Lost in you - Emily Story - E-Book

Lost in you E-Book

Emily Story

0,0
3,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

"Ich will ihn küssen, ihn berühren, ihn in mir spüren, um nicht in meiner Vergangenheit verloren zu gehen. Ja, David ist der einzige, der diese entsetzliche Dunkelheit in mir vertreiben kann. Und ich bin ihm unendlich dankbar, dass er keine Fragen stellt und mir einfach nur gibt, was ich gerade am meisten brauche: ihn." Gerade als July denkt, dass wieder alles in Ordnung ist zwischen ihr und David, passiert etwas, womit sie niemals gerechnet hätte. Von einem auf den anderen Moment ändert sich alles und ihre Liebe steht plötzlich auf dem Spiel, als eine mysteriöse Fremde aus Davids Studienzeit wieder auftaucht. Davids Geheimnisse aus seiner bewegten Vergangenheit holen ihn auf einmal wieder ein. Und July stellt fest, dass der smarte unnahbare Adonis, für den sie David immer gehalten hat, damals ein ziemlicher Bad Boy gewesen ist. Als am Ende noch ein weiteres von Davids Geheimnissen ans Licht kommt, steuert ihre Beziehung auf eine riesengroße Katastrophe zu…

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Emily Story

Lost in you

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Vorspruch

When I saw you I fell in love, and you smiled because you knew.

– Arrigo Boito (aus der Oper Falstaff)

 

 

Sommer 2008 – Oakhurst, Texas

Nervös kaue ich auf meiner Unterlippe herum, während ich bei den Kennedys auf der Veranda stehe und auf David warte. Seit er in Harvard studiert, ist er lange nicht mehr in Texas gewesen, und ich vermisse ihn wirklich wie verrückt. Er ist zwar nicht mein Freund, aber seit ich ein kleines Mädchen war, weiß ich, dass er der Eine für mich ist. Ja, David ist mein Märchenprinz, denke ich und muss seufzen, während ich mich auf das weißgestrichene Geländer der Veranda lehne und durch die hohen Bäume in den weitläufigen, blühenden Vorgarten blicke.

Das Anwesen der Kennedys ist wirklich wundervoll. Der Garten sieht aus wie eine gepflegte Parkanlage, mit vielen Blumen und kunstvoll gestutzten Hecken. Die Kennedys haben sogar einen richtigen Gärtner, und es wirkt immer so ruhig und friedlich hier, als wäre die Zeit vor hundert Jahren stehengeblieben. Die riesige, viktorianische Südstaaten-Villa, in der David aufgewachsen ist, macht mich immer ein bisschen ehrfürchtig. Und auch, wenn es albern klingt, aber als ich noch klein war, dachte ich immer, die Kennedys leben in einem richtigen Schloss.

„Willst du nicht lieber reinkommen, Juliette?“ reißt Davids Mom mich aus meinen Gedanken und steckt den Kopf durch die Tür.

„Danke, Mrs. Kennedy, aber ich würde lieber hier draußen auf David warten, wenn das okay ist.“

Sie kommt zu mir und streichelt meine Wange. „Grace, Liebes“, sagt sie und sieht mich dabei liebevoll an. „Du kannst ruhig Grace zu mir sagen. Natürlich kannst du auch hier auf David warten.“ Sie blickt in den Vorgarten. „Allerdings kann es noch Stunden dauern, bis er heimkommt.“

Ich strahle sie an. „Das ist mir egal. Wenn es sein muss, warte ich bis morgen früh.“

Grace schenkt mir ein warmes Lächeln. „Okay. Soll ich dir denn wenigstens ein Glas Saft und einen Muffin bringen?“

Ich schüttele den Kopf. „Nein, danke Mrs. K… Grace“, gebe ich zurück. Ich würde vor Aufregung sowieso keinen Bissen herunterbekommen.

Sie streicht mir zärtlich über das Haar. „Du bist so ein liebes Mädchen, Juliette“, bemerkt sie dabei nachdenklich. „David kann wirklich froh sein, dass er dich hat.“ Lächelnd beugt sie sich zu mir: „Und du siehst wirklich wieder bildhübsch aus“, flüstert sie mir ins Ohr, bevor sie wieder ins Haus geht.

Ich liebe Davids Mom, weil sie immer so nett zu mir ist, ganz anders als meine Mom. Und sie ist wirklich wahnsinnig hübsch. Sie erinnert mich immer an Grace Kelly, vor allem, weil sie genauso elegant gekleidet ist. Nein, sie ist viel schöner als Grace Kelly, entscheide ich, und blicke unsicher an

meinem kurzen weißen Sommerkleid mit dem Spitzensaum hinab, das alles andere als elegant ist.

Ich ziehe kurz meinen Pferdeschwanz straff und streife ein paar lose Strähnen hinter mein Ohr. Ob ich David gefalle? Wahrscheinlich laufen in Harvard eine Menge Studentinnen herum, die alle viel hübscher und erwachsener sind als ich, das kleine High School-Girl aus Oakhurst. Hoffentlich hat er niemanden kennengelernt, schießt es mir plötzlich durch den Kopf. Was, wenn er eine Freundin hat, und sie hierher mitbringt? Mein Herz krampft sich schmerzhaft zusammen bei der Vorstellung.

Ich schließe kurz die Augen, um diesen entsetzlichen Gedanken wieder zu verscheuchen.

Es ist wirklich schlimm, wie verliebt ich in David bin. Es tut fast weh, wie viel ich für ihn empfinde. Ja, meine Gefühle für ihn sind wie eine Krankheit, eine süße schmerzhafte Krankheit, denke ich seufzend und lasse meinen Kopf gegen eine der blendendweißen Säulen der Veranda sinken, um meine heißen Wangen zu kühlen. Hoffentlich kommt David bald.

Eine halbe Stunde später höre ich plötzlich das Geräusch eines Wagens, der schließlich auf dem Weg vor dem Haus parkt. Davids Jeep!

Ich sterbe fast vor Aufregung und mein Herz hämmert wie verrückt, als David kurze Zeit später über den gepflegten Weg zum Haus kommt. Oh Mann, er sieht noch hundert Mal besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Er trägt eine verwaschene Jeans und ein enges weißes T-Shirt, das seinen muskulösen Oberkörper betont. Seine kurzen dunklen Haare sind zerzaust und er hat dunkle Stoppeln auf seinem Kinn und den Wangen, was wirklich sexy aussieht. Und er ist er allein. Gott sei Dank!

David hat mich noch nicht gesehen, weil ich mich hinter einer der Marmorsäulen verstecke. Ich will nicht, dass er denkt, ich hätte hier die ganze Zeit auf ihn gewartet.

Nein, jetzt wird er denken, du hast die ganze Zeit auf ihn gewartet, um dich vor ihm zu verstecken, spottet mein Unterbewusstsein, aber ich bin doch bloß so wahnsinnig nervös.

Als David die weiße Treppe zur Veranda hinaufkommt und unsere Blicke sich treffen, sieht er mich für einen Augenblick verwirrt an.

Erinnert er sich etwa nicht mehr an mich? frage ich mich bestürzt, während ich auf meiner Unterlippe herumkaue und sie nervös zwischen meinen Zähnen hin und her bewege.

„Juliette?“ begrüßt er mich plötzlich mit seiner faszinierenden tiefen Stimme. Dabei schenkt er mir ein strahlendes Lächeln, das seine makellosen weißen Zähne zum Vorschein bringt und das herrliche Blau seiner schönen Augen leuchten lässt, wie den tiefblauen Sommerhimmel über uns.

Ich bin verloren, rettungslos verloren.

„Hi David.“ Meine Stimme zittert und ich halte mich unsicher an der Säule neben mir fest, während ich verzweifelt versuche seinen wundervollen Augen standzuhalten. Meine Unterlippe ist wieder in der Gewalt meiner Zähne und ich gucke immer wieder zu Boden, weil er mich so eindringlich ansieht, dass ich das Gefühl habe, als müsste ich unter seinem Blick zerfließen wie das Wachs in einer Kerze.

Ich spüre, dass meine Wangen glühen und mein Herz hämmert so heftig in meiner Brust, dass ich Angst habe es könnte explodieren.

David macht einen Schritt auf mich zu. „Ich hätte dich fast gar nicht wiedererkannt.“ Er lässt seinen Daumen über meine Wange gleiten. „Gott Juliette, du bist wirklich wunderschön geworden“, fügt er dann mit einem heiseren Tonfall hinzu.

Mir stockt der Atem, als sein Daumen plötzlich über meine Unterlippe streicht, woraufhin meine Zähne sie sofort loslassen. „Du siehst wirklich hinreißend aus“, bemerkt er dabei mit einem zärtlichen Lächeln.

„Danke“, flüstere ich völlig überwältigt. Meine Lippe und die Stelle in meinem Gesicht, wo er mich berührt hat, kribbeln auf einmal wie Regentropfen, und mein Bauch ist voller wildgewordener Schmetterlinge. Himmel, was stellt David bloß mit mir an?

Ich sehe zu ihm auf und überlege, was ich sagen soll, doch mir fällt einfach nichts ein. Dabei habe ich die letzten Monate an nichts anderes gedacht, als daran, was ich ihm alles erzählen würde, wenn wir uns endlich wiedersehen. Ich wollte ihm meine Liebe gestehen, ihm sagen, wie sehr er mir gefehlt hat, und dass er der Eine ist, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte.

„Ich war nur zufällig hier“, höre ich mich stattdessen erklären, während ich mir nervös eine lose Haarsträhne um den Finger wickele. „Ich wusste gar nicht, dass du heute kommst.“

Du machst gerade einen kompletten Vollidioten aus dir, Juliette Armstrong, meldet sich mein Unterbewusstsein wieder zu Wort.

David lächelt. „Und ich dachte schon, du hättest auf mich gewartet“, gibt er mit einem Augenzwinkern zurück.

Ich werde tiefrot, wie die Rosenblüten, die an dem Strauch vor der Veranda blühen, denn seine Reaktion lässt keinen Zweifel daran, dass er weiß, dass ich natürlich die ganze Zeit auf ihn gewartet habe, und wahnsinnig verschossen in ihn bin. Wenn man so aussieht wie David, ist man es wohl gewohnt, dass die Mädchen einem hinterherlaufen.

Und komplette Vollidioten aus sich machen…

„Ich wollte eigentlich nur…“ versuche ich mich herauszureden, als Mr. und Mrs. Kennedy plötzlich aus dem Haus kommen und mich vor einer weiteren Notlüge bewahren.

„David!“ begrüßt Grace ihn fröhlich.

„Hey Mom.“ David nimmt sie in den Arm. „Schön dich zu sehen.“

Ich stehe daneben und erwische mich bei der sehnsüchtigen Vorstellung, wie David seinen starken Arm auch um meine Schultern legt.

Reiß dich zusammen, Juliette.

„David, mein Junge.“ Mr. Kennedy kommt zu ihm und begrüßt ihn mit einem festen Handschlag. „Gut siehst du aus.“ – „Du auch, Dad“, erwidert David und schenkt mir zwischendurch immer wieder ein Lächeln, das mich jedes Mal fast umhaut.

„Lasst uns doch reingehen.“ Grace sieht mich mit einem freundlichen Blick aus ihren warmen blauen Augen an. „Du leistest uns doch noch ein bisschen Gesellschaft, Liebes, nachdem du solange auf David gewartet hast, oder?“

Meine Wangen werden rot wie überreife Tomaten, während David sich ein schiefes, sexy Lächeln nicht verkneifen kann. Gott, wie peinlich. Was wird er jetzt bloß von mir denken?

„Ich habe eigentlich gar nicht... Ich wollte sagen, ich bin nur gekommen, um…“ stammele ich und wäre am liebsten in einem großen Loch in der Veranda verschwunden.

Ich straffe meine Schultern und versuche mich zusammenzureißen. „Ich würde wirklich gerne bleiben, aber…“, richte ich mich an Grace, als David plötzlich seinen Arm um meine Schulter legt und es mir mitten im Satz die Sprache verschlägt.

„Du willst mich schon wieder verlassen?“ Er blickt mich enttäuscht an, bevor er seine Lippen an mein Ohr sinken lässt, „nachdem du solange auf mich gewartet hast“, flüstert er, und ich spüre sein freches Lächeln. „Ich würde mich freuen, wenn du noch bleibst.“

„Okay, David“, erwidere ich und hätte in diesem Moment sicher auch zugestimmt, wenn er mich gebeten hätte ihn auf eine Wanderung durch das Death Valley zu begleiten.

Und während er mich, ohne seinen Arm von meiner Schulter zu lösen ins Haus führt, schmiege ich mich selig an seinen starken Körper und fühle mich als würde ich auf einer rosaroten Wolke schweben. Wie lange habe ich von diesem Augenblick geträumt? Doch ich muss zugeben, dass David sich in Wirklichkeit noch viel besser anfühlt, als in meinen sehnsüchtigen Träumen von ihm, und er riecht so fantastisch.

Die nächsten Wochen mit David gehören zu den schönsten meines ganzen Lebens.

Zwar wollen meine Eltern nicht, dass ich so viel mit ihm unternehme, trotzdem gelingt es mir immer wieder mich heimlich aus dem Haus zu stehlen und David zu sehen.

Meine Eltern hassen die Kennedys, weil sie reich sind und dieses schöne Haus besitzen, gegen das ihr eigenes schäbiges Haus wie eine Hundehütte aussieht.

Es würde mich nicht stören, dass meine Mom und mein Dad kein besseres Haus und kein Geld haben, wenn ich nicht so eine Riesenangst vor ihnen hätte. Mein Dad ist Police Officer, und als ich noch klein war, war er ein richtiger Held für mich – bis er mich das erste Mal geschlagen hat. Meine Mom hat sich anschließend wahnsinnig darüber aufgeregt und sie sind richtig in Streit geraten, weil sie der Meinung war, dass nur sie mich schlagen darf. Ja, mein Leben ist ein Minenfeld. Aber seit ich David habe, versuche ich nicht mehr darüber nachzudenken. David ist mein Schutzschild, und das einzige, was ich in meinem Leben brauche.

„Darf ich gleich noch zu den Kennedys?“ frage ich meine Mom vorsichtig, während ich an einem sonnigen Sonntagnachmittag in der Küche stehe und den Abwasch erledige.

Sie bedenkt mich mit einem abfälligen Blick. „Wie oft habe ich dir gesagt, dass ich nicht will, dass du dich mit diesen Leuten abgibst.“ – „Bitte, Mom.“ Ich sehe sie flehend an.

„Du wirst nirgendwohin gehen!“ bellt mein Dad aus dem Wohnzimmer, der gerade mit einer Flasche Bier vor dem Fernseher sitzt und sich ein Footballspiel ansieht.

„Du hast gehört, was dein Vater gesagt hat“, erklärt meine Mom kurz, bevor sie die Küche verlässt und sich zu meinem Dad vor den Fernseher setzt.

Ich weiß genau, was jetzt kommt, der allabendliche Streit über das Fernsehprogramm, der schließlich in lautstarken Vorwürfen darüber endet, wer Schuld daran hat, dass ihr Leben so verkorkst ist.

Frustriert setze ich meinen Abwasch fort, bevor ich den Schwamm weglege und den letzten Teller, den ich gerade abgespült habe in den Geschirrkorb stelle.

Anschließend räume ich alles schweigend in die Schränke unserer schäbigen Küche.

„Juliette!“ brüllt mein Dad, als ich mich gerade in mein Zimmer zurückziehen will.

Ich zucke instinktiv zusammen, bevor ich unsicher an die Wohnzimmertür trete. „Ja, Daddy?“ – „Hol mir noch ein Bier, Prinzessin.“

Ich nicke und gehe noch einmal in die Küche.

Als ich den Kühlschrank öffne und die Bierflasche heraushole, bemerke ich, dass meine Hände zittern. Ich habe echt eine Riesenangst vor meinem Dad, besonders wenn er betrunken ist. Dann ist er so unberechenbar, dass selbst Mom ihm aus dem Weg geht.

„Setz dich ein bisschen zu uns, Juliette“, fordert er mich auf, nachdem ich ihm sein Bier gebracht habe.

„Ich wollte eigentlich noch ein bisschen lernen“, erwidere ich, in der Hoffnung endlich die halbwegs sicheren Gefilde meines Zimmers aufsuchen zu dürfen.

Er packt mich grob am Arm und zieht mich neben sich auf das alte abgewetzte Sofa. „Das kannst du später immer noch“, blafft er mich an. „Jetzt wirst du erst mal deinen Eltern Gesellschaft leisten, Prinzessin.“ – „Dein Vater hat recht, Juliette“, meldet sich jetzt auch meine Mom zu Wort. „Du führst dich immer auf, als wärst du hier im Hotel, dabei könntest du deinen Eltern ruhig ein bisschen dankbar sein dafür, dass sie dir ein Dach über dem Kopf und was zu essen geben.“

Unbehaglich kaue ich auf der Innenseite meiner Wange herum, während ich auf den Fernseher starre, wo gerade ein Footballspiel übertragen wird.

Als meine Mom die Fernbedienung nimmt, um auf einen anderen Kanal zu schalten, beginnt der vorausgesagte Ärger, der schließlich damit endet, dass sie das Feld räumt.

Am liebsten würde ich auch gehen, aber aus Angst, dass mein Dad wieder ausrastet und mich verprügelt, sitze ich wie ein gelähmtes Kaninchen neben ihm, und hoffe, dass er mich nicht bemerkt.

Doch ich bin nicht unsichtbar, leider.

Mein Körper wird plötzlich stocksteif, als Dad seine Hand auf mein Bein legt und mein Kleid ein Stück nach oben schiebt, um meinen nackten Oberschenkel zu streicheln.

Ich will das nicht, Daddy, bitte …

Er stinkt nach Bier und seine raue Hand wandert zwischen meine Beine.

Fass mich nicht an, bitte, fass mich nicht an…

Ich presse die Beine zusammen, und versuche die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken, und die entsetzliche Übelkeit.

Hör auf, bitte hör auf...

Eine Viertelstunde später höre ich Dad neben mir schnarchen. Seine Hand liegt immer noch auf meinem nackten Bein.

Zitternd löse ich seine Finger von meinem Oberschenkel, und stehe vorsichtig auf. Ich fühle mich schrecklich, und würde am liebsten weinen, doch ich fürchte mich vor meinen Tränen, weil sie mir meistens Schläge einbringen.

Von der beklemmenden Angst verfolgt, dass Dad aufwachen könnte, schleiche ich in den Flur.

Ich lausche kurz an der Badezimmertür, hinter der meine Mom gerade ein Bad nimmt. Nachdem sie mich heute Morgen an meinem Ohr durch das ganze Haus geschleift hat, weil ich den Boden nicht ordentlich gewischt habe, möchte ich ihr heute lieber nicht mehr begegnen.

Ich hasse mein Leben.

Nachdem ich in mein Zimmer gegangen bin, ziehe ich eilig meine Chucks an. Und obwohl ich weiß, wie riskant es ist, öffne ich schließlich mein Fenster und klettere hinaus.

Es gibt nur eine Sache, die noch stärker ist als meine Angst vor meinen Eltern, und dass ist der brennende Wunsch David zu sehen. Meinen David.

Ich nehme nicht die Abkürzung durch den Oakhurst Forest, sondern laufe am Waldrand entlang, weil ich nicht gerne alleine im Wald bin.

Als ich das Haus der Kennedys von weitem sehe, atme ich erleichtert auf und verlangsame meinen Schritt. Ich bleibe kurz stehen, um das Gummi aus meinem Pferdeschwanz zu ziehen und fahre mir mit der Hand durch die offenen Haare, bevor ich kurz an mir hinabblicke und mein mit weißen Rosen besticktes Kleid glattstreiche.

Ich hole ein paar Mal tief Luft und gehe anschließend mit einem entspannteren Schritt auf die beeindruckende Südstaaten-Villa zu.

„Da bist du ja endlich, Juliette“, begrüßt David mich, als er mir entgegenkommt. „Ich dachte schon, du hättest mich versetzt.“ Er schenkt mir ein Lächeln, und ich muss ebenfalls lächeln über seine Bemerkung. Welches Mädchen würde bitte David Kennedy versetzen? frage ich mich, während ich ihn verstohlen betrachte. Er sieht wieder fantastisch aus, in seiner zerschlissenen Jeans und dem schwarzen Shirt.

„Sorry, David“, entschuldige ich mich dann für meine Verspätung, „aber … ähm… es gab noch ein paar Probleme zu Hause.“

Ich höre, wie David tief durchatmet. „Haben deine Eltern wieder Stress gemacht?“ will er wissen, während wir nebeneinander über die große Wiese zum Haus gehen.

Ich nicke. „Sie wollen nicht, dass wir uns sehen.“

David bleibt stehen und sieht mich eindringlich an. „Sie können dir nicht verbieten, dass wir uns treffen, Juliette.“

Ich seufze schwer und blicke betrübt zu Boden. Nein, verbieten können sie mir den Kontakt zu David nicht, allerdings werden sie mir mein Leben noch mehr zur Hölle machen, wenn es rauskommt, dass wir uns heimlich sehen.

Wir gehen schweigend weiter. „Am liebsten würde ich einfach von zu Hause weglaufen“, bemerke ich nachdenklich, als wir zu dem weißen Holztor kommen, das auf das Anwesen der Kennedys führt. „So wie in dem Shakespeare-Stück As you like it“, fahre ich fort, während David das Tor öffnet. Ich sehe ihn hoffnungsvoll an. „Wir könnten zusammen abhauen und für immer im Wald leben.“

David lächelt und schließt das Gartentor hinter mir. „Vielleicht lässt sich da ja etwas machen“, erwidert er dann mit einem Augenzwinkern. „Los, komm mit.“ Er hält mir seine Hand hin und ich ergreife sie, bevor wir gemeinsam zum Haus laufen.

Es ist unglaublich, wie sorglos und glücklich ich mich fühle, sobald ich mit David zusammen bin. Und obwohl ich keine Ahnung habe, ob er die verliebten Gefühle, die ich für ihn empfinde erwidert, genieße ich jede Sekunde, die ich in seiner Nähe sein darf.

Eine halbe Stunde später sitzen wir auf einer Waldlichtung im Oakhurst Forest und David füttert mich mit Erdbeeren, die Grace uns zusammen mit Saft, Schokolade, Muffins und noch einigen anderen Leckereien in einen Picknickkorb gepackt hat.

„Und haben Sie sich Ihr Leben im Wald so vorgestellt, Miss Armstrong?“ fragt David mich, während er eine von den Erdbeeren über meine Lippen gleiten lässt. Dabei blickt er mich so verführerisch an, dass ich eine Gänsehaut bekomme.

„Ich glaube, ich könnte mich daran gewöhnen, Mr. Kennedy“, erwidere ich kichernd, bevor ich plötzlich erschrocken zusammenfahre und laut zu quieken beginne. „Was ist das, David?“ rufe ich entsetzt und rutsche eng an ihn heran.

„Das ist bloß eine harmlose Wald- und Wiesenspinne“, erwidert David lachend und verjagt das kleine schwarze Biest, das es sich gerade auf unserer Decke gemütlich machen wollte.

Ich atme erleichtert auf, allerdings schäme ich mich ein bisschen für meine Reaktion. Besonders, weil ich erst jetzt bemerke, dass ich mich mit meinen Armen immer noch an David festklammere.

„Brauchst du vielleicht etwas Süßes nach dem Schreck?“ fragt er mich und legt seinen Arm um meine Schultern, um mich näher zu sich zu ziehen. Seine blauen Augen blicken mich auf einmal so zärtlich und verführerisch an, dass ich total schwach werde.

Ohne einen Laut von mir geben zu können, nicke ich. Mein Herz klopft wie wild, als David sich kurz von mir löst, um einen von den Schokoladenmuffins aus dem Korb zu nehmen, die Grace gebacken hat. Ich beobachte ihn, wie er den kleinen Kuchen aus dem Papier befreit. Und als er anschließend wieder seinen Arm um meine Schulter legt, habe ich das Gefühl vor Aufregung sterben zu müssen.

„Lass deine Lippe los“, befiehlt er mir sanft, weil ich wieder nervös darauf herumkaue.

Ich gehorche und er belohnt mich dafür mit einem umwerfenden Lächeln, bevor er den Muffin an meine Lippen führt.

„Braves Mädchen“, lobt er mich, als ich vorsichtig ein Stück davon abbeiße und mich dabei heimlich frage, warum eigentlich alles, was David tut so unglaublich sexy ist.

„Es schmeckt wirklich wundervoll“, erwidere ich genießerisch und nehme David den Muffin ab. Doch anstatt selber noch etwas davon zu essen, führe ich ihn jetzt an seine Lippen, um ihn auch probieren zu lassen.

Und während er mich immer noch in seinem Arm hält und sein schöner Mund ein Stück von dem Kuchen abbeißt, sieht er mich wieder genauso unwiderstehlich an wie eben.

„Du hast da noch etwas Schokolade“, bemerkt er auf einmal weich.

Mir stockt der Atem, als er plötzlich mit seinem Daumen über meine Lippen streicht. Und während er sinnlich die Krümel von seinem Daumen leckt, beobachte ich ihn völlig hingerissen und spüre auf einmal Gefühle in mir erwachen, die mir bisher vollkommen unbekannt waren.

„Ja, es schmeckt tatsächlich wundervoll“, murmelt er mit einem atemberaubenden Lächeln und senkt auf einmal seinen Kopf zu mir hinab. „Und ich würde so gerne wissen, wie du schmeckst, süße Juliette.“

Ich halte die Luft an, als er seine unwiderstehlichen Lippen auf meine legt und mir dabei so tief in die Augen blickt, als wolle er darin versinken. Er hält einen Moment inne, so als wolle er sich versichern, dass ich ihn auch küssen möchte. Dabei weiß er sicher genau, dass ich ihn will, wie jedes Mädchen.

Ich spüre, wie mein Körper butterweich in seinen Armen wird, ebenso wie meine Lippen, die er mit leidenschaftlichen Berührungen in Besitz nimmt. Als seine Zunge in mich eintaucht, sinnlich in meiner Mundhöhle auf Wanderschaft geht und dabei verführerisch mit meiner Zunge spielt, bin ich verloren.

Ich habe vorher noch nie einen Jungen geküsst, weil David der Einzige war, den ich immer wollte. Allerdings hätte ich nie gedacht, dass er mich auch will. Und dass es sich so herrlich anfühlt von seinen vollen Lippen verführt zu werden.

„Mehr“, bettele ich mit geschlossenen Augen, als er sich wieder von mir lösen will.

„Ich kann auch nicht genug von dir bekommen“, erwidert er und ich schmecke sein Lächeln auf meinen Lippen, bevor unsere leidenschaftliche Knutscherei in die nächste Runde geht.

Küssend drückt er mich mit dem Rücken auf die Decke, während seine starken Hände zärtlich über meine Silhouette wandern. Er berührt mich so vorsichtig, als hätte er Angst mich zu zerbrechen. Dabei passt er genau auf, dass er mich nicht an Stellen berührt, die mir unangenehm sein könnten, weil er weiß, dass ich noch nicht soweit bin.

„Du schmeckst wirklich himmlisch“, raunt er, während er über mich gebeugt ist, und streicht mit seinen Lippen über meine. „ Und du bist ein absolutes Naturtalent.“

Ich werde sofort dunkelrot. „Woher willst du wissen, dass ich noch keinen anderen geküsst habe?“ frage ich und schiebe trotzig meine Unterlippe vor.

David streicht mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr. „Weil du auf mich gewartet hast“, gibt er dabei

mit einem sexy Lächeln zurück.

Ich schnaube über sein unerschütterliches Selbstbewusstsein, muss allerdings zugeben, dass es tatsächlich nicht schwer war zu erraten, dass ich unsterblich verknallt in ihn bin.

„Hast du schon viele Mädchen geküsst?“ höre ich mich plötzlich mit einem eifersüchtigen Unterton fragen. „In Harvard, meine ich.“

David lächelt, und für einen kurzen Moment weiß ich nicht, ob er mich anlächelt oder auslacht. „Natürlich habe ich schon mal ein anderes Mädchen geküsst“, erwidert er und sein Blick wird auf einmal etwas ernster. „Aber jetzt, wo ich weiß, wie du schmeckst und, wie du dich anfühlst, werde ich nie wieder eine andere anschauen.“ Er streichelt meine Wange und blickt mich dabei so aufrichtig und zärtlich an, dass meine Augen feucht werden vor Rührung über seine süße Liebeserklärung.

Ich schlinge meine Arme um seinen Hals. „Und ich verspreche dir, dass ich niemals einen anderen will, als dich, David“, gelobe ich, ohne zu ahnen, dass David tatsächlich für immer der einzige Mann in meinem Leben bleiben wird.

Der Sommer mit David war einfach nur herrlich, und ehrlich gesagt, kann ich mein Glück endlich mit ihm zusammen zu sein immer noch nicht fassen. Ich bin mit Sicherheit gerade das glücklichste Mädchen auf dem ganzen Planeten, auch wenn ich für meine heimlichen Dates mit David zu Hause jedes Mal Schläge kassiere.

Dafür haben wir aber eine Menge Dinge unternommen. Wir waren am Golf von Mexico, weil David mir das Meer zeigen wollte, sind mit seinem Cherokee nach San Antonio gefahren, um an der romantischen Promenade des San Antonio River spazieren zu gehen, und er hat mich in die Bibliothek der University of Texas in Austin geschmuggelt, weil ich noch nie eine richtige Bibliothek gesehen habe.

Die meiste Zeit aber haben wir entweder auf unserer Niemandsland-Waldlichtung, in der wildromantischen Laube, die an das Haus meiner Eltern grenzt oder bei den Kennedys verbracht.

Ich liebe es dort zu sein, denn Grace und Michael sind immer so nett zu mir, als wäre ich ihre eigene Tochter. Ja, die Kennedys sind die Familie, die ich nie hatte.

Doch obwohl David und ich gerade so unglaublich happy zusammen sind, gibt es eine Sache, die unser Glück überschattet.

„Sobald du dieses Jahr deinen High School-Abschluss in der Tasche hast, kannst du dich in Harvard und bei den anderen Colleges in Cambridge bewerben. Und wer weiß, vielleicht teilen wir uns ja nächstes Jahr schon ein Zimmer im Wohnheim.“ David zwinkert mir aufmunternd zu.

Es ist ein grauer Spätherbsttag und wir sitzen zusammen vor dem Kamin in einem Sessel im großzügigen Wohnzimmer der Kennedys. David versucht schon die ganze Zeit mich aufzuheitern. Er muss in zwei Wochen wieder zurück nach Harvard, um seinen Abschluss und anschließend seinen Doktor zu machen. Und ich habe keine Ahnung, wie ich die Zeit ohne ihn überstehen soll.

„Selbst wenn man mich in Harvard annehmen sollte, glaube ich nicht, dass mein Dad zulassen würde, dass ich Texas verlasse“, sage ich niedergeschlagen, als Michael, Davids Dad zu uns kommt und uns Tee und Brownies bringt.

„Es wäre wirklich eine Schande, wenn du deswegen nicht studieren könntest“, bemerkt er, während er die Sachen auf das Tischchen neben uns stellt. „Ich muss unbedingt mal ein ernstes Wort mit Thomas reden“, fügt er noch hinzu, bevor er uns wieder alleine lässt und in der angrenzenden Bibliothek verschwindet.

„Dad hat recht“, bemerkt David und trinkt nachdenklich einen Schluck Tee. „Vielleicht wäre es wirklich nicht schlecht mit deinem Vater zu reden und ihm zu erklären, wie begabt du bist.“

Ich erröte angesichts seines Kompliments runzele aber gleichzeitig die Stirn. „Ich halte das für keine gute Idee, David, schließlich hat er gedroht dich umzubringen, wenn er dich noch einmal mit mir zusammen sieht.“

David streicht mir über das Haar. „Keine Sorge, so leicht lasse ich mich nicht einschüchtern.“ Er schenkt mir ein zuversichtliches Lächeln. „Wir werden eine Möglichkeit finden, dir deinen Traum vom Studium zu erfüllen, das verspreche ich dir.“

Ich erwidere sein Lächeln dankbar dafür, dass er so an mich glaubt.

„Und jetzt wird erst mal etwas gegessen“, sagt er schließlich und nimmt einen der Brownies vom Teller. „Mund auf“, fordert er mich auf und ich tue ihm den Gefallen, um mich von ihm füttern zu lassen.

Ich bewundere David insgeheim dafür, dass es anscheinend nichts gibt, wovor er Angst hat. Er ist so stark und furchtlos, dass ich mir gegen ihn noch kleiner und unsicherer vorkomme. Aber es ist ein schönes Gefühl zu wissen, dass er da ist, und dass er auf mich aufpasst. Und obwohl er manchmal etwas herrisch ist und mich immer wieder daran erinnert, dass er acht Jahre älter ist als ich, finde ich es süß, wie fürsorglich er mich behandelt. Ich weiß, dass er niemals etwas tun würde, das ich nicht will, das hat er mir bereits bewiesen. Denn obwohl wir schon ein paar Monate zusammen sind, drängt er mich nicht mit ihm zu schlafen. Zwar würde ich es wirklich gerne tun, aber ich traue mich einfach noch nicht. Vielleicht werde ich ihn aber kurz bevor er wieder nach Harvard geht überraschen und ihn fragen, ob er mit mir schlafen möchte.

„Ich würde mir gerne dasselbe Tattoo stechen lassen wie du“, bemerke ich irgendwann, während ich den Rest Tee trinke.

Davids Blick wird auf einmal ernst. „Das kommt gar nicht in Frage, Juliette“, gibt er mit einem autoritären Tonfall zurück.

Ich sehe ihn erstaunt an. „Ich fände es aber schön ein Andenken von dir zu haben, wenn du nicht bei mir bist“, argumentiere ich.

„Und ich möchte nicht, dass du das tust.“

Trotzig schiebe ich meine Unterlippe vor. „Warum?“ – „Weil ich nicht will, dass dir jemand Schmerzen zufügt und deine makellose Haut verletzt“, knurrt er und seine schönen blauen Augen verengen sich. „Ich würde jeden umbringen, der dir wehtut.“

Ich bin etwas erschrocken über seine heftige Reaktion, sage aber nichts.

„Versprichst du mir, dass du es nicht tun wirst?“ David sieht mich ernst an.

„Ja, David“, erwidere ich. Als ob ich irgendetwas tun würde, das er nicht möchte.

Er streichelt zärtlich meine Wange. „Braves Mädchen“, sagt er dabei und schenkt mir ein umwerfendes Lächeln, bevor seine Lippen auf meine sinken und er mich so leidenschaftlich küsst, dass es mir fast den Atem verschlägt.

Als wir uns wieder voneinander lösen, blickt er mich für einen Moment auf eine verlangende Weise an, die mich völlig verrückt macht. Ja, ich werde mit ihm schlafen, bevor er wieder nach Harvard muss, nehme ich mir fest vor, ohne zu ahnen, dass das Schicksal bereits andere Pläne mit uns hat, und dies für lange Zeit der letzte Abend sein wird, den ich mit David verbringen darf.

„Können wir ein bisschen Klavier spielen?“ unterbreche ich den Bann seines verführerischen Blicks.

„Klar.“ David legt seine Hände unter meine Oberschenkel und ich klammere mich an ihm fest, während er gemeinsam mit mir aufsteht.

Als er mich herunterlässt, gleitet mein Oberkörper an seinem muskulösen Oberkörper entlang, was einen sehnsüchtigen Schauer in mir auslöst. David hat einen tollen Körper, und ich würde so gerne wissen, wie er sich nackt anfühlt.

„Du machst mich ganz schön nervös, weißt du das eigentlich?“ fragt er mich, als hätte er gerade denselben Gedanken gehabt.

Errötend weiche ich seinen durchdringenden blauen Augen aus, die mich auf eine so erotische Weise ansehen, dass es mir buchstäblich den Atem raubt und mich völlig sprachlos macht. Oh ja, David macht auch mich nervös, auf hundert verschiedene Weisen.

Während wir zu dem schwarzen Steinway & Sons-Klavier gehen, das auf der anderen Seite des Raums steht, versuche ich mein Verlangen nach David unter Kontrolle zu bringen.

„Was möchtest du denn spielen?“ fragt er mich, als er sich auf den Klavierhocker setzt und mich auf seinen Schoss zieht.

Ich sehe ihn über meine Schulter hinweg an. „Unser Lied“, sage ich dann.

„Alles, was du wünschst, mein Engel“, erwidert David lächelnd.

Wir legen unsere Finger auf die schwarzen und weißen Tasten.

Und während die süße, schwermütige Melodie von Pachelbels unendlichem Kanon das noble Wohnzimmer der Kennedys erfüllt, kuschele ich mich mit meinem Hinterkopf an Davids starke Brust.

In diesem wundervollen Augenblick gibt es nur noch David und mich, und diese großartige Musik, die mich in eine andere, bessere Welt entführt. Denn wenn ich hier bei David bin, vergesse ich meine Angst und das Leid, das ich täglich ertragen muss, und das wie ein Fluch zu meinem Leben gehört. Doch jetzt gerade bin ich nicht mehr die kleine Juliette, die täglich geschlagen, beschimpft und erniedrigt wird, sondern David Kennedys schöne, kluge Freundin.

Ich hasse es Juliette hier in Texas alleine lassen zu müssen, aber leider habe ich keine andere Wahl. In vierzehn Tagen muss ich wieder nach Harvard und sie muss erst ihre High School beenden, bevor wir gemeinsame Pläne machen können. Zum Glück haben Mom und Dad mir versprochen sich um Juliette zu kümmern, wenn ich nicht da bin. Ich weiß nicht, was bei ihr zu Hause passiert, aber sie wirkt manchmal so unheimlich traurig, dass es mir jedes Mal das Herz bricht sie so zu sehen. Aber immer, wenn ich sie darauf anspreche, warum sie so traurig ist, versichert sie mir, dass alles in Ordnung ist. Dabei will ich ihr doch nur helfen. Es ist wirklich unfassbar, wie viel ich für Juliette empfinde. Obwohl ich in Harvard viele Affären hatte, habe ich mir ehrlich gesagt nie viel aus Frauen gemacht, weil mein Studium das Wichtigste für mich war, bis Juliette in mein Leben gestolpert ist. Unglaublich, aber ich kenne sie seit sie ein kleines Mädchen war. Ich habe früher immer aufgepasst, dass sie nicht von der Schaukel fällt oder von einem der anderen Kinder geärgert wird. Ja, ich hatte schon damals diesen Beschützerinstinkt für meine kleine Juliette. Und jetzt bin ich so verschossen in sie, wie ein pubertierender Teenager.

Gott, ich liebe dieses kluge und bildhübsche Mädchen einfach abgöttisch. Sie ist die Eine, mit der ich am liebsten den Rest meines Lebens verbringen würde.

Als ich ein paar Tage später abends in meinen Jeep steige, lege ich das Geschenk, das ich extra für sie habe anfertigen lassen auf den Beifahrersitz. Ich weiß, dass sie nicht möchte, dass ich zu ihr nach Hause komme, aber sie war heute Nachmittag wieder so unglaublich niedergeschlagen, dass ich mich entschieden habe ihr mein Abschiedsgeschenk jetzt schon zu geben, um sie ein bisschen aufzuheitern. Es ist eine silberne Halskette mit einem herzförmigen Anhänger, in dessen Mitte Lost Angel eingraviert ist. Das Herz und die Inschrift sehen genauso aus, wie das Tattoo, das ich auf der Brust habe und das Juliette sich auch stechen lassen wollte. Ich hoffe, sie freut sich ein bisschen darüber.