Lyrik, Verse, Epen - Christoph Martin Wieland - E-Book

Lyrik, Verse, Epen E-Book

Christoph Martin Wieland

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Beschreibung

In dieser Edition finden sich Wielands bekannteste lyrischen Werke und Epen. Inhalt: Musarion Cyrus Der neue Amadis Die Grazien Gandalin oder Liebe um Liebe Idris und Zenide Jugendgedichte Gedichte an Olympia Gedichte an Karl August Freiherrn von Manteufel Prinzessin Caroline

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Lyrik, Verse, Epen

Christoph Martin Wieland

Inhalt:

Christoph Martin Wieland – Biografie und Bibliografie

Musarion

An Herrn Kreissteuereinnehmer Weisse in Leipzig

Erstes Buch

Zweites Buch

Drittes Buch

Cyrus

Erster Gesang

Zweiter Gesang

Dritter Gesang

Vierter Gesang

Fünfter Gesang

Der neue Amadis

Vorbericht.

Erster Gesang.

Zweyter Gesang.

Dritter Gesang.

Vierter Gesang.

Fünfter Gesang.

Sechster Gesang.

Siebenter Gesang.

Achter Gesang.

Neunter Gesang.

Zehnter Gesang.

Eilfter Gesang.

Zwölfter Gesang.

Dreyzehnter Gesang.

Vierzehnter Gesang.

Funfzehnter Gesang.

Sechszehnter Gesang.

Siebzehnter Gesang.

Achtzehnter Gesang.

Die Grazien

An Danae

Erstes Buch

Zweites Buch

Drittes Buch

Viertes Buch

Fünftes Buch

Sechstes Buch

Gandalin oder Liebe um Liebe

Prolog

Erstes Buch

Zweytes Buch

Drittes Buch

Viertes Buch

Fünftes Buch

Sechstes Buch

Siebentes Buch

Achtes Buch

Idris und Zenide

An Herrn P. R. in E.

Vorrede

Erster Gesang

Zweyter Gesang.

Dritter Gesang

Vierter Gesang

Fünfter Gesang

Gedichte

Jugendgedichte

Ode

Ode. An seine Freundin

Ode. Auf seine Freundin

Ode an Herrn Bodmer

Ode an Doris

Elegie

Ode an Schinz

Ode

Ode

Ode

Ode. Klagen und Beruhigung

Ode an Serena

Ode

Ode an Schinz

Gedichte an Olympia

An Olympia

Zweierlei Götterglück

1

2

3

An die durchlauchtigste Herzogin Anna Amalia

Eine Anekdote aus dem Olymp

Gedichte an Karl August Freiherrn von Manteufel Prinzessin Caroline

An Karl August

An den Freiherrn Ernst von Manteufel

An Prinzessin Caroline von Sachsen-Weimar

Nadine - Eine Erzählung in Priors Manier

Erdenglück - An Chloe

Lyrik, Verse, Epen, C. M. Wieland

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849639976

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Christoph Martin Wieland – Biografie und Bibliografie

Hervorragender deutscher Dichter, geb. 5. Sept. 1733 zu Oberholzheim im Gebiete der ehemaligen Reichsstadt Biberach, gest. 20. Jan. 1813 in Weimar, genoss bei seinem Vater, der 1736 als Pfarrer nach Biberach versetzt wurde, sowie in der dortigen Stadtschule trefflichen Unterricht. Noch vor dem 14. Jahr auf die Schule zu Klosterberge bei Magdeburg geschickt, gab der sehr fromm erzogene, leseeifrige Knabe sich anfangs ganz dem dort herrschenden Geiste hin und warf sich in eine ausschließliche Bewunderung Klopstocks. Nachdem er seit Ostern 1749 sich ein Jahr lang bei einem Verwandten in Erfurt aufgehalten, verbrachte er den Sommer 1750 im Vaterhause. Hier traf er mit seiner Verwandten Sophie Gutermann (nachmals Sophie v. Laroche, s. d.) zusammen (vgl. Ridderhoff, Sophie von Laroche und W., Programm, Hamb. 1907). Die schwärmerische Neigung, die er zu ihr faßte, entwickelte rasch sein poetisches Talent. Durch sie empfing W. die Anregung zu seinem ersten der Öffentlichkeit übergebenen Gedicht: »Die Natur der Dinge. Ein Lehrgedicht in sechs Büchern« (anonym erschienen 1752). Im Herbst 1750 hatte W. die Universität Tübingen bezogen, angeblich um die Rechte zu studieren, welches Studium er jedoch über der Beschäftigung mit der neuern schönen Literatur und eigner poetischer Produktion ziemlich vernachlässigte. Ein Heldengedicht: »Hermann«, von dem er fünf Gesänge (hrsg. von Muncker, Heilbr. 1886) ausarbeitete und an Bodmer sandte, brachte ihn mit diesem in einen sehr intimen Briefwechsel. Seine übrigen Erstlingsdichtungen. »Zwölf moralische Briefe in Versen« (Heilbr. 1752), »Anti-Ovid« (Amsterd. 1752) u. a., kennzeichneten ihn als ausschließlichen und leidenschaftlichen Klopstockianer und strebten auf eine spezifisch seraphisch-christliche Dichtung hin. Im Sommer 1752 folgte er einer Einladung Bodmers nach Zürich. Auf das herzlichste empfangen, wohnte er im traulichsten Verkehr eine Weile bei Bodmer, den er sich durch eine Abhandlung über die Schönheiten in dessen Gedicht »Noah« und durch die neue Herausgabe der 1741–1744 erschienenen »Züricherischen Streitschriften« (gegen Gottsched) verpflichtete, und in dessen Sinn er ein episches Gedicht in drei Gesängen: »Der geprüfte Abraham« (Zürich 1753), verfasste. In anregendem Verkehr mit Breitinger, Hirzel, Sal. Geßner, Füßli, Heß u. a. schrieb W. in Zürich um jene Zeit noch die »Briefe von Verstorbenen an hinterlassene Freunde« (Zür. 1753). Die plötzliche Nachricht, dass seine Geliebte sich verehelicht, sowie ein längerer Aufenthalt in dem pietistisch gestimmten Grebelschen Hause in Zürich hielten ihn eine Weile länger, als es sonst geschehen sein würde, bei der seiner innersten Natur ganz entgegengesetzten frommen Richtung. In den »Empfindungen eines Christen« (Zürich 1757) sprach er zum letzten mal die Sprache, die er seit Klosterberge geredet, und erklärte sich mit besonderer Heftigkeit gegen die erotischen Dichter, besonders gegen Uz (s. d.). Aber bald genug vollzog sich in W., besonders unter dem Einfluss der Schriften des Lukian, Horaz, Cervantes, Shaftesbury, d'Alembert, Voltaire u. a., eine vollständige Umkehr von den eben bezeichneten Bahnen. Schon das mit starker Benutzung einer englischen Tragödie von Rowe gedichtete Trauerspiel »Lady Johanna Gray« (Zürich 1758) konnte Lessing mit der Bemerkung begrüßen, W. habe »die ätherischen Sphären verlassen und wandle wieder unter den Menschenkindern«. In demselben Jahr entstand das epische Fragment »Cyrus« (Zürich 1759), zu dem die Taten Friedrichs d. Gr. die Inspiration gegeben hatten, ferner das in Bern, wo W. 1759 eine Hauslehrerstelle angetreten hatte, geschriebene Trauerspiel »Clementina von Porretta« (nach Richardsons Roman »Grandison«, das. 1760) und die dialogisierte Episode aus der Kyropädie des Xenophon: »Araspes und Panthea«, welche Dichtungen sämtlich nach Wielands späteren eignen Worten die »Wiederherstellung seiner Seele in ihre natürliche Lage« ankündigen oder geschehen zeigen. In Bern trat der Dichter in sehr nahe Beziehungen zu der Freundin Rousseaus, Julie Bondeli (s. d.). 1760 nach Biberach zurückgekehrt, erhielt er eine amtliche Stellung in seiner Vaterstadt, deren kleinbürgerliche Verhältnisse ihm minder drückend wurden, nachdem er auf dem Schlosse des Grafen Stadion, der sich nach dem Biberach benachbarten Warthausen zurückgezogen, eine Stätte feinster weltmännischer Bildung, mannigfachste persönliche Anregung und eine vortreffliche Bibliothek gefunden hatte. In Warthausen traf W. auch Sophie v. Laroche, seine ehemalige Geliebte, die mit ihrem Gatten bei Stadion lebte, wieder. Der Verkehr mit den genannten und andern Personen, die sich in jenem Kreise bewegten, vollendete Wielands Bekehrung ins »Weltliche«. Jetzt erst trat seine schriftstellerische Tätigkeit in die Epoche, die seinen Ruhm und seine Bedeutung für die nationale Literatur umfasst. Um 1761 wurde der Roman »Agathon« (Frankf. 1766–67; vgl. Scheidl, Persönliche Verhältnisse und Beziehung zu den antiken Quellen in Wielands ›Agathon‹, Berl. 1904; F. W. Schröder, Wielands. Agathon' und die Anfänge des modernen Bildungsromans, Dissertation, Königsb. 1905) begonnen, nach Lessings Urteil der erste deutsche Roman »für den denkenden Kopf von klassischem Geschmack«, 1764 »Don Silvio von Rosalva, oder der Sieg der Natur über die Schwärmerei« (Ulm 1764; vgl. Martens, Untersuchungen über Wielands, Don Sylvio', Dissertation, Halle 1901) vollendet. Daneben vertiefte sich W. in das Studium Shakespeares und ließ dessen Stücke zu einer Zeit, wo sie sonst in Deutschland noch nirgends ausgeführt wurden, in Biberach von einer Liebhabergesellschaft ausführen. Auch ließ er zuerst eine Sammlung von Shakespeareschen Dramen in deutscher Sprache erscheinen (22 Stücke, Zürich 1762–66, 8 Bde.). Die Übersetzung (in Prosa) wird ebenso wenig wie die Anmerkungen dem Dichter immer gerecht, die Versmaße des Originals sind nur in dem vortrefflich übertragenen und W. besonders kongenialen »Sommernachtstraum« beibehalten (vgl. Wurth, Zu Wielands, Eschenburgs und A. W. Schlegels Übersetzungen des, Sommernachtstraums', Programm, Budweis 1897; Simpson, Eine Vergleichung der Wielandschen Shakespeare-Übersetzung mit dem Originale, Dissertation, Berl. 1898).

Mit den beiden oben genannten Romanen und den Dichtungen: »Musarion, oder die Philosophie der Grazien« (Leipz. 1768) und »Idris und Zenide« (das. 1768), in den nächsten Jahren den Erzählungen: »Nadine« (das. 1769), »Combabus« (das. 1770), »Die Grazien« (das. 1770) und »Der neue Amadis« (das. 1771) verfolgte W. seinen neuen Weg und verkündete eine Philosophie der heitern Sinnlichkeit, der Weltfreude, der leichten Anmut, die im vollen Gegensatz zu den Anschauungen seiner Jugend stand. Inzwischen hatte W., der seit 1765 mit einer Augsburgerin verheiratet war, einem durch Riedel in Erfurt vermittelten Ruf an die dortige Universität im Sommer 1769 Folge gegeben. Seine Lehrtätigkeit, dse er mit Eifer betrieb, tat seiner dichterischen Produktivität wenig Abbruch. In Erfurt verfaßte er, außer einigen der oben genannten Schriften, noch das Singspiel »Aurora«, die »Dialoge des Diogenes« und den lehrhaften Roman »Der goldene Spiegel, oder die Könige von Scheschian« (Leipz. 1772; vgl. O. Vogt, ›Der goldene Spiegel‹ und Wielands politische Ansichten, Berl. 1904), der ihm den Weg nach Weimar bahnte. 1772 berief ihn die Herzogin Anna Amalie von Sachsen-Weimar zur literarischen Erziehung ihrer beiden Söhne nach Weimar. Hier trat W. in den geistig bedeutendsten Lebenskreis des damaligen Deutschland, der schon bei seiner Ankunft Männer wie Musäus, v. Knebel, Einsiedel, Bertuch u. a. in sich schloss, aber bald darauf durch Goethe und Herder erst seine höchste Weihe und Belebung erhielt. W. bezog unter dem Titel eines herzoglichen Hofrates einen Gehalt von 1000 Tlr., der ihm auch nach Karl Augusts Regierungsantritt als Pension verblieb. In behaglichen, ihn beglückenden Lebensverhältnissen entfaltete er eine frische und sich immer liebenswürdiger gestaltende poetische und allgemein literarische Tätigkeit. Mit dem Singspiel »Die Wahl des Herkules« und dem lyrischen Drama »Alceste« (1773) errang er reiche Anerkennung. In der Zeitschrift »Der teutsche Merkur«, deren Redaktion er von 1773 bis 1789 führte, ließ er fortan die eignen dichterischen Arbeiten zunächst erscheinen, neben denen er auch eine ausgebreitete kritische Tätigkeit übte (vgl. Burkhardt, Repertorium zu Wielands deutschem Merkur, Jena 1873). Wielands im »Merkur« abgedruckte »Briefe über Alceste« (September 1773) gaben Goethe und Herder Ärgernis und riefen des ersteren Farce »Götter, Helden und W.« (1774) hervor, auf welchen Angriff W. mit der ihm in der zweiten Hälfte seines Lebens fast unverbrüchlich eignen heitern Milde antwortete. Als Goethe bald darauf nach Weimar übersiedelte, bildete sich zwischen ihm und W. ein dauerndes Freundschaftsverhältnis, dem der überlebende Altmeister nach Wielands Tod in seiner schönen Denkrede auf W. ein unvergängliches Denkmal gesetzt hat. Goethe gewann auch den stärksten Einfluss auf Wielands Bestrebungen in der dritten Periode, in deren Werken sich die besten und rühmlichsten Eigenschaften unsers Dichters gleichsam konzentrieren, während seine Neigung zur ermüdenden Breite und zur sinnlichen Lüsternheit bis auf einen gewissen Punkt überwunden wurde. Die »Geschichte der Abderiten« (Leipz. 1781; vgl. Seuffert, Wielands ›Abderiten‹ Berl. 1878), das romantische, farbenreiche epische Gedicht »Oberon« (Weim. 1781; vgl. M. Koch, Das Quellenverhältnis von Wielands ›Oberon‹, Marb. 1880; Lindner, Zur Geschichte der Oberonsage, Rostock 1902), Wielands Meisterwerk, die prächtigen poetischen Erzählungen: »Das Wintermärchen«, »Geron der Adelige«, »Schach Lolo«, »Pervonte« (vgl. F. Muncker, Wielands ›Pervonte‹, Münch. 1904) u. a., gesammelt in den »Auserlesenen Gedichten« (Jena 1784–87), entstanden in den ersten Jahrzehnten in Weimar. Dazu gesellten sich die trefflichen Bearbeitungen von »Horazens Satiren« (Leipz. 1786), »Lukians sämtlichen Werken« (das. 1788–89; vgl. Kersten, Wielands Verhältnis zu Lucian, Programm, Kuxhav. 1900; Steinberger, Lucians Einfluss auf W., Dissertation, Götting. 1903) und zahlreiche kleinere Schriften. Eine Gesamtausgabe seiner bis 1802 erschienenen Werke (1794–1802 in 36 Bänden und 6 Supplementbänden), die Göschen in Leipzig verlegte, hatte W. in den Stand gesetzt, das Gut Osmannstedt bei Weimar anzukaufen. Dort lebte der Dichter seit 1798 im Kreise seiner großen Familie (seine Gattin hatte ihm in 20 Jahren 14 Kinder geboren) glückliche Tage, bis ihn der 1801 erfolgte Tod seiner Gattin veranlasste, seinen Landsitz zu veräußern und wieder in Weimar zu wohnen (1803), wo er dem Kreise der Herzogin Anna Amalie bis an deren Tod (1807) angehörte. Die Zeitschrift »Attisches Museum«, die W. allein 1796–1801, und das »Neue attische Museum«, das er mit Hottinger und Fr. Jacobs 1802 bis 1810 herausgab, dienten dem Zweck, die deutsche Nation mit den Meisterwerken der griechischen Poesie, Philosophie und Redekunst vertraut zu machen. W. blieb bis in sein höchstes Alter in seltener Weise lebensfrisch (noch aus seinen letzten Lebensjahren stammt seine schöne Übersetzung von »Ciceros Briefen«, Zür. 1808–21). 1808 wurde er von Napoleon mit großer Auszeichnung behandelt. Seine Überreste ruhen seinem Wunsche gemäß zu Osmannstedt in Einem Grabe mit denen seiner Gattin und einer Enkelin seiner Jugendfreundin Laroche, Sophie Brentano. In Wielands Gartenhaus in Biberach wurde 1907 ein Wieland-Museum errichtet (vgl. »Vorträge, gehalten bei der Wielandfeier in Biberach a. Riß am 3. September 1907«, Biberach 1907). Sein Bildnis s. Tafel »Deutsche Klassiker des 18. Jahrhunderts« (im 11. Bd.).

Indem W. bei Beginn seiner zweiten Periode zur Vorbildlichkeit der französischen Literatur zurückkehrte und den Ehrgeiz hegte, die der deutschen Literatur völlig gleichgültig gegenüberstehenden höheren Stände durch eine der französischen ähnliche graziöse Leichtigkeit und lebendige Anmut für die deutsche Literatur zu gewinnen, leistete er ebendieser Literatur einen großen und entscheidenden, aber auch einen etwas bedenklichen Dienst. Er nahm einen guten Teil der Leichtfertigkeit, der Üppigkeit und Oberflächlichkeit jener Musterliteratur in die Produktionen seiner mittleren Zeit herüber. Freilich verband sich diese herausfordernde Frivolität und spöttische Weltklugheit mit dem kräftigen Behagen und dem unverwüstlichen Kern in seiner Natur, der selbst Schiller in einem Brief an Körner Wielands »Deutschheit« trotz alledem und alledem betonen ließ. Und die außerordentliche Entwickelungsfähigkeit seines reichen Talentes, der eigentümliche Aufschwung, den seine Dichtung noch in der zweiten Hälfte seines Lebens nahm, hätten die stutzig machen sollen, die, wie dies im Kreise der Romantiker Mode war, von W. immer und überall nur als von einem guten Kopf, ohne eigenstes poetisches Verdienst und tiefere Bedeutung, sprachen. Die mittelbare Nachwirkung Wielands brachte der deutschen Literatur eine Fülle seither nicht gekannter Anmut und Heiterkeit, die lebendigste Beweglichkeit und gesteigerte Fähigkeit für alle Arten der Darstellung. Die sämtlichen Werke Wielands erschienen im Göschenschen Verlag, herausgegeben von Gruber (Leipz. 1818–28, 53 Bde., mit der unten angeführten Biographie), dann ebenda in 36 Bänden 1839–40 (wiederholt Stuttg. 1853) und bei Hempel (Berl. 1879, 40 Bde.); »Ausgewählte Werke« gaben H. Kurz (Hildburgh. 1870, 3 Bde.), G. Klee (Leipz. 1900, 4 Bde., mit Biographie), W. Bölsche (das., 4 Bde.), H. Pröhle (in Kürschners »Deutscher Nationalliteratur«, Stuttg. 1887, 6 Bde.) und Muncker (in Cottas »Bibliothek der Weltliteratur«, 1889, 6 Bde.) heraus; eine große kritische Ausgabe wird von der Deutschen Kommission der Berliner Akademie vorbereitet; vgl. Seuffert, Prolegomena zu einer Wieland-Ausgabe (Berl. 1904). Von Briefen Wielands erschienen: »Ausgewählte Briefe an verschiedene Freunde« (Zürich 1815–16, 4 Tle.); »Auswahl denkwürdiger Briefe« (hrsg. von Ludwig W., Wien 1815, 2 Bde.); »Briefe an Sophie von La Roche« (hrsg. von Fr. Horn, Berl. 1820); »Briefe an Merck« (hrsg. von Wagner, Darmst. 1835; hauptsächlich auf den »Deutschen Merkur« bezüglich); »Neue Briefe, vornehmlich an Sophie von La Roche« (hrsg. von Hassencamp, Stuttg. 1893). Eine Biographie des Dichters schrieb Gruber (»Christ. Martin W.«, Altenb. 1815–16, 2 Bde.; neue Bearbeitung u. d. T.: »Chr. M. Wielands Leben«, als Bd. 50–53 der Werke, Leipz. 1827–28). Vgl. Ofterdinger, Chr. M. Wielands Leben und Wirken in Schwaben und der Schweiz (Heilbr. 1877); Buchner, W. und die Weidmannsche Buchhandlung (Berl. 1871); R. Keil, W. und Reinhold (Leipz. 1885); L. Hirzel, W. und Martin und Regula Künzli (das. 1891; behandelt eine Episode aus Wielands Züricher Jahren); P. Weizsäcker, Die Bildnisse Wielands (Stuttg. 1893); Wukadinovié, Prior in Deutschland (Graz 1895); Pomezny, Grazie und Grazien in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts (Hamb. 1900); B. Seuffert, Der Dichter des ›Oberon‹ (Vortrag, Prag 1900); F. Bauer, Über den Einfluß L. Sternes auf W. (Programm, Karlsbad 1898 u. 1900, 2 Hefte); Behmer, L. Sterne und W. (Berl. 1899); Doell, W. und die Antike (Programm, Münch. 1896); L. Hirzel, Wielands Beziehungen zu den deutschen Romantikern (Bern 1904); Ermatinger, Die Weltanschauung des jungen W. (Frauens. 1907); Kuhn, ›Idris und Zenide‹. Ein Beitrag zur Erkenntnis der Sprache Wielands (Würzb. 1903); Calvör, Der metaphorische Ausdruck des jungen W. (Dissertation, Götting. 1906); Schlüter, Studien über die Reimtechnik Wielands (Dissertation, Marb. 1900). Eine Reihe vorzüglicher Arbeiten über W. hat B.Seuffert, der beste Kenner des Dichters, in Zeitschriften veröffentlicht.

Musarion

Ein Gedicht in drei Buechern

An Herrn Kreissteuereinnehmer Weisse in Leipzig

Unser schätzbarer Freund, Herr Reich, schreibt mir, daß er der Versuchung nicht widerstehen könne, etliche Ballen holländisches Papier, die ihm neulich angekommen, zu einer neuen Ausgabe unsrer Musarion anzuwenden. Er sieht sich gewissermaßen als den Pflegevater dieser Schülerin der Grazien an, und ist parteiisch genug für seine angenommene Tochter, sie so niedlich geputzt sehen zu wollen, als nur immer möglich ist.

Ob ihre Liebenswürdigkeit diese kleine Schwärmerei rechtfertige, würde, wenn ich Ihren Beifall, mein vortrefflicher Freund, für eben so gerecht, als gütig halten dürfte, keine Frage mehr sein. Und warum sollte ich aus lauter Bescheidenheit gegen das Urteil eines Weisse so unbillig sein, ein Mißtrauen in den Wert desjenigen zu setzen, was ihm gefallen, und, wenn ich auch die Hälfte der Energie seiner Ausdrücke auf Rechnung der Freundschaft setze, so vorzüglich gefallen hat? – Nein, es würde nicht Bescheidenheit, Gleisnerei würde es sein; und von dieser Sünde wenigstens wird mich, wie ich hoffe, Herr Ziegra selbst freisprechen.

Ich gestehe es Ihnen also, mein liebenswürdiger Freund, daß ich, seit dem Ihr vollgültiger Beifall, und das günstige Urteil so vieler andrer Kenner, welches ich für eine Art von Gewähr für die Stimme aller guten Köpfe ansehen kann, mein eignes Gefühl über diesen Punkt gerechtfertiget hat, daß ich erfreut bin, meine Absicht nicht verfehlt, und nach so vielen allzu unvollkommnen Versuchen endlich etwas hervorgebracht zu haben, dem ich Leben genug zutrauen darf, um alsdann noch zu sein, wenn wir gekommen sein werden, quo pius Aeneas, quo Tullus dives et Ancus.

Denn weil ich nun einmal im Bekennen bin, so gestehe ich Ihnen auch, daß dasjenige, was man sonst von allen Schriftstellern sagt, »daß sie sich selbst, sogar wider ihren Willen, in ihren Werken abbilden«, in diesem Gedichte eine meiner Absichten war. Ich wollte, daß eine getreue Abbildung der Gestalt meines Geistes (die von einigen, teils aus Blödigkeit ihres eignen, teils aus zufälligen Ursachen, vielleicht auch aus Vorsatz und Absichten, mißkannt worden ist) vorhanden sein sollte; und ich bemühete mich, Musarion zu einem so vollkommenen Ausdruck desselben zu machen, als es neben meinen übrigen Absichten nur immer möglich war. Ihre Philosophie ist diejenige, nach welcher ich lebe; ihre Denkart, ihre Grundsätze, ihr Geschmack, ihre Laune sind die meinigen. Das milde Licht, worin sie die menschlichen Dinge ansieht; dieses Gleichgewicht zwischen Enthusiasmus und Kaltsinnigkeit, worein sie ihr Gemüt gesetzt zu haben scheint; dieser leichte Scherz, wodurch sie das Überspannte, Unschickliche, Schimärische, (die Schlacken, womit Vorurteil, Leidenschaft, Schwärmerei und Betrug, beinahe alle sittlichen Begriffe der Erdbewohner zu allen Zeiten, mehr oder weniger verfälscht haben,) auf eine so sanfte Art, daß sie gewissen harten Köpfen unmerklich ist, vom wahren abzuscheiden weiß; diese sokratische Ironie, welche mehr das allzustrenge Licht einer die Eigen liebe kränkenden oder schwachen Augen unerträglichen Wahrheit zu mildern, als andern die Schärfe ihres Witzes zu fühlen zu geben sucht; diese Nachsicht gegen die Unvollkommenheiten der menschlichen Natur – welche, (lassen Sie es uns ohne Scheu gestehen, mein Freund,) mit allen ihren Mängeln doch immer das liebenswürdigste Ding ist, das wir kennen. – Alle diese Züge, wodurch Musarion einigen modernen Sophisten und Hierophanten, Leuten, welche den Grazien nie geopfert haben, zu ihrem Vorteile so unähnlich wird – diese Züge – ja mein liebster Freund, sind die Lineamenten meines eignen Geistes und Herzens, und ich wage es, um so dreister es zu sagen, da sich unter unsern Zeitgenossen, und in der Tat unter den Menschen aller Zeiten, keine geringe Anzahl befindet, denen ein moralisches Gesichte, das dem ihrigen so wenig gleicht, notwendig häßlich vorkommen muß. Von Herzen gern sei ihnen das Recht zugestanden, davon zu urteilen, wie sie können: genug für mich, wenn Musarion und ihr Verfasser allen denen lieb ist, und es immer bleiben wird, welche in diesen Zügen ihre eignen erkennen. Weiter wird mein stolzester Wunsch niemals gehen; und so wünsche ich, wie Sie sehen, nichts als was ich gewiß bin, zu erhalten, oder Helvetius und die Erfahrung müssen Unrecht haben.

Sie wissen, mein Freund, daß ich überhaupt Ursache habe, über die Aufnahme, dieses mehr den Grazien und ihren Günstlingen, als dem Geschmack und Genius unsrer Zeiten gewidmeten Gedichts, vergnügt zu sein; man sagt mir, daß sogar diejenige unter den Journalisten, welche mir bisher keine Ursache gegeben haben, mich ihrer Billigkeit oder Bescheidenheit zu rühmen, (einen einzigen ausgenommen, der eher ein Gegenstand des Mitleidens, als der Peitsche würdig scheint, womit er zeither von einem mehr als juvenalischen Satyr gezüchtiget worden ist) sich von den Reizungen unsrer schönen Griechin haben verführen lassen, günstiger von ihr zu sprechen, als ich erwartet hatte. Bei alle dem deucht mich doch, daß selbst die wenigen unter den öffentlichen Beurteilern, welche gewohnt sind, zu denken, ehe sie schreiben, vielleicht nicht Muße gehabt haben, sich die Philosophie der Grazien genau genug bekannt zu machen, um den wahren Plan, den Zusammenhang der Grundsätze, und die eigentlichen Absichten dieses Gedichts, (außer derjenigen, wovon ich Ihnen vorher sagte) zum Gebrauche der Bedürftigen richtig genug zu entwickeln. Ich rede hier von einer bessern Art von Köpfen, als es die schulgerechten Philosophen vel quasi sind, von denen geschrieben stehet:

Die Herren dieser Art blendt oft zu vieles Licht,

Sie sehn den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Es ist unnötig, mich hierüber deutlicher zu erklären; ich erwähne dessen auch nur, um Ihnen zu sagen, was mich beinahe veranlaßt hätte, eine kleine Verräterei an der guten Musarion zu begehen, und alles zu entdecken, was diejenigen, denen die Grazien günstig sind, schon lange wissen, und was nur denen verborgen bleibt, die nichts davon wissen sollen, weil Musarion

Nicht ihres gleichen zu entzuecken

gemacht worden ist. Indem ich Ihnen dieses sage, habe ich die Ursache schon angegeben, warum ich den ersten Gedanken, eine so überflüssige Arbeit zu tun, wieder unterdrücke. Und hier werde ich versucht, eine andere Verräterei zu begehen, und Ihnen eine kleine Stelle aus einer gewissen Psyche, die Ihnen nicht ganz unbekannt ist, abzuschreiben, welche das, was ich itzt in Gedanken habe, besser ausdrückt, als ich es auf andre Weise tun könnte. Mir deucht diese Versuchung so unschuldig, daß ich, um sie los zu werden, am besten tun werde, ihr zu unterliegen. Hier ist die Stelle:

Man weiß, daß Pilpai, Trismegist,

Und Plato selbst sich oft herabgelassen,

Was von der Geisterwelt zu sagen rätlich ist,

In eine Art von Märchen zu verfassen,

Wobei, so blau sie auch beim ersten Anblick sind,

Der beste Kopf genug zu denken findt.

Die Mode war in jenen alten Tagen

Die tiefe Weisheit gern in Bildern vorzutragen;

Und klüglich wie uns deucht; denn ungebrochnes Licht

Taugt ganz gewiß für blöde Augen nicht.

Die Wahrheit läßt sich nur Adepten

Gewandlos sehn; und manches schwache Haupt,

Das ungestraft sie anzugaffen glaubt,

Erfährt das Los der alten Nympholepten,

Und läßt, indem es gafft, für einen Augenblick

Zweideutger Lust, sein Bißchen Witz zurück.

Ein Schleier, wie der Morgenländer

Um seine Dame zieht, nicht eben siebenfach,

Doch auch so gläsern nicht wie coische Gewänder,

Verhütet sehr bequem der gleichen Ungemach.

Liebhaber, die mit Witz Geschmack verbinden,

Gewinnen noch dabei: Sie finden

In einem Putz, der weder schwimmt noch preßt,

Viel schönes sehn, doch mehr erraten läßt,

Die Wahrheit, so wie andre Schönen,

Nur desto reizender. Den andern Erdensöhnen

Gefällt doch wenigstens die schöne Stickerei,

Der reiche Stoff, der Farben Spiel und Leben,

Sie würden um den Putz die Dame selber geben,

Und was verlören sie dabei?

Und das ist nun alles, was ich, bei Gelegenheit der gegenwärtigen Ausgabe, über Musarion zu sagen habe, und vielleicht schon mehr, als ein Verfasser von sich selbst und seinen Werken sagen sollte. Doch ehe ich mich von Ihnen beurlaube, mein teurester Freund, werde ich versucht, den Schmerz öffentlich sehen zu lassen, den ich über die unglückliche Fehde empfinde, welche ein den Musen gehässiger Dämon zwischen meinem alten verdienstvollen Freunde, dem Herrn Bodmer, und dem vortrefflichen Verfasser der Beiträge zum deutschen Theater angezettelt hat. Ich weiß es nur zu wohl, mein würdiger Freund, daß Sie der leidende Teil sind; mit freundschaftlichem Unmut habe ich den Angriffen, über welche sich Ihre Muse zu beschweren hat, aus einer Entfernung, die mich außer Stand setzte, sie zu verhindern, zugesehen; aber ich gestehe Ihnen: mit gleich lebhaftem Unmut sehe ich, mit was für unrühmlichen Waffen Sie von einigen Ungenannten (die für ihren eigenen Ruhm nicht besser sorgen können, als wenn sie unbekannt bleiben) sind gerochen worden. Die Sachen sind zu meinem empfindlichsten Bedauren so weit gekommen, daß mir nicht mehr erlaubt ist, stille zu schweigen, ohne auf der einen oder andern Seite ehrwürdige Pflichten zu verletzen.

Für diesmal, und da mir der enge Raum dieses Schreibens keine ausführliche Erklärung gestattet, begnüge ich mich, mit einem Wunsche zu schließen, von dem ich gewiß bin, daß er auch der Ihrige ist. Möchten doch die Männer, die ihr Leben, oder wenigstens, (wenn ihnen nicht mehr erlaubet ist,) die angenehmsten Stunden ihres Lebens den Musen und der Philosophie gewidmet haben, möchten sie die ganze Würde ihrer Bestimmung, und die Größe der Vorteile, die in ihrer Gewalt sind, empfinden! Wie glücklich, wie groß, wie unabhängig würden sie sein, wie wenig der Gunst der Könige nötig haben, und wie ehrwürdig selbst in den Augen der Großen der Welt könnten sie sich machen, wenn ihr Herz eben so gut, als ihr Kopf wäre: wenn der Einfluß der Musen und Grazien, auch ihr sittliches Gefühl, wenn ihr Geschmack auch ihre Gesinnungen verfeinert und verschönert hätte; wenn sie durch einen edlen Stolz sich zu groß dünkten, zu den niederträchtigen Leidenschaften des Pöbels und ihren verächtlichen Ausbrüchen herabzusinken, und indem sie einander selbst auf alle mögliche Art verkleinern, bei dem großen Haufen der Unwissenden und Narren, der den Erdhoden bedeckt, die Wissenschaften und die liebenswürdigen wohltätigen Künste der Musen verächtlich zu machen. Wieviel würden sie, wieviel würde die Gesellschaft und in der Folge die menschliche Natur selbst, die von dem höchsten Grade der Verschönerung, deren sie fähig ist, noch so weit entfernt scheint, durch die Erfüllung dieses Wunsches gewinnen, wenn alle Leute von Genie und Talenten, alle Gelehrte, alle Schriftsteller, wenigstens alle gute, ohne Eifersucht und niedrige Privatabsichten in einem tugendhaften und freundschaftlichen Wetteifer auf ihrer gemeinschaftlichen Laufbahn neben einander fortliefen, einander allezeit Gerechtigkeit widerfahren ließen, jedes neu aufkeimende Talent mit Vergnügen willkommen hießen, und anstatt es zu schrecken und niederzuschlagen, es auf alle mögliche Weise aufzumuntern bedacht wären – Kurz! Wenn sie einander so liebten und ehrten, wie alle Leute, welche selbst Verdienste haben, und daher auch Verdienste sollen schätzen können, zu tun schuldig sind, und wie gewiß alle wahrhaftig schöne Seelen durch eine Art von innerlicher Notwendigkeit zu tun angetrieben werden.

Erstes Buch

In einem Hain, der einer Wildnis glich

Und nah am Meer ein kleines Gut begrenzte,

Ging Phanias mit seinem Gram und sich

Allein umher; der Abendwind durchstrich

Sein fliegend Haar, das keine Ros umkränzte;

Verdrossenheit und Trübsinn malte sich

In Blick und Gang und Stellung sichtbarlich;

Und was ihm noch zum Timon1

 fehlt', ergänzte

Ein Mantel, so entfasert, abgefärbt

Und ausgenützt, daß es Verdacht erweckte,

Er hätte den, der einst den Krates deckte,

Vom Aldermann der Cyniker geerbt.2

Gedankenvoll, mit halb geschloßnen Blicken,

Den Kopf gesenkt, die Hände auf den Rücken,

Ging er daher. Verwandelt wie er war,

Mit langem Bart und ungeschmücktem Haar,

Mit finstrer Stirn, in Cynischem Gewand

Wer hätt in ihm den Phanias erkannt,

Der kürzlich noch von Grazien und Scherzen

Umflattert war, den Sieger aller Herzen.

Der an Geschmack und Aufwand keinem wich,

Und zu Athen, wo auch Sokraten zechten,3

Beim muntern Fest, in durchgescherzten Nächten,

Dem Komus bald, und bald dem Amor glich?

Ermüdet wirft er sich auf einen Rasen nieder,

Sieht ungerührt die reizende Natur

So schön in ihrer Einfalt! hört die Lieder

Der Nachtigall, doch mit den Ohren nur.

Ihr zärtlicher Gesang sagt seinem Herzen nichts;

Denn ihn beraubt des Grams umschattendes Gefieder

Des innern Ohrs, des geistigen Gesichts.

Empfindungslos, wie einer der Medusen

Erblickt und starrt, erwägt er zweifelsvoll

Nicht, wie vordem, wofür er seufzen soll,

Für welchen Mund, für welchen schönen Busen,

Nein, Phanias spricht jetzt der Torheit Hohn,

Und ruft, seitdem aus seinem hohlen Beutel

Die letzte Drachme flog, wie König Salomon:

Was unterm Monde liegt, ist eitel!

Ja wohl, vergänglich ist und flüchtiger als Wind

Der Schönen Gunst, die Brudertreu der Zecher;

So bald nicht mehr der goldne Regen rinnt,

Ist keine Danae, so bald im trocknen Becher

Der Wein versiegt, ist kein Patroklus mehr.

Was Fliegen lockt, das lockt auch Freunde her;

Gold zieht magnetischer, als Schönheit, Witz und Jugend:

Ist eure Hand, ist eure Tafel leer,

So flieht der Näscher Schwarm, und Lais spricht von Tugend.

Der großen Wahrheit voll, daß alles eitel sei

Womit der Mensch in seinen Frühlingsjahren,

Berauscht von süßer Raserei,

Leichtsinnig, lüstern, rasch und unerfahren,

In seinem Paradies von Rosen und Schasmin

Ein kleiner Gott sich dünkt, setzt Phanias, der Weise,

Wie Herkules, sich auf den Scheidweg hin,

(Nur schon zu spät) und sinnt der schweren Reise

Des Lebens nach. Was soll, was kann er tun?

Es ist so süß, auf Flaum und Rosenblättern

Im Arm der Wollust sich vergöttern,

Und nur vom Übermaß der Freuden auszuruhn!

Es ist so unbequem, den Dornenpfad zu klettern!

Was tätet ihr? – Hier ist, wie vielen deucht,

Das Wählen schwer: dem Phanias war's leicht.

Er sieht die schöne Ungetreue,

Die Wollust – schön, er fühlt's! – doch nicht mehr schön für ihn –

Zu jüngern Günstlingen aus seinen Armen fliehn;

Die Scherze mit den Amorinen fliehn

Der Göttin nach, verlassen lachend ihn,

Und schicken ihm zum Zeitvertreib die Reue:

Hingegen winken ihm aus ihrem Heiligtum

Die Tugend, und ihr Sohn, der Ruhm,

Und zeigen ihm den edlen Weg der Ehren.

Der neue Herkules schickt seufzend einen Blick

Den schon Entflohnen nach, ob sie nicht wiederkehren:

Sie kehren, leider! nicht zurück,

Und nun entschließt er sich der Helden Zahl zu mehren!

Der Helden Zahl? – Hier steht er wieder an;

Der kühne Vorsatz bleibt in neuen Zweifeln schweben.

Zwar ist es schön, auf lorbeernvoller Bahn

Zum Rang der Göttlichen die in der Nachwelt leben,

Zu einem Platz im Sternenplan

Und im Plutarch, sich zu erheben;

Schön, sich der trägen Ruh entziehn,

Gefahren suchen; keine fliehn, Auf edle Abenteuer ziehn,

Und die gerochne Welt mit Riesenblute färben;

Schön, süß sogar – zum mindsten singet so

Ein Dichter, der zwar selbst beim ersten Anlaß floh,4 –

Süß ist's, und ehrenvoll, fürs Vaterland zu sterben.

Doch auch die Weisheit kann Unsterblichkeit erwerben!

Wie prächtig klingt's, den fesselfreien Geist

Im reinsten Quell des Lichts von seinen Flecken waschen,

Die Wahrheit, die sich sonst nie ohne Schleier weist,

(Nie, oder Göttern nur) entkleidet überraschen;

Der Schöpfung Grundriß übersehn,

Der Sphären mystischen verworrnen Tanz verstehn,

Vermutungen auf stolze Schlüsse häufen,

Und bis ins Reich der reinen Geister streifen;

Wie glorreich! welche Lust! – Nennt immer Den beglückt

Und frei und groß, den Mann der nie gezittert,

Den der Trompete Ruf zur wilden Schlacht entzückt,

Der lächelnd sieht was Menschen sonst erschüttert

Und selbst den Tod, der ihn mit Lorbeern schmückt,

Wie eine Braut an seinen Busen drückt:

Viel größer, glücklicher ist Der mit Recht zu nennen,

Den, von Minervens Schild bedeckt,

Kein nächtliches Phantom, kein Aberglaube schreckt;

Den Flammen, die auf Leinwand brennen,

Und Styx und Acheron nicht blässer machen können;

Der ohne Furcht Kometen brennen sieht,

Die hohen Götter nicht mit Taschenspiel bemüht,

Und, weil kein Wahn die Augen ihm verbindet,

Stets die Natur sich gleich, stets regelmäßig findet.

War Philipps Sohn ein Held, der sich der Lust entzog

In welcher unberühmt die Ninias zerrannen,5

Und auf zertrümmerten Tyrannen

Von Sieg zu Sieg bis an den Indus flog?

Sein wälzender Triumph zermalmte tausend Städte,

Zertrat die halbe Welt – warum? laßt's ihn gestehn!

»Damit der Pöbel von Athen

Beim nassen Schmaus von ihm zu reden hätte.«6

Um wie viel mehr, als solch ein Weltbezwinger,

Ist Der ein Held, ein Halbgott, kaum geringer

Als Jupiter, der tugendhaft zu sein

Sich kühn entschließt; dem Lust kein Gut, und Pein

Kein Übel ist; zu groß, sich zu beklagen,

Zu weise, sich zu freun; der jede Leidenschaft

Als Sieger an der Tugend Wagen

Gefesselt hat und im Triumphe führt;

Den alles Gold der Inder nicht verführt;

Den nur sein eigener, kein fremder Beifall rührt;

Kurz, der in Phalaris durchglühtem Stier verdärbe

Eh er in Phrynens Arm – ein Diadem erwärbe.

In solche schimmernde Betrachtungen vertieft

Lag Phanias, schon mehr als halb entschlossen;

Als Amor unverhofft die neue Denkart prüft,

Die Gram, Philosophie und Not ihm eingegossen.

Er sah, und hätte gern den Augen nicht getraut,

Die ein Gesicht, wovor ihm billig graut,

Zu sehn sich nicht erwehren, können.

Die Götter werden ihm den Ruhm doch nicht mißgönnen,

Ein Xenokrat zu sein? Was hilft Entschlossenheit?

Im Augenblick der uns Minerven weiht

Kommt Cytherea selbst zur ungelegnen Zeit.

Zwar diese war es nicht: doch hätte

Die Schöne, welche kam, vielleicht sich vor der Wette,

Die Pallas einst verlor, gleich wenig sich gescheut.

Schön, wenn der Schleier bloß ihr schwarzes Aug entdeckte,

Noch schöner, wenn er nichts versteckte;

Gefallend, wenn sie schwieg, bezaubernd, wenn sie sprach:

Dann hätt ihr Witz auch Wangen ohne Rosen

Beliebt gemacht; ein Witz, dem's nie an Reiz gebrach,

Zu stechen oder liebzukosen

Gleich aufgelegt, doch lächelnd wenn er stach

Und ohne Gift. Nie sahe man die Musen

Und Grazien in einem schönern Bund,

Nie scherzte die Vernunft aus einem schönern Mund;

Und Amor nie um einen schönern Busen.

So war, die ihm erschien, so war Musarion.

Sagt, Freunde, wenn mit einer solchen Miene

Im wildsten Hain ein Mädchen euch erschiene,

Die Hand aufs Herz! sagt, liefet ihr davon?

»So lief denn Phanias?« – Das konntet ihr erraten!

Er tat was Wenige in seinem Falle taten,

Allein, was jeder soll, der sicher gehen will.

Er sprang vom Boden auf, und – hielt ein wenig still,

Um recht gewiß zu sehn was ihm sein Auge sagte;

Und da er sah, es sei Musarion,

So lief er euch – der weise Mann! – davon

Als ob ein Arimasp ihn jagte.7

»Du fliehest, Phanias?« ruft sie ihm lachend nach:

»Erkennest mich und fliehst? Gut, fliehe nur, du Spröder!

Dein Kaltsinn macht Musarion nicht blöder;

Du schmeichelst dir doch wohl, sie sei so schwach

Dir nachzufliehn?« – Durch ungebahnte Pfade

Wand er wie eine Schlange sich:

So schlüpft die keusche Oreade

Dem Satyr aus der Hand, der sie im Bad erschlich.

Die Schöne folgt mit leichten Zephyrfüßen,

Doch ohne Hast; denn (dachte sie) am Strand

Wohin er flieht, wird er wohl halten müssen.

Es war ihr Glück, daß sich kein Nachen fand;

Denn, der Versuchung zu entgehen,

Was tät ein Weiser nicht, Doch da er keinen fand,

Wohin entfliehn? – Es ist um ihn geschehen

Wenn ihn sein Kopf verläßt! – Seid unbesorgt! er blieb

Am Ufer ganz gelassen stehen,

Sah vor sich hin, schwang seinen Stab, beschrieb

Figuren in den Sand, als ob er überdächte

Wie viele Körner wohl der Erdball fassen möchte;

Kurz, tat als säh er nichts, und wandte sich nicht um.

»Vortrefflich!« rief sie aus, »das nenn ich Heldentum

Und etwas mehr! Die alte Ordnung wollte,

Daß Daphne jüngferlich mit kurzen Schritten fliehn,

Apollo keuchend folgen sollte;

Du kehrst es um. – Fliehst du, mich nachzuziehn?

Den kleinen Stolz will ich dir gerne gönnen!«

»Du irrest dich«, antwortet unser Held

Mit Mienen, welche nicht, wie sehr sie ihm mißfällt,

Verbergen wollen oder können:

»Ein rascher meilenbreiter Spalt,

Der plötzlich zwischen uns den Boden gähnen machte,

Ist alles, glaube mir, wornach ich sehnlich schmachte,

Seitdem ich dich erblickt«. – »Der Gruß ist etwas kalt«,

Erwidert sie: »du denkest, wie ich sehe,

Die Reihe sei nunmehr an dir,

Und weichst zurück so wie ich vorwärts gehe.

Doch spiele nicht den Grausamen mit mir!

Was willst du mehr, als daß ich dir gestehe,

Du zürnst mit Recht? Ja, ich mißkannte dich:

Doch, war ich damals mein? Jetzt bin ich, was du mich,

Zu sein, so oft zu meinen Füßen batest.«

»Wie, (unterbrach er sie) du, die mit kaltem Blut

Mein zärtlich Herz mit Füßen tratest.

Mich lächelnd leiden sahst – du hast den Übermut

Und suchst mich auf, mich noch durch Spott zu quälen?

Zwei Jahre liebt ich dich, Undankbare, so schön,

Wie keine Sterbliche sich je geliebt gesehn.

Dein Blick, dein Atem schien allein mich zu beseelen.

Tor, der ich war! von einem Blick entzückt

Der sich an mir für Nebenbuhler übte;

Durch falsche Hoffnungen berückt,

Womit mein krankes Herz getäuscht zu werden liebte!

Du botst verführerisch das süße Gift mir dar,

Und machtest dann mit einem andern wahr

Was dein Sirenenmund mir zugelächelt hatte.

Und, o! mit wem? – Dies brachte mich zur Wut!

(Nur der Gedank empört noch itzt mein Blut)

Ein Knabe war's, – erröte nicht, gestatte

Daß ich ihn malen darf, – gelblockig, zephyrlich,

Ein bunter Schmetterling, so glatt wie eine Schlange,

Mit Gänseflaum ums Kinn, mit rotgeschminkter Wange,

Ein Ding, das einer Puppe glich,

Wie kleine Töchterchen mit sich zu Bette nehmen:

Dem gabst du, ohne dich zu schämen,

Den Busen preis, um den der Hirt von Ilion

Helenen untreu worden wäre;

Dies Äffchen machte den Adon

Der Nebenbuhlerin der Göttin von Cythere.

Und Phanias, indes so ein Insekt

Auf deinen Rosen kriecht, liegt Nächte durch gestreckt,

Mit Tränen, die den Mai von seinen Wangen ätzen,

Die Schwelle deiner Tür, Undankbare, zu netzen!

Nein! Der versöhnt sich nie, der so beleidigt ward!

Hinweg! die Luft, in der du Atem ziehest,

Ist Pest für mich – Verlaß mich! du bemühest

Dich fruchtlos! – unsre Denkungsart

Stimmt minder überein als ehmals unsre Herzen«.

»Mich deucht (erwidert sie) du rächest dich zu hart

Für selbst gemachte Liebesschmerzen.

Sei wahr, und sprich, ist's stets in unserer Gewalt

Zu lieben wie und wen wir sollen?

Oft fragt der Liebesgott uns nur nicht ob wir wollen?

Wir finden ohne Grund uns zärtlich oder kalt,

Itzt dem Apollo spröd, itzt schwach für einen Faunen.

Was weiß ich's selbst? wer zählet Amors Launen?

Ihr, die ihr über uns so bitter euch beschwert,

Laßt euer eignes Herz für unsers Antwort geben!

Ihr bleibt oft an der Stange kleben,

Und was euch angelockt war kaum der Mühe wert.

Ein Halstuch öffnet sich, ein Ärmel fällt zurücke,

Und weg ist euer Herz! Oft braucht es nicht so viel;

Ein Lächeln fängt euch schon, ihr fallt von einem Blicke.

Ein flüchtiger Geschmack, ein Nichts, ein eitles Spiel

Der Phantasie, regiert uns oft im Wählen;

Das Schöne selbst verliert auf kurze Zeit

Den Reiz für uns; wir wissen daß wir fehlen,

Und finden Grazien bis in der Häßlichkeit.

Hat die Erfahrung, wie ich glaube,

Von dieser Wahrheit dich belehrt,

So ist mein Irrtum auch vielleicht verzeihenswert.

Wer suchet unter einer Haube

So viel Vernunft als Zenons Bart verheißt?

Und wie? mein Freund, wenn ich sogar zu sagen

Mich untersteh, daß wirklich mein Betragen

Fürmeine Klugheit mehr alswidersie beweist?

Ich schätzt an dir, wofür dich jeder preist,

Ein edles Herz und einen schönen Geist:

Was ich für dich empfand war auf Verdienst gegründet;

Du warst mein Freund, und fordertest nicht mehr;

Vergnügt mit einem Band das nur die Seelen bindet,

Sahst du mich Tage lang, und fandest gar nicht schwer

Mich, wenn der Abendstern dir winkte, zu verlassen,

Um an Glycerens Tür die halbe Nacht zu passen.

So ging es gut, bis dich ein Ungefähr

An einem Sommertag in eine Laube führte,

Worin die Freundin schlief, die wachend dich bisher

So ruhig ließ. Ich weiß nicht was dich rührte;

Der Schlaf nach einem Bad, wenn man allein sich meint,

Muß was verschönerndes in euern Augen haben:

Genug, du fandst an ihr sonst unerkannte Gaben,

Und sie verlor den angenehmen Freund.

Nichts ahnend wacht ich auf; da lag zu meinen Füßen

Ein Mittelding von Faun und Liebesgott!

In dithyrambische Begeistrung hingerissen

Was sagtest du mir nicht! was hättst du wagen müssen,

Hätt ich, der Schwärmerei die Lippen zu verschließen,

Das Mittel nicht gekannt! Ein Strom von kaltem Spott

Nahm deinem Brand die Luft. Mit triefendem Gefieder

Flog Amor zürnend fort: doch freut ich mich zu früh;

Denn eh ich mir's versah, so kam er seufzend wieder.

Mit Seufzen, ich gesteh's, erobert man mich nie;

Der feierliche Schwung erhitzter Phantasie

Schlägt mir die Lebensgeister nieder.

Ich machte den Versuch, durch Fröhlichkeit und Scherz

Den Dämon, der dich plagte, zu verjagen;

Doch diese Geisterart kann keinen Scherz ertragen.

Ich änderte die Kur. Allein mein eignes Herz

Kam in Gefahr dabei; es wurde mir verdächtig;

Denn Schwärmerei steckt wie der Schnupfen an:

Man fühlt ich weiß nicht was, und eh man wehren kann

Ist unser Kopf des Herzens nicht mehr mächtig.

Auf meine Sicherheit bedacht

Fand ich zuletzt ich müsse mich zerstreuen.

Mir schien ein Geck dazu ganz eigentlich gemacht.

Für Schönen, die den Zwang der ernsten Liebe scheuen,

Taugt eine Puppe nur, die trillert, hüpft und lacht;

Ein bunter Tor, der tändelnd uns umflattert,

Die Zähne weist, nie denkt, und ewig schnattert;

Der, schwülstiger je weniger er fühlt,

Von Flammen schwatzt die unser Fächer kühlt,

Und, unterdes er sich im Spiegel selbst belächelt,

Studierte Seufzerchen mit schaler Anmut fächelt.«

»Das alles was du sagst, (fiel unser Timon ein)

Soll, wie es scheint, ein kleines Beispiel sein,

Kein Handel sei so schlimm, den nicht der Witz verteidigt.

Nur schade, daß die Ausflucht mehr beleidigt

Als was dadurch verbessert werden soll.

Doch, laß es sein! mein Torheitsmaß ist voll,

Wir wollen uns mit Zanken nicht ermüden.

Ich liebte dich; vergib! ich war ein wenig toll:

Dir selbst gefiel ein Geck, und ich – ich bin zufrieden;

Erfreut sogar. Denn ständ es itzt bei mir,

Durch einen Wunsch an seinen Platz zu fliegen,

Bathyll zu sein – um dir im Arm zu liegen:

Bei deiner Augen Macht! – ich bliebe hier.

Du hörst, ich schmeichle nicht. Genießt Ihr das Vergnügen

Durch falsche Zärtlichkeit einander zu betrügen:

Mich fängt kein Lächeln mehr! – Ich seh ein Blumenfeld

Mit mehr Empfindung an als eure schöne Welt:

Und wenn zum zweiten Mal ein Weib von mir erhält,

Durch einen strengen Blick, durch ein gefällig Lachen

Mich bald zum Gott und bald zum Wurm zu machen,

Wenn ich, so klein zu sein, noch einmal fähig bin:

Dann, holde Venus, dann verwirre meinen Sinn,

Verdamme mich zur lächerlichsten Flamme,

Und mache mich – verliebt in meine Amme.«

»Wie lange denkst du so?« versetzt Musarion:

»Der Abstich ist zu stark, den dieser neue Ton

Mit deinem ersten macht! Doch, lieber Freund, erlaube,

Ich fordre mehr Beweis eh ich ein Wunder glaube.

Du, welcher ohne Lieb und Scherz

Vor kurzem noch kein glücklich Leben kannte;

Du, dessen leicht gerührtes Herz

Von jedem schönen Blick entbrannte,

Und der, (erröte nicht, der Irrtum war nicht groß)

Wenn ihm Musarion die spröde Tür verschloß,

Zu Lindrung seiner Qual – nach Tänzerinnen sandte;

Du, sprichst von kaltem Blut? du, bietest Amorn Trutz?

Vermutlich hast du dich, noch glücklicher zu leben,

In einer andern Gottheit Schutz

Und in die Brüderschaft der Fröhlichen begehen,

Die sich von Leidenschaft und Phantasie befrein,

Um desto ruhiger der Freude sich zu weihn?

Du fliehst den Zwang von ernsten Liebeshändeln,

Und findest sicherer, mit Amorn nur zu tändeln;

Vermählst die Mäßigung der Lust,

Geschmack mit Unbestand, den Kuß mit Nektarzügen,

Studierst die Kunst dich immer zu vergnügen,

Genießest wenn du kannst, und leidest wenn du mußt?

Ich finde wenigstens in einem solchen Leben

Unendlichmal mehr Wahrheit und Vernunft,

Als von der freudescheuen Zunft

Geschwollner Stoiker ein Mitglied abzugeben.

Und denkst du so, dann lächle sorgenlos

Zum Tadel von Athen, das deiner Ändrung spottet.

Nicht, wo die schöne Welt, aus langer Weile bloß,

Zu Freuden sich zusammen rottet

An denen nur der Name fröhlich tönt,

Die, stets gehofft, doch niemals kommen wollen,

Wobei man künstlich lacht und ungezwungen gähnt,

Und mitten im Genuß sich schon nach andern sehnt

Die da und dort uns gähnen machen sollen:

Nicht im Getümmel, nein, im Schoße der Natur,

Am stillen Bach, in unbelauschten Schatten,

Besuchet uns die holde Freude nur,

Und überrascht uns oft auf einer Spur,

Wo wir sie nicht vermutet hatten.

Doch, Phanias, ist's diese Denkungsart,

Die dich der Stadt entzog, wozu die Außenseite

Von einem Diogen? wozu ein wilder Bart?

Mich deucht, ein weiser Mann trägt sich wie andre Leute?«

»Mein Ansehn, schöne Spötterin,

Ist wie es sich zu meinem Glücke schicket.

Wie? ist dir unbekannt in welcher Lag ich bin?

Daß jenes Dach, von faulem Moos gedrücket,

Und so viel Land als jener Zaun umschließt,

Der ganze Rest von meinem Erbgut ist?

Was jeder weiß kann dir allein unmöglich

Verborgen sein: dein Scherz ist unerträglich,

Musarion, wie deine Gegenwart.

Mit wem sprichst du von einer Denkungsart,

Die von den Günstlingen des lachenden Geschickes

Das Vorrecht ist?« – »Freund, du vergissest dich:

Ein Sklave trägt die Farbe seines Glückes,

Kein edles Herz. Im Schauspiel stimmen sich

Die Flöten nach dem Ton des Stückes:

Allein ein weiser Mann denkt niemals weinerlich.

Wie, Phanias? Die Farbe deiner Seelen

Ist nur der Widerschein der Dinge um dich her?

Und dir die Fröhlichkeit, des Lebens Reiz, zu stehlen,

Bedarf es nur ein widrig Ungefähr?

Ich weiß, mein Freund, wohin uns mißverstandne Güte,

Ein Herz, das Freude liebt, die Klugheit leicht vergißt,

Und niemand, als sich selbst, zu schaden fähig ist,

Ich weiß wohin sie bringen können.

Doch, alles recht geschätzt, gewinnst du mehr dabei

Als du verlierst. Was Toren uns mißgönnen

Beweist nicht stets wie sehr man glücklich sei.

Das wahre Glück, das Eigentum der Weisen,

Steht fest, indes Fortunens Kugel rollt.

Dem Reichen muß die Pracht, die ihm der Indus zollt,

Erst, daß er glücklich sei, beweisen:

Der Weise fühlt er ist's. Ihm schmecken schlechte Speisen

Aus Ton so gut als aus getriebnem Gold.

Wenn um ihn her die muntern Lämmer springen,

Indem er sorgenfrei in eignem Schatten sitzt,

Und Zephyrn, untermischt mit bunten Schmetterlingen,

Gemähter Wiesen Duft ihm frisch entgegen bringen,

Die Vögel um ihn her aus tausend Zweigen singen,

Und alles, was er sieht, zugleich ergetzt und nützt:

Wie leicht vergißt er da, er, der so viel besitzt,

Daß sich sein Landhaus nicht auf Marmorsäulen stützt,

Nicht Sklaven ohne Zahl in seinem Vorhof lärmen,

Und Fliegen nur, wenn er zu Tische sitzt,

Die Parasiten sind, die seinen kohl umschwärmen!

Kein Schmeichler-Heer belagert seine Tür,

Kein Hof umschimmert ihn! – Er freue sich! dafür

Besitzt er was das jedem Midas fehlet,

Was der Monarch mit Gold zu kaufen fälschlich meint,

Was, wer es kennt, vor einer Krone wählet,

Das höchste Gut des Lebens, einen Freund.«

»Du schwärmst, Musarion! – Er, dem das Glück den Rücken

Gewiesen, einen Freund?« – »Ein Beispiel siehst du hier«,

Erwidert sie: »mich, die von freien Stücken

Athen verließ, dich sucht, und da du mir

Entflohest, dir (der mütterlichen Lehren

Uneingedenk) so eifrig nachgejagt,

Wie andre meiner Art vor dir geflohen wären.

Ich dächte, das beweist, wenn einem Mann zu Ehren

Ein Mädchen – sich – und seinen Kopfputz wagt!«

»Ich weiß die Zeit – ich trug noch deine Kette –

(Hier seufzte Phanias) da, mich entzückt zu sehn,

Dich weniger gekostet hätte.

Du durftest, statt mir nachzugehn,

Dich damals nur nach Art der Nymphen sträuben,

Die gern an einem Busch im Fliehen hangen bleiben,

Mit leiser Stimme dräun und lächelnd widerstehn:

Allein, wer kann dafür, daß ungeneigte Winde

Von unsern Wünschen stets den besten Teil verwehn?

Dies ist vorbei! Jetzt, wenn es bei mir stünde,

Wünscht ich mir nichts als ein gelaßnes Blut.

Man nennt mich zu Athen unglücklich – doch, ich finde,

Zu etwas, wie man sagt, ist stets das Unglück gut;

Durch ein bezaubertes Gewinde

Von süßem Irrtum hat zuletzt

Die Torheit selbst mich auf den Weg gesetzt,

Zu werdenwas ichschienals man mich glücklich nannte.

Gesegnet seist du mir, Geburtstag meines Glücks!

Tag, der mich aus Athen in diese Wildnis sandte!

Nicht Phanias, der Günstling des Geschicks,

Nein, Phanias, der Nackte, der Verbannte,

Ist neidenswert! Da war er wirklich arm,

Unglücklicher als Irus, glich dem Kranken

Der sich zu Tode tanzt, als Schmeichler, Schwarm an Schwarm.

Sein Herzensblut aus goldnen Bechern tranken:

Beim nächtlichen Gelag, an feiler Phrynen Brust,

Da war er elend, da! ein Sklave, fest gebunden

Von jeder Leidenschaft! ein Opfertier der Lust!

Wie? Der, der siebenfach von einer Schlang umwunden

Auf Blumen schläft und träumt er sitz auf einem Thron,

Der sollte glücklich sein? – Und wenn Endymion,

(Dem Luna, daß sie ihn bequemer küssen möge,

So schöne Träume gab) durch eine Million

Von Sonnenaltern stets in süßen Träumen läge,

Und träumt' er schmaus am Göttertisch

Mit Jupitern und buhle mit Göttinnen,

Ein süß betäubendes Gemisch

Von allem was ergetzt berausche seine Sinnen,

Mit Einem Wort, er schwimme wie ein Fisch

In einem Ozean von Wonne –

Sprich, wer geständ uns, unerrötend, ein,

Er wünsche sich Endymion zu sein?

Diogenes, der Hund, in seiner Tonne

War glücklicher! – In unsrer eignen Brust,

Da, oder nirgends, fließt die Quelle wahrer Lust,

Der Freuden, welche nie versiegen,

Des Zustands dauernder Vergnügen,

Den nichts von außen stört! Wie elend hätte mich

Ein Wechsel, der mir alles raubte

Wodurch ich mich vor diesem glücklich glaubte,

Fortunens ganzen Kram, – wie elend hätt er mich

Gemacht, wenn mir aus ihrer lichten Sphäre

Die Weisheit nicht zu Hülf erschienen wäre,

Die aus den Wolken mir die Arme reicht, zu sich

Hinauf mich zieht, und mich dahin versetzet,

Wo ihre Lieblinge, frei von Begier und Wahn,

Von keiner Lust gereizt, von keinem Schmerz verletzet,

Sich den Olympiern und ihrer Wonne nahn.«

Hier ward der hohe Schwung, den Phanias zu nehmen

Begriffen war, gehemmt. Schon schwanden Raum und Zeit

Aus seinem Blick, schon fühlt' er sich entkleidt

Vom niederziehenden Gewand der Sterblichkeit,

Schon war er halb ein Gott; – als eine Kleinigkeit,

Die wir uns fast zu sagen schämen,

Ihn plötzlich in die Unterwelt

Zurücke zog. – Ihr mächtigen Besieger

Der Menschlichkeit, die ihr dem Sternenfeld

Euch nahe glaubt – das Herz ist ein Betrüger!

Erkennet euer Bild in Phanias und bebt!

Der Weise, der so kühn sich zum Olymp erhebt,

Der schon so hoch empor gestiegen,

Daß er (wie Sancho dort auf Magellonens Pferd)

Die purpurnen und himmelblauen Ziegen

Des Himmels grasen sieht,8 die Sphären singen hört,

Und aus der Glut, die sein Gehirn verzehrt,

Des Feuerhimmels Nähe schließet,

Ihn, der nichts Sterblichs mehr mit seinem Blick beehrt,

Den stolzen Gast des Äthers, schießet

Musarion mit einem – Blick herab.

Doch freilich war's ein Blick, nur jenem zu vergleichen

Den Coypel seinem Amor gab;

Der, euer Herz gewisser zu beschleichen,

Euch schalkhaft warnt, als spräch er: »Seht ihr mich?

Ihr denkt, ich sei ein Kind voll süßer Unschuld, ich?

Verlaßt euch drauf! Seht ihr an meiner Seite

Den Köcher hier? Wenn euch zu raten ist,

So flieht! – Und doch, was hilft die kleine Frist?

Es sei nun morgen oder heute,

Ihr habt ein Herz, und das ist meine Beute!«

So, oder doch in diesem Ton,

So etwas sprach der Blick, womit Musarion

Den weisen Phanias aus seiner Fassung brachte.

Er sah, er stockt', er schwieg; die alte Flamm erwachte,

Und seine Augen füllt' ein unfreiwillig Naß.

Die Schöne stellte sich sie sehe nichts, und lachte

Nur innerlich. Drauf sprach sie: »Phanias,

Es dämmert schon. Ich habe mich zu lange

Bei dir verweilt. Athen ist weit von hier;

In dieser Gegend kenn ich niemand außer dir,

Und hier im Hain, gesteh ich, wäre mir

Die Nacht hindurch vor Ziegenfüßlern bange.

Was ist zu tun? – Ich denk ich folge dir?«

»Mir?« stottert Phanias: »gewiß sehr viele Ehre!

Allein, mein Haus ist klein« – »Und wenn es kleiner wäre,

Für eine Freundin hat die kleinste Hütte Raum.« –

»Du wirst an allem Mangel haben;

Ein wenig Milch, ein Ei, und dieses kaum« –

»Mich hungert nicht.« – »Nur einen Hirtenknaben,

Dich zu bedienen« – »Nur? Es ist an Dem zu viel.

Wir wollen gehn, mein Freund! die Luft wird kühl« –

»Vergib, Musarion; ich muß dir alles sagen:

Mein Häuschen ist besetzt; ich habe seit acht Tagen

Zwei Freunde, die bei mir« – »Zwei Freunde?« – »Ja, und zwar

Die, deucht mir, nicht zu deinem Umgang taugen.« –

»Was sagst du? – Philosophen gar?

Sie haben doch noch ihre Augen?

Gut, Phanias, ich will sie kennen, ich« –

»Du scherzest.« – »Nein, mein Herr; ich hatte, wie ihr mich

Hier seht, von ihrer Art wohl eher

Um meinen Nachttisch stehn.« – »Vergib, ich zweifle sehr:

Der stoische Kleanth « – »O Ceres! und wer mehr?«

»Theophron, der Pythagoräer,

Sind schwerlich von so blödem Geist« –

»O Phanias, ist alles Gold was gleißt?

Allein, gesetzt, sie wären lauter Geist,

Was hindert dies? Nur desto mehr Vergnügen!«

»Kurz, wir sind drei, Madam, und auf den Mann

Ein kleines Ruhebett« -» Man hilft sich wie man kann;

Und können wir den Schlaf durch Schwatzen nicht betrügen?

Wir gehn, mein Lieber – deinen Arm!

Nun, Phanias? macht dir mein Antrag warm?

Man dächt es wäre hier wer weiß wie viel zu wagen.

Drei Weise werden mir doch wohl gewachsen sein?

Ich fürchte nichts bei euch, und bin allein.«

Was soll er tun? – Wo Widersterben

Vorm Untergang das Schiff nicht retten kann,

Da wird ein weiser Steuermann

Mit guter Art sich in den Wind ergehen.

Mein Phanias, der nur aus blöder Scheu

Vor seinen Mentorn sich so lange widersetzte,

Schwor, daß er seine Einsiedlei

Dem Musentempel ähnlich schätzte,

Weil ihr das Glück beschieden sei,

Die liebenswürdigste der Musen zu beschatten.

Schon zeigte sich, daß ihre Reize noch

Nicht alle Macht auf ihn verloren hatten.

Der ausgetriebne Amor kroch,

So leise, wie auf Blumenspitzen,

Aus ihren Augen in sein Herz.

Des Gottes Ankunft kündt ein fliegendes Erhitzen

Der blassen Wang, ein wollustvoller Schmerz

Mit Tränen an, die wider seinen Willen

In runden Tropfen ihm die Augenwinkel füllen.

Er meint er atme nur, und seufzt; starrt unverwandt

(Indes sie schwatzt und scherzt) sie an, als ob er höre,

Und hört doch nichts; drückt ihr die runde Hand,

Und denkt, indem durchs steigende Gewand

Die schöne Brust sich bläht, ob diese halbe Sphäre

Der Pythagorischen nicht vorzuziehen wäre?

Die Schöne wurde die Gefahr

Worin der Ruhm der Stoa schwebte,

Den Kampf in seiner Brust und ihren Sieg gewahr,

Und wie vergebens er der Macht entgegen strebte,

Wovon (so lispelt ihr der Liebesgott ins Ohr)

Die Philosophen selbst, sie wollten

Nun oder wollten nicht, bald Zeugen werden sollten.

Sie sah, wie nach und nach sein Trübsinn sich verlor,

Und wie beredt, wie stark sein Auge sagte,

Was er sich selbst kaum zu gestehen wagte:

Allein sie fand für gut, (und tat sehr klug daran)

Ihm, was sie sah, und ihrer beiden Seelen

Geheime Sympathie zur Zeit noch zu verhehlen.

Nur sah sie ihn mit solchen Blicken an,

Die er berechtigt war so günstig auszulegen

Als ihm gefiel. Allein, macht die Begier verwegen,

So macht die Liebe blöd. Er sah in ihrem Blick

Sonst jeden Reiz, nur nicht sein nahes Glück.

So langten sie, da schon die letzten Strahlen schwanden,

Bei seinem Landgut an, wo sie das weise Paar,

Von Linden die im Vorhof standen

Umduftet, unverhofft in einer Stellung fanden,

Die der Philosophie nicht allzu rühmlich war.

Fußnoten

1 Und was ihm noch zum Timon fehlt' – Eine Anspielung auf den armseligen Aufzug, worin Lucian in einem seiner dramatischen Dialoge den berüchtigten Timon, den Menschenhasser, aufführt. – »Wer ist denn (fragt der auf die Erde herab schauende Jupiter den Merkur) da unten am Fuße des Hymettus der lumpige schmutzige Kerl in dem Ziegenpelze, der ihm kaum bis über die Hüften reicht?« usw. S. Lucians sämtl. Werke 1. Teil S. 60 der neuen deutschen Übersetzung.

2 Als hätt er den, der einst den Krates deckte,

Vom Aldermann der Cyniker geerbt.

In der Ausgabe von 1769 lautete der letzte Vers so:

(Ihr wißt ja wo?) vom Diogen geerbt.

Nun wußten aber die meisten Leser nicht wo? Man hat also für besser gehalten, den Vers abzuändern, und dem Leser, dem die Anekdote, auf welche hier angespielt wird, unbekannt oder entfallen sein könnte, durch eine kleine Anmerkung zu dienen. Der Sinn dieser Stelle ist also: Der Mantel des aus seinem ehemaligen Wohlstande, gleich dem Timon, herunter gekommenen Phanias, der seine ganze Kleidung ausmachte, habe so abgenützt ausgesehen, als ob es eben derselbe wäre, welchen Diogenes über seinen Freund und Schüler Krates ausgebreitet haben soll, als dieser (aus einem kleinen Übermaß von Eifer, die Cynische Lehre, »daß nichts natürliches schändlich sei«, durch eine auffallende Tat zu bekräftigen) sich die Freiheit nahm, sein Beilager mit der schönen Hipparchia in der großen Halle (Stoa) zu Athen öffentlich zu vollziehen. – Daß dem Diogenes die Benennung eines Aldermanns der Cyniker zukomme, bedarf wohl keines Beweises, und man hat sie in dieser Ausgabe der in einigen vorgehenden, wo es, dem Aldermann der Stoiker, d.i. dem Zeno hieß, vorgezogen, weil vom einem Mantel, der vom Diogenes bis auf den Zeno, und sodann weiter von einem philosophischen Bettler zum andern endlich bis auf den Phanias fortgeerbt worden wäre, wahrscheinlich gar nichts mehr als Fetzen übrig geblieben sein müßten.

3 Wo auch Sokraten zechten – Daß Sokrates bei Gelegenheit ein strenger Zecher gewesen sei, erhellet aus verschiedenen Stellen des Platonischen Symposion. So rühmt es ihm z.B. Agathon, der Wirt in diesem berühmten Gastmahl, als keinen geringen Vorzug vor den übrigen Anwesenden nach, daß er den Wein besser ertragen könne als die stärksten Trinker unter ihnen; und der junge Alcibiades, da er, um die Gesellschaft zum Trinken einzuladen, dem Sokrates einen großen Becher voll Wein zubringt, setzt hinzu: »Gegen den Sokrates, meine Herren, wird mir dieser Pfiff nichts helfen, denn der trinkt so viel als man will, und ist doch in seinem Leben nie betrunken gewesen.« – Auch leert Sokrates den vollgeschenkten Becher nicht nur rein aus, sondern, nachdem, auf eine ziemlich lange Pause, das Trinken wegen einiger noch von ungefähr hinzu gekommenen Bacchusbrüder von neuem angegangen war, und, unter mehrern andern, die es nicht länger aushalten konnten, auch Aristodemus sich in irgend einen Winkel zurückgezogen hatte und eingeschlafen war, fand dieser, als er um Tagesanbruch wieder erwachte und ins Tafelzimmer zurück kam, daß alle anderen weggegangen, und nur Agathon, Aristophanes und Sokrates allein noch auf waren, und aus einem großen Becher tranken. Sokrates dialogierte noch immer mit ihnen fort, und fühlte sich durch allen Wein, den er die ganze Nacht durch zu sich genommen hatte, so wenig verändert, daß er, als es Tag geworden war, mit besagtem Aristodemus ins Lyceon baden ging, und, nachdem er den ganzen Tag nach seiner gewöhnlichen Weise zugebracht, erst gegen Abend sich nach Hause zur Ruhe begab. Ein Zug seines Temperaments, welcher (deucht uns) bei Schätzung seines sittlichen Charakters nicht außer Acht zu lassen ist. Denn mit einem solchen Temperamente kann es, bei einem einmal fest gefaßten Vorsatz, eben nicht sehr schwer sein, immer Herr von seinen Leidenschaften zu bleiben.

4 Ein Dichter, der zwar selbst beim ersten Anlaß floh – Horaz, der, ungeachtet seines »Süß ist's und edel sterben fürs Vaterland« in einem andern Gesang offenherzig genug ist zu gestehen, daß er in der Schlacht bei Philippi sogar seinen kleinen runden Schild von sich geworfen habe, um dem schönen Tod fürs Vaterland desto hurtiger entlaufen zu können. – Wiewohl nicht zu verschweigen ist, daß unser Autor selbst an einem andern Orte nicht ganz unerhebliche Gründe, den Dichter gegen sich selbst zu rechtfertigen, vorgebracht zu haben scheint. S. die erste Erläuterung zur zweiten Epistel des Horaz an Julius Florus.

5 Philipps Sohn – Alexander der Große.

Ninias, Sohn des Ninus und der Semiramis, ein Assyrischer König, von welchem die Geschichte nichts zu sagen hat, als daß er die acht und zwanzig Jahre seiner Regierung (wie man bei seines gleichen das divino far niente nennt) in der üppigsten Untätigkeit in seinem Harem zwischen Weibern und Höflingen verträumt habe.

6 Damit der Pöbel von Athen – »O ihr Athener, (soll Alexander, als er in einem äußerst mühseligen und gefährlichen Abenteuer am Flusse Hydaspes in Indien begriffen war, ausgerufen haben) werdet ihr jemals glauben können, was für Gefahren ich laufe, um mir euere gute Meinung zu erwerben?«

7 Als ob ein Arimasp ihn jagte – Die Arismaspen sind (wie uns Plinius unter der Gewährleistung der berühmten Geschichtschreiber Herodot und Aristeas meldet) ein Scythisches Volk, das im äußersten Norden, unweit der Höhle des Nordwindes wohnt, nur Ein Auge mitten auf der Stirne hat, und in ewigem Kriege mit den Greifen lebt, um ihnen das Gold zu rauben, welches diese ungeheuren Vögel mit unersättlicher Begierde aus den Adern der Erde hervor scharren, bloß um das Vergnügen zu haben, ihre Goldhaufen Tag und Nacht zu bewachen und gegen die Arimaspen zu verteidigen. Das, was an diesem Märchen historisch wahr ist, gehört nicht hierher.

8 Daß er, wie Sancho dort auf Magellonens Pferd – Unter andern Wunderdingen, welche Sancho Pansa auf dieser eingebildeten Luftreise gesehen haben wollte, waren auch die sieben himmlischen Ziegen, (das Siebengestirn) mit denen er sehr gute Bekanntschaft gemacht zu haben vorgab, und von welchen, wie er getrost versicherte, zwei grün, zwei fleischfarben, zwei himmelblau, und eine von gemischter Farbe sind.

Zweites Buch

Was, beim Anubis! konnte das

Für eine Stellung sein, in welcher Phanias

Die beiden Weisen angetroffen?

»Sie lagen doch – wir wollen bessers hoffen! –

Nicht süßen Weines voll im Gras?«

Dies nicht. – »So ritten sie vielleicht auf Steckenpferden?«

Das könnte noch entschuldigt werden;

Plutarchus rühmt sogar es an Agesilas.1

Doch von so feirlichen Gesichtern, als sie waren,

Vermutet sich nichts weniger als das,

Ihr Zeitvertreib war in der Tat kein Spaß;

Denn, kurz, sie hatten sich einander bei den Haaren.

Der nervige Kleanth war im Begriff, ein Knie

Dem Gegner auf die Brust zu setzen,

Der, unter ihn gekrümmt, für die Philosophie,

Die keine Bohnen ißt,2