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Paris Hamburg bietet den Lesern eine unterhaltsame Handlung aus dem Leben in beiden Städten an sehr vielen Originalschauplätzen, die für Touristen auf unterhaltsame Weise auch einige Geheimtipps enthalten, dazu ein paar Anregungen, die man beide Städte interessant zu Fuß erkunden kann.
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Seitenzahl: 207
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Textbeginn
Hamburg zu Fuß: Ein Spaziergang an der Elbe
Paris zu Fuß: Ein Spaziergang vom Place Saint Michel in Saint Germain zum Place des Vosges im Marais
Hamburg zu Fuß: Von den Landungsbrücken über die Speicherstadt mit einem Blick in die Hafen-City
Paris zu Fuß: Vom Palais Royal über die Börse zur Opéra Garnier
Paris zu Fuß: Wie nicht jeder die Stadt kennt: Vom Jardin des Plantes zum Panthéon
Hamburg zu Fuß: Ein schöner Spaziergang an der Außenalster von der schönen Aussicht nach Harvestehude
Paris zu Fuß: Vom Quai d´Orsay zu einem Bummel durch Saint Germain
Hamburg zu Fuß: Einfach einmal ein ganz anderer Weg: Vom Mühlenkamp nach Barmbek
Paris, Rue Richelieu
Der Doktor wäre vermutlich nie in diese Straße in Paris gekommen, hätte man ihm nicht eines Tages den Schlüssel eines Büros in die Hand gedrückt, der just in eine Tür in dieser Straße passte. Das Büro befand sich im ersten Stock des Vorderhauses und man erreichte es über ein geräumiges Treppenhaus. Kurzum durchaus repräsentativ. Kam man aus Richtung der Grands Boulevards oder besser von der entsprechend nächsten Metrostation, so irritierte zur Rechten die seltsam nutzlose Galérie des Panoramas – prächtig von einst und gegenwärtig doch eher funktionslos. Sie ist nun einmal da und so dient sie allenfalls dem Auge. Würde man der Straße über das Büro hinaus Richtung Innenstadt folgen, ließe man etwas zurückgelehnt zur Linken die prächtige Börse liegen, um dann etwas weiter, ebenfalls zur Linken den wunderschönen Jardin du Palais Royal zu erreichen. Bei schönem Wetter der ideale Ort für die Mittagspause.
Auf dem Weg dorthin bot sich gleich zweimal die Chance, bei einem der kleinen, bis lange in den Abend hinein geöffneten Lädchen eifriger Nordafrikaner entweder ein paar frische Aprikosen oder eine Flasche Saint Emilion für den Abend zu erstehen – oder halt beides. Der Doktor wurde bei ihnen bald ein treuer Kunde, denn er liebte absolut keine umständlichen Einkäufe. Im Garten des Palais Royal standen eine ganze Menge beweglicher Gartenstühle herum, die einem – sofern man einen von ihnen rechtzeitig ergatterte– die Mittagspause in der Nähe des Brunnens sehr angenehm machten. Sofern die Zeit reichte, konnte man natürlich auch in einem kleinen Restaurant auf dem Weg in den kleinen Park ein einfaches Mittagsmenue zu sich nehmen. Das bot sich vor allem an, wenn man mit Kollegen etwas zu besprechen hatte.
Freilich trifft diese Schilderung nur für die Tage und Zeiten normaler
Arbeit zu. Am Wochenende und in den Sommerferien ist das kleine Restaurant geschlossen, selbst einige der eifrigen Ladenbetreiber machen Ferien und der Park wiederum ist von Touristen überbevölkert, die dann zu überteuerten Preisen sich am Rande des Parks im Café mit überteuertem Kaffee oder Wein sich niederlassen. Das ist die Zeit, in der man diese Gegend eher meidet.
Der Doktor nahm die Rue Richelieu vor allem deshalb in ihrer vollen Länge wahr, weil er sehr gerne den morgendlichen Weg zum Büro nicht mit der Metro zurücklegte, sondern zu Fuß, wo er über die Straße durch den Louvre nahm und dann eben fast die gesamte Rue Richelieu von der Comédie Française bis zu seinem Büro nutzte. Als Frühaufsteher hatte der Doktor ja ohnehin viel Zeit für derartige Wege, weil er genau wusste, dass er nicht vor neun Uhr im Büro sein sollte, weil er dann immer noch der erste sein würde.
Die Büros der Straße hatten in den letzten Jahren ihren Stil ohnehin immer mehr verändert. Statt großer Versicherungsunternehmen und banknaher Dienstleister hatten sich inzwischen immer mehr Internetunternehmen und Vertreter der New Economy in der Straße niedergelassen. Die hatten die Sitten in diesem Viertel Stück für Stück umgekrempelt. Statt verkürzter Menueangebote zum Lunch nahmen die lieber einen leichten asiatischen oder veganen Snack in der Galérie Vivienne. Eben ein Bruch mit den Traditionen, der zum Kern dieser neuen Branche ohnehin passt und der auch die Umgebung zum Umdenken zwingt.
Auch der Doktor konnte diesem Wandel durchaus etwas abgewinnen, passte das neue Angebot ohnehin besser zu seinem eigenen Ernährungsstil, den er nur zu oft der Tradition hatte opfern müssen. Geschmack spielte bei ihm eine besondere Rolle und vor allem die Kombination von Geschmack und hochwertiger Ernährung und dafür lag er ja in Paris prinzipiell richtig.
Rue de la Montagne Sainte Geneviève
Die Rue de la Montagne Sainte Geneviève führt aus den Niederungen der Rue des écoles hinauf zum Panthéon. Das unter Ludwig dem Fünfzehnten errichtete Gebäude wurde nach der französischen Revolution zu einer nationalen Gedenkstätte, was es bis heute als Grabstätte berühmter Franzosen von Marie Curie bis Emile Zola wahrlich geblieben ist. Die Kuppel des Panthéon thront hoch über den Instituten und Fakultäten der Sorbonne, die heute das 5. und 6. Arrondissement wie ein Netzwerk durchziehen und eine Art Kontakt zwischen den hier Bestatteten und ihren Wirkungsstätten herstellen.
Der Doktor machte diesen Aufstieg – und eben auch nicht ganz bis zum Gipfel aus einem weit prosaischeren Grunde. Er hatte dort die einfach-ehrliche Küche der Ecurie, eines Bistros dieses Viertels und seiner Studenten, schätzen gelernt, in dem einst die Wirtin Marie das Regiment führte und für Gäste wie Personal eine Art Institution darstellte. Besonders an Sommertagen waren die wenigen Außentische beliebt. Zur Begrüßung gab es eine Sangria aufs Haus. Das Innere war, vor allem im Untergeschoß, eng und nieder. Was man in Schlechtwetterzeiten notgedrungen gerne in Kauf nahm.
Besonders gerne erinnert sich der Doktor an jenen Sommerabend, an dem die studentischen Bewohner der um die Ecke bei den Außenplätzen abbiegenden Rue Laplace kurzerhand die gesamte Straße gesperrt hatten und den Fahrweg für eine lange abendliche Tafel genutzt haben.
Stilvoll gedeckt mit Champagner und Blumen. Ein großes gemeinschaftliches Event, das allen Außenstehenden nur zu natürlich und passend vorkam. Das waren genau die Gefühle und Situationen, die unserem Doktor sofort schmeckten und auf die er ansprach. Er war eigentlich mit Kollegin Renée zum abendlichen Snack gegangen. Doch nachdem die nur gelangweilt auf das studentische Happening schaute, verabschiedete man sich relativ früh, dass sich der Doktor - nach einem kleinen Umweg von der anderen Seite - nun mit einer unterwegs erstandenen Flasche Champagner zu der Gruppe gesellen konnte. Welch ein Zufall: ein guter Tropfen, der laue Abend und eine nette Gesellschaft. „Glückwunsch, ihr lebt in meiner Lieblingsgegend.“ Und schon entspann sich eine intensive Diskussion über die Arbeit in den benachbarten Instituten, die vielen lästigen amerikanischen Touristen in der Gegend, über die Veränderungen der Stadt und die Frage, was eigentlich das wichtigste im Leben ist.
„Wenn Du später kein Geld hast, nützt Dir das alles nichts.“
„Aber wenn Du nur Geld hast, ist es auch nichts“. Es wurde ein lustiger Abend und gegen später musste sich der Doktor regelrecht losreißen, um noch vor Mitternacht ein kleines Quartier am Rande von Saint Germain zu erreichen. „Bist du jetzt schon alt?“, brummelte er vor sich hin, „aber solange du noch so mitmachst, fällst du nicht aus dem Raster. Alles gut.“ „Ach je, morgen kommen ja die Kunden, die mit mir abends zum Empfang bei der Handelskammer wollen. Hätte ich jetzt beinahe vergessen.“ Wieder dieser typische Konflikt zwischen Job und Vergnügen.
Man würde sich in der 33 Rue du Faubourg Saint-Honoré treffen, nahe der Madeleine in einem dieser repräsentativen Gelasse, in denen man diese typischen Pariser Abende mit einem oder meist mehreren Gläsern Champagner in der Hand zu überstehen hatte. Ansonsten viel trockenes Zeug, wie diese Schwärme von Rechtsanwälten und rechtskundigen Beratern, die einem mit der Kompliziertheit französischen Rechts noch ein Extra-Honorar aus der Tasche zu ziehen versuchten.
„Viel déjà-vue“.
Palmaille
Jörn Jensen sitzt morgens um Viertel nach neun gewöhnlich in seinem Kontor. Versonnen blickt er aus dem Fenster über die Elbe. Er liebt diese Momente. Ein ruhiger Kaffee, schwarz und noch einige Momente zum Nachdenken. Draußen jenseits der Elbe fahren die Laster über die Köhlbrandbrücke. Man hörte sie nicht, aber sie sind in Bewegung und doch ist auch ihre Route sehr berechenbar. So wie bei Jörn Jensen. Er handelt mit vielen Ländern der Welt, doch im Grunde ist das meiste sehr berechenbar. Ein wenig kompliziert wegen der Währungsunterschiede, aber daran ist er gewöhnt. Ein wunderschöner Platz, sein stillvoller Schreibtisch. „In dreißig oder vierzig Jahren wird man immer weniger von der Elbe sehen. Diese Büsche und Bäumchen, sie wachsen immer höher“ Wie in seinem Geschäft darf man auch in der Natur besser nur mit langen Zeiträumen rechnen. Schon längst sieht man zwischen seinem Kontor und der da unten fließenden Elbe nicht mehr alles. Direkt unterhalb seines Blickwinkels führt der bei Kontorangestellten wie Touristen beliebte Weg über den Altonaer Balkon mit nur noch teilweise freiem Ausblick über die Elbe vor den Büschen und immer höher wachsenden Bäumen entlang. Und was ganz unten in Fortsetzung des immer weiter ausufernden Gebiets um den Fischmarkt passiert, entzieht sich sowieso dem Blick. Auf der elbabgewandten Seite liegt Altona. Dort, wo die Palmaille in die Elbchaussee übergeht, liegt gleich rechter Hand das Altonaer Rathaus, in dem noch heute die Bewohner des Bezirks ihre Meldeangelegenheiten und andere Verwaltungsakte erledigen dürfen. Besonders das Standesamt im Obergeschoss mit Blick über die Elbe erfreut sich einiger Beliebtheit. Das durchaus repräsentative Gebäude wurde noch gerade zwei Jahre vor der Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert von dem deutschen Kaiserpaar eingeweiht. Die Liebe zu diesem kaiserlichen Segen mag vielleicht daher rühren, dass ja lange zuvor Altona und die nördlichen Gebiete Hamburgs zu Dänemark gehörten. Oder vielleicht erklärt dies auch dies auch das besondere Augenmerk des Kaisers auf Hamburg. Im Horizont von Jörn Jensen ist die Welt schön geordnet und dennoch sehr international, so wie auf der Landkarte an der Wand seines Kontors.
Es klopft. Wieder eine dieser Mengenunstimmigkeiten im Lager. Nur gut, dass all die stark riechenden Gewürze nicht auch noch in seinem Kontor oder nur danebenliegen. Die lagern in dem Speicher am Pickhuben im Freihafen, einen guten Kilometer von hier. Aber das ist eine andere Welt. Pickhuben, das ist der Ort, wo die Aromen sich treffen: Gewürze, gleich in der Nachbarschaft aromatischer Tee aus der benachbarten Degustationsstube von Hälssen & Lyon und weiter hinten dann wieder unendliche Teppiche aus dem Iran. Eben die Speicherstadt. Da ragen die Speicher, die erst in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts errichtet wurden, wie Symbole hanseatischen Lebensgefühls in die Höhe, eröffnet seinerzeit mit kaiserlichem Segen des Deutschen Reiches, obwohl ja gerade der Freihafen ein Symbol dafür ist, dass die Hansestadt sich eben nicht total vom Deutschen Reich einverleiben lassen wollte. Wie dem auch sei, heute gelten sie trotz aller der an ihnen versteckten kaiserlichen Symbole als ur-hanseatisch.
„War noch etwas?“ „Nun ja, Jörn Jensen, die neue Praktikantin, diese Ina Hansen, wollen Sie sie noch ansehen?“ „Kann man sie denn ansehen?“ „Blond, freundlich, ein erträgliches Zeugnis…“ “Na, dann, solange sie kein Schandfleck bei uns ist… ich bin froh, wenn ich mich nicht noch um alles kümmern muss…“. Jörn Jensen vertiefte sich wieder in die Korrespondenz mit den Lieferanten und rechnete noch einmal im Geiste die Summe der für die nächste Saison vorkontraktierten Gewürze vor. Wenn er nur wüsste, ob die Ware dann überall so ausfällt wie die Vorab-Muster, die er geordert hatte… Vorsicht und Kontrolle waren in seinem Geschäft mehr als das halbe Leben.
Mit Zeit und am besten bei gutem Wetter.
Der Weg braucht bei gemütlichem Gehen etwa zwei Stunden und ist in der beschriebenen sowie der umgekehrten Richtung möglich.
Für uns beginnt der Strandweg in Blankenese und führt von dort immer an der Elbe entlang am Blankeneser Segelclub, am Mühlenberger Segelclub und dem Hirschpark vorbei, und dann folgt ein schöner Fußweg bis Teufelsbrück.
Hinter dem Anleger Teufelsbrück, von wo auch die Fähren nach Finkenwerder ablegen, kann man, dort wo der Weg nicht mehr parallel zur Elbchaussee geht, sondern rechts der Elbe folgend abbiegt, links jenseits der Straße sich einen Blick auf den Jenischpark und bei Gefallen auch auf das Jenischhaus gönnen.
Auf den weiteren Weg an der Elbe hat man nun jenseits des Flusses einen Blick auf Finkenwerder. Man kommt dann noch an Schröders Elbpark vorbei und dann beginnt der Teil des Weges, an dem man auf der linken Seite des Weges immer wieder diese hübschen Kapitänshäuschen passiert mit ihren liebevoll angelegten Vorgärten.
Vorsicht, in diesem Teil ist der Weg offiziell nur als Fußweg ausgewiesen, was aber Radfahrer nicht daran hindert, hier mehr oder weniger schnell durchzufahren.
Wenn sie zwischendurch noch einmal Strandfeeling suchen biegen sie bei den Schildern rechts ab zur Strandperle. Ein schöner Zwischenstopp.
Dieser Weg geht an den schönen Kapitänshäusern entlang bis nach Övelgönne.
Dort ist der Blick auf den Museumshafen ein Muss. Die dort liegenden Originalschiffe sind eine Pause wert.
Hinter Övelgönne nehmen sie die ausgeschilderte Treppe die dann über den Rosengarten, Donners Park und den Hirschpark zum Altonaer Balkon führt.
Von hier oben haben sie immer wieder einen wunderschönen Blick über die Elbe und am Schluss noch auf den Kreuzfahrtterminal.
Am Altonaer Balkon, wenn sie dann über die Elbchaussee Richtung Altonaer Rathaus geführt werden, endet der Weg. Sie hätten ihn genauso auch umgekehrt nehmen können.
Anfang und Ende der Tour sind jeweils bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar – mit der S 1 kommen sie sowohl nach Blankenese als auch zum Bahnhof Altona.
Für eine kleine Rast unterwegs ist an vielen Stellen gesorgt. Sie werden sehen, dass sowohl rund um Övelgönne wie auch unterwegs bei Schröders Elbpark und dann wieder in Blankenese sowie der Elbe weiter folgend, viele Hamburger den Elbstrand als Naherholungsangebot nutzen.
Metro Linie 10
Fayola saß in der Metro. Sie kam von daheim aus Boulogne. Der Doktor saß etwas abwesend in der Metro Richtung Sorbonne, rein routinemäßig checkte er sein IPad. Eine freundliche Stimme holte ihn aus seinen Gedanken „so eins habe ich auch. Ich schreibe. Schreiben Sie auch?“ Ja nun, schreiben war auch Teil meiner Existenz und so bejahte er. Die Frau gegenüber war eine Farbige, gepflegtes Aussehen. Sie wohnte bestimmt schon einige Zeit in Paris. Sie hatte etwas Anziehendes, obwohl ihr Auftritt eher angepasst und keineswegs besonders fraulich wirkte. Aber es war ja auch nur ein Blick aus dem Augenwinkel. Genau genommen war der Doktor ja schon wieder auf dem Heimweg aus der Stadt. Sie erzählte ihm noch, sie habe ein Buch über sich geschrieben. Und er gab ihr seine Visitenkarte.
Eine Frau, Alter schwer zu schätzen, noch dazu farbig, was es für einen Europäer noch schwerer macht. Irgendwo in den Weiten des Niger geboren. Jung und wohl nicht ganz auf den eigenen Wunsch zwei Mädchen bekommen. An ihnen hielt sie sich immer wieder fest. Sie brauchten Fayola und ihr gaben sie Mut. Die Männer gerieten in Vergessenheit. Aber die Kinder blieben.
Liebend gerne hätte Fayola eigenen Boden unter den Füßen, kein Land, aber ein Stück Leben, das sie selbst gestaltet und in die Hand nimmt. Sie wäre gerne Rechtsanwältin, würde in ihrer alten Heimat für Gerechtigkeit sorgen. Aber davor lag ein quälendes Studium, das noch anstrengender und energieraubender war als das nachgeholte Abitur. Und jeden Tag an die Sorbonne? Ja. Aber auch noch lernen, sich tausend Dinge merken, während man sich daheim um den Haushalt mit Ehemann und Enkelkindern kümmerte?
Irgendwie wollte das nicht wirklich zusammenpassen. Ja, die Kommilitonen, sie waren irgendwie interessant, dann aber auch nicht. Haben nichts erlebt in ihren frühen Semestern. Eine fremde Welt. Fayola versuchte immer wieder darin eine Rolle zu finden, verordnete sich einen peppigen Afro-Look – doch was sie dachte und fühlte, passte nicht so recht in den Betrieb der juristischen Fakultät.
Wie es weitergehen könnte? Sie würde den Kindern in ihrer Heimat helfen, würde gerne etwas tun, dass Ihnen ihr eigenes Schicksal erspart bliebe, sich verkauft und versklavt durchs Leben zu finden. Die Bestimmung über die eigene Existenz durch andere zu ertragen – das Macho-Gehabe und das Macho-Handeln der Männer, die zwar nicht annähernd so viel im Hirn haben wie sie, die aber durch etwas Geld und Dealen in eine Position kommen, die für die anderen verheerend ist. Ja das alles hatte sie in ihrem Buch beschrieben. Aber konnte Sie damit diese Geschichten wirklich loswerden? On n´est pas sure… Nein, sicher ist sie sich selbst dessen auch nicht.
Und dann ist da noch etwas: Eigentlich würde sie doch gerne zurück in diese alte Heimat auf dem schwarzen Kontinent, obwohl ihre alte Geschichte dort gar nicht gut lief. Aber vielleicht gerade deshalb. So als könnte man mit einem anderen Anlauf etwas reparieren. Dieser Wunsch lag jedenfalls auf ihr wie ein Vermächtnis. Dafür würde sie sogar auch das eigene Glück aufs Spiel setzen.
Auch Begegnungen wie die mit dem Doktor in der Metro würden sie jedenfalls nicht davon abhalten. Nicht final. Ein wenig spielen vielleicht. Der ist sich selbst auch nicht sicher, wie er reagieren möchte. Ja, er kaufte sich ihr Buch – nicht heruntergeladen, sondern in Papierform. Und er empfand eine Art Schrecken bei seinen Schilderungen, fragte sich, ob Fayola wirklich alles darin offenbart und wie es für sie im Inneren wirklich war. Keine einfache Einladung. Der Doktor war ja sonst durchaus zu entflammen. Aber würde das nicht vielleicht ein schwieriger Fall? Zusätzliche Probleme suchte schließlich niemand. Am Ende entschloß er sich, es mal mit einer möglichst beiläufig daherkommenden eMail zu versuchen. Der Doktor überlegte sich das auch sehr lange. Schließlich war ein neuer und zusätzlicher Mensch im eigenen Leben immer so eine Frage. Auch Fayola reagierte – zeitverzögert und mit der unausgesprochenen Frage: Was nun?
Rue des Capucines
Die moderne Lösung: man tauscht die Handynummern und schickt Botschaften hin und her. Das schafft Nähe, obwohl man ferne ist – örtlich wie auch, was das wirkliche gegenseitige Kennen angeht. „Warum denn auch jetzt. Wo ich inzwischen nicht mehr wirklich in Paris lebe, sondern nur noch auf der Durchreise und auf Stippvisiten bin“, der Doktor versucht einen Termin zu arrangieren. Man verabredete sich nahe der Opera Garnier. Den Weg von seinem Büro an der Opera Comique nahm der Doktor zu Fuß, das tat er gerne, wenn er in der Stadt war. Ein paar Minuten ausatmen. Forschen Schrittes dirigierte er seinen Weg durch die frühe Abendsonne, immer das goldene Blinken der Opera voraus. Irgendwo da würde er das Restaurant schon finden. Ein Bistro in der Rue des Capucines. Eine lösbare Aufgabe. Wie üblich war er ein paar Minuten vor der Zeit da. Er beschloss hineinzugehen und einen der kleinen Tische nahe am Fenster zu nehmen. Fayola hatte geäußert, dass sie an diesem Tag ohnehin in der Nähe gewesen sei. Beiläufig lächelnd betrat sie das Bistro. Draußen war es bereits dämmrig. Vor der Tür hatten sich etliche der Angestellten aus den Büros der näheren Umgebung auf einen Aperitif und ein paar Worte getroffen. Wie nahezu jeden Abend.
„Salue“ gespielte Beiläufigkeit bei den Begrüßungsküsschen. Zur Auflockerung stört der Garçon mit der Frage nach dem Getränk. Crémant – leicht und nicht zu offiziell.
„Schön, dass wir es geschafft haben. Du siehst bezaubernd aus.“ „Beinahe hätte ich es gar nicht geschafft. Der Professor hat mal wieder überzogen.“ „Jetzt bist du da.“
„Den nächsten Monat habe ich nur noch Prüfungen.
Arbeitsgruppen, Lernen und immer wieder meine Pflichten an die Fakultät. Ich werde dich gleich zur Begrüßung enttäuschen. Da bleibt nur wenig Zeit. Die Semesterprüfung ist wichtig.“
Im Unterschied zu den jugendlichen schnellen Jägern, die vor allem die schnelle Beute für die nächste Nacht suchen, ist der Doktor mit derlei Situationen vertraut. Es muss nicht immer alles gleich und sofort sein. Auch wenn er sehr wohl zu genießen weiß, er schätzt es durchaus, wenn Situationen sich auch für ihn erst einmal entwickeln können. Und ja, Fayola ist heute Abend viel mehr als die graue Maus, der er in der Metro begegnete. Eine Vollblutfrau, von den Körperformen wie von der Ausstrahlung. Da gibt man nicht einfach und sofort auf. „Wir werden es wieder schaffen, wenn Zeit ist. Alles gut. Aber trotzdem: Wie geht es dir..? Was machen deine Pläne. …? “Fayola erklärte, wie sie auf der einen Seite inzwischen schon für die eigenen Enkel sorgte.
Die früh geborenen Kinder gehörten für sie geradezu zu einem früheren Leben. Und eigentlich würde sie nur zu gerne den Menschen in ihrem Heimatland etwas tun. Der Doktor konnte das nur zu gut verstehen. Es war nicht die Zeit der Emotionen. „Man müsste mehr wissen, was die Menschen, die du in der Heimat kennst. ausbauen und erzeugen können. Da würde sich bestimmt auch ein interessanter Absatz finden. Lass uns auch darüber einmal nachdenken und reden…“ Eben heute war mehr der Menschenfreund gefragt. Und so verabschiedete man sich auch ohne weiteren Beziehungsfortschritt und dennoch mit der Möglichkeit zu späterer Zeit, die Fäden noch einmal aufzunehmen.
Place Vendôme
Für eine bestimmte Schicht ist der Platz Vendôme einfach der Hotspot in Paris. Wer noch im Zweifel ist, für wen dieser Platz heute richtig ist, der braucht sich nur einmal die dort ansässigen Geschäfte, ihre Showrooms sowie die Adressen der unmittelbar benachbarten Hotels anzuschauen. Kurz, hier ist der Luxus zu Hause. Ludwig der Vierzehnte, der bereits zu seiner Zeit Pracht und Luxus wie niemand anders verkörperte, hatte diesen Platz als Herz seines luxuriösen Paris erschaffen und – wie sollte es anders sein – diesen Platz mit einer nicht gerade bescheidenen Statue seiner selbst geziert.
Napoleon, der wie kaum ein anderer ebenfalls darauf achtete, der Hauptstadt sein Gesicht und seinen Stempel aufzudrücken, ersetzte diese mit Sinn für die große Geste und Symbolik durch eine aus eingeschmolzenen feindlichen Kanonen gegossene Siegessäule, und die steht nun da bis auf den heutigen Tag.
Der verkehrstechnisch heute nicht mehr im Zentrum der großen Achsen gelegene Platz ist daher genau richtig, um einem eher öffentlichkeitsscheuen Adel und Geldadel und all diejenigen, die sich in ihrem Schatten auch noch gerne sonnen möchten, das passende Ambiente zu bieten.
Hier war sie gelandet. Die Frau in Schwarz: Sie spiegelte sich in den leicht getönten Schaufensterscheiben von Gucci. Schwarze und große Sonnenbrille. Eine ebenso schwarze kräftige, leicht gelockte schwarze Frisur, ein mit einem Stoffgürtel taillierte schwarze Business-Kombination.
Vermutlich höchstens 56 Kilo. Sie gefiel sich, obwohl ihr Blick im Schaufenster etwas blasiert wirkte. Vermutlich kaschierte sie die Neugier und den Schelm hinter ihrer Sonnenbrille. Sie war hier wirklich gelandet, erstens in einem der teuersten Hotels und zweitens mit der kleinen Maschine ihres derzeitigen Gefährten auf dem Geschäftsfliegerareal von Orly.
Und dumm war sie auch nicht. René hatte auf diesem Flug wieder einmal eine dieser zusätzlichen Sporttaschen dabei, die er als Pilotengepäck mehr als sonst mit sich trug und im Hotel gleich wieder sorgfältig verstaut hatte, und nun war er schon seit ein paar Stunden damit verschwunden und hatte sie hier allein gelassen. Besonders redselig war René sowieso nicht. Über sein Treiben äußerte er immer nur das nötigste. Als Privatflieger war er viel unterwegs und Aline, so hieß die Frau in Schwarz, war viel mit seiner Villa und ihrem Job alleine. Das war für sie im Moment kein Grund zur Klage. Sie machte es sich eben alleine gemütlich und schön, soweit es das eigene Geschäft überhaupt zuließ. Mit den Damen der Gruppe in der Pharmazie machte sie sich ohnehin immer viel Spaß.
Aber jetzt nervte René wieder besonders. Statt in ihre Wohnung auf Sylt zu fliegen, wollte er unbedingt nach Paris. Und da trieb er sich mit seiner Sporttasche wieder für Stunden alleine herum. Aline hätte es gefreut, wenn er ihr vielleicht einmal gezeigt hätte, dass Paris mehr zu bieten hat als den Eiffelturm von weitem oder die golden in der Sonne glänzende Opéra Garnier. Gewiss, nett anzuschauen. Da hätte er sie ja einmal abends hinführen können. Denn nach entsprechender Vorbereitung waren sie schon ein sehr nett anzuschauendes Paar. Und außerdem wusste sie ja auch nie, wann er zurück sein würde. Nicht einmal einen eigenen Hotelzimmerschlüssel hatte sie. Und schon wieder noch einen Kaffee nehmen, war auch kein Gedanke.
Als René nach Stunden mit einem breiten Lächeln um die Ecke bog, waren zumindest die schwarzen Gedanken verflogen. Die Aussicht auf eine nette Handtasche könnte die Laune zusätzlich heben, wenn schon der geliebte Laden von Wempe auf Sylt gerade nicht zur Stelle war. Obwohl, die müssten ja auch in Paris wohl vertreten sein. Und in der Tat, das waren ja wirklich nur ein paar Minuten von der Place Vendôme entfernt.
Baron-Voght-Straße
Heute kaum vorstellbar, dass der Baron Caspar Voght zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Flottbek wirklich Landgüter und wissenschaftlichen Landbau betrieb. Heute wäre dafür in diesem Stadtteil kein Platz mehr. Aber ein Stück ländlicher Idylle wurde im Landhaus Flottbek in wunderbarer Weise wiederbelebt. Jörn Jensen kannte das kleine Hotel mit Restaurant seit vielen Jahren und daher liebte er es, dort auch bei Gelegenheit, geschäftliche Gäste unterzubringen. Diesmal hatte er sich mit Monsieur Verdier verabredet, mit dem er über die Beschaffung von Quinoa sprechen wollte. Monsieur Verdier war ein Genießer und anders als die typischen Franzosen einem ausgedehnteren Frühstück nicht abgeneigt. Da war Jörn Jensen dankbar, dass man nicht –