Ludwig von Mises - Ein Lexikon - Michael Ladwig - E-Book

Ludwig von Mises - Ein Lexikon E-Book

Michael Ladwig

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Beschreibung

Ludwig von Mises gilt zweifellos als einer der größten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Es gibt kaum ein wirtschaftliches Thema, auf das der Philosoph des Liberalismus und Vordenker der Österreichischen Schule der Nationalökonomie in seinen Publikationen nicht eingegangen ist. Das Faszinierende daran: Seine Gedankengänge sind noch immer brandaktuell, seine Denkanstöße wie zum Thema Mindestlohn erschreckend visionär. Michael Ladwig hat in liebevoller Detailarbeit das umfangreiche Werk Ludwig von Mises' analysiert und ein Lexikon zusammengestellt, das eine Orientierungshilfe in der Philosophie Ludwig von Mises' bietet. Leicht verständliche Artikel beleuchten Mises' Gedanken von A wie Anarchismus bis Z wie Zwang, mal in ein paar Sätzen auf den Punkt gebracht, mal über mehrere spannende Seiten.

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Seitenzahl: 469

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

1. Auflage 2016

© 2016 by FinanzBuch Verlag,

ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Korrektorat: Desirée Šimeg

Umschlaggestaltung: Melanie Melzer, München

Umschlagabbildung: mit freundlicher Genehmigung des Ludwig von Mises ­Institute, Alabama

Satz und E-Book: Carsten Klein, München

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

Printed in Germany

ISBN Print 978-3-89879-979-9

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86248-902-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86248-901-5

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.finanzbuchverlag.de

Inhalt

Impressum

Mises für alle!

Editorische Notiz

Danksagung

Anarchismus

Antikapitalismus

Arbeitslosigkeit

Arbeitsteilung

Außenwirtschafts­lehre, monetäre

Bankpolitik

Bestechung

Bildung

Bürokratie

Cantillon-Effekt

Deflation

Demagogie

Demokratie

Diktatur

Eigentum

Eigentum, geistiges

Einkommen

Etatismus

Existenzminimum

Fortschritt

Free Banking

Freihandel

Freiheit

Frieden

Führer-Prinzip

Geburtenrückgang

Geld

Geldbedarf

Geldrechnung

Geldwertstabilität

Gemeinnutz

Gesellschaft

Gewalt

Gewinn

Gleichheit

Glück

Goldwährung

Grenznutzen

Greshamsches Gesetz

Grundbesitz

Handeln, menschliches

Heldenmut

Herrschaft

Historismus

homo oeconomicus

Imperialismus

Inflation

Intellektualismus

Interventionismus

Kapital

Kapitalismus

Kartell

Katallaktik

Kaufkraft

Kaufkrafttheorie

Kollektivismus

Kolonialpolitik

Kommunismus

Konjunktur

Kosmopolitismus

Kredit

Krieg

Kriegskonjunktur

Kultur

Laissez-faire

Liberalismus

Luxus

Macht

Marktwirtschaft

Marx, Karl

Marxismus

Massenpsychologie

Menschsein

Mindestlohn

Monopol

Nationaleinkommen

Nationalökonomie

Neid

Neoliberalismus

Österreichische Schule der Nationalökonomie

Pazifismus

Planwirtschaft

Praxeologie

Preiskontrolle

Produktion

Rassismus

Recht

Rechtsordnung

Regressionstheorem

Romantik

Schule

Selbstbestimmungsrecht

Sezession

Solidarismus

Sonderinteressen

Sozialismus

Sozialversicherung

Sozialwissenschaften

Sparen

Spekulation

Staat

Staatsschulden

Stabilität

Steuern

Streik

Syndikalismus

Tausch

Totalitarismus

Umverteilung

Ungewissheit

Ungleichheit

Unternehmer

Untertan

Verbraucher

Verstaatlichung

Völkerbund

Wachstumslehre

Warenkorb

Werbung

Wettbewerb

Wohlstand

Zensur

Zentralbank

Zins

Zwang

Literaturverzeichnis

Mises für alle!

Ich bin nicht für die Marktwirtschaft und gegen den Sozialismus, weil die Kapitalisten sehr nette Leute sind. {...} Ich bin für den Kapitalismus, weil er der Menschheit nützt. Ich bin nicht gegen den Sozialismus, weil die Sozialisten schlechte Leute sind, aber weil er zu einem völligen Niedergang des Lebensstandards aller führt und die Freiheit zerstört.1

Lieber Leser, vielen Dank für den Kauf dieses Werkes. Vor Ihnen liegt ein außergewöhnliches Extrakt der schriftlichen Werke eines der größten Ökonomen und Sozialphilosophen des 20. Jahrhunderts: Ludwig von Mises (1881–1973).

Dass es so weit kommen konnte, verdankt die Nachwelt der leidenschaftlichen Vehemenz, mit der Mises seine Thesen vertrat. Die Erkenntnis, dass jedweder Fremdeingriff in bedürfnisgelenktes Handeln unethisch ist, ist dabei nur eine – jedoch wesentliche – Folge der Geradlinigkeit seiner Arbeiten. Beispielhaft dafür mag ein Satz aus seiner viel zu kurzen Autobiografie dienen, nämlich dass »in der Wissenschaft {...} Kompromisse Verrat an der Wahrheit«2 seien. Mit Nachgiebigkeit vermag man Freunde in Politik und Wissenschaft zu gewinnen, Mises jedoch war daran nicht interessiert. Vielmehr setzte er auf Vernunft. Die Feindschaft vieler Akademikerkollegen – zumeist aus der Historischen Schule der Nationalökonomie – und Politiker begleiteten ihn leider sein Leben lang. Aber auch weite Teile der außerökonomischen Intelligenz standen Mises’ entschlossenem Eintreten und seinen messerscharfen Argumenten gegen jedwede sozialistischen Experimente ablehnend gegenüber.

Ludwig von Mises’ Schriften sind zweifelsfrei der geistige Kraftquell des Liberalismus und des Libertarismus gleichermaßen; beide erfreuen sich in der jüngeren Vergangenheit starken Zulaufs. Die Lektüre Mises’scher Werke sind unzweifelhaft die erfolgversprechendste Therapie gegen Sozialismus, Etatismus und Interventionismus; denn – Unvoreingenommenheit und Aufgeschlossenheit vorausgesetzt – seine in der Praxis immer wieder bestätigten Theorien führen sozusagen zur »Heilung« vom planwirtschaftlichen Denken. Der österreichische Visionär hatte bereits 1912 die fatale Wirkung eines Banken-Teilreservesystems beschrieben3 und 1920 die Undurchführbarkeit eines sozialistischen Wirtschaftssystems theoretisch nachgewiesen.4 Und das noch bevor diese Systeme politisch und weltgeschichtlich Relevanz erlangten! 1927, also zwei Jahre vor der Weltwirtschaftskrise, prophezeite Mises: »Wer seine Augen nicht absichtlich schließt, muß überall die Anzeichen einer nahenden Katastrophe der Weltwirtschaft erkennen.«5

Obwohl Mises’ Geld- und Konjunkturtheorien zunächst großen Anklang fanden, gerieten seine Lehren von der Wirkmächtigkeit einer freien Marktwirtschaft im Fahrwasser interventionistischer Doktrinen ins Abseits. Zu Unrecht, wie wir heute wissen.

Doch erfreulicherweise wächst seit mehr als einem Jahrzehnt das Interesse an der Person Ludwig von Mises und seiner Lehre unaufhörlich. Als bekanntester Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie vertrat er die radikale Ansicht, dass nur eine auf freiwilligen Handlungen basierende Wirtschaftsform – wie der Kapitalismus – nachhaltigen Wohlstand auf- und ausbauen kann. Alle anderen Wirtschaftsformen – wie die sozialistischen oder die interventionistischen – sind, gemessen an ihren eigenen Zielen, zum Scheitern verurteilt.

Die erkenntnistheoretischen Arbeiten Mises’ nehmen stets das menschliche Handeln in den Blick. Diese Lehre – die Praxeologie, wie er sie nannte – ist das Fundament, auf dem alle anderen wissenschaftlichen Disziplinen – auch die Wirtschaftswissenschaften – gedanklich aufbauen. Ihr Stellenwert in der akademischen Welt ist allerdings nicht der, den sie haben müsste, weil zeitgenössische Wirtschaftswissenschaftler sich aufgrund ihrer Nähe zur Philosophie nur schwer mit ihr anfreunden können.6 Der handelnde Mensch trachtet nach der bestmöglichen Deckung seiner Bedürfnisse, und diese sind die Antriebsmechanismen einer jeden Volkswirtschaft. Folgerichtig stand daher immer der Mensch im Zentrum seiner Erörterungen, niemals aber anonyme Kollektive. Mises’ Subjektivismus ist der weitergedachte Umstand von der Verschiedenartigkeit der Menschen. Unterschiedliche Fähigkeiten, Bedürfnisse und Ethiken bestimmen in Gänze das Auf und Ab der Wirtschaft. Die vielgescholtene Ungleichheit der Lebensverhältnisse ist nur eine Folge dieser unumstößlichen Erkenntnis. Der unbehinderte Markt war für Mises nicht nur eine Einrichtung der ergiebigen Arbeitsteilung und effizienten Allokation knapper Ressourcen, sondern der Garant und unabdingbare Voraussetzung für Frieden und Freiheit, mithin ein Inkubator menschlicher Gesellschaft.

Mises stellte zu Recht fest, dass es Demagogen allzu leicht fällt, die Gegenwart auf Kosten unserer Zukunft zu bereichern, weil unser ganzes Denken völlig auf das beschränkt ist, was wir wissen und auf den ersten Blick zu beobachten imstande sind. Mises nahm es zeit seines Lebens auf sich, die dunkle Kehrseite einer jeden staatsinterventionistischen Maßnahme auszuleuchten. Denn, so Mises, »wer nur das zu sagen hat, was jedermann hören will, sollte lieber schweigen«.7

Die vorliegende Veröffentlichung ist daher dazu geeignet, den wichtigsten Begrifflichkeiten des Mises’schen Denkens in nuce wieder mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Insofern soll dieses Nachschlagewerk der Weiterverbreitung seiner Gedanken dienen und gleichzeitig Anregung zum vertiefenden Studium seiner Werke sein.

Michael Ladwig

Herausgeber

1 MU, S. 102

2 ER, S. 48

3 in »Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel«

4 in verschiedenen Aufsätzen zur sozialistischen Wirtschaftsordnung und ab 1922 in »Die Gemeinwirtschaft«

5 LI, S. 2

6 Im Übrigen standen auch einige damalige Nationalökonomen mit der Praxeologie auf Kriegsfuß und »verhöhnten« den von Mises vertretenden Zweig der Nationalökonomie als »literarisch«. BB, S. 662.

7 ER, S. 38

Editorische Notiz

Ereignisse und Personen, die Mises gelegentlich erwähnte, wurden in den Fußnoten vom Herausgeber ergänzt und gegebenenfalls mit weiteren Erläuterungen versehen. Auslassungen in den Zitaten, sind mit »{...}« gekennzeichnet. Fußnotenkommentare in Anführungszeichen entsprechen den Originalfußnoten aus Mises Werken. Kommentare ohne Anführungszeichen stammen vom Herausgeber.

Der Quellennachweis erfolgt unter jedem Zitat. Das Buchstabenkürzel steht für das Werk, dessen komplette bibliografische Angaben sich im Literaturverzeichnis befinden, und die dem Kürzel nachstehende Zahl gibt die Seite an.

Danksagung

Dank gebührt Andreas Marquart vom Ludwig von Mises Institut Deutschland, der mir in der Endphase des Lexikons jederzeit helfend zu Rechte- und Publikationsfragen zur Seite stand. Außerdem danke ich Michael Kastner von buchausgabe.de, der mir in den besonders schwierigen – da bis in den angelsächsischen Raum hineinreichenden – Rechteangelegenheiten geduldig und kenntnisreich antwortete. Gedankt sei auch Helmut Krebs von menschliches-handeln.de, der mir seine veröffentlichten und bis heute noch unveröffentlichten Mises-Übersetzungen zwecks Auswertung zur Verfügung stellte.

Letztlich ist noch allen Verlagen zu danken, die mir in kollegialer Weise den Abdruck der teils sehr umfangreichen Textstellen erlaubten. Zu nennen sind die Verlage Lau (Reinbek), Lucius & Lucius (Stuttgart), Akston (München), Schweizer Monat (Zürich), Springer (Heidelberg), Academia (Sankt Augustin), Knapp (Frankfurt), Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Darmstadt), Duncker & Humblot (Berlin), Thieme (Stuttgart), Mohr Siebeck (Tübingen) und Manz (Wien).

Anarchismus

Es gibt eine Schule, die meint, man könnte durch Belehrung alle Menschen von der Notwendigkeit überzeugen, immer sozial zu handeln, das heißt so zu handeln, daß man im Handeln auf die Erhaltung der gesellschaftlichen Ordnung Rücksicht nimmt; richtig belehrt, würden dann alle Menschen schon freiwillig sozial handeln. Dem Anarchismus erscheinen daher Einrichtungen, die den einzelnen zur Befolgung der Regeln, die die Aufrechthaltung der Gesellschaft fordert, zwingen sollen, als überflüssig. Seiner Auffassung nach könnte eine Gesellschaftsordnung, die nicht einzelnen Menschengruppen Vorrechte auf Kosten und zu Lasten der übrigen einräumt, auch ohne die Einrichtung eines Zwangsapparates zur Unterdrückung gesellschaftsschädlichen Handelns auskommen. Die ideale Gesellschaft brauche daher keinen Staat und keine Regierung, keine Richter, keine Büttel und keine Schergen. Der Grundfehler der anarchistischen Lehre liegt in der Nichtbeachtung der Erfahrungstatsache, daß es Menschen gibt, denen die Einsicht oder die Kraft mangelt, ihr Handeln den Anforderungen der Gesellschaft gemäß einzurichten. Wollte man selbst zugeben, daß alle gesunden Erwachsenen über beides verfügen, so kann man doch nicht bestreiten, daß es beim heranwachsenden Menschen, beim kranken Menschen und bei dem vom Kräfteverfall des Alters ergriffenen Menschen gar häufig anders ist. Schon daß es Kinder, Geisteskranke und Altersschwache gibt, macht einen gesellschaftlichen Zwangsapparat unentbehrlich. Wenn die übrigen Glieder der Gesellschaft freiwillig stets sozial handeln, dann wird ihnen gegenüber ein Einschreiten der Regierungsorgane sich als überflüssig erweisen. Man mag der Ansicht sein, daß jeder, der antisozial handelt, als krank zu betrachten und daher vor allem zu heilen sei; doch solange nicht alle geheilt sind, muss ein Zwangsapparat darüber wachen, daß durch das Verhalten solcher Kranker kein Schaden entstehe. Gesellschaftliches Zusammenleben und Zusammenwirken von Menschen ist daher nur im staatlichen Verbande denkbar, d. h. nur in einem Verbande, der über einen Zwangsapparat zur Unterdrückung gesellschaftsstörenden Handelns von Einzelnen oder von Gruppen verfügt.

NÖ, S. 119 f.

•••

Der Anarchismus verkennt die wahre Natur des Menschen; er wäre nur durchführbar in einer Welt von Engeln und Heiligen. Liberalismus ist nicht Anarchismus; Liberalismus hat mit Anarchismus nicht das geringste zu tun. Der Liberalismus ist sich darüber ganz klar, daß ohne Zwanganwendung der Bestand der Gesellschaft gefährdet wäre, und daß hinter den Regeln, deren Befolgung notwendig ist, um die friedliche menschliche Kooperation zu sichern, die Androhung der Gewalt stehen muß, soll nicht jeder einzelne imstande sein, den ganzen Gesellschaftsbau zu zerstören. Man muß in der Lage sein, den, der das Leben, die Gesundheit oder persönliche Freiheit anderer Menschen oder das Sondereigentum nicht achten will, mit Gewalt dazu zu bringen, sich in die Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu fügen. Das sind die Aufgaben, die die liberale Lehre dem Staat zuweist: Schutz des Eigentums, der Freiheit und des Friedens.

LI, S. 33

•••

Man pflegt oft die grundsätzliche Verschiedenheit, die zwischen dem liberalen und dem anarchistischen Gedanken besteht, zu verkennen. Der Anarchismus lehnt alle gesellschaftliche Zwangsorganisation ab, er verwirft den Zwang als Mittel gesellschaftlicher Technik. Er will den Staat und die Rechtsordnung wirklich abschaffen, weil er der Meinung ist, daß die Gesellschaft sie ohne Schaden entbehren könnte. Er befürchtet von der Anarchie nicht Unordnung, denn er glaubt, daß die Menschen sich auch ohne Zwang zu gesellschaftlichem Zusammenwirken verbinden und dabei alle jene Rücksichten nehmen würden, die das Leben in der Gesellschaft verlangt. Der Anarchismus ist an sich weder liberal noch sozialistisch; er bewegt sich in einer anderen Ebene als Liberalismus und Sozialismus. Wer den Grundgedanken des Anarchismus als verfehlt ansieht, wer es für eine Illusion hält, daß es möglich sei oder je möglich werden könnte, die Menschen ohne den Zwang einer verpflichtenden Rechtsordnung zu friedlichem Zusammenwirken zu vereinen, der wird sowohl als Liberaler als auch als Sozialist sich von anarchistischen Ideen fernhalten. Alle liberalen und alle sozialistischen Theorien, die den Boden der streng logischen Gedankenverknüpfung nicht verlassen, haben ihr System unter bewußter und scharfer Ablehnung des Anarchismus ausgebaut. Inhalt und Umfang der Rechtsordnung sind im Liberalismus und im Sozialismus verschieden; doch beide erkennen ihre Notwendigkeit. Wenn der Liberalismus das Gebiet der staatlichen Tätigkeit einengt, so liegt es ihm fern, die Notwendigkeit des Bestandes einer Rechtsordnung zu bestreiten. Er ist nicht staatsfeindlich, er sieht den Staat nicht als ein – wenn auch notwendiges – Übel an. Seine Stellung zum Staatsproblem ist überhaupt nicht durch seine Abneigung gegen die »Person« des Staates gegeben, sondern durch seine Stellung zum Eigentumsproblem. Weil er das Sondereigentum an den Produktionsmitteln will, muß er folgerichtig alles ablehnen, was ihm entgegensteht. Der Sozialismus wieder muß, sobald er sich grundsätzlich vom Anarchismus abgewendet hat, das Gebiet, das die Zwangsordnung des Staates regelt, zu erweitern suchen; ist es doch sein ausgesprochenes Ziel, die »Anarchie der Produktion« zu beseitigen. Der Sozialismus hebt die staatliche Rechtsordnung mit ihrem Zwange nicht auf; er dehnt sie im Gegenteil auf ein Gebiet aus, das der Liberalismus staatsfrei lassen will.

GW, S. 31 f.

•••

Wird das Gesetz aufgehoben, so wird die Gesellschaft durch Anarchie zerstört.

BK, S. 85

•••

Eine engstirnige Schule von Philosophen, die Anarchisten, haben sich dazu entschieden, die Materie zu ignorieren, indem sie eine staatenlose Organisation der Menschheit vorschlagen. Sie übergehen einfach den Tatbestand, daß die Menschen keine Engel sind. Sie sind zu dumm zu erkennen, daß kurzfristig ein Individuum oder eine Gruppe von Individuen seine Interessen gewiss auf Kosten seiner eigenen langfristigen Interessen und die aller anderen befördern kann. Eine Gesellschaft, die nicht bereit ist, die Angriffe solch asozialer und kurzsichtiger Aggressoren zu durchkreuzen, ist hilflos und auf die Gnade ihrer wenigst intelligenten und brutalsten Mitglieder verwiesen. Während Plato sein Utopia auf die Hoffnung gründete, daß eine kleine Gruppe von vollkommen weisen und moralisch tadellosen Philosophen für die oberste Leitung aller Angelegenheiten verfügbar sein werden, gehen die Anarchisten davon aus, daß alle Menschen ohne Ausnahme mit perfekter Weisheit und moralischer Tadellosigkeit ausgestattet sein werden. Sie begreifen nicht, daß kein System der gesellschaftlichen Zusammenarbeit das Dilemma zwischen den kurzfristigen Interessen eines Menschen oder einer Gruppe und den langfristigen beseitigen kann. {...} Es ist wahr, der Staat ist unverzichtbar, weil die Menschen nicht fehlerlos sind. Aber dazu konzipiert, mit einigen Aspekten der menschlichen Unvollkommenheit fertig zu werden, kann er nie vollkommen sein.

UF, S. 98 f./101

Antikapitalismus

Das Preis- und Marktsystem des Kapitalismus ist eine Gesellschaft, in der Verdienste und Leistungen den Erfolg oder das Versagen eines Menschen bestimmen. {...} Um sich selbst zu trösten und um seine Selbstbehauptung wieder herzustellen, ist ein solcher Mensch auf der Suche nach einem Sündenbock. Er versucht, sich selbst einzureden, daß es nicht sein eigener Fehler war, der ihn versagen ließ. Er ist wenigstens ebenso begabt, tüchtig und fleißig wie diejenigen, die ihn überstrahlen. Unglücklicherweise ist es nur so, daß unsere ruchlose soziale Ordnung die Preise nicht den verdienstvollen Menschen zuleitet; sie krönt den unredlichen, gewissenlosen Schurken, den Schwindler, den Ausbeuter, den »groben Individualisten«. Er selbst hat seiner Ehrlichkeit wegen versagt. Er war zu anständig, sich der niedrigen Tricks zu bedienen, denen seine erfolgreichen Rivalen ihren Aufstieg verdanken. Wegen der Umstände, wie sie der Kapitalismus schafft, ist der Mensch gezwungen, zwischen Tugend und Armut auf der einen Seite und Laster und Reichtum auf der anderen Seite zu wählen. Er selbst hat, Gott sei Dank, die erste Alternative gewählt und die letztere zurückgewiesen. Diese Suche nach einem Sündenbock ist eine Einstellung von Leuten, die in einer sozialen Ordnung leben, die jedermann nach seinem Beitrag zu dem Wohlergehen seines Mitmenschen behandelt, und in welcher somit jeder der Urheber seines eigenen Vermögens ist. Jedes Mitglied einer solchen Gesellschaft, dessen Ehrgeiz nicht ganz befriedigt ist, hat ein Ressentiment gegen das Glück derjenigen, die erfolgreicher waren. Ein Dummkopf befreit sich von diesen Gefühlen durch Verleumdung und Beschimpfung. Die kultivierteren und geschickteren Menschen erlauben es sich nicht, sich persönlichen Verleumdungen hinzugeben. Sie sublimieren ihren Haß in eine Philosophie, die Philosophie des Antikapitalismus, um die innere Stimme, die ihnen sagt, daß ihr Versagen ihr eigener Fehler ist, unhörbar zu machen. Ihr Fanatismus in der Verteidigung ihrer Kritik am Kapitalismus ist der Tatsache zuzuschreiben, daß sie ihr eigenes Wissen über die Unrichtigkeit ihrer Angriffe bekämpfen. Dem Leiden, das durch enttäuschten Ehrgeiz verursacht wird, sind besonders diejenigen Menschen unterworfen, die in einer Gesellschaft leben, in der das Prinzip der Gleichheit vor dem Recht herrscht. Es ist nicht verursacht durch die Gleichheit vor dem Recht, sondern durch die Tatsache, daß die Ungleichheit der Menschen hinsichtlich ihrer geistigen Fähigkeiten, Willenskraft und deren Anwendung in einer Gesellschaft, in der die Gleichheit vor dem Recht herrscht, sichtbar wird. Die Kluft zwischen dem, was ein Mensch darstellt und erreicht, und was er von seinen eigenen Fähigkeiten und Leistungen denkt, wird mitleidlos enthüllt. Wunschträume von einer »gerechten« Welt, die ihn nach seinem »wirklichen Wert« behandeln würde, sind die Zufluchtsstätte derjenigen, die unter einem Mangel an Selbsterkenntnis leiden.

WA, S. 21 ff.

•••

Klagen über die Härte und Unbilligkeit des auf dem Markte herrschenden Ausleseverfahrens gehören zu dem volkstümlichsten Bestandteil der landläufigen Anklagen gegen den Kapitalismus. Um die Erzeuger – vor allem die Arbeiter, oft auch die Unternehmer und die Grundbesitzer, mitunter selbst die Kapitalisten – gegen die Tyrannei der Verbraucher zu schützen, sucht die Wirtschaftspolitik das Getriebe des Marktes zu hemmen, indem sie den minderwertigen Erzeuger in die Lage versetzt, sich dem tüchtigeren Erzeuger gegenüber im Wettbewerb zu behaupten. Was man Sozialpolitik nennt, ist oft nichts anderes als Schutz des Erzeugers gegen den Verbraucher. Es will »Produzentenpolitik« sein im Gegensatz zu der »Konsumentenpolitik« des unbehinderten Marktes.

NÖ, S. 273

•••

Die weitaus überwiegende Zahl aller Kartelle und Trusts hätte nicht errichtet werden können, wenn nicht die Regierungen durch protektionistische Maßnahmen die Voraussetzungen ihrer Bildung geschaffen hätten. Die Monopole der verarbeitenden Gewerbe und des Handels verdanken ihre Entstehung nicht einer der kapitalistischen Wirtschaft immanenten Tendenz, sondern der gegen den Kapitalismus gerichteten Interventionspolitik der Regierungen.

GW, S. 360

Arbeitslosigkeit

Man pflegt es als paradox zu bezeichnen, daß Waren unverkäuflich daliegen, während Menschen nach diesen Waren Bedarf haben, und daß Arbeitslose vorhanden sind, wo doch noch viel Arbeit auf der Welt zu leisten wäre. Die Ausdrücke »Unverkäuflichkeit« und »Arbeitslosigkeit« erwecken eben unrichtige Vorstellungen von dem Tatbestand, den sie zu bezeichnen haben. »Unverkäuflichkeit« bedeutet nicht, daß die Waren überhaupt nicht verkauft werden können, sondern nur, daß sie nicht zu einem Preise verkauft werden können, der die Produktionskosten deckt. Diese Güter hätten überhaupt nicht erzeugt werden sollen, weil anderer, verhältnismäßig dringenderer Bedarf noch nicht gedeckt war. Arbeitslosigkeit bedeutet nicht, daß der Arbeiter keine Arbeit finden könne, sondern daß er für die Arbeit, die er zu leisten gewillt und befähigt ist, nicht jenen Lohn erhalten kann, den er verlangt.

KK

•••

Die Nichtausnützung der vollen Produktionskapazität von Kapitalanlagen, die nicht umgelenkt werden können, erklärt sich aus Fehlern der Vergangenheit. Man hat Investitionen gemacht unter Annahmen, die sich als ungerechtfertigt erwiesen haben; der Markt verlangt anderes als das, was ihm von diesen Anlagen geliefert werden kann.8 Die Anhäufung von Warenvorräten und die Arbeitslosigkeit von Arbeitskräften ist Spekulation. Der Eigentümer will die Waren nicht zu dem Preis verkaufen, den er heute erhalten könnte, weil er hofft, später einen höheren Preis zu erzielen. Der Arbeiter will weder Orts- oder Berufswechsel vornehmen noch seine Lohnforderung ermäßigen, weil er hofft, die Arbeit, die er vorzieht, an dem Orte, den er vorzieht, mit höherem Lohn zu finden. Beide, Vorratsbesitzer und Arbeitslose, weigern sich, sich der Marktlage von heute anzupassen, weil sie auf das Auftreten neuer Daten hoffen, die die Marktlage zu ihren Gunsten verändern sollen. Weil sie sich der Marktlage nicht anpassen, hat das Wirtschaftsgefüge noch nicht den Gleichgewichtsstand erreicht.

NÖ, S. 527

•••

Wenn ein Arbeitsuchender für die Art von Arbeit, die er vorzieht, keinen Abnehmer findet, muss er sich um Arbeit anderer Art umsehen. Wenn ein Arbeitsuchender nicht den Lohn erhalten kann, den er gerne haben wollte, dann muss er seine Ansprüche herabsetzen. Will er das nicht, so findet er keine Arbeit; er wird arbeitslos. Die Arbeitslosigkeit ist die Folge des Umstandes, daß der Arbeiter – entgegen der Auffassung der früher erwähnten Lehre vom Nichtwartenkönnen der Arbeiter – warten kann und warten will. Ein Arbeiter, der nicht warten kann und nicht warten will, findet in der unbehinderten Marktwirtschaft, in der es extramarginalen brachliegenden Boden und oft auch unausgenützte Produktionskapazität produzierter Produktionsmittel gibt, immer Arbeit; es genügt, daß er seine Lohnforderung ermäßigt oder Beruf und Arbeitsort wechselt. {...} Die Arbeitslosigkeit ist auf dem unbehinderten Markte immer freiwillig gewollt. Der Arbeitslose sieht in ihr das kleinere von zwei Übeln, zwischen denen er zu wählen hat. Die Marktlage mag den Lohn he­rabdrücken, doch es gibt auf dem unbehinderten Markte stets einen Lohnsatz, zu dem alle Arbeitswilligen Arbeit finden können. Die endlichen Löhne sind jene Lohnsätze, bei denen alle Arbeiter Beschäftigung und alle Unternehmer so viele Arbeiter, als sie beschäftigen wollen, finden. {...} Von der marktmäßigen Arbeitslosigkeit ist die irreguläre Arbeitslosigkeit grundsätzlich verschieden. Sie entspringt nicht dem Entschlusse des einzelnen Arbeiters. Sie ist die Folge einer Politik, die höhere Löhne als die, die der Markt bildet, durch Eingriff in das Getriebe des Marktes festzulegen sucht. Die irreguläre Arbeitslosigkeit geht über den Rahmen einer Betrachtung der unbehinderten Marktwirtschaft hinaus.

NÖ, S. 546 ff.

•••

Daß man die Arbeitslosigkeit nicht dadurch bekämpfen kann, daß man auf Staatskosten öffentliche Arbeiten ausführen läßt, die sonst unterblieben wären, ist klar. Die Mittel, die hier aufgewendet werden, müssen durch Steuern oder Anleihen aus jener Verwendung, die sie sonst gefunden hätten, herausgezogen werden. Man kann auf diesem Wege die Arbeitslosigkeit in einem Produktionszweig nur soweit mildern, als man sie in einem anderen erhöht.

LI, S. 75

•••

Am verhängnisvollsten wurde die antikapitalistische Wirtschaft auf dem Arbeitsmarkt. Bei dem Lohnsatz, der sich auf dem unbehinderten Markt bildet, finden alle Arbeiter Beschäftigung und alle Unternehmer die Arbeiter, die sie benötigen. Daß Arbeitslosigkeit nicht nur als vorübergehende Erscheinung von unbeträchtlichem Umfang, sondern als Dauererscheinung auftritt, ist allein dem Umstand zuzuschreiben, daß die Bestrebungen der Gewerkschaften, das Lohnniveau über dem Satz, der bei dem Stand der Kapitalsversorgung und der Ergiebigkeit der Arbeit von der Wirtschaft ohne Kapitalsaufzehrung getragen werden kann, festzulegen, von der Wirtschaftspolitik gefördert werden. Zu diesem von den Gewerkschaften festgehaltenen Lohnsatz kann nur ein Teil der Arbeiter Beschäftigung finden. Solange den Arbeitslosen Unterstützungen aus öffentlichen Mitteln zuteil werden und solange nicht wirksam dafür Sorge getragen wird, daß Arbeiter, die bereit sind, zu einem niedrigeren Satz als dem von der Gewerkschaft geforderten, zu arbeiten, gegen Gewaltanwendung seitens der Gewerkschaften geschützt sind, wird die künstliche Überhöhung des Lohnniveaus bleiben, da sie gegen den Druck arbeitsuchender Arbeitsloser gesichert ist. Aber dann wird auch die Arbeitslosigkeit immer mehr um sich greifen. Die Arbeitslosenunterstützung ist keineswegs, wie die von der interventionistischen Lehre beherrschte öffentliche Meinung anzunehmen pflegt, eine Maßnahme zur Milderung der durch die Arbeitslosigkeit hervorgerufenen Not. Sie ist vielmehr ein Glied in der Kette von Ursachen, die die Arbeitslosigkeit als Dauer- und Massen­erscheinung erst schaffen.

KK

•••

Wenn man anregt, den Unternehmern, die Arbeitslose in ihre Betriebe einstellen wollen, einen Teil des Lohnaufwandes unmittelbar oder mittelbar aus öffentlichen Mitteln zu vergüten, so erkennt man an, daß die Unternehmer bei einem niedrigeren Lohnstande in der Lage wären, mehr Arbeiter zu beschäftigen als bei einem höheren. Wenn man vorschlägt, der Staat oder die Gemeinden mögen ohne Rücksicht auf die Rentabilität Arbeiten ins Werk setzen, die die Privatwirtschaft, weil sie unrentabel sind, nicht leisten will, so heißt auch das nichts anderes, als daß der Lohn so hoch ist, daß er eine Rentabilität dieser Unternehmungen nicht zuläßt. (Nebenbei bemerkt übersieht dieser Vorschlag ganz, daß der Staat und Gemeinden nur dann bauen und investieren können, wenn sie die hierfür erforderlichen Mittel der Privatwirtschaft entziehen, so daß also die Verwirklichung dieses Vorschlages auf der einen Seite genau so viel neue Arbeitslosigkeit schaffen müßte, als auf der anderen Seite Arbeitslosigkeit beseitigt wird.) Wenn man neuestens wieder daran denkt, die Arbeitszeit zu verkürzen, so bedeutet auch das eine Anerkennung unserer Auffassung. Denn indem dieser Vorschlag die Arbeitszeit dergestalt kürzen will, daß alle Arbeitslosen Beschäftigung finden, und dabei jedem einzelnen Arbeiter in dem Maße, in dem er weniger zu arbeiten hat als heute, geringeren Lohn zukommen lassen will, setzt er als selbstverständlich voraus, daß beim Satze der gegenwärtigen Entlohnung nicht mehr Arbeit zu finden ist, als gegenwärtig vergeben wird. Daß die Löhne zu hoch sind, um allen Beschäftigung zu geben, gibt auch zu, wer die Forderung aufstellt, die Arbeiter mögen ohne Erhöhung des Lohnsatzes ihre Leistung steigern. Wo Zeitlohn herrscht, bedeutet dies ja ohne weiteres Verbilligung der Arbeit, und dort, wo Stücklohn herrscht, dasselbe unter der Voraussetzung, daß die Stücklöhne gekürzt werden.

UW, S. 19 f.

•••

Für den Unternehmer ist die Verwendung von Arbeitern Teil eines Geschäftes; sinkt der Lohn, so steigt die Rentabilität seines Unternehmens, er kann mehr Arbeiter einstellen. Die Arbeiter haben es mithin in der Hand, die Nachfrage nach Arbeitskräften zu erhöhen. Das bedeutet nun ganz und gar nicht, daß der Markt die Tendenz hätte, den Lohnsatz ständig zu drücken. Wenn die Konkurrenz der Arbeiter die Tendenz hat, den Lohn zu drücken, so hat der Wettbewerb der Unternehmer wieder die Tendenz, ihn in die Höhe zu treiben.

UW, S. 15 f.

•••

Man vergegenwärtige sich etwa das Problem einer Massenarbeitslosigkeit, die Jahr um Jahr verlängert wird. Der »Fortschrittliche« interpretiert sie als ein Übel, das dem Kapitalismus innewohnt. Das naive Publikum ist bereit, diese Erklärung zu schlucken. Die Leute machen sich nicht klar, daß die Arbeitslosigkeit in einem unbehinderten Arbeitsmarkt, der weder von gewerkschaftlichem Druck noch von vom Staat festgesetzten Mindestlohnsätzen beeinträchtigt wird, lediglich kleine Gruppen für kurze Zeit betrifft. Bei freiem Kapitalismus ist Arbeitslosigkeit eine vergleichsweise unwichtige, vorübergehende Erscheinung; es herrscht eine ständige Tendenz zum Verschwinden der Arbeitslosigkeit vor. Wirtschaftlicher Wandel mag zu neuer Arbeitslosigkeit führen. Doch zu den Lohnsätzen, die auf einem freien Arbeitsmarkt vereinbart werden, erhält jeder, der Lohn verdienen will, schließlich eine Anstellung. Arbeitslosigkeit als Massenerscheinung ist die Folge einer angeblichen »arbeiterfreundlichen« Politik des Staates und von gewerkschaftlichem Druck und gewerkschaftlicher Gewalt. {...} Es ist eine Illusion zu glauben, daß Staatsausgaben Arbeitsplätze für Unbeschäftigte – also für jene, die wegen der Politik der Gewerkschaften oder der Regierung keine Arbeitsplätze erhalten können – schaffen können. Wenn die Staatsausgaben auf nicht-inflationäre Weise finanziert werden, also entweder durch Besteuerung der Bürger oder durch Anleihen beim Publikum, vernichten sie auf der einen Seite so viele Arbeitsplätze wie sie auf der anderen Seite schaffen. Wenn sie durch Inflation finanziert werden, also entweder durch eine Ausweitung des Umlaufs an Geld und Banknoten oder durch Anleihen bei Geschäftsbanken, verringern sie die Arbeitslosigkeit nur dann, wenn die Geldlöhne hinter den Warenpreisen zurückbleiben, also wenn und insoweit die realen Lohnsätze sinken. Es gibt nur einen Weg zu einer Erhöhung der realen Lohnsätze für alle, die Löhne verdienen wollen: die fortschreitende Anhäufung neuen Kapitals und die Verbesserung technischer Produktionsweisen, die das neue Kapital hervorruft. Die wahren Interessen der Arbeitnehmer stimmen mit denen der Arbeitgeber überein.

BK, S. 117 f.

•••

Im Gleichgewichtszustand der Volkswirtschaft gibt es keine unbeschäftigten Arbeitskräfte. Die Arbeitslosigkeit ist eine Folge der wirtschaftlichen Veränderung, sie ist in der durch obrigkeitliche und gewerkschaftliche Eingriffe nicht behinderten Wirtschaft stets nur eine Übergangserscheinung, und die Verschiebung der Lohnsätze hat immer wieder die Tendenz, sie zum Verschwinden zu bringen. Durch zweckentsprechende Einrichtungen, wie zum Beispiel durch Ausgestaltung der Arbeitsvermittlung, die sich auf dem unbehinderten Markte, d. i. bei voller Freizügigkeit der Person und bei Aufhebung aller die Berufswahl und den Berufswechsel erschwerenden Umstände aus dem Wirtschaftsmechanismus heraus entwickeln würden, könnte man die Dauer der einzelnen Fälle von Arbeitslosigkeit so sehr verkürzen, daß sie kaum noch als ein ernstes Übel empfunden werden könnte. Doch das Verlangen, jedem Bürger einen Anspruch auf Beschäftigung in seinem gewohnten Berufe zu einem Lohn zuzugestehen, der hinter dem Lohnsatz anderer Arbeit, die gerade mehr begehrt wird, nicht zurückbleibt, ist ganz und gar verkehrt. Die Wirtschaft kann ein Mittel zur Erzwingung des Berufswechsels nicht entbehren. In dieser Gestalt ist das Recht auf Arbeit nicht nur in einer auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruhenden Gesellschaftsordnung schlechterdings undurchführbar. Auch das sozialistische Gemeinwesen könnte dem Arbeiter nicht das Recht zugestehen, gerade in seinem gewohnten Berufe tätig zu sein; es müßte die Befugnis haben, die Arbeitskräfte dort zu verwenden, wo sie gerade benötigt werden.

GW, S. 37 f.

8 »Auch im Gleichgewichtszustand können Anlagen bestehen, die nicht oder nicht vollständig ausgenützt werden. Sie stören den Gleichgewichtsstand ebensowenig wie das Brachliegen des extramarginalen Bodens.«

Arbeitsteilung

Die wissenschaftliche Erfassung des Problems der Gesellschaft und der Vergesellschaftung hat von der Arbeitsteilung und ihrem Gegenstück, der Arbeitsvereinigung, auszugehen. Gesellschaft ist das Zusammenhandeln, Zusammenwirken und Zusammengehen der Menschen, das in der Arbeitsteilung seinen Ausdruck findet. Die Erfahrung lehrt den handelnden Menschen, daß die arbeitsteilig verrichtete Arbeit ergiebiger ist als die in Vereinzelung geleistete. Denn die Bedingungen, unter denen der Mensch sein Handeln betätigt, sind so beschaffen, daß Arbeitsteilung und Arbeitsvereinigung ergiebiger sind als Sonderhandeln der Einzelnen. Diese Bedingungen sind: Erstens: die Ungleichheit der einzelnen Menschen, insbesondere auch in Hinblick auf ihre Eignung zur Verrichtung verschiedener Arbeiten.9 Zweitens: die ungleiche Verteilung der natürlichen Produktionsbedingungen auf der Erde. Man kann diese beiden Voraussetzungen auch als eine auffassen, indem man von der Mannigfaltigkeit der Natur spricht, die das Weltall zu einem Gefüge von unendlichem Reichtum der Spielarten gemacht hat. Wäre die Erdoberfläche so beschaffen, daß die Produktionsbedingungen an allen ihren Punkten gleich wären, und würde ein Mensch den übrigen Menschen so gleichen wie ein Kreis jedem andern Kreis mit demselben Durchmesser in der euklidischen Geometrie gleicht, dann würde Arbeitsteilung den Handelnden keine Vorteile bieten. Abseits von diesen beiden Voraussetzungen steht eine dritte, die – wie die Erfahrung zeigt – gleichfalls gegeben ist: daß es nämlich Arbeiten gibt, die die Kraft der Einzelnen übersteigen und nur durch Zusammenfassung der Kräfte mehrerer geleistet werden können. Es ist dabei gleichgültig, ob die Unzulänglichkeit der Kräfte eines Einzelnen in dem Missverhältnis zwischen dem, was er an Kraft aufzubringen vermag, und dem erforderlichen Arbeitsaufwand liegt, oder darin, daß der Einzelne zwar imstande wäre, das geplante Werk allein zu vollbringen, daß er aber dazu so viel Zeit brauchen würde, daß er die Vollendung voraussichtlich überhaupt nicht erleben würde oder daß sie so spät eintreten würde, daß sie ihm nicht einen Nutzen zu bringen vermöchte, der den Aufwand lohnen könnte. In beiden Fällen kann das Ziel des Handelns nur mit vereinten Kräften erreicht werden. Die Verbindung der Einzelnen zum gemeinsamen Handeln schafft erst die Möglichkeit, das Ziel zu erreichen.

NÖ, S. 125 f.

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Der Rassenhass ist ebenso wie die mystischen Gemeinschaftsgefühle keine ursprüngliche, natürliche und den Menschen angeborene Erscheinung; er ist das Erzeugnis einer Ideologie. Doch selbst dann, wenn es einen Tatbestand gäbe, den man als ursprünglichen oder natürlichen Rassenhass zu bezeichnen hätte, würde das die gesellschaftliche Kooperation der Menschen nicht berühren und die Ricardo’sche10 Vergesellschaftungstheorie nicht entkräften. Die gesellschaftliche Verbundenheit hat weder mit individueller Liebe noch mit einem allgemeinen Liebesgebot etwas zu schaffen. Nicht weil die Menschen einander lieben oder einander lieben sollten, kooperieren sie, sondern weil es im Interesse jedes Einzelnen liegt, sich die Vorteile der Arbeitsteilung zunutze zu machen. Selbst wenn es wahr wäre, daß die Natur zwischen den Rassen Hass wachsen ließ, so läge darin nichts, was die wechselseitigen Vorteile der Arbeitsteilung beeinträchtigen könnte. Nicht aus Liebe zu den Mitmenschen, sondern aus Liebe zu sich selbst zieht der in Gesellschaft lebende Mensch den Frieden und die einträchtige Zusammenarbeit dem unsozialen Gegeneinander vor.

NÖ, S. 138 f.

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Wenn das isolierte Handeln Einzelner durch Zusammenhandeln ersetzt wird, bleibt das Wesen des Handelns unberührt. Daß es Schneider und Tischler, Ärzte und Bauern gibt, ist eben Arbeitsteilung. Der Austausch von Diensten verleiht diesem System seinen Sinn. Es gibt in der Gesellschaft, der Gesamtheit der kooperierenden Wirte, keine Erhalter und keine Erhaltenen; es gibt hier nur ein Geben und Empfangen, ein wechselseitiges Tauschen, ein Hin und Her von Diensten. Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß zwar der Landwirt ohne den Schneider, nicht aber der Schneider ohne den Landwirt leben könnte. Um allein für sich zu wirtschaften, müssten beide ihre Spezialisierung aufgeben. Nicht nur der Schneider müsste auch Landwirt werden; der Landwirt müsste auch Schneider werden, wenn er nicht nackt gehen will.

NÖ, S. 112

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Die menschliche Gesellschaft ist die Vereinigung der Menschen zu gemeinsamem Handeln. Gemeinsames nach dem Grundsatz der Arbeitsteilung gerichtetes Handeln hat nämlich gegenüber dem isolierten Handeln einzelner Menschen den Vorzug höherer Ergiebigkeit. Wenn eine Anzahl Menschen nach dem Grundsatz der Arbeitsteilung gemeinschaftlich ihr Handeln einrichten, dann erzeugen sie unter im übrigen gleichen Verhältnissen nicht nur soviel, als die Summe dessen ausmachen würde, was sie einzeln handelnd erzeugt hätten, sondern bedeutend mehr. Auf dieser höheren Ergiebigkeit der arbeitsteilig verrichteten Arbeit beruht die ganze menschliche Gesittung. Durch die Arbeitsteilung unterscheidet sich der Mensch von den Tieren. Die Arbeitsteilung hat den schwachen, in physischer Kraft den meisten Tieren gegenüber zurückstehenden Menschen zum Beherrscher der Erde und zum Schöpfer der Wunderwerke der Technik gemacht. Ohne Arbeitsteilung wären wir heute in keiner Beziehung weiter als unsere Vorfahren vor tausend oder zehntausend Jahren. Die menschliche Arbeit für sich allein ist nicht imstande, unser Wohlbefinden zu mehren. Sie muß, um fruchtbar zu werden, auf die von der Natur zur Verfügung gestellte Erde und die Stoffe und Kräfte der Erde angewendet werden. Der Boden und alle Stoffe und Kräfte, die er birgt und trägt, und die menschliche Arbeit sind die beiden Produktionsfaktoren, aus deren sinnvollem Zusammenwirken alle die Brauchbarkeiten hervorgehen, die der Befriedigung unserer äußeren Bedürfnisse dienen.

LI, S. 16

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Der Bürgerkrieg zerstört so die Arbeitsteilung, weil er jede Gruppe zwingt, sich an der Arbeit ihrer Parteigenossen Genüge sein zu lassen. Hat man die Möglichkeit solcher Feindseligkeiten im Auge, dann wird man von vornherein die Arbeitsteilung sich nicht so stark entwickeln lassen dürfen, daß man dann, im Falle es wirklich zum Kampf kommt, Mangel leidet. Die Entfaltung der Arbeitsteilung ist nur soweit möglich, als die Gewähr ewigen friedlichen Zusammenlebens geboten ist. Die Arbeitsteilung kann sich nur unter dem Schutze eines gewährleisteten Friedens entwickeln. Wo diese Voraussetzung fehlt, überschreitet die Arbeitsteilung nicht die Grenzen des Dorfes oder nicht einmal die des einzelnen Familienhauses. Die Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land – daß nämlich die Bauern der umliegenden Dörfer in die Stadt Getreide, Vieh, Milch und Butter liefern und von den Städtern gewerbliche Erzeugnisse eintauschen – setzt schon voraus, daß wenigstens innerhalb der einzelnen Landschaften der Frieden gesichert ist. Soll die Arbeitsteilung das Gebiet eines ganzen Volkes umfassen, so müssen Bürgerkriege außerhalb des Bereiches der Möglichkeit liegen; soll sie die ganze Welt umspannen, so muß ewiger Frieden zwischen den Völkern gesichert sein.

LI, S. 22 f.

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Das entscheidende unwiderlegbare Argument gegen den Krieg holt der Liberalismus aus der Tatsache der internationalen Arbeitsteilung. Die Arbeitsteilung überschreitet schon lange die Grenzen der politischen Gemeinschaft. Kein Kulturvolk befriedigt heute seine Bedürfnisse selbstgenügsam unmittelbar durch eigene Produktion. Alle Völker sind darauf angewiesen, Waren aus dem Ausland zu beziehen und durch die Ausfuhr von eigenen Erzeugnissen zu bezahlen. Die Unterbindung des internationalen Warenaustausches würde die Menschheit kulturell schwer schädigen, würde den Wohlstand, ja die Existenzgrundlage von Millionen und Millionen Menschen untergraben. In einem Zeitalter, in dem die Völker wechselseitig auf die Erzeugnisse ausländischer Produktion angewiesen sind, können Kriege nicht mehr geführt werden. Da ein Krieg, den ein in die internationale Arbeitsteilung verflochtenes Volk führt, durch Unterbindung der Zufuhren entschieden werden kann, muß eine Politik, die auf die Möglichkeit eines Krieges Rücksicht nehmen will, darauf bedacht sein, die nationale Wirtschaft selbstgenügsam zu machen, d. h. sie muß schon im Frieden dahin streben, daß die internationale Arbeitsteilung an den Grenzen des eigenen Staates Halt macht.

LI, S. 95

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Der Kampf aller Menschen gegen alle anderen Menschen und der Kampf aller Urhorden gegen alle anderen Urhorden wird dann durch die gesellschaftliche Vereinigung abgelöst. In der Tauschgesellschaft besteht solange kein Widerstreit der Interessen, als das Optimum der Bevölkerungszahl nicht erreicht ist. Solange der Zuwachs von Arbeitern eine überproportionale Steigerung des Arbeitsertrags bedeutet, ist in der arbeitteilenden Gesellschaft der natürliche Interessenkonflikt durch Interessenharmonie ersetzt. Die Menschen sind nicht länger Konkurrenten um ein knappes Maß von Unterhaltsmitteln, sondern als Mitstrebende zur Erreichung gemeinsamer Ziele verbunden. Die Ankunft eines neuen Gastes an der Tafel des Lebens bedeutet nicht Kürzung der Portionen, die den Einzelnen zufallen, sondern eher ihre Vergrößerung.

NÖ, S. 608

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Für jede Tier- und Pflanzengattung sind die Existenzmöglichkeiten beschränkt. Daher sind die vitalen Interessen jedes Lebewesens unweigerlich denjenigen aller Angehörigen seiner eigenen Spezies entgegengesetzt. Nur der Mensch ist imstande, diesen von Natur aus unvermeidlichen Konflikt durch Zusammenarbeit zu überwinden. Dank dem Prinzip der Arbeitsteilung wird eine höhere Produktivität erreicht; diese tritt so an die Stelle der bittern Feindschaft, die der Mangel an Nahrungsmitteln hervorruft, und sie bewirkt eine Interessengemeinschaft von Menschen mit gleicher Zielrichtung. Der friedliche Austausch von Gütern und Dienstleistungen – die Wirtschaft – wird zum Musterbeispiel zwischenmenschlicher Beziehungen. Gegenseitige Abmachungen der Beteiligten treten an die Stelle der Gewalt, der Berufung auf das Gesetz des Stärkeren.

WS, S. 13

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Der Sozialismus pflegt das Freiheitsargument gewöhnlich damit zurückzuweisen, daß er erklärt, in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung gebe es nur für die Besitzenden Freiheit. Der Proletarier sei unfrei, denn er müsse arbeiten, um sein Leben zu fristen. Man kann sich keine ärgere Verkennung des Begriffes der Freiheit denken als diese. Daß der Mensch arbeiten muß, wenn er mehr verzehren will als das frei in Wald und Feld herumschweifende Tier, ist eine der Bedingungen, die die Natur seinem Leben gesetzt hat. Daß die Besitzenden auch ohne zu arbeiten leben können, ist ein Gewinn, den sie aus der gesellschaftlichen Arbeitsvereinigung ziehen, ohne jemand, etwa die Nichtbesitzenden, zu schädigen. Auch für diese bringt die Arbeitsvereinigung Gewinn durch Erhöhung der Produktivität der Arbeit. Die sozialistische Gesellschaftsordnung könnte die Abhängigkeit des Einzelnen von den natürlichen Lebensbedingungen nur dadurch mildern, daß sie die Produktivität der Arbeit weiter steigert. Kann sie das nicht, führt sie im Gegenteil zur Verminderung der Produktivität, dann macht sie den Menschen der Natur gegenüber unfreier.

GW, S. 173

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Geschichtlich stehen am Ausgangspunkt der gesellschaftlichen Arbeitsteilung zwei natürliche Tatsachen: die individuelle Ungleichheit der menschlichen Anlagen und die Verschiedenheit der äußeren Lebensbedingungen auf der Erdoberfläche. Diese beiden Tatsachen sind in Wahrheit eins: die Mannigfaltigkeit der Natur, die sich nicht wiederholt und das Weltall mit seinem unendlichen, sich nie erschöpfenden Reichtum an Spielarten hervorbringt. (Und diese natürliche Tatsache selbst, die wir in der soziologischen Betrachtung als Gegebenheit hinzunehmen haben, ist das Ergebnis eines in der Natur vorgegangenen Prozesses der Differenzierung und Integrierung, der der Erklärung durch dasselbe Prinzip harrt, das zur Erklärung der gesellschaftlichen Entwicklung dienen soll.)

GW, S. 262

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Von allen Beschuldigungen, die man gegen das System des Freihandels und des Sondereigentums erhoben hat, ist keine törichter als die, daß es antisozial und individualistisch sei und daß es den sozialen Körper atomisiere. Der Verkehr wirkt nicht auflösend, wie die romantischen Schwärmer für Autarkie kleiner Teile der Erdoberfläche behaupten, sondern verbindend. Erst die Arbeitsteilung läßt gesellschaftliche Bindung entstehen, sie ist das Soziale schlechthin. Wer für nationale und staatliche Wirtschaftsgebiete eintritt, sucht die ökumenische Gesellschaft zu zersetzen. Wer durch den Klassenkampf die gesellschaftliche Arbeitsteilung im Innern eines Volkes zu zerstören sucht, ist antisozial.

GW, S. 281

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In der gesellschaftlichen Arbeitsgemeinschaft nimmt der Einzelne jeweils eine bestimmte Stellung ein, durch die sein Verhältnis zu allen übrigen Gliedern der Gesellschaft gegeben ist. Die Beziehung, die ihn mit den anderen Mitgliedern der Gesellschaft verbindet, ist die Tauschbeziehung. Als Gebender und Empfangender, als Verkäufer und Käufer gehört er der Gesellschaft an.

GW, S. 299

9 »Die Gesellschaftslehre der Aufklärungszeit hat diese elementare Erfahrungstatsache der animalischen und geistigen Natur des Menschen keineswegs, wie ihr immer wieder vorgeworfen wird, verkannt. Sie hat ihr in ihrem System in der Lehre von der Arbeitsteilung eine tragende Rolle zugewiesen.«

10 David Ricardo (* 1772 in London; † 1823 in Gatcombe Park). Britischer Wirtschaftswissenschaftler und führender Vertreter der klassischen Nationalökonomie.

Außenwirtschafts­lehre, monetäre

Daher ist denn auch jene Auffassung nicht zutreffend, die die Gestaltung der Valutenkurse nicht aus der Kaufkraft, sondern aus der Zahlungsbilanz heraus zu erklären sucht. Diese Lehre unterscheidet zwischen der Entwertung des Geldes, das ist Verringerung seiner internationalen Bewertung, und der Wertverminderung, das ist der Verminderung seiner Kaufkraft im Inlande. Zwischen beiden bestehe nur ein entfernter oder – wie von manchen behauptet wird – gar kein Zusammenhang. Der Valutenkurs sei ein Ergebnis des jeweiligen Standes der Zahlungsbilanz. Steige die Höhe der an das Ausland zu leistenden Zahlungen, ohne daß eine entsprechende Vermehrung der vom Auslande zu empfangenden Zahlungen eintritt, oder gehe die Höhe der vom Auslande zu empfangenden Zahlungen zurück, ohne daß eine entsprechende Verminderung der an das Ausland zu leistenden Zahlungen erfolgt, dann müßten die Valutenkurse steigen. Der Grundfehler dieser Theorie ist der, daß sie ganz darauf vergißt, daß die Höhe der Einfuhr und der Ausfuhr in erster Linie von den Preisen abhängt, daß man nicht aus Laune oder des Vergnügens halber ein- oder ausführt, sondern um Geschäfte zu machen, um an den Preisunterschieden hüben und drüben zu verdienen, und daß die Ein- oder Ausfuhr solange fortgesetzt wird, bis die Preisunterschiede verschwunden sind. Sie übersieht die Bedeutung der Preise für die internationale Warenbewegung. Sie geht fehlerhafterweise von dem Akte der Zahlung aus, statt von dem des Geschäftsabschlusses. Das ist die Folge jener pseudojuristischen Geldlehre, die im Gelde nur das Zahlungsmittel, nicht das allgemeine Tauschmittel erblicken will, einer Lehre, die in der Wissenschaft und in der Politik die übelsten Früchte getragen hat. Die Sache liegt nicht etwa so, daß der Kaufmann beim Abschluß des Geschäftes nicht an die Kosten der Valutabeschaffung denkt und sich erst bei Eintritt der Fälligkeit der Zahlung um diese zu kümmern beginnt. Ein Kaufmann, der so vorgehen wollte, könnte es nicht lange bleiben. Der rechnende Kaufmann zieht die Valutaverhältnisse sehr wohl in Betracht, da er immer die Absatzpreise im Auge hat; er berücksichtigt auch die erwarteten Valutaschwankungen, sei es, daß er von den marktmäßigen Mitteln der Kurssicherung Gebrauch macht, sei es, daß er selbst das Risiko der Valutaveränderung zu tragen gewillt ist.

GS

Bankpolitik

Man verkennt den Gang der Bankpolitik, wenn man in den Eingriffen der Regierungen das Bestreben sehen will, die Umlaufsmittelausgabe zu beschränken. Der Grundzug der Bankpolitik war nicht Beschränkung, sondern Förderung der Umlaufsmittelausgabe. Man hat Banken privilegiert, weil man zur Verbilligung des Kredits die Grenzen, die die Bankfreiheit der Kreditausweitung setzt, hinausverlegen wollte, oder weil man für die Staatskassen unmittelbare Vorteile erlangen wollte; meist wurden beide Ziele, das kreditpolitische und das fiskalische, zugleich angestrebt. Man hat im Umlaufsmittel ein taugliches Werkzeug zur He­rabsetzung des Zinsfußes gesehen und forderte von der Bank, daß sie durch Ausweitung der Umlaufsmittelausgabe den Staatskassen oder der »Wirtschaft« billige Kredite zur Verfügung stelle. Erst als man die währungspolitischen Folgen der Kreditausweitung zu erkennen begann, kam es zu Gesetzen, die die Ausgabe metallisch nicht bedeckter Banknoten und mitunter auch die Eröffnung metallisch nicht gedeckter Kassenführungsguthaben zu beschränken suchten. Zur Bankfreiheit, die dem, was man als Mißbrauch oder Gefahr schrankenloser Kreditausweitung ansah, am wirksamsten abgeholfen hätte, wollte man gerade wegen ihrer Wirksamkeit nicht zurückkehren. Denn man glaubte, daß die Wirtschaft auf ein »normales«, auf ein »berechtigtes« Ausmaß von Kreditausweitung nicht verzichten könne, und man hielt das Maß an Kreditausweitung, das im Systeme der Bankfreiheit möglich wäre, für unzulänglich. {...} Jedenfalls aber bedeutet eine Regelung der Umlaufsmittelausgabe, die die privilegierten Banken bestehen lässt, nie mehr als Beschränkung der Umlaufsmittel­ausgabe für »normale« Zeiten und Verhältnisse. Selbst wenn man radikal und ausnahmelos alle Erweiterung der Umlaufsmittelausgabe untersagt, bleibt doch, wenn man die privilegierte Zentralbank aufrecht erhält, die Einrichtung, die es jederzeit ermöglicht, die Umlaufsmittel zu vermehren. Dann wird sich immer die Regierung finden, die von der ihr zugebote stehenden Möglichkeit der Kreditausweitung auch Gebrauch machen wird. Jede Regierung ist stets geneigt, finanzielle Verlegenheiten, denen sie begegnet, als einen Fall von Notstand anzusehen, der die Anwendung von außerordentlichen Mitteln, die in »normalen« Zeiten verpönt erscheinen, rechtfertigen kann. Auch das schärfste Verbot der Erweiterung der Umlaufsmittelausgabe versagt gegenüber einer Notstandsgesetzgebung.

NÖ, S. 401 ff.

Bestechung

In der unbehinderten Marktwirtschaft haben die Unternehmer und Kapitalisten weder an der Beeinflussung der öffentlichen Meinung noch an der Bestechung der Regierungsfunktionäre Interesse. Im Staatswesen, das durch Eingriffe der Obrigkeit in das Marktgetriebe Privilegien schafft, die einer Anzahl von Menschen oder Gruppen von Menschen Vorteile auf Kosten der übrigen Bürger bringen, ist jedermann darauf bedacht, bei der Verteilung der Gnaden so gut als möglich abzuschneiden. Nicht selten werden die Unternehmer und Kapitalisten zum Bestechen gezwungen. Sie müssen trachten, die öffentliche Meinung, die Parteien und die Regierung durch Geschenke davon abzuhalten, ihnen Schaden zuzufügen. Zu den öffentlichen Abgaben treten die Abgaben, die die Beamten, die Parteien und die Parteipresse allen, die zahlen können, auferlegen. Es liegt in der Natur der Sache, daß man von der Bestechung, die man leistet, um verschont zu werden, schließlich zur Bestechung gelangt, die zur Erlangung von einträglichen Privilegien geleistet wird. Der Tatbestand, daß Unternehmer und Kapitalisten die Regierungsmänner mitunter bestechen, beweist nicht, daß sie herrschen, sondern, daß sie beherrscht werden. Nicht die Herrscher zahlen Tribute, sondern die Beherrschten.

NÖ, S. 172

Bildung

Der Schwerpunkt, der von den Soziologen auf die Massenphänomene gelegt wird und ihre Vergötterung des gemeinen Mannes sind ein Nebenzweig des Mythos, daß alle Menschen biologisch gleich sind. Welche Unterschiede zwischen Individuen auch bestehen, sie sind, so wird behauptet, durch postnatale Umstände verursacht. Wenn alle Menschen gleichermaßen die Vorzüge einer guten Bildung genössen, würden solche Unterschiede nicht auftauchen. Die Verteidiger dieser Lehre bleiben uns schuldig, die Unterschiede zwischen Abgängern derselben Schule zu erklären und die Tatsache, daß viele, die autodidaktisch gelernt haben, Doktoren, Master und Bachelor der renommiertesten Universitäten weit überragen. Sie übersehen, daß Bildung Schülern nicht mehr beibringen kann als das Wissen ihrer Lehrer. Bildung erzieht Schüler, Imitatoren und Routiniers, keine Bahnbrecher neuer Ideen und kreative Genies. Die Schulen sind keine Kinderstuben des Fortschritts und der Verbesserung, sondern Konservatorien der Tradition und unveränderlicher Denkweisen. Das Zeichen des kreativen Geistes ist, daß er einen Teil dessen, was er gelernt hat, ablehnt oder wenigstens etwas Neues hinzufügt. Man mißdeutet total die Meisterleistung des Bahnbrechers, wenn man sie auf die Unterweisung reduziert, die er von seinem Lehrer erhalten hat. Gleichgültig wie wirksam schulisches Üben auch sein mag, es würde nur Stagnation, Orthodoxie und starre Pedanterie erzeugen, wenn es keine außergewöhnlichen Menschen jenseits der Weisheit ihrer Übungsleiter gäbe.

TG, S. 269

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Der europäische Totalitarismus ist das Ergebnis der überlegenen Stellung der Bürokratie im Bereich der Erziehung. Die Universitäten bereiteten den Diktatoren den Weg.

BK, S. 94

Bürokratie

Bürokratisierung ist notwendig starr, weil sie die Befolgung vorhandener Regeln und Praktiken be­inhaltet. Aber im gesellschaftlichen Leben führt Starrheit zu Versteinerung und Tod. Es ist eine sehr bezeichnende Tatsache, daß Stabilität und Sicherheit die meistgeliebten Schlagwörter der heutigen »Reformer« sind. Wenn die Menschen der Urzeit sich den Grundsatz der Stabilität zu eigen gemacht hätten, würden sie niemals Sicherheit gewonnen haben; sie würden vor langer Zeit schon von Raubtieren und Bazillen ausgerottet worden sein. Deutsche Marxisten prägten das Wort: Wenn der Sozialismus wider die menschliche Natur ist, dann muß die menschliche Natur verändert werden. Sie bemerkten nicht, daß ein Mensch aufhört, ein Mensch zu sein, wenn seine Natur verändert wird. In einem allumfassenden, bürokratischen System würden weder die Bürokraten noch ihre Untertanen weiterhin Menschen bleiben.

BK, S. 108

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Die Bürokratisierung ist nur eine ­besondere Eigenheit der Ver­staatlichung.

BK, S. 116

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Der uneffiziente Fachmann wird immer eine vorrangige Stellung der Bürokratie erstreben. Er ist sich völlig darüber im Klaren, daß er innerhalb eines Wettbewerb­systems keinen Erfolg haben wird. Für ihn ist die allumfassende Bürokratisierung ein Zufluchtsort. Mit der Macht einer Behörde versehen, wird er seine Anweisungen mit Hilfe der Polizei durchsetzen. Dieser ganzen fanatischen Verteidigung von Planwirtschaft und Sozialismus liegt oft nichts anderes zugrunde als das insgeheime Bewußtsein der eigenen Minderwertigkeit und Ineffizienz. Menschen, die sich ihrer Unfähigkeit im Wettbewerb bewußt sind, verachten »dieses kranke Konkurrenzsystem«. Wer seinen Mitmenschen nicht zu dienen in der Lage ist, will sie beherrschen.

BK, S. 98

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Für die Aufgaben, die die Gerichte und Behörden zu erfüllen haben, gibt es kein rechnerisch erfaßbares Kriterium wie für die an den Preisen des Marktes orientierte Wirtschaft. Darum kann die oberste Leitung der Staatsgeschäfte die Aufgabe der untergeordneten Stellen nicht so einfach umschreiben, wie ein Unternehmer es seinen Beauftragten gegenüber tun kann. Soll die Einheit der Verwaltung aufrecht bleiben und soll nicht alle Entscheidungsbefugnis von der Spitze auf die ausführenden Organe niederster Instanz übergehen, dann muß das Tun und Lassen dieser Organe in Amtsinstruktionen und Weisungen aller Art für jeden denkbaren Fall bis ins einzelne geregelt werden. Dann wird es Pflicht eines jeden Amtsorgans, diese Weisungen zu befolgen; es kommt schließlich nicht so sehr auf Erfolg oder Mißerfolg seiner Tätigkeit an als darauf, ob sie durch die Reglements formal gedeckt ist. Diesen Formalismus, der besonders auch in allen Dingen der Einstellung, Behandlung und Beförderung des Personals zutage tritt, nennen wir Bureaukratismus. Der Bureaukratismus ist nicht ein Übelstand, der aus irgendwelchen Mängeln und Gebrechen der Organisation oder aus der Unzulänglichkeit der Amtspersonen entspringt; er ist das Wesen jeder Betriebsführung, die nicht nach der Rentabilitätsrechnung ausgerichtet ist. Wenn Staat und Gemeinden ihre Tätigkeit über den Bereich der Gerichts- und Polizeiführung ausdehnen, dann wird der Bureaukratismus zu einem Grundproblem der gesellschaftlichen Organisation. Selbst ein nur auf Rentabilität eingestelltes öffentliches Unternehmen könnte nicht unbureaukratisch geführt werden. Man hat versucht, den Bureaukratismus dadurch auszuschalten, daß man die Leiter dieser Betriebe am Gewinn beteiligt. Doch da sie die eintretenden Verluste niemals tragen können, fördert man damit nur allzuleicht Waghalsigkeit, und um dieser entgegenzutreten, bindet man wichtigere Entscheidungen erst recht wieder an Beschlüsse irgendwelcher vorgesetzter Behörden, Kollegien, Beiräte und an Gutachten von »Fachleuten und Sachverständigen«, schafft also verstärkten Formalismus und ­Bureaukratismus. Doch in der Regel verlangt man von den öffentlichen Betrieben, daß sie nicht bloß auf Rentabilität hinarbeiten sollen. Gerade darum will man sie ja in der öffentlichen Hand wissen. Auch Deumer11 stellt an das verstaatlichte Bankwesen die Forderung, daß es sich mehr vom volkswirtschaftlichen als vom privatwirtschaftlichen Gesichtspunkte orientieren soll, daß es also seine Mittel nicht dort anlegen soll, wo der höchste Ertrag zu erzielen ist, sondern ohne derartige Rücksichten zu nehmen, dort, wo dies im nationalen Interesse erwünscht wäre. {...} Unter solchen Umständen verliert die Rentabilitätsrechnung ihre Bedeutung für das Unternehmen, und man muß, soll die Gebarung der Generalleitung und der Abteilungsleiter überhaupt kontrolliert werden, zu den alten Mitteln des Bureaukratismus greifen: zur Reglementierung der Geschäftsführung und zur Besetzung aller Stellen mit Personen, die bereit sind, die Reglements zu befolgen. {...} Man kann also die Sache drehen und wenden, wie man will, es kann nicht gelingen, eine Organisation ausfindig zu machen, die den öffentlichen Betrieb vor dem Erstarren im bureaukratischen Formalismus bewahren könnte. Darüber darf man sich nicht mit der Feststellung beruhigen, daß in den letzten Jahrzehnten auch viele große Aktiengesellschaften »bureaukratisiert« wurden. Diese Bureaukratisierung ist nicht, wie ganz verkehrt behauptet wird, eine Folge ihres großen Umfangs. Auch der größte Betrieb bleibt, solange er nur auf Rentabilität eingestellt ist, gegen alle Gefahren des Bureau­kratismus gefeit. Nur wenn andere Gesichtspunkte als das Streben, Gewinne zu erzielen, den Unternehmungen aufgezwungen werden, verlieren sie die wesentlichen Eigenschaften der kapitalistischen Unternehmung. Die heute herrschende etatistische und interventionistische Politik war es, die die großen Unternehmungen genötigt hat, sich in immer steigendem Maße zu bureaukratisieren. Sie waren z. B. genötigt, an ihre Spitze nicht tüchtige Geschäftsmänner, sondern Herren mit guten Beziehungen zu maßgebenden Kreisen zu stellen, sie mußten unrentable Geschäfte eingehen, um einflußreichen Politikern und Parteien oder der Regierung gefällig zu sein, sie mußten Betriebe, die sie aufzulassen wünschten, fortführen und Unternehmungen und Betriebe, die sie nicht benötigten, übernehmen. Politik und Geschäfte sind nicht nur, was man gewöhnlich allein zu beachten pflegt, zum Schaden der Politik, sondern noch mehr zu dem der Geschäfte verquickt worden. Die tausend Rücksichten auf allerlei der Unternehmung an sich fremde Dinge, die viele Großbetriebe heute nehmen müssen, haben in sie den Keim des Bureaukratismus hineingetragen.

KI, S. 143 ff.

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Eine repräsentative Demokratie kann nicht bestehen, wenn ein großer Teil der Wähler auf der öffentlichen Gehaltsliste steht. Wenn die Parlamentarier sich nicht mehr als Treuhänder der Steuerzahler ansehen, sondern als Vertreter der Empfänger von Gehältern, Löhnen, Subventionen, Arbeitslosenunterstützung und anderen Wohltaten aus dem Steuertopf, dann ist es um die Demokratie geschehen.

BK, S. 89

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Bürokratisches Wirtschaften ist die Methode zur Führung von Verwaltungsgeschäften, welche keinen Geldwert auf dem Markt haben. Man beachte, daß wir nicht sagen, daß die erfolgreiche Handhabung öffentlicher Angelegenheiten keinen Wert besitzt, sondern, daß ihr Wert nicht durch Markttransaktionen ersichtlich wird und daß er konsequenterweise nicht in Geldbegriffen ausgedrückt werden kann.

BK, S. 61

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Der europäische Totalitarismus ist das Ergebnis der überlegenen Stellung der Bürokratie im Bereich der Erziehung. Die Universitäten bereiteten den Diktatoren den Weg.

BK, S. 94

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Das Kennzeichen einer Bürokratie ist, daß sie Dinge tut, die wichtig sind, die aber nicht bezahlt werden können und die keinen Marktpreis haben. Solch eine Sache ist zum Beispiel der Schutz der Individuen vor Gangstern und anderen Kriminellen. Das ist die Aufgabe der Polizeibehörde. Sie ist sehr wichtig, unverzichtbar. Aber die Dienste der Polizeibehörde können nicht auf dem Markt verkauft werden. Daher lassen sich die Erfolge dieser Polizeitätigkeiten nicht in der gleichen Weise bewerten wie die Tätigkeiten einer Schuhfabrik. Die Schuhfabrik kann sagen: »Das Publikum billigt unsere Tätigkeit, weil wir Gewinne machen.« Die Polizeibehörde kann nur sagen, das Publikum billigt uns durch die Handlungen des Stadtrats, des Kongresses, Parlaments und so weiter. Daher muss das Leitungssystem, das im Polizeisystem angewendet werden muss, ein bürokratisches System sein.

MU, S. 86

11 Robert Deumer (* 1882 in Leipzig; † 1956 in Karlstein). Jurist und späterer Reichsbankdirektor.

Cantillon-Effekt

Wenden wir unsere Aufmerksamkeit den Veränderungen der Geldmenge zu, also den Veränderungen des Angebots an Geld, so haben wir zunächst festzustellen, daß die Veränderungen der Geldmenge stets auch Veränderungen des Reichtums einzelner Personen oder Personengruppen bedeuten. Die Geldmenge kann nicht anders wachsen, als indem einige dieses Mehr an Geld zuerst empfangen. Wir können, wenn wir wollen, auch annehmen, daß alle Wirte an dem zusätzlichen Geld dergestalt teilhaben, daß jeder einzelne einen Teil von dem neuen Gelde sofort bei dessen Einfließen in das Marktgetriebe empfängt. Es hätte keinen Sinn diese Annahme zu machen, nicht nur weil ihr keine praktische Bedeutung zukommt, sondern weil auch dann, wenn sie zutrifft, das Ergebnis, zu dem unsere Darlegungen gelangen werden, daß nämlich die Preise der verschiedenen Waren und Dienste durch die Preissteigerung nicht gleichzeitig und nicht gleichmäßig betroffen werden – unter keinen Umständen gleichzeitig und gleichmäßig betroffen werden können – nicht berührt wird. Nehmen wir an, die Regierung erzeuge zusätzliches Papiergeld und setze es in Verkehr. Die Regierung will Waren und Arbeitskräfte kaufen oder Schulden bezahlen oder ver­zinsen. Wie dem auch immer sei, sie erscheint mit einem zusätzlichen Angebot von Geld auf dem Markte, sie ist reicher geworden und kann nun mehr kaufen, als sie ohne die Papiergeldvermehrung hätte kaufen können. Dieses neue Angebot von Geld muss die Preise der Güter, die die Regierung kaufen will, erhöhen. Wenn die Regierung ihre Einkäufe aus Mitteln bestreiten würde, die sie durch Besteuerung gewonnen hat, müsste der Preissteigerung der von der Regierung begehrten Waren eine Preissenkung der Waren gegenüberstehen, auf die die Steuerzahler nun verzichten müssen. Wenn aber die Regierung an Geld reicher wurde, ohne daß andere an Geld ärmer wurden, so bleibt dieser Preisfall aus. Einige (nämlich die von der Regierung zusätzlich gekauften) Waren steigen sogleich im Preise, die übrigen Waren behalten zunächst den alten Preisstand bei. Doch nun geht es weiter. Die, welche die von der Regierung begehrten Waren zu Markte bringen, sind nun selbst reicher geworden, sie können nun ihrerseits mehr kaufen, und so steigen auch die Preise der Waren, die sie zu kaufen begehren. So schreitet die Preissteigerung im ganzen Marktgefüge von Ware zu Ware weiter, bis schließlich alle Preise und Löhne von ihr ergriffen worden sind. Die Preissteigerung tritt mithin nicht zur gleichen Zeit bei allen Preisen und Löhnen ein. Doch auch dann, wenn schon alle Preise und Löhne gestiegen sind, ist die Preissteigerung nicht in dem gleichen Ausmaß bei den einzelnen Waren und Dienstleistungen erfolgt. Der Umstand, daß in der Zeit, in der die preissteigernde Wirkung der zusätzlichen Geldmenge von Ware zu Ware weiterschreitet, die einen sich des Vorzugs erfreuen, die Waren, die sie zu Markte bringen, zu den neuen höheren Preisen absetzen zu können, dagegen aber für die Waren, die sie kaufen, noch die älteren niedrigeren Preise zu bezahlen, und daß die anderen in der umgekehrten Lage sind, höhere Preise im Einkauf bezahlen müssen, während sie als Verkäufer nur die alten niedrigeren Preise erzielen, lässt Gewinne und Verluste entstehen. Durch diese Gewinne und Verluste und durch die Gewinne der Schuldner und durch die Einbußen der Gläubiger werden die Einkommens- und Vermögensverhältnisse in der Gesellschaft verschoben; es bildet sich eine neue Vermögens- und Einkommensschichtung, die das Verhältnis der Geldpreise der verschiedenen Waren untereinander verschiebt. Wenn die preissteigernde Wirkung der Geldvermehrung sich schon allen Waren gegenüber durchgesetzt hat und wenn der neue endliche Ruhezustand oder Gleichgewichtszustand erreicht ist, haben sich die Verhältnisse geändert.

NÖ, S. 371 f.

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