Lurchi, Klementine & Co. - Wolfgang Hars - E-Book

Lurchi, Klementine & Co. E-Book

Wolfgang Hars

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Beschreibung

Der Esso-Tiger, der Melitta-Mann, Meister Proper und Frau Antje aus Holland – sie sind die wahren Helden des Alltags, werden innig geliebt oder abgrundtief gehaßt. Sie haben eigene Fanclubs und müssen sich Heiratsanträgen verliebter Anhänger erwehren. Wir kennen sie alle, aber wer kennt schon ihre Geschichte? Wolfgang Hars hat sich intensiv der Erforschung dieser Konsumhelden gewidmet, hat Hintergründe, Anekdoten und Unglaubliches über die bekanntesten deutschen Werbefiguren recherchiert und zusammengestellt. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Seitenzahl: 305

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Wolfgang Hars

Lurchi, Klementine & Co.

Unsere Reklamehelden und ihre Geschichten

FISCHER E-Books

Inhalt

VorwortADO-Gardinen-FrauAfri-Cola-NonnenAmourette-MädchenAndy, der SchmutzkillerAngeloAral-KanistermannAvon-BeraterinAxe-MannBac-Deo-Expertin IngeBärenmarke-BärBananenexperte JuanBausparfuchsBello von DualBernhardiner BrunoBertis HandymenBiobauer HippButler TommyCalgonit-NachbarinCamel-Kamel(e)Camel-MannCampari-PaarCare-MannCliff-KlippenspringerCoca-Cola-EisbärenDarmol-MännchenDash-ReporterDentagard-BiberDie bei DEADogge FidoDie Beine von DoloresDr. BestErdal-FroschEsso-TigerFernet-Branca-VampireFewa-JohannaFlat EricFrank S. Thorn und der Puschkin-BärFrau AntjeFrauengold-FrauenFrau MiddelstädtFrau MühsamFrau RenateFünf unbestechliche HausfrauenFuji-DickeGard-HaarstudioDie GeneralinGold-Dollar-SeemannGummsky-KomplottHB-MännchenHe-Man von Dynamic-TensionHenne BertaHerr DarbovenHerr KaiserHerr OhnemichelHerr UnrentabelHörzu-MeckiHustinetten-BärIkea-ElchIMI-MännerJohnnie WalkerKäpt’n IgloKarin SommerKatja und AnnaKlementineKnorr-FamilieKnorr-FußballerKrawatten-MuffelKuh Hilde und Schwein KnutLenor-GewissenLenor-MannLevis-501-HinternLila-Kuh von MilkaLüpi, der HeidschnuckenbockLurchiLux-FilmstarsMaggi-KochstudioMainzelmännchenMarlboro-CowboyMeister ProperMelitta-MannMichelin-MännchenMilka-Alm-ÖhiMister L.Mon Chéri – KirschexpertinMonsieur HennessyNivea-JungenNorth-State-MannObstgarten – DeckenkracherOMO-ReporterOnkel DittmeyerPepsi-AffenPersil-MannPersil-Mann Beppo BremPirelli-MädchenPril-EnteRama-MädchenRed-Bull – StrichmännchenReyno-LiebespärchenRexona-SibylleSarotti-MohrTchibo-Kaffee-ExperteTelegate- und Spinat-Frau Verona FeldbuschTelekom-Aktionär Manfred KrugTillyTony, der TigerToyota-AffenUncle BenVielfliegerin von Drei Wetter TaftVillariba und VillabajoWaschbär FelixWaschmaschinen-FachmannWeiße Persil-DameWeisser RieseWest-TruckerWest-ZigarettentesterZigarrenmann

Vorwort

Sie sind die wahren Helden des modernen Alltags, werden innig geliebt oder abgrundtief gehaßt, haben eigene Fan-Clubs, müssen sich Heiratsanträgen verliebter Anhänger erwehren und sind so bekannt wie J.R. oder Mutter Beimer – die Stars aus der schönen Warenwelt. Das allabendliche Konsumtheater in der Flimmerkiste, die Auftritte in Werbespots machten aus der Waschpulver-Frau, der Kaffeetante oder dem Saftonkel Fernsehstars, die jeder kennt.

Aber wußten Sie, daß Klementine, die Waschfrau der Nation, die 16 Jahre lang jeden Abend kurz vor der »Tagesschau« die Wahrheit aus der Waschküche verkündete, den Ariel-Job nur ergatterte, weil ihr Hund gerade Junge bekam? Wußten Sie von dem Proteststurm, der über das idyllische Simmenthal hinwegfegte, als ein braver Bauer dort die Lila-Kuh unters Hackebeil bringen wollte, und wie das heilige Rind der Nation dann durch die einsetzende nationale Empörung zu einer lebenslangen Rente kam? Wußten Sie, wie Meister Proper zur Kultfigur der Generation X aufstieg, nachdem seine Karriere als Handelsvertreter für Reinigungsmittel bereits im Sande verlaufen war, wann das HB-Männchen erstmals in die Luft ging und warum Karin Sommer immer ein Päckchen Jacobs Krönung dabeihatte?

 

Werbehelden sind keine Erfindung des Fernsehens. Schon vor über hundert Jahren marschierte Johnnie Walker im Reiterdreß für den Scotch, warb Michelin mit seinem dicken Reifenmännchen, demonstrierte Salamanders Lurchi die Qualität seiner Markenschuhe beim Eintreten von Türen oder machte der Sarotti-Mohr Appetit auf Süßes – damals noch auf Plakatwänden und in Zeitungsinseraten. Der erste Star des aufkommenden Werbefernsehens war in den Fünfzigern der bayrische Volksschauspieler Beppo Brem, der, nachdem er eine Tischdecke vollgekleckert hatte, Liesl Karlstadt belehrte: »Der gebildete Mensch sagt bloß Persil! Persil und nichts anderes!« Die weltweit bekannteste Werbefigur ist der Marlboro-Cowboy. Mitte der fünfziger Jahre ritt er in den USA erstmals in Richtung Freiheit und Abenteuer. Es dauerte aber zehn Jahre, bis er seinen Auftrag erfüllen konnte, aus dem »Damenkraut« Marlboro – das die Zigarette beinahe ein Jahrhundert lang war – eine echte Macho-Kippe zu machen. Der beliebteste deutsche Reklameheld ist das cholerische HB-Männchen, das 1959 erstmals in die Luft ging. Doch erst, als ein realer Schauspieler kläglich an dem Job gescheitert war. Ebenfalls in den Fünfzigern wurde auch der Bärenmarke-Bär von einem pfiffigen Werbemann zum Filmstar befördert, nachdem er bereits ein halbes Jahrhundert lang ein mehr oder weniger unerfülltes Dasein als Etikettenbär gefristet hatte.

In den Sechzigern schlugen dann vor allem die Schaumberge hoch. Der Weisse Riese füllte Wäscheleinen quer durch die Republik mit weißer Wäsche; vom Phantomwäscher über den OMO-Reporter bis hin zum Dash-Reporter erzählte eine ganze Armada von weißen Lebewesen strahlend schönen Waschfrauen und pseudo-journalistischen Waschmimen die immer gleiche Weiße-Wäsche-Story. Die Werbung wälzte die von Theodor Heuss beschworene Kollektivschuld auf die Hausfrau ab und erfand das Lenor-Gewissen. Und während die Deutschen die Freuden des Massenschwimmens an den südlichen Stränden entdeckten, schlug sich der Tchibo-Kaffee-Experte im Sonntagsanzug durch die Regenwälder. Der Krawatten-Muffel verhöhnte den deutschen Michel als Spießbürger und beendete damit eine seit Jahren anhaltende Schlips-Baisse. Tilly tunkte die Hände der Kundschaft in Geschirrspülmittel, Frau Antje brachte die Botschaft vom »Echten Käse aus Holland« in deutsche Haushalte, und der Esso-Tiger sprang erstmals in den Tank.

In den Siebzigern marschierte sich der Camel-Mann Löcher in die Sohlen und lief meilenweit für seine Kippe. Gleichzeitig betraten zwei Lichtgestalten das Zimmertheater, Karin Sommer und Klementine, die uns den Feiertag verschönten. Sie gehörten einfach dazu. Wie die ADO-Frau, die in der guten Stube immer ihre Gardinen in die Höhe raffte, um uns die mit der Goldkante zu empfehlen. Die schnelle Eingreiftruppe gegen Kalkflecken im Bad und Schmutzreste auf den Spülen bestand aus Meister Proper und der Generalin. Wenn trotzdem einmal etwas schiefging, war da noch Deutschlands bekanntester Versicherungsvertreter, Herr Kaiser, der seit 1972 die Klinken der Neubauviertel putzt, um uns seine Policen aufzuschwatzen.

In den Achtzigern hielt dann die Emanzipation auch in der Werbung Einzug, und mit dem Care-Mann tauchte erstmals ein nackter Mann auf den Reklamebildschirmen auf. Onkel Dittmeyer lauerte unschuldigen Kindern in Orangehainen auf, und der Persil-Mann etablierte die Journalisten-Masche fürs Image-Lifting der Konzerne. Immer donnerstags wies er, ganz seriös in Schlips und Kragen, auf den Wert seiner Ware hin und warnte vor falscher Sparsamkeit beim Waschmittelkauf. Käpt’n Iglo gelang es dank seiner knusprigen Fischstäbchen, aufkommende Unwetterwolken am Familienhimmel zu glätten, und die Cliff-Klippenspringer stürzten sich todesmutig von Acapulcos Klippen, um uns das »überwältigende Frische-Erlebnis« des Dusch-Gels nahezubringen. Die Knorr-Familie löffelte währenddessen Tütensuppen und machte Ärger, weil sie bekannter wurde als das Produkt, für das sie warb. Und während Dr. Best begann, auf Tomaten einzudrücken, kredenzte das Campari-Paar den Aperitif für danach.

Der Mann mit der Tasse, der Melitta-Mann, betrat in den Neunzigern die Konsumbühne, trank literweise Melitta-Kaffee und trieb den Filtertüten-Umsatz in ungeahnte Höhen. Nescafé-Cappuccino-Mann Angelo wurde mit dem Spruch »Isch ábe gar kein Auto, Signorina« zum beliebtesten Werbeitaliener Deutschlands. Körbeweise flogen ihm Heiratsanträge und Beischlafofferten ins Haus. Die Camel-Kamele waren der 60-Sekunden-Brüller in jedem Kino und mußten doch am Automaten dem Cowboy von der Konkurrenz den Vortritt lassen. Bei der Calgonit-Nachbarin klappte es nie mit dem Nachbarn, und Die bei DEA etablierten die Sitcom fürs Werbefernsehen. Garantiert ohne lästige Werbeunterbrechung. Die Werbestars des Jahrzehnts waren die Toyota-Affen. Wenn sie ihr Großmaul rundeten und schauerlich schön intonierten »Nichts ist unmöööglich – Toyooota«, erkundigten sich Hunderte begeisterter Fernseher bei der Autofirma nach den nächsten Sendeterminen. Der Liebling der Internet-Generation war Flat Eric, das quietschende Plüschtier aus der Levis-Werbung. Wie wild wippte er auf dem Beifahrersitz eines verbeulten Ford zu einer Techno-Nummer. Der Lenor-Mann gönnte den verzückten Frauen für einige Sekunden den Anblick auf seinen durchtrainierten Hintern und entzückte selbst Feministinnen mit der umwerfenden Botschaft »Selbst wäscht der Mann«. Profilierungsabsichten, die der Spinat-Frau Verona Feldbusch (»Wo ist denn der blubb?«) sicherlich nicht unterstellt werden können.

All diese Geschichten, und viele mehr, werden hier erzählt. Die Experten der Branche mögen nachsehen, daß der Schwerpunkt dabei nur am Rande auf markenpolitische Hintergründe oder Produkt-Erfolgsstorys gelegt wird. Das Werk richtet sich an den Konsumenten der schönen Werbebotschaften und die Anhänger ihrer Geschöpfe oder ganz einfach an diejenigen, die neugierig darauf sind, mehr über die Helden aus der Werbewelt zu erfahren. Die Auswahl der Figuren erfolgte nach rein subjektiven Kriterien – sollte eine Lieblingsfigur vermißt werden, wird diese gern später nachgereicht.

Mein besonderer Dank gilt all den kreativen Köpfen aus den Werbeschmieden, deren Phantasie und Schaffenskraft dieses Werk erst ermöglichten. Ebenso danke ich meinem Lektor Holger Kuntze, der viele Ideen beisteuerte und mich von Anfang bis Ende unterstützte. Und dann natürlich Stephanie, Andreas, Karolin und Rüdiger, die immer bereit waren, ihren Kommentar zu der mittlerweile x-ten Version zu geben.

ADO-Gardinen-Frau

Die Dame mit der Goldkante

Zeige mir deine Gardinen, und ich sage dir, wer du bist. In den siebziger Jahren gehörte der Auftritt von Marianne Ado, geb. Koch, als ADO-Gardinen-Frau zu den Glanzlichtern des Fernsehabends. Jedesmal, wenn die dauergewellte Frau Koch mit unverwüstlichem Charme und unverblümtem Hausfrauenstolz uns und dem verzückten Kaffeekränzchen die Vorzüge einer bestimmten Markengardine präsentierte, gab’s das große Staunen: »Aaah, Oooh, …«

In glorreichen 3x9-Tagen (Ratemeister Wim Thoelke mit Hund Wum) gehörte sie ebenso zur Familie wie → Karin Sommer oder → Klementine. Zweimal in der Woche, immer dienstags und donnerstags um 18 Uhr in der ARD und um 17.35 Uhr im ZDF, schaute die Hohepriesterin des freien Gardinenfalls bei uns herein. Und immer gab es zum Schluß die Empfehlung mit auf den Weg: »Achten Sie auf die Goldkante, es lohnt sich!«

30.000 Mark im Jahr ließen sich die ADO-Gardinenwerke Hubert Wulf aus Aschendorf in Schleswig-Holstein Frau Kochs Fürsprache für ihr Markenerzeugnis kosten. Für diese Gage war die bekannte Schauspielerin bereit, »alles zu machen, was zu meinem Typ paßt«. O-Ton Marianne Koch: »Das ist immer noch besser, als in Schweinchenfilmen mitzuwirken.« Wobei da die Meinungen geteilt sind. 1983 wurde die Gardinenpredigt aus Altersgründen abgesetzt. Der Karriereknick dauerte bis 1998. Dann gab’s gutgelaunt und frisch gestärkt ein Wiedersehen mit der ADO-Frau und ihren Fenstervorhängen. Die Moral von der Geschichte ist immer noch die Goldkante.

 

»Wenn es nicht viel zu sagen gibt, laß es einen Prominenten sagen« – seit Kaisers Zeiten schon buhlen Handelsherren um Anerkennung durch Berühmtheiten, die sie dann als Zeugen oder »Testimonials« (so die heutige Branchenbezeichnung) in der Werbung benutzen. Die Auszeichnung »kaiserlicher Hoflieferant« hatte einstmals eine noch größere Breitenwirkung und Attraktionskraft als heute der Neujahrswunsch des Bundespräsidenten; Napoleon wurde unterstellt, er hätte vor jeder Schlacht einen Schluck Eau de Cologne zu sich genommen.

 

»Goethe speiste mit Bruckmann-Bestecken«, ließ ein Metallwarenhersteller einst verbreiten, und die Rheinischen Blätter berichteten am 21. März 1867 unter der Überschrift »Graf Bismarck als Reclame« von einer ähnlichen Vereinnahmung zu Werbezwecken: Ein Londoner Bekleidungsgeschäft habe in einer englischen Zeitung den folgenden Text annonciert: »Graf Bismarcks Verdienste um Deutschland sind jetzt allgemein anerkannt, weniger bekannt dagegen dürfte es seyn, daß der große Staatsmann fast nie ausgeht, ohne sich einen Ueberzieher einzuknüpfen, dessen exactes Gegenstück in Arbeit und Schnitt Moses und Sohn zu 1 Pfd. 15 Sh. zu offerieren sich glücklich schätzen darf.«

 

Die Prominenten unserer Zeit ließen sich ihr Engagement fürstlich entlohnen. Neben Frau Koch priesen uns in den Siebzigern Stars aus aller Welt so ziemlich alles an, was Verbraucherherzen erfreuen und Herstellerkassen klingeln lassen sollte. Die Starparade begann schon vor dem Hauptprogramm – im Werbefernsehen. Fernseh-Weltraum-Professor Dr. rer. nat. Heinz Haber präsentierte zwölfmal im Jahr »Prof. Habers Tele-Werbe-Magazin« und kassierte dafür ein Vorlesungshonorar von einer halben Million Mark. Für 100.000 Mark pro Jahr zeigten die Kessler-Zwillinge Tanzschritte für die »nur die«-Strumpfhose, was den Umsatz sogleich in die Höhe trieb. Für die gleiche Gage spielte Quizmaster Hellmut Lange (»Kennen Sie Kino?«) eine Rolle, die schon dem Kollegen Dietmar Schönherr mehr Ruch als Ruhm beschert hatte, die des → Dash-Reporters.

Deutschlands beliebtester Quizmaster Hans-Joachim Kulenkampff stand mit einer spektakulären Glückswirbel-Show im Sold des Lebensmittelkonzerns Edeka. Der Werbe-Kuli versprach dem glücklichen Gewinner des Hauptpreises ein Auto. Aber mit einer Gage von 350.000 Mark zog er das große Los selbst. Auch Hollywood-Schauspieler machten gute Kasse. Karl Malden, als Oberinspektor Mike Stone auf den »Straßen von San Francisco« im Einsatz, empfahl für 125.000 Dollar Reiseschecks. Telly Savalas, als Theo Kojak der prominenteste Bulle von Manhattan, schabte sich für 200.000 Dollar den Bart mit einer extra scharfen Rasierklinge. 300.000 Dollar brachten Peter Falk dazu, bessere Anzüge anzuziehen, als sie Inspektor Columbo gewöhnlich trug, und für 1 Million Dollar empfahl Gregory Peck eine Reiseversicherung.

Afri-Cola-Nonnen

Nonnen im Brauserausch

Deutschland 1968. Flower-Power und der Muff unter den Talaren. Dutschke und Genossen schrecken den Wohlstandsbürger mit Sitins, Walk-ins und Sleep-ins. Der Stern fragt sich besorgt »Machen enge Hosen impotent?«, meldet entrüstet »Prinz betrügt Prinzessin« und registriert irritiert »Zwei Neger werden Bürgermeister«. In Bonn regiert (noch) die Große Koalition und daheim, im Pantoffelkino, das tägliche Einerlei.

»Keine Experimente« hatte Konrad Adenauer schon 1956 propagiert, und immer noch war Robert Lembkes heiteres Beruferaten, 1955 erstmals gesendet, Deutschlands beliebteste Fernsehsendung und erfüllte mit seinen ewig gleichen Ritualen (»Welches Schweinderl hätten S’ denn gern?«) genau das, was die Adenauer-Generation von der Mattscheibe erwartete: nur keine Aufregung. Es war Bembelzeit (»Der blaue Bock« mit Oberkellner Heinz Schenk und Frau Wirdin Lia Wöhr) und Goldkehlchen Heintje alias Hendrik Simon stürmte mit »Maaamaa!« die Hitparaden.

 

Doch der kritische Wind, der durchs Land blies, sollte jetzt auch die Bildschirme erreichen. Afri-Cola produzierte den berühmten Film über die »Jugend im Afri-Cola-Rausch«, der unverhohlen auf einen LSD-Trip anspielte.

Enthemmte Betschwestern verfallen in dem gotteslästerlichen Werk in einen bis dahin unbekannten »Afri-Cola-Rausch«. Untermalt mit psychedelischer Musik drücken junge Damen in keuschen Ordenstrachten lechzende Zungen und brauselüsterne Körper an vereisten Glasscheiben platt: »Sexy … mini … super … flower … pop-op … Cola … alles ist in Afri-Cola«, ist die un(miß)verständliche Botschaft. Im Klartext: tune in, drop out: »Die Afri-Cola-Lust. Die Erde ist ein Paradies mit Afri-Cola. Lustvolle Gefilde Afri-Cola-hungriger Gefühle. Die Frau wird Frau und frei. Girl-Power, Frauen-Lust und Männer-Freiheit. Heirat oder nicht Heirat. Das ist nicht mehr die Frage. Afri-Cola. Trink mich.« Tiefgefrorene, wie Raketen aufgestellte Afri-Cola-Flaschen symbolisieren die »Götterquelle mit dem Afri-Cola-Schlauch«.

Die Kids mußten frühzeitig ins Bett, bevor die aufregenden Clips in der Glotze vor den Nachrichten liefen; die Ewiggestrigen und die katholische Kirche liefen einmal mehr entrüstet Sturm gegen den Zeitgeist, den Verfall von Sitte und Moral und speziell gegen den respektlosen Brausefabrikanten aus Köln, der es, im Dienste des weltlichen Kommerz und schnöden Mammons, an Würde und Anstand hatte fehlen lassen. Aber auch ohne kirchlichen Segen wurde die Afri-Cola-Werbung zum Kult der 68er-Generation und lud eine ganze Generation sinnlich auf. Die Umsätze stiegen wunschgemäß um 40 Prozent.

 

Genauso durchgeknallt wie die Kampagne war der Mann, der sie ausheckte: der Fotograf Charles Wilp. 1961 hatte er den →Puschkin-Bären auf promilleintensiver Abenteuer-Safari abgelichtet und Deutschland mit einer Wodka-Welle überschwemmt, 1964 dem VW-Käfer (»Er läuft und läuft und läuft …«) Beine gemacht und in den Siebzigern in seiner Düsseldorfer Kneipe die, insbesondere in sogenannten besseren Kreisen beliebte, Gesichtskontrolle erfunden. Ideen, die den wohl erfolgreichsten und skurrilsten Werber der 60er Jahre zum Eigentümer von fünf Werbefirmen, einem Londoner Zweit-Studio, einer Mühle im Hunsrück und einer Farm in Kenia machten.

Die Eingebung, Ordensschwestern in einen Brauserausch zu versetzen, überkam Wilp in einer Kältekammer der NASA. Wilps Mutter, eine bekannte Pianistin, war mit dem Raketentechniker Wernher von Braun befreundet, der Wilp in den Sechzigern nach Huntsville (Alabama) einlud. Gemeinsam gingen sie über den »Krautshügel«, wo sich die aus Deutschland eingekauften Raketentechniker angesiedelt hatten. Im Cyrochamber, dem Vereisungsprüfstand der Mondraketen, sah Wilp für einen Sekundenbruchteil, wie die Spindtür eines Monteurs hinter dem vereisten Vorhang auf- und zuging. Auf der Tür ein Pin-Up. Das Playmate schien hinter der vereisten Scheibe durch die Luft zu schweben.

Die Afri-Cola-Idee war geboren. Die Mädchen, die Wilp dann in seinem Düsseldorfer Studio hinter kaltem Glas ablichtete, hatten laut Regieanweisung ihre Brüste gegen die Scheibe zu pressen. Wilp: »Für die war das wie ein Orgasmus, die Zungen wären doch nie so weit rausgekommen, wenn der Busen nicht das Eis berührt hätte.«

 

Der Bürgerschreck, Freund und Weggefährte von Joseph Beuys, war immer für eine Schlagzeile gut. Er trat stets nur in weißen Saffian-Stiefeln und kanariengelbem Overall auf (»Meine elitäre Astro-Montur«). Bevor er auf den Auslöser drückte, ließ er sich mit vorgestreckten Armen wie ein Operationsarzt den Mantel (stets einen Wintermantel) anziehen und auf dem Rücken zuknöpfen. Das Foyer seines Büros schmückte neben einem wandgerecht zerbombten Sportwagen ein Kunstwerk mit dem Titel »Huldigung auf die Nacht der Poeten«: ein Bett mit drei Schaufensterpuppen, in Kunststoffolie verpackt und dementsprechend verschnürt. Für Kunden und Freunde ließ er eine Langspielplatte pressen, die laut Aufdruck der »Akustik im leeren Raum« gewidmet war und Einzeltitel wie »Gefrorener Knall« enthielt. Wer sie abspielte, vernahm außer den Eigengeräuschen des Plattenspielers nichts.

Wilps »Tanz der Leere«, eine Langspielplatte zum Stückpreis von 18 Mark, auf der nur das Kratzen des Saphirs zu hören war, wurde über 20.000mal verkauft. Auch um den Kauf von Lebensmitteln anzuregen, hatte der Werber sich etwas Besonderes einfallen lassen. Mit Pillen und Gerüchen (Duftnoten: Schweiß und Fäkal) wollte er den Umsatz heben.

 

Heute genügt dem Documenta-Künstler die Erde nicht mehr. Vater Weltraum ruft. Wilp konzentriert sich, mittlerweile an die 70, nur noch auf die Raumfahrt und bezeichnet sich selbst als »Artronaut«. Die europäische Weltraumbehörde ESA bescheinigt ihm Weltraumtauglichkeit, auf der Anwärterliste für einen Mondflug steht er bemerkenswert weit oben. Nebenbei macht Wilp Werbung für Always-Slipeinlagen. Weil die etwas von der »Sinnlichkeit und vom Rausch der Schwerelosigkeit« hätten.

Amourette-Mädchen

Die außengesteuerte Wäsche-Venus

Des deutschen Mannes Herz gierte in den Sechzigern nach dem Amourette-Mädchen (»… zum Verlieben chic«), einem wohlgestalteten Blondchen mit Schrägblick, das in millionenfacher Illustriertenauflage für spezielle Slips, Büstenhalter und sonstige diskrete Damenbekleidung der Firma Triumph warb. Die Dame brachte den Miedermarkt zum Rascheln; Huldigungsadressen und Heiratsangebote verrieten den Miedermachern, daß ihre Reklamebotschaft zumindest beim männlichen Bevölkerungsteil angekommen war.

Um das passende Amourette-Gesicht zu finden, war die Psychologin Carmen Lakaschus der weiblichen Wäschepsyche auf den Grund gegangen. In Hunderten von Einzelinterviews ermittelte sie unter anderem, welche Wäsche-Konsumentinnen mehr oral-erotisch und welche mehr anal-zwanghaft gestimmt sind. Es zeigte sich, daß junge Mädchen, die »forcierter Ablösung« halber aus dem Elternhaus drängen, eine besonders erfolgverheißende Zielgruppe für werblichen Wäsche-Sex darstellen.

Das Amourette-Mädchen, dargestellt von der Pariser Hausfrau und Mutter Brigitta Juslin, einer Hausgenossin von Jean-Paul Sartre, sah dem wissenschaftlich erkundeten Typus verblüffend ähnlich. »Paprika und helle Haut« schrieb die Agentur Troost über ein Inserat mit der ganz in Rot gekleideten, liegenden Wäsche-Venus.

Interessantes über das Amourette-Mädel wußte 1965 das Jahrbuch der Werbung zu berichten. Die Werberfibel plauderte Intimes aus dem Marketing-Nähkästchen: »Die typische Konsumentin gehört der A/B- oder gehobenen C-Schicht an und ist als psychologischer Typ mehr extrovertiert als introvertiert, mehr ›außengesteuert‹ als ›innengeleitet‹, und im Körperbau mehr zur Rundung als zur langgliedrigen Schlankheit neigend. Ausgerüstet ist sie mit einem sinnlich-vitalen Temperament und vielleicht auch mit einem kleinen Hang zum Exhibitionismus, den sie nicht in der Rolle als Hausfrau, sondern (jetzt kommt’s!) mehr in der einer Geliebten auslebt.«

»Altersmäßig weist die Zielgruppe für Amourette zwei Schwerpunkte auf: Einmal sind es die Frauen zwischen 22 und 29 Jahren, die auf Partnersuche sind, zum anderen die Frauen zwischen 35 und 40 Jahren, die, sei es auch nur in der Welt des Traums und der Phantasie, noch einmal nach einem (anderen?) Mann Ausschau halten. Die Problemlösung, die Amourette ihnen liefert, heißt: Unten drunter für sich und andere nett angezogen sein, um mit dem in diesen Altersgruppen eben oft wechselvollen erotischen Schicksal fertig zu werden.«

Um der Schicklichkeit Genüge zu tun, fragte sich das Jahrbuch aber auch: »Ist diese Werbung unanständig? Geht sie zu weit?« Um dann zu beschwichtigen: »Die Zahl der unehelichen Kinder und die Zahl der Ehescheidungen war 1964 niedriger als je zuvor.«

Trotz Amourette? Oder wegen?

Andy, der Schmutzkiller

Der Cowboy mit dem Schuß Salmiak im Rohr

1963 war die Welt für die Deutschen noch in Ordnung. Das Wirtschaftswunder blühte, Studenten machten noch keinen Ärger. Der Film zur Ära hieß »Winnetou I«, das bunte Fransenmärchen wurde zum erfolgreichsten Nachkriegsfilm. Jungs träumten von Nscho-Tschis Zöpfen, und Mädchen schwärmten für den edlen Winnetou, oder wenigstens für sein Pferd.

Deutschlands Hausfrauen schwärmten für Andy, den Schmutzkiller. Die Werbemänner hatten den Wilden Westen ins Badezimmer verlegt, und der als Westmann ausgestattete Andy machte reinen Tisch. Das Bleichgesicht stritt für das gleichnamige Putzmittel aus dem Hause Sunlicht. Andy – »er kämpft nur gegen Schmutz« – trug den Colt in der Hand, geladen mit »einem Schuß Salmiak«. Offensichtlich hatte der Held aber nicht genügend Zielwasser im Rohr. Andys Schießübungen führten trotz eines millionenschweren Reklame-Trommelfeuers nicht zu berichtenswerten Markttreffern.

Angelo

Der Nescafé-Cappuccino-Mann

Zur Jahreswende 1991/92 umschmeichelte er in dem TV-Spot »Parkplatz« zum ersten Mal eine genervte Blondine mit den Worten »Isch ábe gar kein Auto, Signorina«. In kürzester Zeit anvancierte der Nescafé-Cappuccino-Mann Angelo zum beliebtesten Werbeitaliener überhaupt.

Der schnelle Angelo führte vor, wie Verwechslungen, Parkplatzsorgen und sonstige kleine Mißgeschicke sich in null Komma nichts wie Nescafé im heißen Wasser auflösen, wenn man sich nur Zeit für ein Täßchen nimmt. Sogar Cappuccino in Tüten wurde Kaffeefreunden auf diese Art schmackhaft gemacht. Nestlé wurde mit Fan-Anfragen überschüttet, mußte Angelo-Autogramm-Karten drucken und Heirats- und Beischlaf-Offerten freundlichst ablehnen. Eine Dame bot sogar an, Nichtautofahrer Angelo einen Sportwagen zu kaufen. Gegen eine entsprechende Spritztour wahrscheinlich.

Cappuccino ist im Ursprungsland Italien ein Espresso mit aufgeschäumter Milch und Zucker. »Cappuccino« bedeutet auf italienisch »Kapuze« und bezieht sich auf die feine Haube aus Milchschaum. Als Nestlé im Herbst 1987 den ersten löslichen, tassenfertigen Cappuccino auf den Markt brachte, war das eine kleine Sensation. Bis dahin kannten die Deutschen Cappuccino nur aus dem Italien-Urlaub oder der italienischen Gastromonie.

Die Werbeagentur Contur engagierte den römischen Schauspieler Bruno Maccalini – der bis heute kaum ein Wort Deutsch spricht – und taufte ihn auf den typisch italienischen Namen Angelo. Per Cappuccino-Genuß sollte er die »italienischen Momente des Lebens« vermitteln, mit einem kleinen, liebenswerten Schmunzeln der deutschen Hausfrau die mediterrane Leichtigkeit des Seins nahebringen. Was ihm offenbar auch gelang. 80 Prozent der Deutschen kennen und lieben Angelo.

Die Erfolgsstory ist schnell erzählt: Angelo bekommt Besuch von einer ebenso erbosten wie attraktiven Dame, einer Nachbarin, die bei ihm Sturm klingelt und ihn beschuldigt: »Sie stehen auf meinem Parkplatz!« Angelo, galant und gastfreundlich, bittet die Nachbarin, auf eine Tasse Nescafé Cappuccino zu ihm hereinzukommen. Mit dem Cappuccinogenuß verraucht ihr Zorn, und lächelnd fragt sie Angelo: »… und wann fahren Sie Ihr Auto weg?« Worauf Angelo mit einem gewinnenden Augenaufschlag bekennt: »Isch ábe gar kein Auto, Signorina.«

 

1997 kam Angelo dann doch noch zu seinem fahrbaren Untersatz. Bei der Opel-Agentur Lowe & Partner hatte man herausgefunden, daß die gleichen Personen, die Nescafé Cappuccino trinken, auch mit Vorliebe den Opel Corsa fahren: »Junge, lifestyleorientierte Frauen mit hohem Design-Anspruch«. Angelo warb fortan im Doppelpack für Nescafé und Opel. Die Werbeprofis nennen das Co-Branding.

In einem am 24. März 1997 angelaufenen TV-Spot lernt Angelo, unter Vermittlung eines Wäschestücks, eine neue schöne Nachbarin kennen: Angelo kommt mit seinem Einkauf nach Hause. Versehentlich reißt sein Wäschepaket auf, seine frischen Boxershorts verfangen sich in der Fahrstuhltür – doch die Nachbarin findet sie … Angelo bereitet sich mittlerweile zur Entspannung einen Cappuccino zu, da klingelt es an der Tür. Es ist die schöne Nachbarin, die ihm lächelnd ihr Fundstück präsentiert. Angelo übergeht gekonnt die prekäre Situation mit der Einladung zu einer Tasse Cappuccino. Dabei fällt sein Blick auf ihr Dekolleté mit dem aparten Top – dasselbe Muster wie seine Shorts –, worauf er lächelnd seine Tasse zu ihrem Wohl erhebt: »Wir haben eben Geschmack!«

 

Im Folgespot drehte sich alles um den Opel Corsa. Wird es der neuen Nachbarin gelingen, den sympathischen Angelo auf eine Tasse Cappuccino zu sich einzuladen? Schritte … er kommt … sie öffnet die Tür – doch Angelo, in großer Eile, stammelt etwas von »Ist dringend … wartet schon unten auf mich« und stürmt die Treppe hinunter. Neugierig, was es mit dieser geheimnisvollen Verabredung auf sich hat, öffnet die abgeblitzte Dame das Fenster und sieht Angelo zärtlich mit der Hand über den Lack eines funkelnagelneuen Corsa Cappuccino streicheln. Er schaut zu ihr hoch und sagt mit einem entschuldigenden Lächeln: »Isch ábe jetzt ein Auto, Signorina!« – steigt fröhlich ein und rauscht davon.

 

Nach acht Jahren durfte der Italo-Charmeur 1999 keinen Cappuccino mehr schlürfen. Still und heimlich entsorgte ihn der Nestlé-Konzern, und Angelo trat von der TV-Bühne ab. Dafür ist er inzwischen auch privat ein stolzer Autobesitzer – ein Rover. Die Werbegagen machten es möglich.

Aral-Kanistermann

Kurzgeschichten aus dem Autofahrerleben

Was tun, wenn auf weiter Flur das letzte Benzin ausgeht? Man macht sich auf die Socken und geht meilenweit für den richtigen Sprit – wie der Kanistermann von Aral. Untermalt mit der Musik von Fats Dominos Klassiker »I’m walking« (der dank des Spots wieder in die Musik-Charts wanderte), lief er fröhlich pfeifend durch die Werbeblocks von RTL, SAT.1 und ZDF, ließ alle Tankstellen mit dem falschen Sprit links liegen, um dann bei Aral Station zu machen. Von der Zeitschrift TV Spielfilm gab es dafür den »Edgar«, die Auszeichnung für den beliebtesten Werbespot des Jahres 1993. Außerdem den Gold-Effie 1994, Edelmetall beim New-York-Festival und das »Sieger-Megaphon« 1992 vom Jahrbuch der Werbung.

 

Die Idee zum Kanistermann entstand im Kreativ-Labor der Agentur BBDO, die Premiere flimmerte im September 91 über den Bildschirm. Damals stagnierte der Kraftstoffverbrauch, und den meisten Autofahrern war es sowieso egal, wo sie volltankten. Aral hatte zu allem Überfluß noch Probleme mit dem Image: Die Marktforschung hatte ausgemacht, daß Aral beim Autofahrer als »unterkühlte und unnahbare« Marke galt. BBDO sollte helfen und den Sprit »sympathischer« machen. Das Ergebnis der Überlegungen war eine Reihe von amüsanten Spots mit Kurzgeschichten aus dem Autofahrerleben, die jeder kennt und schon einmal erlebt hat. Die Stichworte lauteten: Läufer (der Kanistermann); Fahrschule, Geldbörse und Abschleppseil.

Der Erfolg: Aral hat mittlerweile die jüngsten Stammtanker aller Benzinmarken, und die Aral-Songs wurden mehrfach zum »Welthit der Werbung« gekürt. Allein an den Tankstellen wurden über 500.000 Aral-Songs verkauft. Und woran erkennt man, daß man Erfolg hat? Wenn man auf die Schippe genommen wird. Wie in der Opel-Astra-Werbung. Dort säumen Hunderte von spritlosen Autofahrern hüpfend die Straße – in der Hand einen blauen Benzinkanister. Bei Aral war man hoch erfreut über die Persiflage, denn Opel bezahlte für Spots, bei denen jeder sofort an Aral dachte.

Und neuerdings schiebt auch der Corny-Mann sein Auto durch die Gegend, gönnt sich an der Tankstelle statt einer Benzinfüllung einen Müsli-Riegel, um dann frischgestärkt weiterzuschieben.

Avon-Beraterin

Schönheitsexpertin mit mittlerer Reife

Mehr oder weniger dezent geschminkt steht sie mit einem Kosmetikköfferchen in der Haustür. »Guten Tag«, sagt sie und lächelt freundlich, »ich bin ihre Avon-Beraterin.« Vor 40 Jahren erklang dieser Satz zum ersten Mal in Deutschland. Die anschließende Konversation drehte sich in der Regel um Lippenstifte und Nagellack, Lidschatten und Nachtcremes. Eine ganze Generation von Frauen verbindet mit der Avon-Beraterin die Erinnerung an Wirtschaftswunder und ersten Wohlstand. Gut 75 Prozent aller deutschen Frauen kennen sie, und auch im Werbefernsehen der siebziger und achtziger Jahre war die Avon-Beraterin »immer ein willkommener Gast«.

Die Avon-Idee ist über 100 Jahre alt und stammt von dem amerikanischen Buchverkäufer David McConnel. Der legte dem Lesestoff seiner Kundinnen immer einen Parfüm-Flakon als Dankeschön bei. Bald waren die Beigaben bei den Damen beliebter als die Bücher; McConnel gründete 1886 gemeinsam mit seiner Frau in New York eine eigene Firma. Das Konzept war, die Produkte nicht übers Geschäft, sondern von Frau zu Frau abzusetzen. Schließlich ist Wimperntusche erklärungsbedürftig. Die erste Avon-Beraterin war Mrs. P.F.E. Albee aus Winchester in New Hampshire. Heute hat sie rund drei Millionen Kolleginnen in 135 Ländern der Welt. Die vertreiben neben Kosmetika und Düften neuerdings auch Reizwäsche, eine Tag- und Nachtwäsche-Kollektion. Das freut auch den Gatten.

Noch ein Blick auf die Statistik: 30 Prozent der Avon-Beraterinnen sind zwischen 30 und 39 Jahren alt, 70 Prozent haben einen festen Lebenspartner, 50 Prozent sind Hausfrauen, und 50 Prozent haben Mittlere Reife.

Axe-Mann

Der die Frauen provoziert

Wie kommt auch der Langeweiler zu seinem Quickie? Indem er sich mit dem richtigen Deo besprüht. In dem TV-Spot »Lift« von 1997 legt ein eher unscheinbares Exemplar der Gattung Mann den Duft auf, der Frauen provoziert, und der gewünschte Axe-Effekt tritt sofort ein. Im Fahrstuhl wird der Besprühte von einer attraktiven jungen Frau vernascht. Die Deo-betörte Dame legt nicht nur den Notschalter zwischen zwei Stockwerken, sondern das Milchgesicht gleich mit um.

In einem anderen Spot kommt ein Axe-Kunde während einer Tunneldurchfahrt zu seiner schnellen Nummer. Der Eunuch Abdul erhält durch die revitalisierende Wirkung des Axe-Shower-Gel sogar seine Männlichkeit zurück, was seinen Aufenthalt in einem orientalischen Harem durch und durch zum Erfolg werden läßt.

Die witzig aufgemachten Spots mit den Axe-Männern schlugen bombig ein. Speziell natürlich bei den Herren, die Axe fleißig kauften, zu ihrem Lieblings-Deo erkoren, es sich genauso fleißig unter die Achselhöhle sprühten und häufiger den Fahrstuhl als die Treppe frequentierten. Sie verhalfen dem Deo innerhalb eines Jahres zu einem Umsatzplus von 11 Prozent und brachten 150 Millionen Mark in die Kasse des Herstellers. Kein Wunder, bei der Wirkung. Dankesschreiben beglückter Axe-Männer sind allerdings nicht überliefert. Dafür wurde der Werbefeldzug hoch dekoriert, unter anderem mit einem Goldenen Löwen in Cannes und dem Titel »Witzigster Werbespot des Jahres 97« von SAT.1 und TV Spielfilm.

 

Besagter Fahrstuhl-Quickie war nicht die erste flotte Nummer des Axe-Mannes. 1997 war der Deo-Don-Juan schon ein gutes Jahrzehnt im Einsatz, hatte dem Wohlgeruch, der seinen Achselhöhlen entströmt, schon das eine oder andere amouröse Erlebnis zu verdanken und steuerte geradewegs in die überfällige Midlife-Crisis. Im Gegensatz zum 90er-Jahre-Softie war der Axe-Mann der achtziger Jahre nämlich noch ein ganzer Kerl, der es nicht nötig hatte, sich in Fahrstühlen herumzulümmeln, um zu einem erfüllten Sexleben zu kommen.

1985 hatte Elida Gibbs dem deutschen Mann mit Axe sein erstes Parfum-Deodorant beschert. Das Unternehmen erkannte damals ganz richtig, daß der Mann beginnt, aus »der Benutzung der Familienpflegeprodukte auszuscheren und seine eigenen Männerprodukte haben will«. Ein Wunsch, dem ihm Elida Gibbs gern erfüllte. Die Firma kombinierte erstmals ein Deo mit dem Duft eines männlichen Parfüms. Die ersten drei Duftnoten waren Moschus, Amber und Zeder.

Die anstehende Überzeugungsarbeit leistete die Agentur Lintas. Lintas überlegte, was für einen Mann besonders erstrebenswert ist. Die Antwort: daß eine starke und attraktive Frau völlig unerwartet den ersten Schritt macht. Die Marktstrategen hatten drei Kernwerte in ihrem Deo ausgemacht – Männlichkeit, Duft und Verführung –, die zu der kreativen Umsetzung führten: Die Einzigartigkeit von Axe liegt in einem Duft, der den Mann so attraktiv macht, daß die Frau mehr von ihm haben will. Eben »Der Duft, der Frauen provoziert«. In Gruppendiskussionen wurde die Frage beantwortet, wann der Mann ins Axe-fähige Alter kommt: »Axe ist ein Einsteigerduft, der später noch paralell zu einem Edelduft verwendet wird. In dem Moment, in dem ein Pflegebedürfnis aufkommt, ist die Zeit reif für Axe.« Dieser Moment tritt in Deutschland etwa im Alter von 16 bis 18 Jahren ein, in England schon mit 14 Jahren. Als Zielgruppe wurde veranschlagt: »Der nicht domestizierbare, welterfahrene, charmante und erfolgreiche Mann von Welt. Gutaussehend und elegant. Einer, der weiß, was er will. Er liebt Reisen in exotische Länder, hat einen interessanten Beruf und umgibt sich gern mit schönen Dingen.« Nur böse Menschen sehen darin den typischen Ballermann-Pauschalbucher, Opel-Manta-Fahrer und leitenden Angestellten in der Spar- und Darlehnsabteilung der örtlichen Bausparkasse.

Weitere charmante Männer von Welt ließen nicht lange auf sich warten. Bald betörte auch der aufsteigende Achselschweiß des City-Men (»Dieser Mann. Dieser Duft.«) und des Gammon-Mann (»Mit diesem Duft kann dir alles passieren – Jetzt auch als Deo und Duschgel«) die Damenwelt.

 

Im Laufe der Jahre durfte sich der Axe-Mann dann gemeinsam mit seiner Kundschaft emanzipieren. Nahm in den frühen Spots die Frau noch zuerst den Duft wahr, hatte sich die Wahrnehmung nun auf »seine gesamte individuelle Persönlichkeit und Ausstrahlung« ausgeweitet. Das verriet uns der Hersteller, und eine Deo-Expertin des Hauses merkte an: »Unser Axe-Mann ist so stark, daß er eine starke Partnerin vertragen kann.«

Mitte der Neunziger war dann der Macho nicht mehr angesagt, und Axe begann, mit ironischen Spots sich selbst ein bißchen auf die Schippe zu nehmen. So verhext der Jüngling aus dem Fahrstuhl-Film nicht mehr nur die Sinne einer aufregenden Dame, sein Duft betört auch einen zusteigenden Schwulen im Leder-Outfit. Auf den Axe-Effekt ist eben immer Verlaß.

Bac-Deo-Expertin Inge

Die Fachfrau für Achselschweiß

Mein Bac – dein Bac. Bac ist für alle da. Schon in den fünfziger Jahren, lange vor dem Axe-Mann, beschäftigten unansehnliche und übelriechende Schwitzflecken, wie sie sich vorzugsweise in der Achselhöhle zu sammeln pflegen, Geist und Gemüt der Werbefachleute.

Wenn man den Reklameaussagen Vertrauen schenken darf, träumte die Frau in den Fünfzigern von einem Mann mit einer netten Stellung und einem hübschen kleinen Auto. Aber was nützt der beste Job, wenn man sich nicht riechen kann? Es gab Hilfe. Die Kosmetiksensation von 1953 war der Bac-Stift, die »neuartige Pflege unter dem Arm«. Um die Errungenschaft aus den USA weiten Bevölkerungskreisen zugänglich zu machen, gab Bac-Deo-Expertin Inge guten Rat:

»Inge weiß es, das Gewühle, wie es hier ist, fördert Schwüle.«

 

»Inge weiß es, Kinositzen läßt das Publikum erhitzen. Doch sie sagt vergnügt ›Hinein‹ und genießt es, frisch zu sein.«

»Inge weiß es, Küchenstunden sind mit Hitze eng verbunden. Doch sie stellt sich darauf ein und genießt es, frisch und frei zu sein.«

Geruchsintensiv war auch die Situation junger Damen auf Freiersfüßen in den Bac-Werbefilmen. Sie transpirierten. Und das genierte:

»Beim Federball strahlt dein Gesicht, doch, ach du selber merkst es nicht, man läßt dich bald alleine und Freunde hast du keine. Sie transpiriert. Und das geniert. Und wenn man nicht gut riechen kann, tja, dann bekommt man auch keinen Mann. Was rettet dich? … nur ein Strich körperfrisch.«

 

»Dieses hier ist Adelheid, der Chef diktiert zu ihrem Leid recht schnell. Und das macht sie nervös. Oje! Die Folgen sind recht bös’. Sie transpiriert. Und das geniert. Hier tanzt daß hübsche Mädel mit dem Herrn Assessor Städel. Sehr viel. Doch bald ist sie erhitzt. Das hat zur Folge, daß sie schwitzt. Pardon, sie transpiriert. Und das geniert. Und wenn man nicht gut riechen kann, dann bekommt man auch keinen Mann. Was rettet dich? … nur ein Strich körperfrisch.«

Rexona-Seife machte 1953 die Rettung einfacher: »… frisch und frei von Körpergeruch durch regelmäßiges Waschen.« Und auch Mitwettbewerber 8x4 schrieb 1955: »Das ETWAS ist für mich kein Problem … ich wasch es einfach weg mit 8x4-Seife.«

Bärenmarke-Bär

Schutzpatron der Kaffeesahne

Gemeinsam mit Salamander →Lurchi und der →Lila-Kuh von Milka gehört der Bärenmarke-Bär heute zu den bekanntesten und beliebtesten deutschen Werbehelden. Und das, obwohl er importiert ist. Die Wiege des drolligpetzigen bärigen Milchmanns stand vor einem knappen Jahrhundert in den Schweizer Alpen. Als Etikettenbär sollte er an knallgrüne Almwiesen erinnern. Im Gegensatz zu dem harmlosen Schmusebären, der heute von der Bärenmarke-Dose lächelt, war der Urbär aber noch ein recht grimmiger Geselle. Wie der heutige Grinsepetzi gibt er seinem Kind die Flasche, die Darstellung jedoch ist deutlich naturalistischer.

Doch was qualifiziert einen Bären zum Milchmann? Schließlich gibt es genug andere Tiere, die besser in die heile Alpenwelt passen als ein ungelenker Stoffteddybär. Die Kuh beispielsweise, das einheimische Murmeltier oder der Bernhardiner mit dem Rumfäßchen um den Hals. Bei saftiger Alpenmilch denkt dagegen niemand auf Anhieb an einen Bären. Der Grund für seine Wahl liegt im Schweizer Nationalstolz. Die Bundeshauptstadt der Eidgenossen, Bern, führt einen Bären im Wappen, und in Bern wurde 1892 die »Berneralpen Milchgesellschaft« gegründet. Diese wiederum eröffnete 1905 im deutschen Biessenhofen im Allgäu ein Milchwerk, in dem 1912 erstmals Bärenmarke-Kondensmilch hergestellt wurde. Auf der Dose der gezeichnete Werbebär.

Kondensmilch gab es damals nur in Apotheken zu kaufen. Bei 10 Prozent Fettgehalt galt Kondensmilch noch als Stärkungsmittel und nicht als Kaffeeweißer. Der Grund dafür lag beim Bohnenkaffee, denn der war noch ein Luxus, den der Normalbürger sich nicht alle Tage leisten konnte. Erst als Kaffee sich langsam zum Massengut wandelte, stellten die Bohnenfreunde schnell fest, daß Kondensmilch sich auch hervorragend zur Verfeinerung des Kaffees eignet. 1912 flossen im Biessenhofener Milchwerk in bis zu 40.000 Liter Milch täglich. Heute konsumieren die Bundesbürger jährlich über eine Milliarde Packungen an Kondensmilch-Produkten.

Den eigentlichen Siegeszug des Bärenmarke-Bären läutete der bekannte Werbemann Hanns W. Brose (»Im Asbach Uralt ist der Geist des Weines«) Mitte der fünfziger Jahre ein, als er ihn zum Filmstar machte.

Er ließ ihn milchkannenschwenkend über grüne Alpenwiesen tapsen, pflichtbewußt Alpenkühe täscheln und an Milchbehältern schnüffeln. Die Kühe waren zwar noch aus Pappe, dafür erklang bereits erstmals der berühmte Jingle »Nichts geht über Bärenmarke zum Kaffee«. Darsteller war ein Schauspieler im Bärenkostüm.

In einem Alter, in dem der normale Bär schon in die ewigen Jagdgründe eingegangen ist, wurde der Bärenmarke-Teddy noch zum Fernsehstar. 1962, an seinem fünfzigsten Geburtstag und bereits deutlich rundlicher, feierte er seine ersten Auftritte in der Flimmerkiste. In der Kino-Werbung der 50er noch ein geselliger Dorfbewohner, der für jeden Spaß zu haben war, lebte er in den 60ern zurückgezogen in seiner Almhütte, kümmerte sich ausschließlich um seine Kühe und wanderte lediglich zu Inspirationszwecken durchs Emmental. So 1965 als »Dr. Bär« beim Gesundheits-Check des Milchviehs. Eine Ausnahme war 1964 der 3