Lore-Roman 105 - Lore von Holten - E-Book

Lore-Roman 105 E-Book

Lore von Holten

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Beschreibung

Die Unternehmerfamilie Trachberg erwartet hohen Besuch. Der indische Finanzier eines künftigen Brauprojektes, Herr Darpana mit Frau und Tochter, will aus Nagpur anreisen. Doch die Gäste aus Indien sollen niemals ankommen, denn es kommt zu einem furchtbaren Flugzeugunglück in der Nähe von Rosenheim. Einzig Tochter Amrita Darpana überlebt wie durch ein Wunder. Nun ist das Mädchen allein in einem fremden Land unter fremden Menschen.
Karl von Trachberg sieht sich in der Schuld und will das Mädchen bei sich aufnehmen. Er sendet seinen Sohn Horst, um Amrita aus dem Krankenhaus abzuholen. Als Horst das Krankenzimmer betritt, ist es bereits um ihn geschehen. Für Horst ist dieses junge exotische Geschöpf das schönste, das er bisher gesehen hat. Etwas Rätselhaftes, Unergründliches liegt in dem zartgeformten Antlitz, tausend Geheimnisse scheinen in den seelenvollen Augen zu wohnen. Horst hat sein Herz vollends an diese Schöne aus dem Märchenland verloren ...


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Inhalt

Cover

Die Schöne aus dem Märchenland

Vorschau

Impressum

Die Schöne aus dem Märchenland

Packender Roman um das Schicksal der bezaubernden Amrita

Von Lore von Holten

Die Unternehmerfamilie Trachberg erwartet hohen Besuch. Der indische Finanzier eines künftigen Brauprojektes, Herr Darpana mit Frau und Tochter, will aus Nagpur anreisen. Doch die Gäste aus Indien sollen niemals ankommen, denn es kommt zu einem furchtbaren Flugzeugunglück in der Nähe von Rosenheim. Einzig Tochter Amrita Darpana überlebt wie durch ein Wunder. Nun ist das Mädchen allein in einem fremden Land unter fremden Menschen.

Karl von Trachberg sieht sich in der Schuld und will das Mädchen bei sich aufnehmen. Er sendet seinen Sohn Horst, um Amrita aus dem Krankenhaus abzuholen. Als Horst das Krankenzimmer betritt, ist es bereits um ihn geschehen. Für Horst ist dieses junge exotische Geschöpf das schönste, das er bisher gesehen hat. Etwas Rätselhaftes, Unergründliches liegt in dem zartgeformten Antlitz, tausend Geheimnisse scheinen in den seelenvollen Augen zu wohnen. Horst hat sein Herz vollends an diese Schöne aus dem Märchenland verloren ...

Karl von Trachberg ließ den scharfen Blick seiner blauen Augen über die am Tisch versammelten Menschen gleiten.

»Wie ist es, liebe Margarete, wollen wir die Tafel aufheben?«

»Du kannst ja doch nicht mehr abwarten, bis du zu deiner Zigarre kommst«, erwiderte die Hausherrin.

»Ich hoffe jedoch, dass ihr mir dabei ein wenig Gesellschaft leisten werdet!«

Frau Margarete nickte ihrem Sohn dankbar zu, als dieser hinzusprang und ihr den Stuhl zurückzog.

»Danke, Horst! Es ist lieb von dir. Willst du heute Abend fort?«

»Horst brennt darauf, endlich verschwinden zu können«, mischte sich die helle Stimme seiner Schwester ein. »Petra wartet in einer halben Stunde.«

»Du darfst sie nicht warten lassen. Man darf Mädchen niemals warten lassen«, meinte die Mutter.

Carola von Trachberg wandte sich dem neben ihr befindlichen jungen Mann zu.

»Hast du das gehört, Günther? Du kamst heute wieder eine halbe Stunde zu spät!«

Der Hausherr trat an seine Tochter heran. »Günther ist von mir entschuldigt, liebe Carola. Ich habe ihn aufgehalten.«

»Ihr Männer haltet immer zusammen. Aber ihr solltet euch nicht einbilden, dass ihr mit uns armen Frauen machen könnt, was ihr wollt. Auch wir Frauen halten zusammen, nicht wahr, Mutter?«

»Reizende Aussichten für Sie, lieber Günther«, lachte der Hausherr und klopfte dem jungen Mann auf die Schulter. »Wie ist es nun mit der Zigarre? Wer kommt mit?«

»Wir alle!«, rief Horst von Trachberg und machte eine weit ausladende Armbewegung.

»Und Petra?«, gab Carola zu bedenken.

»Soll warten!«, erwiderte Horst leichthin. »Es kommt so selten vor, dass wir mal allein in unserer Familie sind. Solche Augenblicke darf man nicht vorübergehen lassen.«

Dr. Günther Eckern, der junge Mann, der augenscheinlich nicht die Absicht hatte, sich von Carola weiter als höchstens drei Schritte zu entfernen, bekam rote Wangen.

»Wenn das so ist, dann gehe ich wohl besser ...«

»Aber nein!«, lachte Horst, »auf Sie war das nicht gemünzt. Sie gehören schon halb zur Familie.«

»Dann können wir ja endlich gehen«, schmunzelte der Hausherr.

Er schob die breiten Flügeltüren auseinander, die vom Esszimmer in den angrenzenden Salon führten.

Man setzte sich, trank Kaffee und plauderte. Nur Horst war sehr still.

»Ich glaube, Horst ist in Gedanken doch schon bei seiner Petra«, meinte der Hausherr plötzlich.

Der Angesprochene fuhr zusammen. »Nein, Vater, ganz gewiss nicht. Ich dachte nur gerade an das französische Geschäft.«

Sein Vater hob die Augenbrauen. »Ist etwas damit?«

»Alles in Ordnung. Die Verträge werden übermorgen perfekt. Ich meine nur — diese Leute wissen, was sie wollen. Sie haben mir bei den Vorverhandlungen ganz nett eingeheizt. Von ihnen kann man etwas lernen.«

»Es waren sehr nette Herren«, meinte Frau von Trachberg. »Besonders Monsieur Laforme.«

»Ich könnte sie ja noch einmal einladen, wenn es dir Spaß macht.«

»Nein, lieber Karl, nur das nicht!«, wehrte die Hausherrin hastig ab. »Diese Franzosen sind gewiss sehr unterhaltsam und sehr nett, aber zugleich auch schrecklich anstrengend. Mir kommt es immer vor, als sprächen sie fünf Worte auf einmal.«

»Aber du verstehst sie doch sehr gut, Mutter«, meinte Horst.

Sie wandte ihm ihren Kopf zu. »Natürlich verstehe ich sie, aber ich muss dabei aufpassen wie auf der Schulbank.«

»Immerhin waren sie von dir begeistert, liebe Mutter«, lächelte Horst. »Ich glaube, dieser Abend in unserem Haus hier hat so manchen Widerstand aus dem Weg geräumt.«

»Dazu sind solche Abende schließlich gedacht«, erklärte Karl von Trachberg. »Aus lauter Spaß und Menschenfreundlichkeit lade ich die Herren nicht ein, dazu sind mir die wenigen stillen Stunden mit euch viel zu teuer. Man muss eben Konzessionen machen. Schließlich geht es ja ums Werk.«

»Und damit um uns alle«, pflichtete Horst bei.

Frau von Trachberg seufzte leise.

»Ach, Junge, wenn ich dich so reden höre, dann merke ich, dass du der Sohn deines Vaters bist. Manchmal wünsche ich mir im Stillen, dieses Werk wäre nicht vorhanden und ich könnte so leben wie eine einfache bescheidene Frau, ohne große Festessen, ohne Repräsentation, ohne Verpflichtungen.«

»Mutter, du bist doch nicht etwa unzufrieden?«, rief Horst von Trachberg besorgt.

»Ich könnte ohne das, was unser Leben erfüllt, nicht auskommen. Ich brauche das, die fremden interessanten Menschen um mich, die festlichen Stunden, Bälle und Empfänge«, meinte Carola.

»Du bist jung, mein Kind, wenn du in mein Alter kommst ...«

»Wenn man dich reden hörst, Mutter, dann könnte man fast meinen, du seist eine alte Frau! Dabei bist du genauso jung wie ich und Horst und Günther.«

Karl von Trachberg lachte herzlich. »Hast du das gehört, Margarete? Das war ein großartiges Kompliment!«

»Es ist aber wahr«, fügte Carola hinzu.

»Ich schließe mich der Meinung meiner lieben Schwester an!«, rief Horst aus dem Hintergrund. Er setzte sich an den Flügel und schlug einen Akkord an. »Mutter ist großartig!«

»Da hast du's!«, lachte der Hausherr und maß seine Frau mit einem warmherzigen Blick. »Was sagst du zu deinen Kindern?«

»Es sind eben unsere Kinder, Karl!«

Eine kleine Stille trat ein. Jeder fühlte den Zauber dieser Minute, fühlte die Herzlichkeit und Liebe, die diese Familie miteinander verband.

Endlich brach Carola das Schweigen.

»Nach diesem Austausch von Artigkeiten können wir ja unseren Kaffee weitertrinken. Hier, Günther, deine Tasse.«

Damit war der Bann gelöst. Horst intonierte eine schlichte Melodie, und während Carola ihren Günther von neuem in die Lehre nahm, folgten die Eltern dem leichtfingrigen flüssigen Spiel ihres Sohnes.

Plötzlich schlug sich der Hausherr vor die Stirn.

»Du liebe Güte, beinahe hätte ich das Wichtigste vergessen! Wir bekommen wieder Besuch!«

»Aus mit der Herrlichkeit«, versetzte Carola trocken. »Hoffentlich nicht heute schon?«

»Nein, morgen im Laufe des Vormittags.«

»Was sind das für Leute, Vater? Kennen wir sie schon?«

»Nicht, dass ich wüsste.«

»Ausländer?«

»Das kann man mit gutem Gewissen sagen.«

»Woher? Engländer?«

»Nein.«

»Wieder Franzosen?«

»Auch nicht!«

»Dann Italiener! Oh, das ist gut, dann kann ich gleich meine neuen Kenntnisse an den Mann bringen. Bon giorno, signore!«

Alle lachten. Sie wussten um Carolas Bemühungen, ständig eine neue Sprache zu lernen. Sie hatte es schon zu sehr beachtlichen Kenntnissen in Englisch und Französisch gebracht, und seit einigen Tagen war sie dem Italienischen auf den Leib gerückt.

»Ich fürchte, liebe Carola, du wirst mit deinem Italienisch nicht viel mehr als verständnislose Gesichter hervorrufen«, meinte der Vater amüsiert.

Horst verließ den Flügel und kam langsam näher.

»Ich ahne etwas, liebe Schwester. Du kannst nicht wissen, dass wir große Aussicht haben, einen fantastischen Auftrag aus Indien zu bekommen. Dort soll im Innern des Landes ein Kraftwerk gebaut werden. Ich habe etwas läuten hören, dass irgendein großer Finanzier aus Indien herüberkommen und die Verhandlungen führen will.«

Carola bekam große Augen. »Aus Indien? Ist das wahr, Vater?«

Der Hausherr nickte. »Ja, es stimmt. Morgen empfangen wir Mr. Darpana mit Frau und Tochter aus Nagpur.«

Frau von Trachberg hob überrascht die Augenbrauen.

»Inder? In unserem Haus? Wie, um alles in der Welt, sollen wir mit diesen Menschen reden? Ich kann kein Indisch!«

»Keine Sorge, liebe Margarete«, lachte Karl von Trachberg. »Die Leutchen sprechen ausgezeichnet Englisch, soviel ich weiß.«

Trotzdem bekam seine Frau ein besorgtes Gesicht.

»Ich weiß nicht recht, Karl ... Das sind doch Schwarze.«

Dr. Eckern schien auf dieses Stichwort nur gewartet zu haben.

»Der Meinung bin ich auch, gnädige Frau. Ich darf mir vielleicht die Einschränkung erlauben, dass es sich bei den Indern um dunkelhäutige Menschen handelt. Auf keinen Fall aber um Weiße.«

»Finden Sie das so schlimm?«, erkundigte sich Horst mit ruhiger fester Stimme.

»Na, erlauben Sie mal! Womöglich bringt dieser Herr noch seinen ganzen Harem mit nach Deutschland!«

»Sie verwechseln die Türken mit den Indern, Herr Doktor Eckern«, berichtigte Horst sachlich.

Dr. Eckern ging nicht darauf ein.

»Es handelt sich um Menschen ganz anderer Art und Kultur, als wir es sind!«, erklärte er erregt. »Ich kann mich mit dem Gedanken nicht anfreunden ...«

Karl von Trachberg hob die Hand.

»Augenblick mal, mein Lieber. Bevor Sie Ihren Satz vollenden: Haben Sie schon einmal davon gehört, dass die Inder dem gleichen Ursprung entstammen wie wir Deutschen?«

»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Herr von Trachberg.«

»Mein voller Ernst! Sie können es in jedem Lexikon nachlesen. Die Inder und die Germanen sind gleichen Ursprungs. Zahlreiche Zeugen aus der Kultur, der Sprache, und viele andere beweisen das. Es gibt indische Stämme, die heute noch blond und blauäugig sind wie — wie, na, wie Carola oder Horst beispielsweise.«

»Das sind gelehrte Haarspaltereien«, entgegnete Dr. Eckern entschieden. »Man kann nicht Verhältnisse aus der Eiszeit auf die heutigen Menschen übertragen.«

»Das mit der Eiszeit stimmt sogar«, bestätigte Karl von Trachberg. »Aus jener Zeit datieren die gemeinsamen Ursprünge. Aber was den zweiten Teil Ihrer Meinung betrifft, so unterliegen Sie einem ganz fundamentalen Irrtum, Doktor Eckern. Die Inder sind ein sehr wertvolles Volk, das nur darauf wartet, zur vollen Entfaltung seiner Kräfte zu kommen, um sich zu bewähren und sich gleichberechtigt unter die anderen Völker der Erde einzureihen.«

Dr. Eckern nickte steif. »Ich kenne diese neuen Ansichten. Viele Leute vertreten sie, aber wenige nur meinen wirklich das, was sie sagen. Ich für meinen Teil ...«

»Mag sein«, unterbrach Herr von Trachberg, wobei er einen kleinen Unwillen in seiner Stimme nicht verbergen konnte. »Immerhin stehe ich mit jenem Land vor einem sehr bedeutenden Abschluss, und allein das wäre für mich Grund genug, jene Menschen mit genau der gleichen Freude zu empfangen wie alle anderen zuvor.«

Carola erschienen diese Überlegungen müßig. »Vater, wie sagtest du, wie sie heißen?«

»Darpana!«

»Ein schöner Name!« Carola sprach ihn langsam nach. »Findest du nicht auch, Günther?«

»Ich finde, er klingt sehr germanisch. So ähnlich wie Müller!«

»Pfui, sei nicht so kratzbürstig. Ich finde den Namen wunderbar. Er klingt nach Orchideen und Urwalddschungel.«

Frau von Trachberg mischte sich wieder ein. »Und der Mann bringt Frau und Tochter mit?«

»So ist es. Falls ihr nun aber von mir verlangt, ich solle die beiden Damen beschreiben, dann muss ich die Waffen strecken. Ich weiß es nicht.«

Carola sandte ihrem Bruder einen amüsierten blinzelnden Blick zu.

»Da wird mein lieber Bruder morgen gewiss sehr pünktlich zum Essen kommen. Ich glaube, Petra wird auch morgen warten müssen. Man hat nicht jeden Tag das Vergnügen, ein indisches Mädchen im elterlichen Haus bewundern zu können.«

Horst lachte herzlich. »Frag mal deinen lieben Günther, wie er über diesen Punkt denkt.«

Günther brauchte nicht erst gefragt zu werden.

»Diese Mädchen sollen rasch altern«, sagte er ernst und ablehnend.

»Das stimmt nicht«, erwiderte der Vater.

»Aber Inderinnen sind dunkelhäutig und haben schräge Augen«, beharrte der junge Mann eigensinnig.

»Vielleicht wird gerade dieser Punkt unseren guten Horst besonders interessieren«, kommentierte Carola vergnügt. »Ich habe mir sagen lassen, dass manche jungen Männer für das Exotische eine Schwäche haben. Wie steht es bei dir, Horst?«

Horst hob die Schultern und ließ sie wieder fallen.

»Keine eigene Meinung. Mangels entsprechender Vorkenntnisse. Frage mich morgen um diese Zeit noch einmal. Dann kann ich dir mehr sagen.«

***

Das Dröhnen der vier mächtigen Motoren drang nur schwach in die Kabine.

Die Stewardess, eine kleine reizvolle Blondine mit einem fröhlichen Mund und lebhaften Augen, ging lautlos an den Sitzreihen entlang. Sie fragte hier und da nach besonderen Wünschen. Dann ging sie in die Kombüse zurück.

Sie setzte eine Bratpfanne auf den elektrischen Kocher und öffnete eine Dose mit fertigen Koteletts. Nun sah sie zu, wie die Butter in der Pfanne zerrann. Mit einer etwas müden Geste strich sie sich über die Stirn. Ja, die Müdigkeit meldete sich allmählich zu Wort.

Plötzlich entstand an der schmalen Tür zum Passagierraum ein leises Geräusch. Als die Stewardess aufblickte, erkannte sie das indische Mädchen, das von Anfang an den Flug in Begleitung der Eltern mitmachte.

»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte das Mädchen.

»Sie wollen mir helfen?«, lächelte die Stewardess zurück. »Ich werde sehr gut fertig.«

»Es ist so schrecklich langweilig in der Kabine«, seufzte das Mädchen und trat einen zögernden Schritt näher. »Und ich bin furchtbar aufgeregt.«

»Aufgeregt?«

»Ich war noch nie in Europa.«

Die Stewardess legte das Fleisch in die Pfanne. Das Fett zischte. Dampf stieg auf und erfüllte den engen Raum mit seinem Duft.

»Sie beherrschen viele Sprachen, nicht wahr?«, wollte das indische Mädchen wissen.

»Das wird in meinem Beruf verlangt«, erwiderte die Stewardess.

»Sie haben einen schönen Beruf.«

»Das sagen viele, aber er ist auch sehr anstrengend.«

»Das würde ich gern in Kauf nehmen. Sie sehen doch die ganze Welt!«

»Ich sehe alles und nichts. Ich kenne die Flugplätze vieler Länder, aber jenseits der Barriere hört es meistens schon auf.«

»Sie sind Engländerin?«

»Nein, ich komme aus Schweden. Oben im Norden von Europa.«

»Ich weiß«, nickte die Inderin eifrig. »Vater hat mir die europäischen Länder auf der Karte gezeigt. In Ihrer Heimat gibt es viel Schnee — nicht wahr?«

»Haben Sie schon einmal Schnee gesehen?«, fragte die Stewardess lächelnd.

»Noch nie. Ich hoffe, jetzt welchen zu sehen. Und Eis.«

»Also wollen Sie nach Schweden?«

»Nein, nach Deutschland.«

Die Stewardess lachte. »Da werden Sie kein Glück haben, Fräulein Darpana! In Deutschland ist jetzt Sommer. Schnee und Eis gibt es nur im Winter.«

»Das ist schade. Ich hatte mich schon so sehr darauf gefreut.«

Inzwischen war das Gericht fertig.

Die Inderin trat zur Seite, die junge Schwedin schritt mit sicheren Bewegungen durch den Mittelgang, und als sie dem Deutschen den Teller unter die Nase hielt, überschüttete dieser sie mit einem Schwall aufgeregter Dankesbeteuerungen.

Fräulein Darpana hatte diese Szene aus dem Hintergrund verfolgt, und als die Stewardess nun wieder zu ihr zurückkehrte, lächelte sie dem blonden Mädchen erfreut entgegen.

»Wir haben das also richtig gemacht«, meinte die Inderin.

»Er war sehr glücklich«, gab die Schwedin lächelnd zurück. »Es scheint sich um einen Herrn mit einer ausgeprägten Vorliebe für leibliche Genüsse zu handeln.«

»Ich finde es wunderbar, wie Sie es verstehen, diesen Menschen im Flugzeug Freude zu machen. Ich habe Sie schon während der ganzen Reise beobachtet. Mir ist so etwas noch nie gelungen.«

»Sie haben einen Beruf, Fräulein Darpana?«

»O nein, das würde mein Vater nie erlauben.«

»Viele Mädchen haben heute einen Beruf.«

»Oh, ich weiß, auch bei uns in Indien. Aber ich ... Vater ist sehr reich, müssen Sie wissen. Er meint, ich dürfe nicht arbeiten, das könne seinem Ruf schaden.«

»Dann haben Sie doch viel Zeit für Ihre Liebhabereien. Ich wünschte, ich könnte mit Ihnen tauschen.«

Die dunklen Augen der Inderin leuchteten auf. »Dazu wäre ich sofort bereit! Ich wäre sehr glücklich!«

Ehe die beiden es sich versahen, steckten sie mitten in einem typischen Mädchengespräch.

Dann erklärte die Stewardess, sie müsse wieder einmal nach den Passagieren sehen. Das indische Mädchen folgte und kehrte zu ihren Eltern zurück. Das Ehepaar, kleine rundliche Menschen bronzener Hautfarbe in eleganter europäischer Kleidung, war aufgewacht und hatte die Tochter augenscheinlich schon vermisst, denn als sie nun auftauchte, drohte die Mutter mit dem Finger.

»Amrita, wo treibst du dich herum?«

»Ich war hinten bei der Stewardess. Sie ist ein reizendes Mädchen.«

Der Vater neigte sich vor. »Kind, du kannst dieses Mädchen nicht stören. Es hat doch zu arbeiten.«

»Ich habe ihr geholfen«, berichtete Amrita eifrig, und sie erzählte, was es mit einem Kotelett auf sich hat und wie man so etwas zubereitet.

Dann wurden die Eltern wieder müde. Amrita bemerkte, wie Vater und Mutter wieder die Augen schlossen.

Amrita lächelte verschmitzt, und lautlos stahl sie sich wieder davon.

Als sie die Kombüse erreichte, fand sie die Stewardess sehr beschäftigt vor.

»Ich koche Kaffee für die Besatzung«, berichtete sie, und Amrita fasste ohne viele Worte mit zu.

»Sie sind sehr geschickt«, lobte die Schwedin.

»Ich kann sonst nichts«, gestand Amrita lächelnd. »Kaffeekochen und die Dienerschaft auf den Beinen halten, das ist alles.«

»Sie sollen nicht so streng gegen sich selbst sein, Fräulein Darpana! Ich bin überzeugt, dass Sie so manches andere können«, meinte die Stewardess im Hinausgehen.

»Das Wasser kocht gleich«, meldete Amrita freudestrahlend, als die Schwedin nach einigen Minuten wieder auftauchte.

»Wundervoll. Ich bringe schon vier Bestellungen mit.«

Wortlos machte sich Amrita daran, die Tassen herauszusetzen, sie ließ sich von der Stewardess zeigen, wie man Zucker abteilt und Milch in die kleinen Kännchen füllt, kurz, sie entwickelte sich tatsächlich zu einer Hilfsstewardess.

Es war in diesem Augenblick, als die Schwedin mit einem raschen Blick durch das kleine runde Fenster der Kombüse hinab zur Erde spähte.