Lord Driver und die McGolfs - Thomas Mokrusch - E-Book

Lord Driver und die McGolfs E-Book

Thomas Mokrusch

4,4
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Kosmos
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Die McGolfs denken nur an eine Sache: Golf, Golf und nochmals Golf. Die alte schottische Adelsfamilie, die dem Sport den Namen gab, macht nichts lieber, als den lieben langen Tag auf dem The Most Ancient Golf Club of St. Elsewhere zu verbringen. Das Oberhaupt der Familie und Golfplatz-Eigentümer ist Lord Driver, seine geschätzte Gattin Lady Iron ... Autor Thomas Mokrusch hat mit feinem Humor 31 Kurz-Geschichten aufs Papier gebracht. Die eine oder andere Begebenheit könnte wahr und Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Größen des Golfsports könnten durchaus gewollt sein.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 250

Bewertungen
4,4 (18 Bewertungen)
11
3
4
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Dieses EBook ist die digitale Umsetzung der Printausgabe, die unter demselben Titel bei KOSMOS erschienen ist. Da es bei EBooks aufgrund der variablen Leseeinstellungen keine Seitenzahlen gibt, können Seitenverweise der Printausgabe hier nicht verwendet werden. Statt dessen können Sie über die integrierte Volltextsuche alle Querverweise und inhaltlichen Bezüge schnell komfortabel herstellen.

Words before Golf

John Lord Driver McGolf, genannt Lord Driver, war mit seinen einundsechzig Jahren eine stattliche Erscheinung. Mit seiner Größe von knapp zwei Metern und seinem Gewicht von 105 kg (morgens, vor dem Frühstück, und er war es gewohnt ausgiebig zu frühstücken) machte er ganz schön was her. Da konnte man schon vergessen, dass der Clan, aus dem der ehrenwerte Lord Driver McGolf abstammte, längst verarmt war. Die McGolfs waren eine schottische Adelsfamilie, von der man nur noch den Familiennamen kannte, den dafür weltweit, da er einer ganzen Sportart den Namen gab: Golf. (Übrigens: Auch die Iren erheben Anspruch auf den Namen und die Herkunft des Golfspiels. Fairerweise muss gesagt werden, dass die McGolfs natürlich aus dem Clan der Munro stammten, von dem nicht endgültig nachgewiesen werden kann, ob seine Mitgliedsfamilien vor dem 11. Jahrhundert ursprünglich vielleicht doch nicht aus Schottland sondern aus Irland kamen. Anm. des Verfassers)

Die Einwohner des kleinen schottischen Dorfes St. Elsewhere, das einen Tagesritt nördlich von St. Andrews lag, respektierten und mochten ihn nicht nur wegen seiner Statur, sondern wegen seiner ehrlichen, direkten schottischen Art. Er konnte fröhlich sein, singen und lachen (vor allem nach dem fünften Whisky), er konnte aber auch zupacken, z. B. um einem Freund bei der Arbeit zu helfen, oder auch einmal, um einen Streit zu schlichten, wie er im kleinen dorfeigenen Pub „The Old Mist“ schon einmal auftreten konnte. Sein äußeres Markenzeichen aber war sein gewaltiger Schnurrbart. Ein rotblonder Schnauzer von einer solchen Pracht, wie man ihn lange suchen musste, dick und an den Enden leicht nach oben angezwirbelt. Die Spielstärke von Lord Driver? Handicap 18–20, seit Jahren hin und her pendelnd.

Elisabeth Lady Iron McGolf war eine zarte Erscheinung – zumindest was das Äußere anging. Sie war einige Jahre jünger als ihr Gatte, erst vierundfünfzig, und sie war so klein und von geringem Körpergewicht, dass man ihr raten wollte, sich beim Abschlag vor den schottischen Winden in Acht zu nehmen. Äußerlich erschien sie so sehr schutzbedürftig, aber sie war ohne Zweifel durchsetzungsfähig und hatte vor allem ihren Gatten fest im Griff. Zumindest in vielen Dingen des Lebens. Nicht umsonst nannte man sie die „Eiserne Lady“, Lady Iron, und weil sie in der fünften Generation zum Clan dazugehörte, war sie „Lady Iron 5“. Was wäre ihr Gatte nur ohne sie! Wenn er – schon wieder einmal – seinen 250-Meter-Drive unauffindbar in das hohe Rough gesetzt hatte, musste sie die Situation im Viererspiel mit Auswahldrive meistens dadurch retten, dass sie einen ihrer gekonnten schnurgeraden Abschläge hinterherplatzierte. Der war dann nur 170 Meter lang, aber der Ball lag irgendwie immer spielbar. Handicap 15, will aber noch 12 erreichen, was sie wohl auch noch schaffen wird.

An dieser Stelle beginnt eine kleine Golfgeschichte, die Geschichte des schottischen Golfclans der McGolfs. Zwei der Hauptakteure sind jetzt schon im Spiel, einige andere werden noch dazukommen. Da sind z. B.:

William Young Lord Socket McGolf (Lord Socket), der einunddreißigjährige Sohn der beiden, der schlechteste Spieler im Club, spielt deshalb auch selten, hat aber zwei gut geratene Söhne:

Chip (fünf) und Pitch (acht), die beiden Enkel von Lord Driver, auf welche dieser so richtig stolz ist. Haben schon eigene Schläger, einen eigenen Kopf und der Opa ist vernarrt in die beiden. Chip hat noch kein Handicap, aber wie er immer zu Pitch sagt: „Ich hab bald ein Handicap so alt, wie ich bin, und du auch, dann bin ich immer besser als du!“

Heather Young Lady Fairway McGolf (Lady Fairway), die vierundzwanzigjährige Tochter, die alle in Grund und Boden spielt. Sehr attraktiv, lacht viel, Handicap 11.1, steuert einstellig an.

Und dann waren da noch die Mitglieder der ganzen erweiterten Sippschaft, die alle irgendwie noch zum Clan dazugehörten, wie z. B. Lord Sandwedge, oder Rescue, der Caddy, Miss Rough, die Haushälterin, Mister Putter, der Trainer, Sir Bunker und der alte McMulligan, um nur einige zu nennen. Doch dazu später mehr …

Ja, und natürlich nicht zu vergessen, der Club:

Jeder Golfer weiß: Der älteste Golfclub und der berühmteste Golfclub der Welt, beide kommen aus Schottland. 1744 wurde von The Gentlemen Golfers Of Leith der erste offizielle Golfclub gegründet (heute The Honerable Company Of Edinburgh Golfers) und 1754, ebenfalls an der Ostküste, The Royal And Ancient Golf Club Of St. Andrews, der heute noch die offiziellen Golfregeln festlegt.

Weitgehend unbekannt ist hingegen, dass schon 1588 im beschaulichen Städtchen St. Elsewhere, County Angus, vom ehrenwerten Lord Alan McGolf (aus der Familie McGolf, die wiederum dem Clan der McGolf zugehörig waren) ein privater Club gegründet worden war: The Most Ancient Golf Club Of St. Elsewhere. Lord Alan hatte hierfür einen Platz in den Links genutzt, auf dem die McGolfs damals schon seit mehreren Jahrhunderten regelmäßig versucht hatten, einen kleinen Ball in unwirtlichem Gelände mit einem Schläger in ein weit entferntes Loch zu verbringen. Hier an dieser historischen Stätte spielen unsere Geschichten, allerdings nicht in grauer Vergangenheit, sondern in der heutigen Zeit. Alle diese Geschichten sind wahr, und sie sind genauso real wie der Golfclub selbst. Die eine oder andere Begebenheit könnte aber auch erfunden sein, und Ähnlichkeiten mit lebenden Personen oder Größen des Golfsportes könnten durchaus gewollt sein.

Die McGolfs haben so viel zu einem wunderbaren Spiel beigetragen, dass sie es unbedingt verdienen, in der großen Literatur verewigt zu werden. Die Zeit ist reif, dass ihre Geschichte erzählt wird. Hier ist sie, aufgeteilt in einige kurze Episoden, die jeweils als “pars pro toto“ eine Besonderheit des Clans und des Spiels beschreibt. Der Autor wünscht viel Freude bei der Lektüre und hofft, dass der lesende Golfer hiervon auch für sein Spiel profitiert – was immer das heißen mag …

Gute Unterhaltung!

1 › Die (fast) perfekte Golfer-Ehe

Es soll sie geben, die perfekte Golfer-Ehe! Warum das so ist, das wissen die Götter, denn gibt es überhaupt die perfekte Ehe? Und gibt es den perfekten Golfer?

Lady Iron war außer sich. Ihr Mann – Lord Driver – hatte wieder einmal den ganzen Abend durchfeiern müssen. Mit seinen Freunden – auch Edward McDonald war dabei – war er im „Old Mist“ gesessen, dem traditionellen Golfer-Pub des Dorfes, und dabei hatten sie heute ihr Jahresspiel mit den McDonalds. Edward und Mary McDonald waren entfernte Verwandte aus dem hohen Norden Schottlands. Traditionell trafen sie sich immer am vierten Sonntag im Mai zu einem Viererflight. Der Termin stand also schon lange fest, so wie er in jedem Jahr schon lange feststeht, und der Gastgeber betrinkt sich sinnlos! Er würde jetzt sagen: „Was hast du nur, meine kleine Fee, man kann sich doch gar nicht sinnlos betrinken – das hat immer seinen Sinn!“ Ja, was soll’s! Sie hatte irgendwann schon vor langer Zeit aufgegeben, ihn erziehen zu wollen. Das war genauso aussichtslos, wie einem Ochsen das Golfen beibringen zu wollen (wobei fairerweise gesagt werden muss, dass sich der Ochse wahrscheinlich noch etwas motivierter anstellen würde).

Die McDonalds waren bereits am Abend zuvor eingetroffen und hatten bei ihnen genächtigt. Man hatte beschlossen, diesmal einen Vierer mit Auswahldrive zu spielen. Lord Driver hatte den ersten Abschlag. Er war richtig gut drauf – fast ausgeschlafen und fast wieder nüchtern nahm er seine Ansprechposition ein und stand da wie ein Fels. Es folgte ein mächtiger Rückschwung und danach ein gewaltiger Durchschwung. Der Schlägerkopf näherte sich gnadenlos dem Ball und katapultierte ihn mit einer unglaublichen Wucht vom Tee. Der Ball hob ab und flog enorm weit weg, leider auch enorm weit weg vom Fairway. Man muss sich die Bahn 1 als Dogleg nach rechts vorstellen, nur schien der Ball das nicht zu wissen. Er zog es vor, nach links zu fliegen, nahm auch noch einen kleinen Draw an. Wahrscheinlich war hier der Ausblick auf eine unberührte Natur schöner, und das war zweifellos richtig, zumindest was die Unberührtheit anging, denn wo der Ball liegen blieb, gab es weit und breit keinen Golfplatz mehr. Lady Iron war erst einmal bedient, vor allem nachdem ihr Golfgatte auf seinen Schlag ganz stolz zu sein schien: Er sei doch schön weit geflogen! Nachdem Edward dann ebenfalls abgeschlagen hatte (übrigens nicht viel besser als Lord Driver, er war schließlich zur selben Zeit im selben Pub gesessen), nahm sie stocksauer und voller Wut ihr Eisen Fünf, schwang wie immer elegant durch, vielleicht eine Spur eleganter und eine Spur heftiger als sonst, und legte den Ball 140 Meter weiter sauber und gerade mitten aufs Fairway, mit schönem Blick auf das Grün. Nur – man ahnt es – als Lord Driver wieder am Zug war, verpasste er die gute Chance, indem er für die nächsten 170 Meter ein Eisen Zwei nahm (zwei Längen zu viel). Auch jetzt flog der Ball wieder richtig schön, richtig schön weit, weit hinter die weißen Begrenzungspfosten, die nur auf ihn zu warten schienen. Als Lady Iron dann wieder am Zug war, an der Stelle, wohin sie ihren Abschlag gesetzt hatte, fragte sie ihren Mann schon etwas säuerlich: „Sag mal, willst du mich eigentlich heute alleine spielen lassen?“ Aber entweder verstand er ihre Ironie nicht oder er wollte nicht verstehen, jedenfalls lachte er nur lauthals: „Was hast du heute wieder einen wunderbaren Humor, meine kleine Fee!“ Die Freude ihrerseits darüber hielt sich übrigens in Grenzen.

Der Mittelteil des Spiels ist schnell erzählt: Er lief ab wie eine typische (Golfer-)Ehe – Routine, Routine, Routine. Feine Annäherungen wechselten sich ab mit kleinen Ärgernissen beim Vorbei-Putten, üble Schläge wurden kompensiert durch die Freude über ein herrliches, schwungvolles Fairway-Erlebnis. Schimpfen über kleine Eskapaden – die Golfrunde als Lebensabschnitt. Aber dann kam das Finale …

Bahn 16 war ein kurzes Par 4, das es allerdings in sich hatte. Das Fairway war einigermaßen schmal, was ein hohes Maß an Präzision erforderte, sodass der Abschlag üblicherweise nicht mit dem Driver, sondern mit einem langen Eisen oder einem Holz Drei durchgeführt wurde. Nach weiteren 100–110 Metern war man schon am Grün – oder aber auch nicht! Verteidigt wurde dieses Grün auf beiden Seiten von einem unzugänglichen Rough, das liebend gerne Golf-Bälle schluckte und sie nicht mehr hergab. Vorne stand ein riesiger Ginsterbusch, hinter dem sich das Grün versteckte (was gut gelang, denn das Grün war selbst nicht viel größer als dieser Busch). Zusätzlich erschwert wurde diese Bahn noch dadurch, dass das Grün in alle Richtungen wellig und hügelig, ziemlich unberechenbar war. Und hinter dem Grün wartete noch ein ganz unangenehmer Bereich, der nannte sich „Out of bounds“. Alles in allem war diese Bahn genau das Richtige für einen bereits total frustrierten Freizeit-Golfer, nicht jedoch für unseren Lord Driver. Diesem Draufgänger schien diese Herausforderung auch noch richtig Spaß zu machen! Selbstverständlich legte man hier nicht vor, er war ja nur noch 100 Meter von der Fahne entfernt. Das einzig Richtige hier war ein leichter, nicht zu schwungvoller Annäherungsschlag mit einem Sandwedge. Das Problem war nur, dass seine Sandwedge-Entfernung 90 Meter betrug, also Busch-Entfernung. Er schien dies vergessen zu haben. Seine Gattin wollte noch etwas sagen, ließ dies aber aus mehreren uns bekannten Gründen rasch wieder sein. Edward McDonald hatte die Rest-Ehre gehabt. Der alte Haudegen war nach seinem Abschlag mit Lord Driver gleichauf gelegen, hatte ein Eisen Neun genommen und den Ball in hohem Bogen direkt auf das Grün gelegt. Die Stimmung bei Lady Iron war am Tiefpunkt angekommen, man lag überdies schon zwei Schläge zurück. Ihr Gatte ging zum Abschlag, brabbelte noch etwas von „Kinderkram“, stellte sich in Position, schwang durch und zwischen der Schlagfläche seines Sandwedge und dem Grün entwickelte sich ein wunderbarer Bogen, in dem der Ball flog – hoch hinauf in das Blau des schottischen Himmels, dann wieder sanft hinab in Richtung eines wunderschönen schottischen Grüns, auf einen schottischen Flaggenstock zu, wo er dann liegen blieb – in einer Entfernung, die man üblicherweise als „tot an der Fahne“ bezeichnet. Der Rest war Formsache: Lady Iron puttete sicher ein, man spielte ein Birdie, die McDonalds leisteten sich noch ein Bogey und schon war das Spiel wieder offen.

Auf den letzten zwei Bahnen blieb es spannend, mit wechselnden Vorteilen für beide Parteien. Am Ende jedoch lagen Lord und Lady McGolf einen Schlag in Führung. Das gewonnene Match wurde dann offiziell mit dem obligatorischen Küsschen und dem Dank für das schöne Spiel beendet. Ach, was war das wirklich für ein schönes Spiel gewesen! Lord Driver war wieder einmal so stolz auf seine kleine Fee. Und wie war das auch für Lady Iron schön! Sie hatte doch den besten Ehemann von allen! Einträchtig auf der alten verwitterten Holzbank vor dem Clubhaus sitzend, gingen die vier Spieler gemeinsam noch einmal jede einzelne Bahn durch und überprüften die Ergebnisse. Die Score-Karte ließ jedoch keine Zweifel zu: Man hatte gewonnen! So ein schöner Tag mit ihrem Mann und Golfpartner, und den McDonalds hatte man es seit langem wieder einmal so richtig gezeigt. Diesmal mussten die McDonalds die Einladung zum Dinner übernehmen, inkl. aller Getränke – und was das bei ihrem Mann heißen kann, haben wir am Anfang der Geschichte ja gehört.

Und wieder einmal war bewiesen, dass es die (fast) perfekte Golfer-Ehe doch wirklich gibt!

2 › Eine Blamage kommt selten allein

Sir Bunker war so etwas wie ein Unglücksrabe. Eigentlich war er gar kein so schlechter Spieler, aber irgendwie gelang es ihm immer, seinen Ball in irgendeine Sandgrube zu setzen, die es auf dem Links-Course seines Heimatvereins zuhauf gab.

Beim letzten Ausbau des Platzes vor sechs Jahren hatte doch wirklich der Landschaftsbauer (heute würde man sagen, der Golfplatz-Designer), ein Neffe seines Konkurrenten aus einem Nachbarort, mit voller Absicht noch einige solcher Sandkuhlen künstlich dazugebaut, wahrscheinlich um Sir Bunker zu ärgern. Jedenfalls begannen die Leute schon, diese Sandkuhlen tatsächlich nach ihm zu benennen! (Lag dein Ball nach dem Abschlag auf der 13 auch im „Bunker“?)

Eines Tages war es wieder so weit. Sir Alasdair Bunker konnte sein jährliches Turnier ausrichten. Schließlich war er nicht nur Bürgermeister von St. Elsewhere, sondern auch ein erfolgreicher Geschäftsmann in Sachen Angus-Rinder. Und so hieß dann dieses Turnier offiziell „The Big Cattle Cup“, inoffiziell bekannt unter „Das Rindvieh-Turnier“. Nein, ein Rindvieh war Sir Bunker nun wirklich nicht. Er kam allerdings aus einer Bauernfamilie mit traditionellem Viehbetrieb. Seit Generationen hatte vor allem die Rinderzucht der Familie immer zu einem guten Auskommen verholfen, aber erst die internationalen Geschäfte des jüngsten Sprosses der Familie hatten den Durchbruch gebracht. Sir Bunker wurde zum größten Steuerzahler der Gemeinde und somit hochgeachtet. Er wurde bereits viermal hintereinander zum Bürgermeister gewählt und wird dieses Amt wahrscheinlich auch noch auf unbestimmte Zeit innehaben, vor allem nachdem er im letzten Jahr von der Queen zum Ritter geschlagen wurde und ihm der Titel eines „Sir“ verliehen worden war. Privat war er ein netter Kerl. Auch nachdem er zu einem gewissen Reichtum gekommen war, war er stets bescheiden geblieben, ebenso seine Frau und seine sechs Kinder, die alle mittlerweile beruflich und privat gut situiert waren. Besonders stolz war er auf seine ersten drei Enkel, sicher würden es auch noch einige mehr werden.

Privates Glück, beruflicher Erfolg, Ansehen – alles war reichlich vorhanden, aber dennoch, es war nicht alles eitel Sonnenschein. Es gibt einen alten schottischen Spruch: „Glück im Spiel – Pech in der Liebe.“ Dieser Spruch musste für Sir Bunker umgedichtet werden in: „Glück in der Liebe – Pech im Spiel.“ Dies kam so:

Schon als junger Mann hatte Alasdair Bunker angefangen Golf zu spielen. Nun war das in Schottland nichts Besonderes, schon gar nicht im ältesten Golfclub der Welt, aber Alasdair hatte bei seinem Spiel rasch eine Besonderheit bemerkt, und nicht nur er hatte das festgestellt, auch seine Mitspieler. Und zwar pflegte er seinen Ball sehr viel häufiger als seine Mitspieler in einem Hindernis wiederzufinden, vorzugsweise in einer der Sandkuhlen, von denen es in den Links ausreichend gab. Rasch lernte er damit umzugehen und entwickelte eine Schlagtechnik, die es ihm erlaubte, den Ball in perfekter Weise aus dem Sand zurück aufs Fairway oder auf das Grün zu spielen – hoch, kurz und präzise. Natürlich brauchte er dazu einen besonderen Schläger, den ließ er sich von seinem Freund Lord Sandwedge entwickeln, der daraus dann ein richtiges Geschäft machte. Doch das ist eine andere Geschichte. Sir Bunker lernte also, mit seinem Missgeschick umzugehen. Doch auch dies half nicht immer, und damit sind wir schon mitten in unserer heutigen Geschichte.

„Alasdair, heute schaust du aber einmal, dass du nicht jeden zweiten Ball in den Sand setzt!“, diesen Ratschlag hatte ihm seine treusorgende Gattin vor dem „Big Cattle Cup“-Turnier noch mit auf den Weg gegeben (daher der Ausspruch „In den Sand setzen“, Anm. des Autors). „Mit wem bist du denn im Flight?“ Sir Bunker pflegte bei den Turnieren, die er selbst ausrichtete, auch selbst mitzuspielen. Manchmal gewann er sogar einen der Preise, auf den er dann aber jedes Mal natürlich verzichtete. „Ich habe Young Lord Socket McGolf und Mr. Yip bei mir, wir spielen in einem Dreier-Flight“, rief er seiner Frau zurück, die sich gerade in ihre Golfhose zwängte. „Oh je“, war die Antwort, nichts sonst, nur „Oh je!“.

Young Lord Socket McGolf war nicht gerade für seine Spielstärke bekannt, im Grunde war er der schlechteste Spieler im Club. Und da er das wusste, spielte er selten, und er spielte ansonsten nur frühmorgens oder spätabends im ersten bzw. letzten Sonnenlicht, wenn er allein war und sich auch nicht beobachtet fühlte.

Mr. Yip kam aus einer Ausländerfamilie. Keiner aus dem Dorf wusste eigentlich genau, woher die Familie stammte, aber die Yips waren „die Ausländer“. Auch wusste keiner aus dem Dorf mehr, wann sie nach Schottland gekommen waren. War das im 20. Jahrhundert, oder war es gar schon im 19. gewesen? Oder noch früher? Es waren jedenfalls, wie gesagt, „die Ausländer“. Irgendwie sahen sie auch so anders aus, konnte man meinen, wenn man lange genug hinsah (was natürlich keiner tat, aus Anstand, man hat ja nichts gegen Ausländer, aber immerhin!). Manche Dorfbewohner fanden, sie sprächen auch so komisch, manchmal jedenfalls, wenn man ganz genau hinhörte! Und überhaupt! Und ihre Angewohnheiten – daran sah man schon die Herkunft. Die Herkunft, ja die war eindeutig im Ausland zu suchen, manche wussten von einer Auswanderung aus Indonesien zu berichten, andere hatten aus sicherer Quelle erfahren, dass einer der frühen Vorfahren ein Eskimo gewesen war oder wenigstens ein Engländer. Jedenfalls war die Familie heute schon fast als schottisch zu bezeichnen, da sie sich durch vielfältiges Einheiraten wenigstens einigermaßen in den Clan integriert hatte, heißt, so seit ungefähr 6 oder 7 Generationen.

Mit Mr. Yip war die Sache folgendermaßen: Er hatte regelmäßig sehr schöne, ruhige Abschläge, ziemlich gute, exakte Fairwayschläge und auch noch relativ brauchbare Annäherungen. Aber auf dem Grün wurde er zum Chaoten. Da fing er an, über die Zuverlässigkeit des Grasbewuchses zu spekulieren, diskutierte, auch mit sich selbst, über die Undulationen des Grüns, versuchte, Puttlinien zu berechnen, und bezog sogar die Windverhältnisse mit ein – bei einer Puttlänge von 25 cm. Der ruhige, besonnene Mann, der er noch beim Abschlag war, hatte sich in ein zittriges und schwitzendes Nervenbündel verwandelt, je näher er dem Loch gekommen war. Hier auf dem Grün war er nicht mehr ansprechbar, nicht mehr kontaktfähig.

Um 9 Uhr 40 hatte der Flight seine Startzeit. Mit einem Handicap von 18,4 hatte Sir Bunker die Ehre. Mit gewohnter Selbstsicherheit und siegessicherem Lächeln schritt er zum Abschlag, polierte vorher noch einmal vor aller Augen seinen Driver mit dem Logo-Balltuch des Clubs, nahm seine Position ein, platzierte den Ball auf seinem Tee, nahm einen ruhigen Rückschwung, und mit einem starken Abschlag dirigierte er seinen Ball dann zielsicher in den nächsten Sandbunker.

Tja, da war sie wieder einmal, die self-fulfilling prophecy! Er hatte noch kein Mittel dagegen gefunden. Im Zusammenhang mit seinem Namen dachte man mittlerweile automatisch an die Sandkuhlen, ob natürlich oder künstlich, die es auf so einem schönen Golfplatz nun mal gab. Auch er selbst dachte nur noch daran, wie er den Sandbunker vermeiden könnte, wie er dem Sandbunker ausweichen könnte, wie er dann aus dem Sandbunker wieder herausspielen würde. Der Sandbunker war fest in seinem Kopf verankert. Wahrscheinlich gab es in seinem Kopf fest verdrahtete Verschaltungen von Nervenzellen, die schicksalhaft dafür sorgten, dass der Ball in jedem Fall immer Ziel auf einen Sandbunker nahm. So ergab sich dann die Flugbahn ganz von alleine.

Lord Socket hatte üblicherweise eigentlich gar keinen guten Abschlag. Er traf den Ball meist so unglücklich, dass er – statt geradeaus zu fliegen, wie es Aufgabe eines guten schottischen Golfballs gewesen wäre – lieber eine Bahn nahm, die, sagen wir mal, eher zur Seite zeigte. So flog der Ball häufig nicht 200 Meter weit, sondern vielleicht 20 Meter, und er landete nach Beendigung seiner Flugbahn nicht auf dem Fairway, sondern im Rough rechts oder links neben dem Abschlag, im Brunnen des Clubhauses, auf der Mütze eines unglücklich dastehenden Zuschauers oder sonst wo an unpassender Stelle. Diesmal jedoch traf Lord Socket seinen Ball hervorragend, er flog weit und nahm sogar eine passende Richtung. Alle waren erstaunt, am meisten er selbst, und es gab Beifall allenthalben. Für alle drei Spieler verlief das weitere Spiel auf der ersten Bahn richtig gut. Am Ende kam Mr. Yip ans Grün und beide Mitspieler warteten auf das große Chaos, das er bald verbreiten würde. Aber nichts geschah. Mr. Yip wurde wohl etwas nervös und brauchte zwei Putts für eine Puttentfernung von drei Metern, aber so etwas kennen wir alle, das lässt sich wohl verkraften. Mit einem gewissen Gefühl von Unsicherheit ging Sir Bunker zum Abschlag der Bahn Zwei.

Bahn Zwei ist ein mäßig langes Par 5, geht immer geradeaus, mit ziemlich welligem Fairway – und vor allem nur einem einzigen Bunker, was vor allem Sir Bunker fröhlich stimmte. Also ging er ganz zuversichtlich, trotz seines Bunker-Missgeschicks auf der ersten Bahn, auf den Abschlag zu. Doch da geschah das Unfassbare: Er traf den Ball nicht richtig, erwischte ihn mit der Innenseite des Schaftes, sodass er im rechten Winkel zur gewünschten Flugbahn davonflog: Er hatte das getan, was sonst nur Lord Socket gelang, er hatte einen richtigen „Socket“ geschlagen! Das gab es doch gar nicht. Wie konnte das passieren? Sir Bunker war erschrocken, wurde dann unruhig und schließlich wütend. So eine Blamage! Er wusste gar nicht, was er sagen sollte. Gottseidank hatte das außer seinen beiden Flightpartnern niemand gesehen – oder? War da nicht jemand auf der Straße entlanggefahren und hatte aus dem Auto heraus gegrinst? Hatte da nicht Lord Sandwedge von der Bahn Siebzehn herübergewunken? Oh je, man hatte ihn wahrscheinlich beobachtet und würde jetzt über ihn lachen und nach dem Turnier wieder über ihn reden!

Sir Bunker spielte die Bahn mit einem gerade noch akzeptablen Doppel-Bogey, seine Laune hatte jedoch deutlich gelitten. Jetzt ging es auf die Drei. Die Bahn Drei ist ein mittellanges Par-4-Loch mit einigen Sandbunkern, die zum Teil gemauert sind. Diese schwierigen Topfbunker stellen normalerweise für Sir Bunker kein Problem dar. Schließlich ist er ja der Spezialist für solcherart besondere Umstände. Da, wo andere verzweifeln, ist er mit seinem Spezialschläger derjenige, der seinen Ball meist mit dem ersten Schlag wieder aus dem Sand zurück auf das Fairway befördert. Heute aber war alles anders. Sein Abschlag mit einem Eisen 3 war akzeptabel. Bis zur Fahne beträgt die Entfernung 308 Meter, mit dem zweiten Schlag lag er bereits auf dem Grün. So weit so gut, aber irgendwie hatte er ein komisches Gefühl im Bauch, irgendwie war heute ein seltsamer Tag. Nachdem Lord Socket mit dem vierten Schlag endlich auf dem Grün angekommen war und Mr. Yip den fünften Putt gebraucht hatte, um näher an der Fahne zu sein als Sir Bunker, war er jetzt an der Reihe zu putten.

War es das Wetter, hatte er vielleicht etwas Unrechtes gegessen oder was war hier eigentlich los? Er konnte seinen Putter nicht ruhig halten! Erst schwenkte dieser von selbst, wie eine Wünschelrute, hin und her, sodass er seine Puttlinie gar nicht anvisieren konnte, dann zuckte plötzlich seine linke Hand, so als hätte er statt des Schlägergriffs ein Schwachstromkabel vom Elektrozaun angefasst, mit dem er seine Rinder im Zaum hielt. Was war denn los? Er konzentrierte sich. Schließlich war er Geschäftsmann und gewohnt, sich von aufkommenden Problemen nicht verwirren oder gar entmutigen zu lassen. Also sagte er sich: „Du weißt doch, was du willst, der Ball soll jetzt ins Loch, schau zu, dass du ihn jetzt reinbringst!“ Dies sagte er sich, still in Gedanken, mehrfach hintereinander, als wäre es ein Mantra, so wie er es einmal in einem Managerseminar in Edinburgh gelernt hatte. Bislang hatte das auch immer geklappt, aber heute war – wir wissen es bereits – alles anders. Er puttete seinen Ball links vorbei, na ja, schließlich betrug die Puttlänge ja auch vier Meter. Aber Schuld war dieses Zucken in der linken Hand gewesen, und das ärgerte ihn. Seine beiden Mitstreiter hatten schon eingelocht, sogar Mr. Yip, und sahen ihm jetzt interessiert zu. Den zweiten Putt setzte er auf eine Entfernung von nur noch einem Meter rechts vorbei (das Zucken in der linken Hand). Jetzt waren es nur noch 40 Zentimeter, jetzt würde er diesem grausamen Spiel ein Ende bereiten. Er hatte seine Selbstsicherheit wiedergewonnen, er wusste, er würde es jetzt schaffen, er würde das Zucken in der Hand besiegen, er würde einlochen, er würde als Sieger vom Platz gehen. Schließlich war er Sir Bunker, der erfolgreiche Rinderzüchter, der Bürgermeister, der Ausrichter dieses Turniers. Und schließlich war das alles ja nur ein einmaliger Ausrutscher, es würde nie wieder passieren. Ruhig und selbstsicher, so wie vor dem ersten Abschlag, so wie immer, trat er an den Ball, nahm seine Position ein, sprach den Ball an, in aller Ruhe, und schob den Ball schließlich mit einem scheußlichen Zucken, diesmal in beiden Händen, zwei Handbreit am Loch vorbei. Jetzt war alles aus! Vor solchen Nieten wie Lord Socket und Mr. Yip hatte er sich lächerlich gemacht, hatte sich blamiert bis auf die Knochen. Sah er da nicht ein hämisches Grinsen auf dem Gesicht von Mr. Yip, hatte da nicht Lord Socket etwas zu Mr. Yip genuschelt, als er gerade zum Putten schritt? Man würde über ihn reden, man würde über ihn lachen, der ganze Club, das ganze Dorf, die ganze Welt würde ihn nur noch milde belächeln.

Nie wieder würde er zum Bürgermeister gewählt werden, man würde ihm aus dem Wege gehen, Freunde, Verwandte, alle würden ihn meiden. Wahrscheinlich würden auch seine Rinder krank werden, die Preise würden fallen, seine Firma würde Verluste machen und schließlich vom schlimmsten Konkurrenten aufgekauft werden, wahrscheinlich zu einem Spottpreis. Alles was er sich in seinem Leben mühsam aufgebaut hatte – verloren und verflogen an einem einzigen Tag, bei einem einzigen Golfspiel, auf einer einzigen Bahn …

Langsam kam er wieder zu sich. „Was mache ich hier eigentlich?“, fragte er sich laut. Mr. Yip lächelte immer noch. „Du hast einen Strich“, konstatierte Lord Socket, und damit hatte er recht. Er brauchte nicht mehr weiterzuspielen, die Regel besagt, dass man den Ball aufheben soll, wenn man keinen Punkt mehr erzielen kann. Und dies war jetzt der Fall. Was war sonst noch passiert? Lord Socket sprach laut sein ehrliches Bedauern über dieses „Missgeschick“ aus, Mr. Yip lächelte nicht mehr, keine Häme war zu spüren, und es hatte auch niemand zugesehen, außer seinen beiden Mitspielern. Was war sonst noch passiert? Er hatte eine Bahn aufgeben müssen, keine Punkte erzielt. Er hatte schlecht gespielt, war völlig kontrollunfähig gewesen. Schließlich konnte er es besser, das wussten ja alle. Also – was war eigentlich passiert? So richtig konnte er es sich nicht erklären. Aber so wie das Zucken in der Hand gekommen war, so verschwand es wieder. Lag es am wunderschönen Wetter heute, oder an der Freundlichkeit und echten Zuneigung seiner beiden edlen Mitstreiter? War alles nur ein böser Traum gewesen und würde dieser Traum jetzt verfliegen und niemals wiederkehren? Er hatte so ein Gefühl, als wäre alles wieder so wie zu Beginn des Spiels.

Die Geschichte von Bahn Vier bis Achtzehn ist schnell erzählt. Sir Bunker erspielte insgesamt 38 Stableford-Punkte und verbesserte sein Handicap, Lord Socket spielte eine (für ihn) richtig gute Runde mit 30 Punkten und freute sich wie ein kleiner König, oder wenigstens wie ein Earl, war richtig glücklich. Und Mr. Yip, ja der absolvierte alle Grüns mit einer unglaublich stoischen Ruhe, puttete ruhig wie noch nie und kam schließlich auf satte 33 Punkte. Nur auf der letzten Bahn, da war wieder so eine seltsame Unruhe in seiner rechten Hand zu spüren, oder war es diesmal vielleicht die linke?

3 › Golf ist entwicklungsfähig

Ein kleiner Golfclub, auch wenn er der älteste der Welt ist, hat es schon schwer, wenn seine Mitgliederschaft einen gewissen schottischen Eigensinn bei der Interpretation von Regeln an den Tag legt. Vor allem dann, wenn der große, berühmte Nachbarclub auch noch selbst diese Regeln bestimmt und überwacht. Und vor allem dann, wenn die eigenen Mitglieder bei der Regelauslegung sehr selbstbewusst und kreativ sind…

„Ach herrje, jetzt liegt mein Ball out of bounds! So was Dummes.“ Ein Satz, den man tagtäglich, so oder ähnlich, auf allen Golfplätzen der Welt hört. Wir alle kennen natürlich die „Offiziellen Golfregeln“ in der jeweils aktuellen Version, und nach Regel 27-1b ist es eindeutig so, dass man dann, wenn der Spielball ins Aus gelangt, diesen oder einen anderen Ball mit einem Strafschlag unter Distanzverlust weiterspielen muss (… so muss der Spieler mit einem Strafschlag einen Ball so nahe wie möglich der Stelle spielen, von der der ursprüngliche Ball zuletzt gespielt wurde). Man sollte jedenfalls meinen, dass diese Regel eindeutig formuliert sei.