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Im Buch "Lost Places" geht es um eine Vielzahl von verlassenen Orten in Südbaden. Jeder behandelte Ort hat einen kleinen historischen Teil, welcher zudem erklärt, wie es zum Leerstand kommen konnte. Der jeweils größte Teil beschreibt den Besuch, beziehungsweise die Erkundung der Lost Places. Die ganze Dokumentation wird sehr lebendig und bildhaft beschrieben, als wäre der Leser ein Teil des Geschehens. Zu guter Letzt ist das Buch mit sehr vielen selbst geschossenen Bildern ausgestattet. Perfekt für Liebhaber geheimnisvoller und längst vergessener Orte. Eine wahre Reise in die Vergangenheit!
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Seitenzahl: 70
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Einleitung
Die riesige Zeppelinhalle
Das Flugzeugwrack im Wald
Der stillgelegte Eisenbahntunnel
Der Eiskeller und der Bergwerksschacht
Das Hotel in den Reben
Das alte Bahnwärterhäuschen
Das ehemalige Militärgelände
Der Kirchturm im Kirchturm
Die verlassene Fabrikanlage in Korsika
Schluss
Lost Places sind Orte, die von Menschen errichtet oder verwendet wurden, wie zum Beispiel verschiedene Gebäude oder Fahrzeuge. Diese werden später dann verlassen und vergessen. Die Wandlung eines solchen Ortes tritt aus den unterschiedlichsten Gründen ein.
Ich möchte zunächst einmal recherchieren und erforschen, was für eine Geschichte sich an dem jeweiligen Ort zugetragen hat. Beispielsweise in Büchern, im Internet, in Zeitungsartikeln oder in Archiven. Zudem möchte ich dokumentieren wie diese Orte auf mich wirken und was sie mit mir machen.
Lost Places sind Orte, die meistens eine Verwandlung hinter sich haben oder sich in einer Umwandlung befinden. Dies macht sie oftmals unberechenbar oder sogar gefährlich. Man sollte vor Spinnweben, Schmutz oder Tieren, die Unterschlupf gefunden haben, keine Angst haben, schließlich muss man mit ihnen rechnen und sie überwinden. Oft erobert sich die Natur Stück für Stück solche Plätze zurück. Dadurch wirkt vieles auf mich ein: Lichtverhältnisse zwischen Tageslicht und Dunkelheit, Geräusche, die im Dunkeln intensiver wahrgenommen werden, Temperaturunterschiede und sogar Gerüche. All diese Faktoren erzeugen eine Stimmung, diese habe ich aktiv wahrgenommen und schildere sie nun schriftlich in den nachfolgenden Erzählungen.
Von der Zeppelinhalle zum Technikdenkmal?
Wie kommt eine ehemalige Zeppelinhalle mitten ins Markgräflerland?
Zuerst stand die Halle in Baden Oos, sie war um einiges höher und auch länger. Im April 1910 wurde der Grundstein gelegt und mit dem Fundament begonnen. Am 17. Juni wurde die Eisenkonstruktion in nur 11 Tagen aufgerichtet. Dazu wurden zwei mobile Montagekräne verwendet. Die Halle war 157 Meter lang 29,3 Meter breit und 28,1 Meter hoch.
Bild der Halle in Baden Oos von 1910
Ringsum waren große Fensterfelder, das Dach war mit asbesthaltigen Zementtafeln gedeckt, um die Folgen eines fatalen Brandes zu verringern. An den Seiten der Halle befanden sich Laufstege mit Geländern und eine verschiebbare Arbeitsbühne. Die riesigen Flügel des Dreh Tors konnten über einen Kurbelmechanismus geöffnet werden. Im August sollte der tägliche Flugbetrieb aufgenommen werden. Der Jungfernflug von Friedrichshafen nach Baden-Baden fand am 22. August statt.
Am 14. September kam es bei Wartungsarbeiten zu einer Explosion in der Halle, bei der das Luftschiff bis auf das Skelett verbrannte, die Halle blieb jedoch unversehrt. Trotzdem konnte noch im selben Jahr der Linienflugverkehr nach Frankfurt und Düsseldorf aufgenommen werden.
Im ersten Weltkrieg wurden alle Zeppeline als Kriegswaffen verwendet und in der Halle wurden Zubehörteile für Kriegszeppeline gebaut. Nach dem Krieg wurden die Kriegsflugzeuge verschrottet. Der Versailler Vertrag bestimmte, dass alle Luftschiffhallen abgebaut und die Fundamente zerstört werden mussten. Ein Bauunternehmer ersteigerte die Halle für 295.000 Mark, dann verlor sich die Spur der übrig gebliebenen Baustoffe. Teile der Halle tauchten erst 1923 wieder auf, als zwei Brüder gemeinsam eine Holzkonservierungsfirma bauten. Beim Wiederaufbau verzichtete man auf den unteren Teil und baute die Halle nur 19 Meter hoch. Die Bogenkonstruktion der Halle wurde dann gespreizt und das Eisenfachwerk mit roten Backsteinen verbaut. Die Breite beträgt heute 34 Meter, die Länge nur noch 55 Meter. Sie ist nun etwas breiter und nur noch ein Drittel so lang, wie ursprünglich. Aktuell droht der Halle wieder der Abriss. Die Denkmalpflege würde sie dennoch gerne als Kulturdenkmal erhalten, weil sie eine der drei letzten Luftschiffhallen Deutschlands und die einzige, die nachweislich von der Firma MAN erstellt worden ist. Ich würde sehr gerne einen Blick in die Halle werfen, die ich vom Vorbeifahren kenne.
Das Konzept der neuen Halle nach einem Bild aus dem Internet
*
Es ist Dienstag und wir haben 14.00 Uhr, der Himmel ist fast komplett wolkenfrei und ich begebe mich zur verlassenen Halle. In meiner Hand ein Kamerastativ und um meine Schulter eine Tragetasche mit der Kamera und verschiedenen Objektiven und anderem Zubehör. Ich habe glücklicherweise die Erlaubnis, die Halle betreten und fotografieren zu dürfen. Diese bekam ich höchstpersönlich vom Besitzer der Halle und Chef der Firma. Die Halle steht neben einer netten alten Haus-Siedlung und ist rundum mit Überwachungskameras ausgestattet. Ich betrete nun die Halle, der erste Eindruck überwältigt mich: Sie ist unglaublich groß, ähnlich wie eine Bahnhofshalle, und bietet glücklicherweise ein gut ausgestattetes Innenleben. Zu meinem Erstaunen ist die Halle sehr hell und bietet gute und klare Sicht auf fast das gesamte Interieur. Direkt springt mir ein kleiner blauer Kran ins Auge, er steht gleich am Eingang und auch er wird nicht mehr benutzt, obwohl mir der Chef der Halle später zu verstehen gibt, dass seine Angestellten nach und nach den Innenraum der immensen Halle leeren sollen. Ich muss vorsichtig sein, auch eine Dame an der Verwaltung der Holzbaufirma, ein paar Häuser entfernt, warnt mich davor: Der Boden ist an manchen Stellen sehr morsch, manche Bereiche sind deshalb abgesperrt, doch trotzdem finde ich nicht selten ein Loch im Boden. Schnell bemerke ich, dass die Halle noch einen Keller hat und freue mich schon darauf, ihn zu erkunden. Seit einem Sturm, bei dem es stark hagelte, ist das Dach der Halle von ungefähr 250 kleinen Löchern übersät, das Ganze wirkt fast schon wie ein Sternenhimmel.
Der erste Blick aus dem Inneren
Im Inneren der Halle sieht es aus, als hätten erst kürzlich noch Menschen dort gearbeitet; zwar sind die Maschinen staubig und kein Holz ist mehr vorhanden, aber einige Maschinenteile und Werkzeuge liegen noch herum. Wir finden sogar noch ein professionelles, aber von dem Staub der Zeit sehr mitgenommenes Walkie-Talkie. Zu entdecken gibt es einige große Maschinen, die lange Stämme zersägt hatten.
Horizontales Bild Richtung hintere Ecke
Der „Sternenhimmel"
Man erkennt auch gut, dass die Stämme von außen durch mehrere Öffnungen in der Wand gefahren wurden. Direkt an die Halle angeschlossen ist ein Schienensystem und ich finde einige kleine Loren, die damals auf den Gleisen fuhren.
Neben der Halle stehen einige Feuerwehrwagen, die alle abgemeldet sind und anscheinend ausgeschlachtet werden. Einige Pflanzen, wie beispielsweise Efeu, bahnen sich ihren Weg ins Innere der Halle und ein im Vergleich kleiner Teil des Daches fehlt, aber trotzdem befindet sich kein Rost an der Stahlkonstruktion des Daches. Das Eisen, aus dem das Gerippe besteht, rostet sieben Mal so langsam wie gewöhnliche Eisenstahlträger.
Eine der Loren
Doch nun zum Keller: Während ich die alten, knarzenden Holzstufen hinabgehe, bemerke ich sofort zwei Veränderungen: Die erste ist recht offensichtlich, es ist dunkel! Dunkelheit erschafft eine mystische Atmosphäre, alles ist verhüllt und unklar, der gesunde Menschenverstand entwickelt gegebenenfalls auch Angst, da niemand weiß, was sich dort unten befindet oder sogar abspielt. Andererseits erweckt gerade das die Neugier. Doch nun der zweite Punkt: Es ist spürbar kälter, geradezu unangenehm kalt.
Anfang der Antriebswelle
Unten angelangt erkenne ich zwei Funktionen des Untergeschosses: der Abtransport von Sägemehl durch Löcher, die sich an der Oberfläche befinden, und eine sehr lange Achse, die als Antriebswelle genutzt wurde. Neben einem enorm leistungsstarken Motor gab es also noch ein Laufband aus altem porösen Gummi. In das Halbdunkel des Kellers dringen immer wieder Lichtstrahlen von oben, die so hell sind, dass man einen Augenblick lang gar nichts mehr erkennt. Spinnweben, hängende Ketten oder Seile wirken im Gegenlicht gespenstisch. Das Fotografieren ist nicht einfach. Blitzlicht verfälscht das Bild, ohne Blitz kämpft die Kamera mit dem Dunkeln. Ich nehme das lichtstärkste Objektiv, mit dem ich allerdings nicht zoomen kann und daher immer eine richtige Position zu meinen Motiven suchen muss.
Alte Lampe mit Spinnenweben und Sägemehl
Gefettete Kette mit Spinnenweben
Nachdem ein mir unbekannter Mitarbeiter, der damals anscheinend noch in der Halle gearbeitet hat, empfiehlt, in dem zu 100 % aus Holz bestehenden Erdgeschosses nicht zu rauchen, begebe ich mich auf den Rückweg.
Ich bestaune die Halle noch von außen und bin beeindruckt von der Größe und dem imposanten, weit herabhängenden Dach der Halle. Daneben steht majestätisch ein gemauerter Turm mit einer hübschen Spitze aus Fachwerk, in dem das Sägemehl vom Keller nach oben befördert worden war.
Der große Kamin auf der anderen Hallenseite dürfte die Abgase der Verbrennungen in die Umwelt befördert haben.
Die kleine Siedlung ist auch etwas Besonderes, aber kein Lost Place. Ich wünsche mir, dass die Zeppelinhalle als Denkmal erhalten bleibt und freue mich darüber, dass ich sie besichtigen durfte!
Turm am Rande der Halle, zuständig für die Beförderung von Sägemehl
Harken eines Flaschenzugs, mit der Beschriftung: „Panama"