Ludwig I. Nommensen - Johannes Warneck - E-Book

Ludwig I. Nommensen E-Book

Johannes Warneck

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Beschreibung

Nommensen entstammte einer armen Familie in Norddeutschland. Als Zwölfjähriger wurde er so schwer verletzt, dass man fast seine Beine amputiert hätte. Ein Pferdefuhrwerk hatte ihn überfahren und seine Beine zerquetscht. Er genas jedoch und fasste daraufhin den Entschluss, Missionar zu werden. An Weihnachten 1861 ließ er sich nach Sumatra aussenden. Mit großer Liebe und Hartnäckigkeit wirkte er besonders unter den Bataks und ließ sich von größten Anfeindungen nicht entmutigen. In seinem Todesjahr zählte die Batak-Gemeinde 180.000 Mitglieder in rund 500 Gemeinden.

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Ludwig I. Nommensen

Tole! – Vorwärts für Jesus auf Sumatra

Johannes Warneck

Impressum

© 1. Auflage 2019 ceBooks.de im Folgen Verlag, Langerwehe

Autor: Johannes Warneck

Cover: Caspar Kaufmann

ISBN: 978-3-95893-214-2

Verlags-Seite: www.folgenverlag.de

Kontakt: [email protected]

Shop: www.ceBooks.de

 

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Inhalt

Titelblatt

Impressum

Vorwort zur vierten Auflage

1. Kapitel: Jugend und Vorbereitung

2. Kapitel: Barus und Angkola

3. Kapitel: Die Anfänge in Silindung

4. Kapitel: Die ersten Erfolge

5. Kapitel: Die Pflege der Gemeinde

6. Kapitel: Toba

7. Kapitel: Vorwärts!

8. Kapitel: Der Führer

9. Kapitel: Das Alter

10. Kapitel: Ein treuer Haushalter

Unsere Empfehlungen

Vorwort zur vierten Auflage

Weil in diesem Jahr der Geburtstag Ludwig Nommensens sich zum hundertsten Male jährt, veröffentlichen wir sein Lebensbild noch einmal. Das Buch ist auf mancherlei Weise ergänzt worden; dieser und jener charakteristische Zug konnte ihm noch beigegeben werden in Benutzung einer Biographie, die sein Sohn Jonathan, Missionar in Sumatra, für die batakschen Christen in ihrer Sprache geschrieben hat. Wenn wir dem Buch weiteste Verbreitung wünschen, auch bei der lieben deutschen Jugend, so hoffen wir, dass die Glaubensgestalt dieses apostolischen Mannes der deutschen Christenheit etwas zu sagen und zu geben hat. Hier ist ein von Gott zum Führer berufener und ausgestatteter Mann, eine starke Persönlichkeit, durch und durch geheiligt vom Geist Gottes, von ihm geleitet und darum ein Segen für alle, die mit ihm in Berührung kamen. Wir können die Säkularfeier nicht besser begehen, als wenn wir von den Taten Gottes berichten, bei denen er als Werkzeug diente.

 

 

Seit Nommensens Abscheiden ist in der Batakmission vieles verändert. Die Zahl der Christen hat beträchtlich zugenommen, eine der Selbständigkeit zustrebende Kirche ist entstanden, neue Landschaften haben sich dem Evangelium erschlossen. Der Weltkrieg und die nachfolgenden schweren Jahre haben den Siegeslauf des Evangeliums nicht aufhalten können. Aber mit dem Wachstum der Kirche sind auch die Gefahren, wie sie großen Kirchen drohen, gewachsen. Die Zeit der ersten Liebe macht kirchlicher Gewöhnung Platz, die Menge der Mitläufer bedroht den inneren Bestand der Gemeinden, der breite Strom moderner Zivilisation mit ihren Versuchungen und Giften ist ins Land hineingeflutet und der Islam macht gewaltige Anstrengungen, um Terrain zu gewinnen; mit Kraft hat planmäßig die Gegenmission der römischen Kirche eingesetzt. Der Unglaube des Westens strömt ins Land, ungesunde Bestrebungen, sich von der Bevormundung der Europäer, auch der Missionare, zu befreien, wühlen die Gemüter auf. Mit dem erwachenden Nationalgefühl erhebt auch das alte Heidentum, von dem heutigen Geschlecht vergoldet und idealisiert, wieder sein Haupt. Es ist eine Zeit der Sichtung gekommen, es hat ein Kampf eingesetzt, der zur Gesundung führen, aber auch manches Faule zerbrechen lassen kann.

Aber wir sehen auch die Kräfte der Gnade am Werke, Spuren neuen Lebens hin und her. Es wirkt sich aus, was die alten Glaubensmänner gearbeitet, erkämpft und erbetet haben. Es zeigt sich, wie gesund und fest der Grund ist, den sie haben legen dürfen, auf Christus gegründet das Fundament dieser Kirche. Wir feiern darum das Gedächtnis Nommensens mit dankerfülltem Herzen, preisend den himmlischen Herrn, der seiner Mission dies auserwählte Rüstzeug gegeben hat, und darum zuversichtlich ausschauend in die Zukunft mit ihren Kämpfen und Gefahren, bittend um denselben bergeversetzenden Glauben, der nur auf Gott und seine Gnade sich verlässt, der nicht um Erleichterung der Last, sondern um Vermehrung der tragenden Kraft bittet. Möchte auch dieses erzählende Buch in vielen Herzen den Glauben stärken und den Blick schärfen für die weltüberwindende Kraft des Herrn der Mission. Es ist ein guter Grund gelegt, aber es ist erst ein bescheidener Anfang. Unendlich viel Arbeit und Kampf liegt noch vor der Gemeinde Jesu, die seinem Missionsbefehl gehorcht. Die große Missionszeit liegt noch vor uns. Möchte auch Deutschlands Christenheit gewürdigt werden, ein glaubens- und liebesstarkes Armeekorps für diesen Kampf zwischen Licht und Finsternis zu stellen.

Wuppertal-Barmen, März 1934

1. Kapitel:Jugend und Vorbereitung

Dieser ist mir ein auserwähltes Rüstzeug.Apostelg. 9, 15

Am 6. Februar 1834 ist Ludwig Ingwer Nommensen auf der Marschinsel Nordstrand unweit Husum geboren. Seine Eltern waren arme Leute; der Vater, Peter, Schleusenwärter, starb bereits 1848; die Mutter, Anna, eine fromme Frau, die mit dem wilden Jungen ihre Not hatte, ihn aber richtig zu behandeln wusste. Nommensen wurde im gleichen Jahre geboren, in dem die amerikanischen Missionare Munson und Lyman bei ihrem Versuch, nach Silindung in Sumatra vorzudringen, von den Batak ermordet wurden. Drückende Armut lag auf der Familie. Nur einige Minuten vom Norderhafen, hart am hohen Außendeich, lag das sehr bescheidene Haus der Eltern; es ragte kaum über den Deich hinaus. Das weite Wattenmeer mit der Insel Pelworm und der Hallig Nordstrandischmoor, die damals noch etwa 20 Häuser zählte, jetzt nur noch 4, und das sog. Rungholt (Sand) davor, wo, wie die Alten den Jungen erzählten, Gott alle sieben Jahre das wegen seiner Gottlosigkeit versunkene Land einen Augenblick sichtbar werden lasse, gehörten zum täglichen Gesichtskreis des Knaben.

Landeinwärts streifte der Blick ungehindert über die ebenen Felder bis zur Ortschaft Odenbüll mit der freundlichen Kirche im Vordergrund. Da wurde ihm von Jugend an das friesische „Rüm Hart, klar Kimming“ eigen. Nommensens unverzagte, zähe, vor keinen Schwierigkeiten zurückschreckende, schlichte und umsichtige Art trägt echt friesische Züge. Die Familie stammt von den Halligen; der Großvater war von Nordstrandischmoor gebürtig. Die Eltern waren einfache Arbeitsleute. Es ging aber in ihrem Haus „sehr unterhaltsam“ zu. Abends im Schummern saß man gern beisammen, dann erzählte der Vater oder gab Rätsel auf, oder es wurden „rührsame, moralisierende Lieder“ gesungen. Ludwig Ingwer war der einzige Sohn neben drei Töchtern. Frühe schon musste er durch Arbeit bei Bauern mitverdienen helfen, zunächst als Schafhirte, später als Knecht. Seine Kameraden schildern ihn als einen wilden, zur Arbeit unlustigen, aber begabten Jungen. Im Kreise der Altersgenossen stand er im Ansehen und war der Tonangeber bei Spiel und Scherz. „Wenn Nommensen tokeem, wär dat Speel fertig; he wüsst wat an den Dag to geben.“ Wenn er aber wiederum den Pastor predigen hörte, dann hieß es in seiner Seele: So möchtest du auch einmal dastehen und predigen! Zu seiner Mutter sagte er einmal: „Mudder, ut mie ward noch mal wat Grootes.“ Da gab sie ihm die charakteristische Antwort: „Dar schall wul recht wat ut die warn. Du büst een groten Schleef. Du musst noch ganz anders warn.“

Als er noch ein kleiner Knirps war, nahm ihn seine ältere Schwester mit in die Schule, wo er zwischen den Mädchen saß und sie wohl in die Arme kniff, auch einmal den Lehrer fragte: „Is dat nicht bald Middag?“ Später hatte er einen gewissen Callsen als Lehrer, der sich treu um die Kinder kümmerte. Dieser war sehr für Abhärtung, ging auch im Winter mit offener Brust und hielt die Kinder zu gleichem Tun an. Er wusste den Unterricht interessant zu gestalten, indem er zwischendurch gern erzählte, mit Vorliebe aus der Kirchengeschichte. Hilfsbereit gegen jeden, erfreute sich dieser wackere Mann allgemeiner Beliebtheit. Ob der Knabe bei ihm viel gelernt hat, wissen wir nicht. Alte Schulkameraden Nommensens erinnern sich des Lehrers noch dankbar.

 

 

Friesische Wohnung

 

Ohne damals ein eigentlich frommes Kind zu sein, erfuhr der Knabe, als er etwa zwölf Jahre alt war, eine tief in sein Leben eingreifende Gebetserhörung. Er hat die Geschichte selbst folgendermaßen erzählt: Eines Tages geriet er beim Spielen unter einen vorüberfahrenden Wagen, wobei ihm beide Beine überfahren und schwer verletzt wurden. Da in der Nähe kein Arzt war, verschlimmerte sich sein Zustand immer mehr, bis ein Onkel mit ihm nach Bredstedt reiste, um einen Arzt zu fragen. Dessen Mittel halfen aber auch nicht. Auf seinem Lager, an das der Knabe nun über ein Jahr lang gefesselt war, las er viel in der Bibel.

So fand er zu Weihnachten 1847 die Verheißung Jesu: „Was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun“ (Joh. 14, 14). Er rief die Mutter herbei, zeigte ihr die Stelle und fragte: „Ist das Wahrheit? Geschehen denn auch jetzt noch Wunder?“ Sie antwortete zögernd: „Jawohl, das ist Gottes Wort“, dachte aber, das war zu Jesu Lebzeiten wohl so, jetzt geschehen aber keine Wunder mehr. Der Knabe aber klammerte sich an das gelesene Wort und fing nun an um Heilung zu beten, gelobte auch, er wolle, wenn sein Fuß genesen sei, zu den Heiden gehen, von denen er durch seinen frommen Lehrer gehört hatte. Bald danach geschah es, dass ein Arzt, der ab und zu den Kranken besuchte, ihm eine neue Arznei verschrieb, die anschlug. Schon nach wenigen Tagen änderte sich das Aussehen der Wunde, und nach einigen Wochen konnte der Knabe aufstehen und die Schule besuchen. Der Fuß ist vollständig geheilt geblieben. Dankbar erkannte der Genesene Gottes freundliche Hand, und der Entschluss, Missionar zu werden, befestigte sich in seiner Seele.

In einer Skizze seines Lebenslaufes überblickt der alte Nommensen seine harte Jugend folgendermaßen: „Ich war ein Junger armer, kränklicher Eltern, der bei trockenem Brot und Salz, Pferdebohnen und Erbsensuppe, trockenen Kartoffeln und Roggenmehlbrei groß geworden, der als Leckerbissen des Sonntags Pferdefleisch zu den Kartoffeln oder grünen Winterkohlsuppen bekam, der oft des Abends um halb 8 Uhr beim Deichgrafen an der übriggebliebenen Grütze, nachdem die Knechte gegessen hatten, seinen Hunger stillte, der 7 Jahre alt, lieber Gänsehirte anderer Leute war, als die Schule besuchte, der 8-jährig Schafhirte, 9-jährig Dachdeckerlehrjunge, 10-jährig als Pferdeleiter beim Pflügen in Dienst bei dem Bauer Hans Lorenz Jensen war, 11-jährig wieder bei dem Jensen Dienstjunge war, der 12-jährig krank zu Hause, fast ohne Hoffnung jemals seine Beine gebrauchen zu können, liegen musste, 14-jährig eben wieder genesen, seinen Vater durch den Tod verlor und als Großjunge im Kooge beim Bauer diente, 15-jährig konfirmiert und wieder zwei Jahre als Unterknecht beim Jensen diente, dann als 18-jähriger Knecht war beim Brabander Jedukas von Ham auf Nordstrand, der im 19. Jahr Knecht wurde auf Südfall, einer kleinen Hallig, auf der nur ein Haus steht und eine Familie wohnt, dort krank wurde und als wahnsinnig nach Nordstrand zur Mutter zurückgebracht wurde, darauf nach der Genesung den Sommer Eisenbahnarbeiter war und die erste Eisenbahn in Schleswig (von Husum nach Rendsburg) anlegen half, und im Herbst gewöhnlicher Arbeiter im Außendeich auf Nordstrand war, im folgenden Winter wieder als Knecht, Häckselschneider für die Pferde, bei einem Bauer diente.“ Wahrlich, er hat sein Joch in seiner Jugend getragen.

Am 2. Mai 1848 starb sein Vater, am selben Tag, an dem 43 Jahre später sein Sohn Christian in Sumatra ermordet wurde. Auf die jungen Schultern wurde nun schon die Last der Fürsorge für die Familie gelegt. Der Knabe vereinbarte mit der Mutter, dass er vorläufig daheimbleiben und ums Brot arbeiten wolle, bis seine älteste Schwester so weit sei, dass sie bei einem Bauer in Dienst treten und die Mutter unterstützen könnte; nachher wollte er zu den Heiden gehen, wie er gelobt hatte. Nommensen arbeitete nun fleißig bei Bauern, um seine Mutter und Schwestern zu ernähren. So war er lange Zeit bei einem Bauer Jakobsen, „der nicht schlug, aber mich mit Erdklößen warf und mich bisweilen an den Ohren aufhob, so dass ich immer wunde Ohren hatte“. In freien Stunden studierte er fleißig in Büchern. Später diente er auf der kleinen Hallig Südfall. Dort erkrankte er schwer. In seinen Fieberphantasien lief er einmal fort über die Watten nach Pelworm, um von da mit dem Schiff zu den Heiden zu fahren. Zwischen der Hallig und Pelworm geriet er in eine Tiefe, von wo ihn die Leute glücklich zurückholten. Er soll damals in seinen Phantasien gesagt haben, er könne wie Petrus auf dem Meer gehen. Als Nommensen dann 20 Jahre alt und die älteste Schwester, die später einen Arbeiter heiratete, versorgt war, gab ihm die Mutter die Erlaubnis, nun als Missionar zu den Heiden zu ziehen. Er nahm Abschied von Mutter und Schwestern, kaufte sich eine Bibel, ein Gesangbuch und einen Katechismus und zog nach Föhr, auf Rat eines Onkels, dessen Sohn Matrose war.

Ein Traum hatte ihn in seinem Vorsatz bestärkt. Der junge Mann war völlig weltunerfahren und hatte von dem Beruf eines Missionars nur ganz unklare Vorstellungen. Er dachte sich die Sache sehr einfach: Zunächst wollte er sich als Matrose auf einem Schiff verdingen und dann irgendwo in Übersee an Land gehen, um dort den Heiden zu predigen. Im Hafen der Insel Föhr fand er zwar genug Schiffe, aber alle waren besetzt, und er konnte nirgends ankommen. So sah er sich genötigt, vorläufig wieder als Knecht Arbeit zu suchen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Bei einem Bauer in Wrixum auf Föhr fand er Arbeit. Eine verhältnismäßig stattliche Bibliothek, die dieser Bauer besaß, reizte seinen Lernhunger. So benutzte er jeden freien Augenblick zum Lernen; ein Katechismus mit Erklärungen, den er neben der Arbeit auswendig lernte, war sein ständiger Begleiter.

Oft ging er zum Hafen, aber er fand keine Schiffsgelegenheit. Je länger aber die Wartezeit dauerte, umso deutlicher wurde ihm, wie gering doch sein Wissen und Können sei. Nun war es damals Sitte, dass die Lehrer auf dem Land sich für den Winter einen jungen Mann als Schulgehilfen nahmen, der bei den Kleinen half. Nach einer solchen Stelle schaute Nommensen sehnsüchtig aus, weil er hoffte, dabei Nahrung für seinen Geist zu finden. Mit Hilfe eines Lehrers Heimsen, der früher in Nordstrand Hilfslehrer gewesen war, fand sich wirklich eine solche Stelle für ihn, und zwar in Risum bei Lehrer Nahnsen. Dieser erschrak zuerst über die ärmlichen Kleider und die Holzschuhe des jungen Mannes, war aber bereit, ihn aufzunehmen. Nachdem er bei dem Probst in Tondern ein kleines Examen abgelegt hatte, trat er die Hilfslehrerstelle an. Es war freilich ein sehr bescheidener Posten. Früh hatte der Hilfslehrer die Kühe zu bedienen und den Stall zu reinigen, dann musste er die Schulstube fegen, die Betglocke läuten, Gänsefedern beschneiden, die Wandtafel reinigen, in der Schule bei der untersten Klasse helfen und überall zur Hand sein.

In der Kirche hatte er den Klingelbeutel herumzureichen und gelegentlich an Stelle des Lehrers vorzusingen. In der Schule seiner Heimat Nordstrand hatte er aber keine einzige Melodie zu lernen Gelegenheit gehabt. So ließ er sich jetzt von dem Sohn des Pastors allabendlich eine Melodie vorsingen, bis er etwa 20 der bekanntesten Lieder singen konnte. Als der Winter zu Ende ging, konnte der Lehrer Nahnsen seinen Helfer nicht mehr gebrauchen. Was nun? Eines Sonntags, als Nommensen geläutet hatte und in der Kirche die Liedernummern ansteckte, beschloss er, Gott sein Anliegen vorzutragen. Schüchtern ging er hinter den Altar, kniete dort nieder und schüttete Gott sein Herz aus. Da entstand plötzlich ein gewaltiges Getöse, ein Krachen, als wenn der Himmel einstürzte. Der Beter erschrak heftig, die Haare stiegen ihm zu Berge, und er floh voll Furcht aus der Kirche, überzeugt, Gottes Stimme habe ihm mitgeteilt, dass sein Gebet erhört sei. Als es sich dann herausstellte, dass ein Stück des Kirchendaches eingestürzt war, geriet Nommensen in große innere Not. Handelte es sich um die Antwort Gottes auf sein Gebet oder um einen Zufall? Aber schließlich wurde ihm doch klar: Gott hat auf dein Gebet geantwortet. Und siehe, nach 10 Tagen wurde ihm eine andere Hilfslehrerstelle angeboten, die er mit Freuden annahm. Es war eine kleine Privatschule in Gotteskoog mit 19 Kindern, wohin sechs Bauern ihre Kinder schickten. Sein Essen empfing er reihum auf den einzelnen Bauernhöfen.

Da kam eines Tages der inspizierende Pastor Haustedt von Niebüll und fragte ihn nach der Prüfung, welches Seminar er später besuchen wolle. Darauf erzählte Nommensen dem freundlichen Vorgesetzten, dass er nicht Lehrer bleiben wolle. Er wünsche nur noch mehr zu lernen, denn er wisse, wie viel ihm noch fehle, dann aber wolle er seinem Gelübde entsprechend Missionar bei den Heiden werden. Der Pastor machte große Augen, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und sagte: „Dann müssen Sie in ein Missionshaus gehen.“ Nommensen fragte: „Was ist denn ein Missionshaus? Davon habe ich noch nie gehört.“ Nun bot sich der freundliche Pastor, der anfing, sich für den merkwürdigen jungen Mann zu interessieren, an, ihm mehrmals in der Woche Unterricht im Lateinischen zu geben; ein Lehrer solle ihn gleichzeitig im Deutschen und Englischen weiter fördern.

Mit Dank und großer Freude nahm Nommensen das liebenswürdige Anerbieten an und besuchte etwa ein Jahr lang die Unterrichtsstunden. Pastor Haustedt gab ihm auch Missionsschriften zu lesen, und nun ging dem jungen Mann eine neue Welt auf. Pastor Haustedt meldete ihn bei dem Probst Versmann in Itzehoe an und riet ihm, nach Barmen zu gehen. Durch diese Herren hörte Inspektor Wallmann in Barmen von dem eigenartigen jungen Mann und forderte ihn auf, seinen Lebenslauf einzusenden. Zunächst musste er freilich noch warten. Man hatte in Barmen gar keine Eile, ihn zu rufen. So blieb er in Gotteskoog ein Jahr, gab dann die Stelle auf und ging nach Nordstrand zur Konfirmation seiner jüngsten Schwester Lucie. Von dort brach er dann mit einem Geleitbrief vom Probst Versmann nach Barmen auf, obgleich er noch nicht zitiert war (1855). In Husum kehrte er bei dem Glaubensmann Sommer ein, dessen fürbittendes Gebet ihn mächtig aufrichtete.

In Barmen angekommen, ging er erst längere Zeit vor dem Missionshaus auf und ab, bis er endlich mit Herzklopfen an der Tür schellte. Inspektor Wallmann empfing ihn wegen seines eigenwilligen Kommens ungnädig und ließ ihn, als er in die Stube eingetreten war, zwei Stunden an der Tür stehen, ohne von ihm Notiz zu nehmen. Geduldig wartete der junge Mann, und das gewann ihm des Inspektors Herz, der, wie er später erzählte, dachte: wer zwei Stunden geduldig warten kann, ohne beleidigt zu sein, der kann noch mehr. Aber ins Haus konnte Nommensen noch nicht aufgenommen werden. So brächte man ihn einstweilen in Elberfeld als Hilfslehrer unter, bei Lehrer Kamphausen am Neuenteich, wo er anderthalb Jahre beschäftigt war. In dieser Zeit erhielt er mit anderen Aspiranten abends Unterricht bei Elberfelder Lehrern, auch half ihm Inspektor Wallmann im Lateinischen weiter. Es scheint, als ob er in dieser Elberfelder Zeit zum völligen Glauben gekommen sei. In Elberfeld begann er schüchtern in Versammlungen der Gläubigen zu sprechen. Jedenfalls sind diese Jahre die Zeit der ersten Liebe für ihn gewesen. Mit dem Eifer des Neubekehrten schrieb er häufig an die Freunde und Verwandten in der Heimat und pries ihnen seinen Herrn an.

Einige jener Briefe sind erhalten; sie zeigen den jungen Nommensen als einen für seinen Herrn glühenden, die Brüder herzlich liebenden Jünger Jesu, dem es heiligster Ernst ist, in der Nachfolge des Meisters zu wandeln und andere für ihn zu gewinnen. Er durfte es damals erleben, dass aus dem Kreis seiner Bekannten und Verwandten sich manche bekehrten. Von Elberfeld und später von Barmen aus ermahnte er die Gesinnungsgenossen in Nordstrand und Husum, einen Jünglings- und einen Jungfrauenverein zu gründen, damit diese Licht um sich verbreiteten und den Schwachen ein Halt würden. Er wollte ihnen gern helfen, die Vereine nach dem Vorbild derer im Wuppertal einzurichten und zu pflegen. Er schrieb darüber an einen Freund:

„Ich weiß wohl, dass die Zeit für ein Kind Gottes immer zu kurz wird, während die Welt sich plagt mit Langeweile. Ich weiß aber auch, dass Du gern etwas tust zur Ehre Gottes und zum Heil der Armen, die da unter die Mörder gefallen sind. Denn wer da sagen kann, mir ist Erbarmung widerfahren, Erbarmung, deren ich nicht wert, der wünscht ja nichts Lieberes, als dass auch denen, die noch unter dem Zorn Gottes stehen, möchte Erbarmung widerfahren.“

Gern versorgte er die Freunde mit guten Büchern und christlichen Liedern.

Das Warten auf die Aufnahme ins Missionshaus wurde ihm recht schwer. Inspektor Wallmann war unterdessen ins Missionshaus in Berlin übergesiedelt. Nommensen hat ihn sehr lieb gehabt. Endlich im August 1857 konnte er eintreten. Kost, Wohnung und Unterricht hatte er dort frei, für Bücher musste er selbst aufkommen. „Doch“, schreibt er, „dies ist ja des Redens nicht wert, denn wir haben einen reichen Vater“. Der hat ihm, dem gänzlich Mittellosen, auch immer rechtzeitig, nicht selten auf wunderbare Weise, geholfen. Leider wissen wir aus der Zeit, die Nommensen im Barmer Missionshaus zugebracht hat, recht wenig. Er beteiligte sich an der Vereinsarbeit, die damals die Missionszöglinge im Wuppertal mit Segen ausübten. Er hat am sog. Ostersbaum in Elberfeld einen solchen Verein gegründet und geleitet. Als alter Mann sagte er von seiner Barmer Zeit: „Die vier Jahre waren für mich sehr schön und voll Frieden für Leib und Seele.“ Übrigens scheint er sich im Missionshaus nicht besonders hervorgetan zu haben.

Im Januar 1858 starb seine Mutter. Damals schrieb er an seine Freunde:

„Als ich meiner lieben Mutter die Hand zum Abschied reichte, wusste ich, dass sie nicht viel Hilfe von menschlicher Seite zu hoffen hatte, wenn ich sie verließ. Auch wusste ich, dass sie jetzt bald alt und schwach würde, worüber sie sich auch oft Sorgen gemacht hat. Ich dachte an meine Kindespflichten, die ich auch gewiss gern zu erfüllen bereit war. Diese meine Gedanken trug ich dann im Stillen dem Herrn vor und habe ihn gebeten, er möge meine Stelle vertreten und der Versorger meiner Mutter sein, wenn es ihm gefallen sollte, mich speziell in seinen Dienst zu nehmen unter den Heiden. Ich hatte freilich nicht darauf gerechnet, dass er sie zu sich nehmen würde; aber wie oft rechnen wir verkehrt, und wie oft muss der Herr die Rechnung auswischen. O möchten wir doch weniger rechnen und mehr glauben in aller Einfalt.“

Von Barmen aus veranlasste Nommensen seine jüngere Schwester Lucie, ins Wuppertal zu kommen, wo sie in einem kinderreichen Haus eine Stelle fand. Das war bei einer Familie Pertz, wo sie als eine treue, ernste Jüngerin Jesu zum großen Segen für viele Seelen gelebt hat. Sie wollte dann nach Kaiserswerth, um sich als Lehrerin ausbilden zu lassen und später ihrem Bruder auf das Missionsfeld zu folgen. In Barmen half sie auch in christlichen Vereinen. Man rühmte ihr eine besondere Gabe nach, mit Kindern umzugehen. Aber schon nach einem Jahr erkrankte die Schwester an der Wassersucht, kam in das Bürgerkrankenhaus in Elberfeld, wurde auf ihrem Schmerzenslager noch vielen zum Segen und starb, 20 Jahre alt, im Juni 1860. „Sie starb unter Jauchzen in des Heilandes Armen.“ Es erschien damals ein Traktat über sie: „Einige Züge aus dem Leben der selig vollendeten L. N.“ Elberfeld 1860. Auch die zweite Schwester Maria, die eine fromme Jüngerin Jesu wurde, starb früh, nämlich als Diakonisse in Bethesda in Hamburg, an der Cholera (1864). Der Bruder hätte sie gern als Helferin in Silindung zu sich kommen lassen. Doch zerschlug sich der Plan, da er im Missionshaus wenig Anklang zu finden schien.

Im Jahre 1858 machte Nommensen von Barmen eine größere Reise, die ihn mit vielen Kindern Gottes zusammenführte. Er schrieb darüber:

„Auf meiner Reise habe ich viel Segen gehabt, viele liebe Kinder Gottes kennen gelernt. Es ist doch etwas Köstliches, wenn man auf der Reise, wo sonst alles kalt und tot ist, was einen umgibt, eine Familie antrifft, welche so ganz dem Herrn lebt. Es sind so rechte Wegweiser in der Wüste, Lichter, angezündet vom Herrn durch seine Liebesflamme in der dichten Finsternis. Es ist etwas Sonderbares, gleich beim ersten Zusammentreffen fühlt man die Gotteskindschaft und ist mit dem Unbekannten, den man in seinem Leben nie gesehen, sogleich bekannt.“

Er war u. a. in Hermannsburg, wo er freilich Harms nicht traf. Ein andermal ist er bis in die Schweiz gereist (1859). Mit großer Befriedigung besuchte er damals u. a. Korntal, wo „ungefähr alle Gläubige waren“; ferner Nonnenweier mit einer Bildungsanstalt für Kleinkinderlehrerinnen, wo gerade Jahresfest gefeiert wurde. Das Fest machte tiefen Eindruck auf den jungen Missionar. Ferner besuchte er Basel und die Chrischona, auch Kaiserswerth.

Tiefen Eindruck machte auf ihn, wie auf weite christliche Kreise, die Nachricht von der Ermordung der sieben Missionsgeschwister auf Borneo (1859); damals schrieb er:

„Früher habe ich nie viel Trieb gehabt, nach Borneo zu gehen, jetzt aber viel mehr. Das Blut der Brüder ruft herüber zu uns, zu Euch und zu der ganzen Christenheit. Dies Blut ist der Same für Borneo, welcher hundertfältige Frucht bringen wird.“

Damals waren die von Borneo nach der blutigen Katastrophe des Jahres 1859 vertriebenen Missionare in Holländisch-Indien auf der Suche nach einem neuen Missionsgebiet; einige von ihnen waren nach Sumatra geführt worden, wo sich eine Tür zu öffnen schien. Ihre Berichte lauteten so günstig, dass die Missionsleitung beschloss, den dortigen Pionieren Klammer und Heine sowie den holländischen Missionaren van Asselt und Betz, die sich den Barmer Brüdern angeschlossen hatten, alsbald Hilfe zu senden. So wurde Nommensen nach beendigter Lernzeit für die Batakmission in Sumatra abgeordnet. Im Oktober 1861 wurde er in der Kirche zu Unterbarmen ordiniert.

Vor seiner Ausreise machte er in seiner Heimat Abschiedsbesuche. Dort musste er zusammen mit Pastor Matzen viel reden, und es war ihm innerstes Bedürfnis, von seinem Glauben Zeugnis abzulegen. Er hatte die Freude, dass sein Wort tiefen Eindruck machte und viele zur Bekehrung kamen. Drei Wochen lang hielt er jeden Abend Bibelstunde und kam fast keine Nacht vor 2 Uhr zu Bett, da die Leute nicht fortgingen und Antwort auf ihre Fragen haben wollten. Er erzählt davon:

„Gläubige aus dem Volk wollen die Zeit, während man da ist, ausbeuten, wie sie sagen, weil ihnen selten mal einer zu Gesicht kommt. Unter den Leuten ist einiger Rumor entstanden. Viele haben geschlossen: Wenn die Sache mit uns so steht, gehen wir ja alle verloren, und dann ist's wohl Zeit, dass wir uns bekehren. In Husum hörte ich, dass die Welt gesagt hatte: ‚Dat is man gut, dat de Keerl weg is, denn de hat je man noch alle Lüde dösig makt, wenn he wat länger blewen war. De ole Halliglüde wart er nu ock wol ganz verrückt macken, denn de sin so all ganz wunderlich.‘ Ich habe auf den Halligen auch in der Tat viel Segen gehabt; denn das sind noch nicht so raffinierte Weltleute, wie sonst fast allerorten.“

Besonders groß war der Zudrang auf seiner Heimatinsel Nordstrand, wo er vier Tage Versammlungen und Bibelstunden hielt. Stellenweise drängten sich die Leute so sehr, dass man fürchten musste, es kämen Unglücksfälle vor. Der alte, liebe Pastor war ganz begeistert von Nommensens Wirksamkeit. „Das Resultat dieser jüngst verflossenen Zeit hat mir“, schrieb er, „zweierlei gezeigt. Zuerst Gottes Treue und sodann meine Untüchtigkeit. Wenn ersteres nicht gewesen wäre, hätte ich mich in einer Stube bei einem Freunde hingesetzt und meinen Mund nicht aufgetan.“

 

 

Kirche von Risum

 

Es sind reichgesegnete Tage gewesen, die Nommensen damals in seiner Heimat zubrachte. Er machte auch weitere Besuche, in Fahretoft, Langeneß und Nordstrandischmoor, wo ein böser Geist herrschte. Nommensen suchte die einzelnen, wo er sie traf, auf allerlei Weise zu fassen. Als er das weiße Kleid eines jungen Mädchens sah, fragte er dieses: „Wozu hast du das Kleid?“ Sie brauchte es zum Tanz. „Weißt du auch, dass du durch den Tanz verloren gehst?“ Das Mädchen ist dann durch ihn zur Besinnung gekommen und später Schwester bei Elise Averdieck in Bethesda geworden. Manche seiner Äußerungen haben sich den Leuten damals tief eingeprägt. So, als er in einer Bibelstunde sagte: „Du nötigst Gott so oft. Drum lauf denn auch nicht aus. Sonst, wenn er dich besucht, bist du ja nicht zu Haus.“ Zu einem Bekannten, der einen lahmen Fuß hatte, sagte er: „Dich hat Gott bei deinem Fuß gekriegt, du sollst dich zu ihm bekehren.“ Den Spöttern wusste er so heimzuleuchten, dass sie still wurden. Einem jungen Mann, der den Wunsch aussprach, Missionar zu werden, riet er: „Lassen Sie diese Saat erst reifen.“ Das meiste von dem Segen, den Gott zu seinem Eifer gab, entzieht sich menschlichen Augen. In seinem Buch „Jesus, der Sünder-Heiland“ erzählt Ch. Jensen eine Geschichte, wie durch Nommensen ein Steuermann zur Bekehrung gekommen ist. Dieser war bereits von Gott angefasst, ihm aber immer wieder aus dem Weg gegangen. Nommensen hatte den jungen Mann schon länger beobachtet und besuchte seine Eltern; dort ruhte er nicht, bis er ihn gefunden und zur Rede gestellt hatte. Nachdem allerhand Versuche, dem jungen Mann nahezukommen, zu nichts geführt hatten, sagte Nommensen: „Verzeihen Sie, wenn ich mich irre; aber es kommt mir so vor, als ob Sie sich vor mir fürchteten.“

„O nein, ich fürchte niemand“, entgegnete der Steuermann. Mit heiligem Ernst antwortete Nommensen: „Dennoch fürchten Sie Gott, und zwar ist Ihre Furcht eine knechtische Furcht, welche Sie, anstatt Sie zu Gott hinzuführen, von seinem Vaterherzen fernhält und Ihnen so zum ewigen Verderben gereichen wird. Darum vertrauen Sie doch Gott und lieben Sie den, der Sie zuerst geliebt hat.“ „Ich habe schon alles versucht, diese Furcht loszuwerden, ich bin aber schon verdammt, denn Gott kümmert sich nicht mehr um meine Seele.“ Da sah ihn der Missionar an, als wollte er prüfen, ob er's ernst meine; dann fragte er milde: „Sie – verdammt? Lieber Bruder, floss denn nicht auch für Sie des Lammes Blut?“ Und nun quoll aus seinem übervollen Herzen ein mächtiges Zeugnis von der Kraft des Blutes Jesu, so dass der Steuermann in jener Stunde zur Gewissheit seiner Erlösung kam. In der Sundasee ist Missionar Nommensen später einmal der Gast eben dieses Seemanns, der unterdessen Kapitän mit eigenem Schiff geworden war, gewesen. Da konnte der gerettete Seemann dem Missionar das Bild zeigen, dass er der seemännischen Sitte folgend am Vordersteven seines Fahrzeuges hatte anfertigen lassen, einen Engel, um den die Worte gemalt waren: Er hat seinen Engeln befohlen über dir. Dabei sagte er zu seinem Retter: „Auch für mich floss des Lammes Blut, darum hoffe ich auch getrost, dereinst aus meiner letzten Not von den Engeln heimgetragen zu werden in den ewigen Friedenshafen.“

Bevor Nommensen die Ausreise antrat, musste er sich noch zwei Monate in Holland aufhalten, um bei dem Sprachgelehrten Dr. van der Tuuk die Anfangsgründe der batakschen und der malaiischen Sprache zu lernen. Dieser Gelehrte war von der Niederländischen Bibelgesellschaft nach Sumatra gesandt worden, um die Sprache der damals noch gänzlich unbekannten Batak im Innern der Insel zu studieren. Sieben Jahre hatte er sich unter ihnen aufgehalten und ihre Sprache gründlich erforscht. Der Lernzeit in Holland ist für den jungen Missionar von außerordentlichem Wert gewesen. Am 24. Dezember 1861 trat Nommensen von Amsterdam die Ausreise nach Sumatra an, zusammen mit der Braut des holländischen Missionars van Asselt. Er reiste, wie das damals noch allgemein üblich war, mit einem Segelschiff, dem „Pertinax“. Die Reise, die man heute bequem in drei Wochen macht, dauerte 142 Tage, während deren man kein Land zu sehen bekam. Von dieser Reise schrieb er:

„Wir haben eine langsame, aber glückliche Fahrt gehabt. Vor uns und hinter uns tobten die heftigsten Orkane; wir aber fuhren sanft und sicher dazwischen durch, wenn auch freilich sehr langsam. Ich für meine Person hatte keine so große Eile, da ich Arbeit genug hatte mit Erlernung der Sprachen. Aber unter den übrigen Passagieren sah es schlimm genug aus. Bis zum Äquator ging das Schiff gut vorwärts; dann aber schien es, als sollten wir gar nicht von der Stelle kommen. Da entwickelte sich unter den Passagieren eine bittere Feindschaft gegen uns, besonders nach meiner letzten Predigt. Wir waren die Jonasse und an allem Schuld. Indes hat der Herr selbst für uns das Wort genommen. Alles, was sie uns abzogen an Essen, Trinken und dergleichen, hat er ihnen im Laufe der langen Fahrt dreidoppelt wieder abgezogen. Man steht als ein Schaf inmitten der Wölfe. Wohl dem, der vom Herrn Schlangenklugheit und Taubeneinfalt empfangen hat. Sie können denken, dass wir doch hoch aufatmeten, als die Schule für uns aus war und wir nach 142-tägiger Reise unsern Fuß auf die langersehnte Küste setzen konnten.“

Am 14. Mai 1862 landeten sie in Padang, wo sie in einer ärmlichen Bambushütte Missionar Denninger (den späteren Anfänger der Rias-Mission) und Frau in bedrängten Umständen vorfanden. Die Beamten, die Nommensen alsbald aufsuchte, verweigerten ihm die Niederlassung in Sipirok, gestatteten aber das Wohnen auf allen Küstenplätzen. Seit dem 7. Oktober 1861 hatten sich in Sumatra die beiden Rheinischen Missionare Klammer und Heine mit den holländischen Brüdern van Asselt und Betz zu einer Konferenz vereinigt. Sie arbeiteten in der Landschaft Angkola und hatten die Plätze Sipirok und Bungabondar, weiter nördlich im Tal des Flusses Batangtoru Aek Sarulla und Sigompulon besetzt. Nommensens Pläne aber gingen von Anfang an weiter. Er wusste, hauptsächlich durch seinen Sprachlehrer Dr. van der Tuuk und aus den Büchern des Forschungsreisenden Dr. Junghuhn, der als erster die Bataklande bereist hatte, dass im Norden an den Ufern des Tobasees die Hochburg des Heidentums sei, die anzugreifen er für die wirkungsvollste Missionsmethode hielt. Freilich machte er sich klar, dass das einen schweren Kampf kosten würde, und dass Entbehrungen und Gefahren seiner warteten. Aber das schreckte ihn nicht ab. Er beschloss, nach dem nördlich gelegenen Hafen Barus zu gehen, dort die Sprache gründlich zu studieren und dann von da aus sobald wie möglich ins Inland vorzudringen.

„Natürlich werde ich mich nicht mutwillig einer Gefahr aussetzen, und besonders solange ich die Sprache noch nicht in meiner Gewalt habe, sehr vorsichtig sein, auch nur in Begleitung von Leuten gehen, die dort bekannt sind.“

Mut, gepaart mit Klugheit und Vorsicht, sind ihm immer eigen gewesen.

Bei der Seefahrt schrieb er in sein Tagebuch ein Gebet, in dem er seinen Bund mit Gott erneuerte. Darin heißt es: