Intrigen ...

Ein dramatisches Ereignis führt Kunststudentin Emmy Reed und Billionär und Playboy Jase Beckett zusammen. Beide sind fasziniert voneinander und schließen einen Deal: Sie begleitet ihn als seine Freundin zu einer Familienhochzeit, er hilft ihr bei ihrer Karriere. Doch schnell kocht die Leidenschaft zwischen ihnen hoch, und es kommen Gefühle ins Spiel. Aber in Jases intriganter Familie existiert ein dunkles Geheimnis, das um jeden Preis bewahrt werden muss und das Emmy aufdecken könnte ...

"Niemand schreibt die Mischung aus prickelnder sexueller Spannung und herzerwärmender Romantik besser als Rhyannon Byrd!" SHAYLA BLACK, NEW-YORK-TIMES-BESTSELLER-AUTORIN

Erster Teil der heißen LONDON-SINS-Serie von Bestseller-Autorin Rhyannon Byrd

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Seitenzahl: 258

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmungErstes KapitelZweites Kapitel Drittes KapitelViertes KapitelFünftes KapitelSechstes KapitelSiebtes KapitelAchtes KapitelDie AutorinDie Romane von Rhyannon Byrd bei LYXLeseprobeImpressum

RHYANNON BYRD

London Sins

The Promise

Teil 1

Ins Deutsche übertragen von Diana Beate Hellman

Zu diesem Buch

Ein dramatisches Ereignis führt Kunststudentin Emmy Reed und Billionär und Playboy Jase Beckett zusammen. Beide sind fasziniert voneinander und schließen einen Deal: Sie begleitet ihn als seine Freundin zu einer Familienhochzeit, er hilft ihr bei ihrer Karriere. Doch schnell kocht die Leidenschaft zwischen ihnen hoch, und es kommen Gefühle ins Spiel. Aber in Jases intriganter Familie existiert ein dunkles Geheimnis, das um jeden Preis bewahrt werden muss und das Emmy aufdecken könnte …

Für Cassandra

Wie Tyler sagen würde, bist du die Coolste aller Coolen, Sweetheart.

Ich bin unendlich stolz auf dich, und ich liebe dich mehr, als du dir vorstellen kannst.

ERSTES KAPITEL

Donnerstagnachmittag

EMMY

Warum ist das so, dass wir uns im Leben immer nach den Dingen verzehren, die wir nicht haben können? Nach den Dingen, die uns zerstören könnten? Die das Zeug dazu haben, uns zu ruinieren? Uns in Stücke zu zerreißen und in etwas zu verwandeln, das wir selbst nicht mehr wiedererkennen können? Warum muss die menschliche Natur so verdammt destruktiv sein?

Das sind die Gedanken, die mir in dem Moment, in dem ich ihn zum ersten Mal sehe, durch den Kopf schießen. Ich weiß nicht, wie er heißt. Er ist nichts weiter als ein ausgesprochen attraktiver Fremder in einem tadellos sitzenden, teuer aussehenden grauen Anzug, der in dem stickigen und muffig stinkenden Wagen der Londoner Underground, in dem auch ich unterwegs bin, völlig deplatziert wirkt. Ein Unbekannter, der die Verkörperung all dessen ist, wovon mein Unterbewusstsein in der bleiernen Stille der Nacht sehnsüchtig fantasiert, was ich im hellen Licht des Tages aber immer weit von mir weisen würde. Ich meide diesen Typ von Mann aus so vielen Gründen, dass ich sie gar nicht alle aufzählen kann. Einer davon und der noch am wenigsten ausschlaggebende ist meine geringe Toleranz für Egoismus und diese Ich- habe-einen-großen-Schwanz-und-Geld,-also-bin-ich-ein- Gott-Scheiße, die Männer wie er so wahnsinnig gut abziehen können.

Trotzdem ist mir nicht verboten, hinzuschauen und mich an dem Anblick zu erfreuen.

Ich sitze auf einem der schmuddeligen Sitze im rechten Teil des Wagens, und er steht keine anderthalb Meter von mir entfernt und hält sich an dem metallenen Handlauf fest, der unter der Decke installiert ist. Ich weiß, dass er mich beobachtet, denn er spiegelt sich im Fenster, und ich tue nur so, als würde ich den Liebesroman lesen, den ich mir auf meinen E-Book-Reader geladen habe. Ich stelle mir vor, wie er aussehen würde, wenn er all diese teuren Seidenhüllen fallen ließe, und spüre, wie mir die Hitze ins Gesicht steigt, was lächerlich ist. Ich bin schließlich keine Jungfrau wider Willen, die an nichts anderes denken kann als an Sex. Das bin ich schon nicht mehr, seit ich in meinem ersten Jahr im College mit meinem damaligen Freund geschlafen habe. Mit einem Mann wie ihm habe ich allerdings keine sexuellen Erfahrungen. Um verführerische Alphamänner mache ich nämlich einen großen Bogen; wie attraktiv sie sind, spielt da überhaupt keine Rolle. Ich bin ohnehin nicht ihr Typ. Da ich nicht gerade groß bin und eine eher kurvige Figur, honigblonde Locken und Grübchen habe, sehe ich weder aus wie ein Betthäschen noch wie eine High-Society-Lady. Was mir die Möglichkeit gibt, meine Zeit mit guten Freunden zu verbringen und mich auf meine beginnende Karriere in der Kunstwelt zu konzentrieren.

Es ist aber noch nie ein Mädchen daran gestorben, ein bisschen fantasiert zu haben. Und er wäre eine erstklassige Fantasie für ein mitternächtliches Intermezzo mit meinem batteriebetriebenen Freund. Also nutze ich die kurze Zeit, die mir noch bis zum Aussteigen bleibt, um ihn so eingehend wie möglich zu beobachten.

Das Jackett, das sich über seinen breiten Schultern spannt, hat ohne jeden Zweifel mehr gekostet als die Miete, die ich zu Hause in San Diego jeden Monat für mein winziges Apartment zahle. Es ist aus einem mit hellen Nadelstreifen durchzogenen anthrazitfarbenen Stoff und wurde eindeutig für seine groß gewachsene und muskulöse Statur maßgeschneidert. Ich kann diese Muskeln, die sich unter dem Jackett verbergen, zwar nicht sehen, weiß aber aufgrund dessen, wie er das Teil ausfüllt, dass sie da sind. Es bereitet mir größtes Vergnügen, mir Mr Teufelskerl Spitzenunternehmer dürftig bekleidet vorzustellen, mit nichts weiter am Leib als hauchdünnen Sportshorts, und mir vor meinem geistigen Auge auszumalen, wie dieser große Körper vom Schweiß glänzt, und seine Muskeln sich beim Trainieren unter der glatten Haut wölben. Diese Haut hat im Gegensatz zu der Haut der meisten Briten einen eher olivfarbenen Ton, was vermutlich bedeutet, dass eine seiner Ahnen eine traumschöne italienische oder spanische Gräfin war – es sei denn, er ist überhaupt nicht von hier und in Wahrheit genau wie ich Ausländer.

Doch ganz egal, woher er stammt, eines ist klar: Diese intelligenten blauen Augen in Verbindung mit seiner Hautfarbe haben eine frappierende Wirkung, und die Götter waren offenbar in Geberlaune, als sie dieses Gesicht modelliert haben. Die markante, gerade Nase. Den breiten, entschlossen wirkenden Mund. Die geraden, dunklen Augenbrauen und das pechschwarze Haar, das von Natur aus diesen wuscheligen Look hat, der so unverschämt sexy aussieht. Oh ja, dieser Typ wird bei meinen künftigen Fantasien mit hundertprozentiger Sicherheit eine Zeit lang die Hauptrolle spielen.

Da mir plötzlich warm wird, fange ich an, auf meinem Sitz hin und her zu rutschen. Ich greife in mein langes Haar und drehe es zu einem Zopf, den ich über meine Schulter lege, um es von meinem Rücken und Nacken wegzubekommen. Er beobachtet mich immer noch, was ungefähr genauso verwirrend ist wie die Tatsache, dass ein Mann wie er überhaupt die Londoner Underground benutzt. Im Allgemeinen verfüge ich über eine gute Menschenkenntnis, und »unheimlich« wird mir bei seinem Anblick auch nicht zumute. Ich bekomme nicht dieses Gefühl, das mich veranlassen würde, einem Mann großräumig aus dem Weg zu gehen und zuzusehen, dass noch andere Menschen um mich herum sind für den Fall, dass er sich als Irrer erweist. Wenn man als alleinstehende Frau in einer Großstadt lebt, muss man sich entscheiden: Entweder man verfeinert sein Gespür für solche Situationen oder aber man geht das Risiko ein, zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort zu sein. Mr Sexy und Umwerfend lässt mich indes nicht ausflippen. Zumindest nicht vor Panik. Mir behagt allerdings überhaupt nicht, wie mein Körper auf ihn reagiert – wie mein Puls hämmert und wie sich dieser Schimmer auf meine Haut legt, der rein gar nichts mit der schwülen Sommerhitze zu tun hat, denn ich weiß, dass das zu nichts führt. Ich bin nicht sein Typ.

Ich lege die Stirn in Falten, weil mir dieser letzte Gedanke immer wieder wie ein Echo durch den Kopf schallt, und ich frage mich, warum ich mich wiederhole. Das ist so gar nicht meine Art. Und obwohl ich mich daran erfreue, mir dieses so besondere Exemplar von einem Mann anzuschauen, bin ich jetzt bereit, mental etwas Distanz zwischen uns zu schaffen, damit ich mein inneres Gleichgewicht zurückerlange.

Eine schroff klingende Stimme dröhnt aus den Lautsprechern und eröffnet uns, der nächste Halt sei Canada Water, sodass wir nicht mehr weit von der Station Canary Wharf entfernt sind. Dort werde ich aussteigen, um mich mit Lola zu treffen, einer meiner Londoner Freundinnen, die genau wie ich Kunstliebhaberin ist. Lola und ich haben uns vor vier Jahren kennengelernt, als ich im Rahmen eines Auslands-Studienprogramms meiner Universität ein Semester in London studierte. Wir waren Zimmergenossinnen und haben uns auf Anhieb gut verstanden. Und dank FaceTime konnten wir unsere Beziehung über die Jahre aufrechterhalten. Sie wird mich im kommenden Sommer sogar in San Diego besuchen, und wir haben vor, dann den Pacific Coast Highway hinaufzufahren und eine Woche in San Francisco zu verbringen.

Trotz ihres abgeschlossenen Kunstgeschichtsstudiums arbeitet Lola als Empfangsdame in einem der protzigen Bürowolkenkratzer der Canary Wharf. In der Eingangshalle gibt es eine Starbucks-Filiale, und in der treffe ich mich mit ihr während ihrer Mittagspause auf einen Kaffee.

Wir fahren in die Station Canada Water ein, und als die Stimme sich neuerlich über die Lautsprecheranlage zu Wort meldet, um uns mitzuteilen, dass es zu einer zweiten Verspätung gekommen ist, ziehe ich mein Handy aus meiner Handtasche und logge mich ins Wi-Fi ein, damit ich Lola eine SMS schicken und sie vorwarnen kann, dass ich mich verspäten werde. Doch genau in dem Moment, in dem mein Handy die Verbindung herstellt, schallt mit ohrenbetäubender Lautstärke »Go With The Flow« von Queens of the Stone Age aus meinem Handy, und ich taste hastig nach dem Lautstärkeregler und geniere mich, weil ich vergessen hatte, den Ton leiser zu stellen.

»Hey«, murmle ich, da ich nach einem kurzen Blick auf den Bildschirm weiß, dass Lola am anderen Ende der Leitung ist. »Es gab während der Fahrt ein paar Verspätungen, deshalb wird es noch so etwa eine Viertelstunde dauern, bis ich ankomme.«

Die Aufmerksamkeit, die Mr S & U (Sexy und Umwerfend ist zu lang, selbst um es nur zu denken) mir schenkt, ist so gewaltig, dass ich sie wie eine körperliche Berührung spüren kann, und jetzt lauscht er jedem Wort, das ich von mir gebe. Falls er bisher noch nicht bemerkt hatte, dass ich Amerikanerin bin – obwohl ich nicht weiß, wie ihm das vom puren Ansehen hätte aufgehen sollen –, weiß er es jetzt. Man kann das Mädchen aus Georgia verpflanzen, schafft es aber nicht, Georgia aus dem Mädchen herauszubekommen. Ich habe zwar die letzten sechs Jahre meines Lebens eine Schule in Kalifornien besucht, spreche aber immer noch den Dialekt der Südstaatler, mit dem ich aufgewachsen bin, einen Dialekt, in dem die Vokale so gedehnt werden, dass sie sich anhören, als habe man sie mit Melasse überzogen.

»Mach dir deswegen keinen Kopf«, meint Lola. »Irgendjemand hat sich krankgemeldet, sodass ich eh erst in zwanzig Minuten von meinem Schreibtisch weg kann. Hast du die Notizen dabei, die ich mir anschauen soll?«

»Ja, die Notizen habe ich alle dabei. Der Harrison Trust hat mein Gesuch aber wieder abgelehnt.« J. J. Harrison ist ein mürrischer und öffentlichkeitsscheuer moderner Künstler, der mehr festgefahrene perverse Meinungen über Frauen hat als Venedig Kanäle, was ihn zum erstklassigen Thema des Artikels macht, den ich über die Rolle der dominierten Frau als Sujet in der modernen Kunst zu schreiben gedenke. »Falls ich also nicht doch noch irgendwie auf Gold stoße, wird dieser Artikel grottenschlecht, und die Redakteurin von Luxe lacht sich über mich kaputt.«

Dank eines meiner Professoren hatte ich die Gelegenheit bekommen, einem der führenden Magazine der Kunstszene einen Artikel vorzulegen. Doch wenn ich nicht bald mit irgendeiner Art von originellem Material rüberkomme, wird man mich dort niemals eines zweiten Blickes würdigen. Normalerweise komme ich nach England, um meine Freunde hier zu besuchen, doch dieses Mal ist mein Aufenthalt eine Geschäfts- und keine Vergnügungsreise. Ich bin für ein paar Wochen in Großbritannien, um Recherchen über Harrison anzustellen, der Brite ist, und wenn es mir jetzt nicht gelingt, ihn und seine Arbeit aus einer Perspektive zu beschreiben, die tiefschürfende Einsichten liefert, werde ich es nie schaffen. Das haben vor mir schon andere versucht und sind gescheitert, doch ich baue nach wie vor auf das Feuer, das ich im Hintern habe, und hoffe, dass es mir dabei helfen wird, doch noch zu bekommen, was ich will.

Lola bringt an meinem Ohr eine Kaugummiblase zum Zerplatzen, und ich zucke zusammen. »Sag einfach am Empfang Bescheid, wenn du hier ankommst. Wir bekommen das schon alles irgendwie geregelt, Süße.«

Ich lächle, weil sie zu den Menschen gehört, die ich auf dieser Welt am meisten liebe, und ich verabschiede mich von ihr und beende dann das Gespräch. Dann lasse das Handy zusammen mit meinem E-Book-Reader in meine Tasche gleiten. Ich spüre zwar nach wie vor, dass Mr S & U mich beäugt, aber meine Sorgen im Hinblick auf den Artikel drängen das Kribbeln, das dieser Mann in mir auslöst, in den Hintergrund. Auf einmal habe ich Mühe, mir ein heiseres Lachen zu verkneifen, denn ich frage mich plötzlich, was wohl der alte J. J. Harrison aus ihm machen würde. Normalerweise sind Harrisons Männerfiguren immer ebenso kraftvoll und arrogant, wie seine Frauen verletzbar und schwach sind.

Als der Zug endlich in die Station Canary Wharf einfährt, erhebe ich mich, und der Mann bewegt sich auf mich zu und steht plötzlich so dicht vor mir, dass mir der betörende Duft seines teuren Rasierwassers in die Nase steigt. Hitze schießt durch meine Adern, erwärmt mich von innen, und ich weiß, dass mein Gesicht rot angelaufen ist. Als ich einen kurzen Blick in seine Richtung werfe, stelle ich fest, dass er mich unverwandt anstarrt, was mir die Röte nur noch mehr in die Wangen treibt. Ich beiße mir auf die Unterlippe und könnte schwören, dass seine Augenlider regelrecht bleiern werden, als er mich dabei beobachtet, und dieser begehrende Blick verfügt über die Fähigkeit, selbst die zynischste Frau in ein sabberndes, nach Atem ringendes Etwas zu verwandeln.

Der Zug hält auf dem Bahnsteig, zischend öffnen sich die Türen, und ich habe das seltsame Gefühl, dass er jetzt jeden Moment etwas zu mir sagen wird, doch eine Horde junger, rabiat aussehender Typen drängt sich zwischen uns und handelt sich damit ein leises Knurren des Anzugträgers ein. Ich schenke ihnen nur wenig Beachtung, als ich aussteige, weil ich zu sehr damit beschäftigt bin, mich zu fragen, ob es mich enttäuscht oder erleichtert, dass er seine Chance verpasst hat, mich anzusprechen. Aus irgendeinem Grund löst die Vorstellung, mit ihm zu reden, ein Gefühl der Verunsicherung in mir aus. Dabei bin ich nicht schüchtern. Er ist nur einfach nicht der Typ von Mann, mit dem ich normalerweise Umgang pflege, und ich fühle mich nicht gern unsicher. Er hat mich aus dem Gleichgewicht gebracht, aller Wahrscheinlichkeit nach deswegen, weil ich weiß, dass sich meine Persönlichkeit nicht gut mit der eines erfolgreichen und wohlhabenden Anzugträgers verträgt. Ich bin zu geradeheraus und zu lausig darin, gekünstelt zu lächeln. Habe ich Vorurteile? Vielleicht. Ich bin jedoch häufig genug von der Familie meines Vaters umgeben gewesen, um genau zu wissen, wie wenig ich diese Art von Mann mag. Wie gut er aussieht, spielt da überhaupt keine Rolle.

Der erotische Brite mochte zwar die Verkörperung meiner tiefsten und finstersten Fantasien sein, doch wie ich in dem Augenblick, in dem ich ihn zum ersten Mal sah, schon richtig konstatiert hatte, könnte er mich, wenn ich ihn zu nah an mich heranließe, auf eine Weise zerbrechen und verletzen, die ich echt nicht brauche. Auf eine Weise, gegen die ich mich in jahrelanger harter Arbeit zu schützen gelernt habe. Er würde immer genau das Richtige sagen. Immer genau das Richtige tun. Und es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass ich eine fehlerhafte DNA in meinem Blut habe, wenn es um das Thema Widerstand geht. Was der Grund dafür ist, dass ich ihn mir aus dem Kopf schlagen werde.

Da ich mich so schnell wie möglich in die Menschenmenge einfüge, die aus dem Wagen strömt, schenke ich dem, was um mich herum passiert, keine Beachtung, bis ich plötzlich in einen der schmalen Gänge gezerrt werde, die die einzelnen Bahnsteige miteinander verbinden. Ich frage mich gerade, was das, verdammt noch mal, zu bedeuten hat, als mein Kopf gegen die Backsteinmauer zu meiner Linken knallt. Scheiße, das hat wehgetan!

»Sei nicht doof und versuch nicht, dich zu wehren«, knurrt mir ein Mann ins Ohr, der einen Londoner East-End-Akzent hat. »Gib uns einfach die Handtasche, du Schlampe.«

Meine Handtasche? Ich habe mir meine Hobo-Tasche schräg um den Körper geschlungen und spüre plötzlich, wie eine Hand aggressiv an dem Tragegurt reißt. Ich kann nicht fassen, dass mir so etwas am helllichten Tag passiert, inmitten von Menschentrauben. Was bilden diese Idioten sich ein? Als ich jedoch hastig einen Blick nach links und rechts werfe, wird mir klar, dass sie so etwas offenbar schon häufiger gemacht haben. Vor beiden Ausgängen des kurzen, schmalen Durchgangs steht ein Kerl Wache und versperrt denen den Blick, die vorübereilen, und diese Menschenmassen sind alle zu sehr darauf konzentriert, schnell an ihr Ziel zu gelangen, um überhaupt mitzubekommen, was da vorgeht.

»Nimm die Finger weg, verflucht noch mal!«, kreische ich, doch der Lärm eines einfahrenden Zuges auf dem Nord-Bahnsteig übertönt meine Stimme. Der Kerl, der mich festhält, knurrt mir wütend irgendetwas zu, und im nächsten Moment greift er mir mit der Hand ins Haar, knallt meine Schläfe neuerlich gegen die Mauer, und ich denke: Oh, Scheiße, das ist übel. Ein gleißender Schmerz schießt mir durch den Kopf, und ich spüre, wie meine Gedanken zersplittern. Als Nächstes höre ich ein gedämpft klingendes Knurren und dann ein Geräusch, das sich anhört, als würde eine mächtige Faust Knochen zermalmen. Der brutale Klammergriff um meinen Arm und in meinem Haar lockert sich, sodass ich auf den Boden falle und mein Kopf erneut Bekanntschaft mit einer harten Fläche macht. Mittlerweile sehe ich Sterne. Im nächsten Moment flucht eine sonore Stimme derart bösartige Dinge, dass ich überzeugt bin, es werde nun gleich jemand sterben. Und ich kann nur hoffen, dass nicht ich dieser Jemand bin!

Durch einen Nebel aus Schmerz und Verwirrung höre ich, dass weitere Fausthiebe ausgeteilt werden, und ich bin stinksauer auf mich selbst, weil ich diesen Dreckskerlen nicht wenigstens einen Tritt in die Eier verpasse. Als Nächstes bekomme ich mit, dass man mich vorsichtig vom Boden hebt und ich in zwei starken, von Seide umhüllten Armen liege, die so gut duften, dass ich auf eine Weise stöhne, die rein gar nichts mit dem Schmerz in meinem Kopf zu tun hat.

Dieser so besondere Duft hat etwas göttlich Vertrautes an sich, und ich weiß, dass ich unbedingt dahinterkommen muss, warum ich das so empfinde.

Allerdings verliere ich das Bewusstsein, bevor mir das gelingt.

Blinzelnd schlage ich die Augen auf und schnappe entsetzt nach Luft, während ich versuche, eine Erklärung dafür zu finden, warum mein Kopf sich anfühlt, als habe man ihn für ein Boxtraining benutzt. Ich stoße einen erstickt klingenden Laut der Verwirrung aus, als ich feststelle, dass ich auf einem Sofa liege, und meine Hände graben sich in das butterweiche Leder unter mir, als so ganz allmählich ein freundliches Gesicht klar erkennbar wird.

»Hallo Miss. Ich bin Martin, Mr Becketts persönlicher Assistent«, sagt der Mann mit einem eindeutig britischen Akzent. Er sitzt auf einem antiken Stuhl, den man so gestellt hat, dass er direkt vor dem Sofa steht, trägt einen Anzug über seinem hageren Körper und sieht aus wie diese in höchstem Maße kompetente Art von Mensch, die mit der einen Hand den Staatshaushalt verwalten könnte, während sie mit der anderen Gourmetgerichte kocht. Auf seinem silbernen Haar schimmert das Sonnenlicht, das durch die Fenster hereinscheint. »Versuchen Sie, sich nicht zu schnell zu bewegen. Nach dem zu urteilen, was Jase mir erzählt hat, wurden Ihrem Kopf ziemlich viele Schläge versetzt.«

Jase? Wer zum Teufel ist Jase? »Wo bin ich?«, frage ich und bin erstaunt, dass meine Stimme wie ein Krächzen klingt.

»In Jases – das heißt in Mr Becketts – Privatbüro.«

Ich lecke mir mit der Zunge über die Lippen und versuche, mir die letzten Dinge, an die ich mich noch erinnern kann, durch den schmerzenden Kopf gehen zu lassen, kann aber dennoch keine Erklärung für meine derzeitige Lage finden. »Wie bin ich denn hierhergekommen? Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass irgendwelche Penner auf dem Bahnhof versucht haben, mich zu überfallen … das ist es aber auch schon.«

Der zarte rosafarbene Hauch, der sich plötzlich auf Martins Wangen legt, lässt mich ahnen, dass mir seine Antwort nicht gefallen wird. »Äh, nun ja, er hat Sie getragen.«

»Ach du lieber Himmel«, murmle ich vor mich hin, und das Ganze ist mir derart peinlich, dass ich am liebsten sterben würde. Auf einmal weiß ich ganz genau, wen dieser Mann hier mit er meint, und mein armes Hirn kommt endlich dahinter, zu wem dieser betörende Duft gehört hatte, als man mich vom Boden hob. Und er hat mich den ganzen Weg getragen? Das ist … nein, denke ich und erschaudere vor lauter Scham. Das ist zu viel. Ich meine, aller Wahrscheinlichkeit nach habe ich ihm auf seinen unbezahlbaren Anzug gesabbert!

Oh … und lieber Himmel, ich hoffe, dass ich dabei nichts von mir gegeben habe. Freunde haben mir erzählt, dass ich im Schlaf spreche, aber wer weiß schon, ob mir das auch bei Ohnmachten so geht. Bei dem Glück, das ich immer habe, ist es durchaus möglich, dass ich den gesamten Weg zu seinem Büro dazu genutzt habe, mich darüber auszulassen, wie außerordentlich attraktiv er ist. Oder dass es mein Plan war, ihn als Inspiration für meine Spielchen mit meinem Vibrator zu benutzen!

Ganz ehrlich, wäre irgendwo ein Loch im Fußboden, würde ich jetzt auf der Stelle dort hineinkriechen.

Martin räuspert sich und sorgt damit dafür, dass ich meine Aufmerksamkeit wieder auf sein freundliches Gesicht lenke. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu sagen, wie Sie heißen, Miss?«

»Emmy. Emmy Reed«, hauche ich und schaffe es, mich aufrecht hinzusetzen und meine Füße auf den Boden zu stellen, ohne dabei Martins Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen, der allerdings beide Hände erhoben hat, als erwarte er jeden Moment, dass ich wieder umkippe. Das gibt mir eine Vorstellung davon, wie ramponiert ich aussehe. Mein Rock sieht aus, als habe man ihn mir mehrmals um die Knie geschlungen, und meine weite eierschalfarbene Bluse hängt mir derart von der rechten Schulter, dass man den Träger des Dessous sieht, das ich darunter trage.

»Emmy ist ein hübscher Name«, sagt er mit einem Lächeln auf den Lippen, als er endlich zuversichtlich zu sein scheint, dass ich aufrecht sitzen kann ohne umzufallen. Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, stützt die Ellbogen auf die Armlehnen und faltet die Hände. »Bleiben Sie einfach nur ganz still sitzen, Miss Reed, und es wird Ihnen im Nu besser gehen. Der Arzt ist bereits auf dem Weg.«

»Welcher Arzt?« Ich zucke zusammen, weil ich diese Worte in derart scharfem Ton von mir gebe, dass es meinem Kopf alles andere als guttut.

»Der Hausarzt der Familie Beckett, Dr. Riley.«

Ich spüre, wie mich nackte Panik erfasst, mich wie eine langsam anrollende, schwindelerregende Flut durchwogt und sämtliche Scham ertränkt. »Warum brauche ich denn einen Arzt?«

Eine nur schwach erkennbare Falte wird auf Martins Stirn sichtbar. »Sie hatten das Glück, keine offenen Wunden davongetragen zu haben, doch ich fürchte, Sie könnten eine Gehirnerschütterung erlitten haben. Also sollten Sie sich, bevor Sie wieder herumlaufen, von einem Arzt untersuchen lassen.«

»Scheiße«, platzt es aus mir heraus, und sofort zucke ich wieder zusammen. Martin erweckt den Eindruck, als habe er in seinem ganzen Leben noch nie ein Schimpfwort in den Mund genommen. Er hält mich wahrscheinlich für eine ungehobelte und vulgäre amerikanische Proletarierin. »Äh, entschuldigen Sie«, flüstere ich und beiße mir auf die Unterlippe.

Wieder legt sich ein mildes Lächeln auf seine Lippen. »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich fürchte, Sie könnten fluchen, bis Ihr Gesicht blau anläuft, und es wäre trotzdem nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man bedenkt, wie viele Kraftausdrücke ich im Laufe meiner Jahre mit Mr Beckett schon zu hören bekommen habe.« Er beugt sich dichter an mich heran und senkt die Stimme. »Es könnte sogar angehen, dass ich einige seiner geschmackvolleren Sprüche im Laufe der Jahre übernommen habe, aber behalten Sie das bitte für sich.«

Ich lache, und seine Augen beginnen zu funkeln. Es erleichtert mich, dass der gute, alte Martin nicht so steif ist, wie ich befürchtet hatte. Und da die Rede auf Mr Beckett gekommen ist, will ich mich gerade erkundigen, wo er ist, weil ich hoffe, hier herauszukommen, bevor er wiederkommt, als sich am anderen Ende des Zimmers plötzlich etwas bewegt und meine Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Er steht auf der entgegengesetzten Seite des sehr großen Raums und spricht mit tiefer und abgehackt klingender Stimme Worte in ein Handy, die ich akustisch nicht verstehen kann. Ich höre aber genug, um die Bestätigung zu bekommen, dass er Brite ist – und dass er verärgert klingt.

Ach du liebe Zeit. Mich zu retten, hat ihn vermutlich von so wichtigen Dingen abgehalten, wie das Wirtschaftssystem irgendeines armen Landes zu zerstören, denke ich verächtlich und bin selbst erstaunt über die Wut, die ich dabei empfinde. Ich nehme an, dass dieser Mann – und die vielen unübersehbaren Beweise für seinen außerordentlichen Wohlstand, von denen ich im Moment umgeben bin – etwas an sich hat, was mir echt auf die Nerven geht.

»Sind Sie in festen Händen, Miss Reed?«

Ich zucke zusammen und richte meinen Blick wieder auf Martin. »Warum, um alles in der Welt, müssen Sie das denn wissen?«

»Das muss ich nicht wissen«, erwidert er mit einem leicht verlegenen Grinsen. »Ich weiß aber, dass Jase – das heißt, Mr Beckett – sich das fragt, also dachte ich mir, ich helfe dem Jungen aus.«

Ich schniefe leise vor mich hin. »Ein Junge ist er ja nun nicht gerade. Und ich kann Ihnen versichern, dass ich die letzte Frau bin, für die er sich interessieren würde.«

Und natürlich wählt Beckett genau diesen Moment, um sein Telefonat zu beenden und auf uns zuzusteuern. Er hat sein Jackett abgelegt und sich die Ärmel seines frisch gebügelten weißen Oberhemdes hochgerollt, und schiebt, während er immer näher kommt, lässig die Hände in die Vordertaschen seiner Hose. Als er endlich stehen bleibt, muss ich den Kopf in den Nacken legen, um ihm weiterhin ins Gesicht blicken zu können. Er ist sehr groß und wirklich attraktiv, da gibt es nichts zu meckern, aber: Guter Laune scheint er nicht zu sein. »Warum sagen Sie so etwas?«, fragt er mit herrlich maskuliner Stimme und steht dabei nur etwa einen Meter von der Stelle entfernt, an der ich auf dem Sofa sitze.

»Äh, was sage ich denn?« Ich klinge wie eine Idiotin, aber seine sonore Stimme hat mich aus der Bahn geworfen. Tyler, mein bester Freund in San Diego, würde vor lauter Aufregung bereits sabbern. Aber Tyler steht ja auch auf diese vor Testosteron triefenden Alphamänner mit den rauen Stimmen.

Beckett tritt noch näher an mich heran, baut sich so vor mir auf, dass die Spitzen seiner polierten Lederschuhe die Spitzen meiner Ballerinas berühren. »Dass ich mich nicht für Sie interessieren würde.«

Ich versuche, mein Unbehagen mit einem Lachen abzutun, und rutsche auf dem Sofa ein Stückchen weiter nach rechts, damit ich, wenn ich mich endlich wieder stabil genug fühle, um auf meinen Beinen zu stehen, in der Lage bin, mich zu erheben, ohne dabei gegen ihn zu prallen. Da er nicht den gebührenden Abstand zu mir wahrt, hat dieser Mann allem Anschein nach Probleme damit, anderen nicht zu nahe zu kommen. Und da hatte ich mir immer eingebildet, es werde von der britischen Oberschicht erwartet, überkorrekt und zurückhaltend zu sein. Beckett hätte sich mit jedem knallharten, hitzigen Amerikaner messen können.

»Sir, das ist Miss Emmy Reed«, wirft Martin ein, der eindeutig bemüht zu sein scheint, die Spannungen abzubauen, die zwischen seinem Arbeitgeber und mir entstanden sind.

»Sie wissen verdammt gut, dass ein Mann blind sein müsste, um sich nicht für Sie zu interessieren«, erklärt Beckett in ruhigerem Ton und ganz so, als habe sein Assistent überhaupt nichts gesagt.

»Aber sicher doch«, spotte ich, denn mir behagt nicht, wie dieser Mann mich aus der Fassung bringt. »Und ich wette, dass das jetzt die Stelle ist, an der ich dahinschmelzen, mich Ihnen an den Hals werfen und mich lächerlich machen soll. Sie konfrontieren eine Frau mit Ihrer so einmaligen Ausstrahlung, und normalerweise lässt sie dann sofort ihr Höschen fallen. Sehe ich das richtig?«

Martin versucht zwar, nicht zu lachen, scheitert aber kläglich, und Beckett schenkt mir ein etwas schiefes, zugleich aber unfassbar verruchtes Grinsen … und dann senkt er in aller Ruhe den Blick und schaut auf meinen Schoß. »Allem Anschein nach nicht, denn ich sehe gerade, dass Sie Ihres noch anhaben.«

Wieder schniefe ich leise vor mich hin und empfinde es irgendwie als Erleichterung, soeben festgestellt zu haben, dass er genauso überheblich ist, wie ich vermutet hatte. »Sie dürfen es mir glauben, ich zähle nicht. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, welche Wirkung Sie auf die Frauen aus Ihren Kreisen haben.«

»Aus meinen Kreisen?« Er runzelt so die Stirn, dass seine Brauen fast den Haaransatz berühren, und ein Gefühl, das ich nicht deuten kann, färbt seine Augen dunkel.

»Ach, Sie wissen schon. Diese Art von Mädchen, die immer ›Göttlich‹ oder ›Daaahling‹ flöten und ›Küsschen, Küsschen‹ auf die Wange austeilen. Ich wette, die lechzen alle danach, richtig?«

Er stößt einen leisen, trockenen Lacher aus, streckt mir eine große männliche Hand entgegen und sagt: »Ich werde für den Moment darüber hinweggehen und mich einfach mal vorstellen. Jasper Beckett, aber meine Freude nennen mich Jase.«

»Emmy Reed.« Ich krächze diese Worte nur, denn meine Kehle hat schwer zu kämpfen, weil ich schlucken muss, als er seine große Hand um meine legt. Wie ist es nur möglich, dass ein Mann, der genau das Gegenteil von dem ist, was ich mir, wie ich weiß, für mich selbst als Mann wünschen sollte, eine derart große Anziehungskraft auf mich ausübt? Meine feministischer veranlagten Freundinnen aus der Arbeitsgemeinschaft Frauenforschung würden mich jetzt mit großen Augen anstarren und angewidert mit den Köpfen schütteln, aber ich kann mich dem Hormonrausch, der durch meinen Körper jagt, einfach nicht entziehen.

»Und wie nennen Ihre Freunde Sie?«

Aus reinem Selbstschutz ziehe ich meine Hand zurück. »Das geht Sie nichts an.«

Er schüttelt leicht den Kopf, schaut mir dabei aber weiterhin fest in die Augen, weil er vermutlich nicht weiß, wie er mit einer Frau umgehen soll, die ihm etwas versagt. Eine bleierne Stille macht sich zwischen uns beiden breit – eigentlich zwischen uns dreien, da der arme Martin immer noch, wie es sich für ihn geziemt, auf seinem Stuhl sitzt – bis ich schließlich klein beigebe. »Meine Freunde nennen mich Em, und Sie sehen überhaupt nicht aus wie ein Jasper.«

»Ja, das bekomme ich häufiger zu hören.« Sein wunderschöner Mund zuckt, als er seine kräftige Hand wieder in die Hosentasche gleiten lässt. »Die einzige Erklärung, die ich dafür habe, ist die, dass meine Mutter mich offenbar gehasst hat.«

»Tut sie das inzwischen nicht mehr?«

»Sie ist gestorben, als ich sechs Jahre alt war.«

»Oh.« Jetzt fühle ich mich wie ein Vollidiot, der soeben in ein Fettnäpfchen getreten ist. »Das tut mir leid.«

»Das braucht Ihnen nicht leidzutun«, erwidert er leise. »Das ist ja schon sehr lange her.«

Da ist etwas zwischen den Zeilen – die Dinge, die er nicht sagt –, das mir verrät, dass der Tod seiner Mutter alles andere ist als ein Bestandteil seiner Vergangenheit, der ihm inzwischen gleichgültig und so gut wie vergessen ist.

Im nächsten Moment wechselt er das Thema. »Wie fühlen Sie sich?«, fragt er und seine blauen Augen flackern. »Ich hätte diese kleinen Scheißkerle am liebsten dafür zerstückelt, dass sie sich an Ihnen vergriffen haben.«

»Es geht mir gut, ich habe lediglich leichte Kopfschmerzen. Das hätte sehr viel schlimmer enden können, wenn Sie mir nicht zu Hilfe gekommen wären, also vielen Dank.«

»In Zukunft müssen Sie nach solchen Männern Ausschau halten, wenn Sie allein unterwegs sind«, belehrt er mich.