Mach was draus! - Matthias Berg - E-Book

Mach was draus! E-Book

Matthias Berg

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Beschreibung

»Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht der inneren Einstellung.« (Erich Fromm)

Ziele mit Leidenschaft umsetzen, die innere Kraftquelle finden und die eigenen Talente nutzen – diese aktive Lebenshilfe kommt von einem, der als Contergan-geschädigter Mensch auch aus widrigen Umständen das Beste zu machen versteht: Matthias Berg ist Sportler, Hornist, Jurist und gefragter Referent zu den Themen Haltung, Persönlichkeitsentwicklung, Führungskompetenz und ethisch verantwortliches Handeln. Aus seiner Biografie und den damit verbundenen Herausforderungen hat er ein klares und überzeugendes Konzept entwickelt, das motiviert, das eigene Leben in die Hand zu nehmen, sich auf das zu konzentrieren, was man kann, und die Ziele zu erreichen, die man sich gesteckt hat. Leben ist das, was jede und jeder von uns daraus macht!

  • Wie ich mein Leben anpacke – Leitlinien eines außergewöhnlichen und erfolgreichen Menschen
  • Eine Entdeckungsreise zu inneren Kraftquellen und zu den eigenen Talenten
  • Ziele mit Freude, Begeisterung und Leidenschaft umsetzen
  • Matthias Berg ist vielgebuchter Motivationscoach

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 376

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Matthias Berg

MACHWASDRAUS!

MEHR KRAFTMEHR GELASSENHEITMEHR LEBEN

Gütersloher Verlagshaus

Meinen Eltern Karin Berg-Kotterba und Hans-Walter Berg

Seht ihr den Mond dort stehen?

Er ist nur halb zu sehen

und ist doch rund und schön.

So sind wohl manche Sachen,

die wir getrost belachen,

weil unsre Augen sie nicht sehn.

Aus »Abendlied«, 3. von 7 Strophen

von MATTHIAS CLAUDIUS, meinem Ururururgroßvater

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Copyright © 2014 by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Coverfoto: © Jan Verboom

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-14616-0

www.gtvh.de

INHALTSVERZEICHNIS

Prolog

Einleitung

Erster Teil

Geschichte und Geschichten

Geburt und erste Wochen

Nur zwei oder drei Tabletten

Contergan

Der Milchwagen

Einkauf mit Hindernissen

Medizinische Experimente

Musik

Umzug nach Trossingen

Die Bahnfahrt

Beginn der Sport-Karriere

Berufsentscheidung

Studium in Freiburg

Die deutsche Eiche

Examen und Berufsentscheidung

Die deutsche Eiche ist gefordert

Zweiter Teil

Die fünf Entscheidungen

Die Warum-Frage

Die Balance finden

Sinn und Ziele

Die fünf Entscheidungen

Ich packe es an

Ich übernehme Verantwortung

Ich konzentriere mich auf das Können

Ich bin fair und schenke anderen Zeit und Freude

Ich bin diszipliniert

Finale – Worauf es ankommt

Danksagung

Abendlied

Stimmen zum Buch

PROLOG

Die Idee zu diesem Buch wurde vor vielen Jahren geboren. Ich war vom Fernsehsender BR alpha zu einem 45-Minuten-Interview im »alpha Forum« eingeladen. Darin sollte es auch darum gehen, wie es möglich sein kann, gleich auf mehreren, ganz unterschiedlichen Gebieten erfolgreich zu sein. Zur Vorbereitung sortierte ich also gedanklich meine »Karrieren« im Sport, in der Musik und in der Juristerei und versuchte herauszufinden, worin der tiefere Grund für die Erfolge versteckt sein könnte. Ich kam auf meine Familie, auf besondere Erlebnisse und Wendungen in meinem Leben und auf Wegbegleiter, Türöffner und Vorbilder.

Wenige Jahre danach wurde ich von einer örtlichen Kirchengemeinde angefragt, ob ich nicht Lust hätte, in einer Art Gesprächs-Gottesdienst meine Gedanken zu einer Bibelstelle zu formulieren. Auf meinen zarten Hinweis, dass ich weder Pfarrer sei noch Erfahrungen im Bibelauslegen hätte, wurde entgegnet, dass genau dies beabsichtigt sei. Also sagte ich zu und wählte aus einigen Vorschlägen den Text Prediger 1, Verse 1–11, (»Es gibt nichts Neues unter der Sonne«, Vers 9). Darin geht es um Vergänglichkeit, den ewigen Kreislauf und letztlich auch um den Sinn des Lebens – jedenfalls nach meiner Lesart. Also stellte ich Gedanken darüber an, worin aus meiner Sicht im Lichte dieser Bibelworte der Sinn des Lebens bestehen könnte, und kam zu drei zentralen Aussagen: Nutze den Tag. Leben ist ein Geschenk, das wir mit Freude erfüllen. Fürchte Gott und halte seine Gebote.

Die Überlegungen für das alpha Forum und den Gesprächs-Gottesdienst wurden eine regelrechte »Expedition« zu meiner ureigenen inneren Kraftquelle. Niemals zuvor hatte ich mir so intensiv und analytisch Gedanken darüber gemacht, auf was es letztlich ankommt. Am Ende der Expedition lichtete sich der zunächst schier undurchdringlich scheinende Gedanken-Dschungel und es blieb ein Wort übrig: HALTUNG. Alles wird dadurch bestimmt, mit welcher Haltung ich mein Leben angehe. Wie ich mich selber sehe, ansporne und auf Trab halte. Wie ich zu meiner Behinderung stehe. Wie ich die mir geschenkten Talente entdecke und entwickle. Wie ich meine Umgebung wahrnehme, andere Menschen um mich herum betrachte und wie ich mit Situationen umgehe, in die ich mich begebe oder in die ich gerate. Wie ich es mit dem Glauben halte. All das und noch vieles mehr wird durch die Brille meiner Grundhaltung betrachtet und bewertet.

Gleichzeitig mit dieser gedanklichen Ent-Wicklung – im wahrsten Sinne des Wortes – kamen immer mehr Anfragen, diese Erkenntnisse doch bitte auch an andere weiterzugeben. Und so entwickelte ich Vorträge, Key Notes und Seminare zu Haltungs-Themen wie »Kraft schöpfen«, »Selbstmanagement«, »Werte-orientierte Führung« und eine Vorlesungsreihe zur »Sozialen Kompetenz«.

Vielen Anfragen liegt eine recht simpel anmutende Fragestellung zugrunde: »Wie ist es gelungen, aus schwierigen Startbedingungen etwas Außergewöhnliches zu formen?« Die Antwort ist allerdings kein simples »Mach es so, und du bist der Größte«, sondern die Antwort ist eine Einladung, sich anhand einiger Episoden aus meinem Leben und daraus abgeleiteter fünf Grundentscheidungen Gedanken zur eigenen Grundhaltung zu machen und – ganz besonders wichtig – diesen Gedanken Taten folgen zu lassen. Denn unsere Haltung bestimmt, wohin wir unseren Weg steuern. Leben ist, was wir aus ihm machen.

EINLEITUNG

Dieses Buch beginnt mit einem Ausrufezeichen: »Mach was draus!« Mach was aus deinem Leben! Nimm es in die Hand, setz dich in Bewegung, mach dich auf! Und zwar unabhängig davon, wie günstig oder ungünstig die Startbedingungen sind oder zu sein scheinen.

Das setzt voraus, dass vor dem »Mach was draus!« ein Wunsch steht, eine Vision beziehungsweise ein Ziel. Also geht es im ersten Schritt darum, sich dieses Ziel zu suchen, um dann mit dem zweiten Schritt etwas draus zu machen. Der erste Schritt setzt unsere Antriebsfeder unter Spannung, um den zweiten und die folgenden Schritte auf unserem Weg mit ausreichend Kraft und Energie zu versorgen. Aber aus welchem Grund ist es überhaupt wichtig, sich etwas zu suchen und was draus zu machen, etwas, das Freude bereitet, das einen fordert und gleichzeitig ausfüllt, vor allem aber erfüllt? Die Antwort ist einfach: Weil jeder Mensch ein Ziel und eine Aufgabe braucht, die dem eigenen Leben einen Sinn geben. Nur dann sind wir in der Lage, Freude, innere Zufriedenheit oder sogar Glück zu empfinden.

Glück als Dauerzustand ist jedoch eine Illusion. Aber Momente des Glücks können wir erleben – nach meiner Überzeugung übrigens völlig unabhängig davon, in welchem körperlichen oder seelischen Zustand wir uns befinden. Und eines gleich vorweg: Die Jagd nach dem Glück wird völlig überschätzt. Glück ist ein angenehmes Nebenprodukt und kein Ziel. Deshalb ist dies hier auch kein Glücksbuch, sondern es ist ein persönliches Buch, das dabei helfen soll, eine günstige Lebenseinstellung und eine produktive Grundhaltung zu finden. Wenn wir das, was wir tun, mit Freude, Ausdauer und Leidenschaft tun, erhöhen wir unsere Chancen ganz erheblich, das eigene Leben mit wahrem Leben zu erfüllen und nicht nur mit Geschäftigkeit und Dingen anzufüllen. Das eigene Leben »erfüllen«, das klingt im ersten Moment vielleicht ein wenig pathetisch, aber es ist leichter, als wir uns das im ersten Moment zutrauen. Die Kraft und Energie dafür stecken nämlich glücklicherweise in uns selbst, und zwar in jeder und jedem von uns, manchmal ohne sie wirklich zu kennen oder auch nur zu erahnen. Diesen Schatz zu heben und die eigene Energiequelle zu aktivieren, gleicht einerseits einer erkenntnisreichen Expedition in die eigene Gedankenwelt, andererseits ist sie leider aber auch ein wenig anstrengend. Sie lohnt sich aber allemal.

Im ersten Teil dieses Buches finden sich Geschichten, Anekdoten und Episoden, die für mein Leben von besonderer Bedeutung waren. Einige davon haben mir meine Eltern erzählt, andere habe ich selbst in Erinnerung. Dabei habe ich versucht, mein Gedächtnis so gut es geht um »Echtheit« zu bemühen. Es kann aber durchaus sein, dass die historische Verklärung dafür gesorgt hat, dass mir die Erinnerung hie und da einen kleinen Streich gespielt hat und die erlebte Geschichte bei anderen Beteiligten anders im Gedächtnis haften blieb. Für Verwirrnisse dieser Art bitte ich schon mal vorsorglich um Nachsicht.

In diesem ersten Teil geht es auch um eine Frage, die mich einige Jahre sehr beschäftigt hat. Eine Frage, die nach unserem Umzug von Detmold nach Trossingen im frühen Teenager-Alter aufgetaucht ist und mir in dieser Zeit Unbeschwertheit, Lebensfreude und Energie geraubt hat. Es ist die Frage nach dem »Warum«. Warum habe ausgerechnet ich kurze Arme? Warum trifft das Schicksal mich? Warum beschimpft mich jemand als Krüppel? Warum stempeln Menschen mich zum Außenseiter? Auf diese Warum-Frage habe ich im Lauf der Jahre zwar keine zufriedenstellende Antwort, aber dafür eine Art der Umformulierung gefunden, die mir nicht nur wieder freie Luft zum Atmen, sondern sogar zusätzlich noch einen Energieschub gegeben hat.

Die Antwort auf eine Frage, die sich bei der Lektüre möglicherweise stellen wird, möchte ich gleich hier vorab beantworten: Weshalb erzähle ich so wenig von meiner Familie, meinen Eltern und meinen beiden Geschwistern? Weil dieses Buch keine Biographie im eigentlichen Sinne ist, sondern die erzählten Geschichten vor allem innere Gedanken und besonders prägende Erfahrungen beschreiben, die dazu dienen sollen, die im zweiten Teil des Buches erläuterten Grundentscheidungen verständlich zu machen. Ich empfinde meine Eltern und Geschwister als ein ganz besonderes Geschenk. Sie haben den Grundstock für das gelegt, was ich heute bin. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.

Im Mittelpunkt des zweiten Teils des Buches stehen fünf Grundentscheidungen, die für mich Orientierung, Ziel und Maßstab zugleich geworden sind. Sie sind im Laufe meiner Entwicklung gereift, zunächst vage im Innersten, dann lauter und deutlicher. Sie bilden heute die Basis meines Denkens und Handelns. Daran orientiere ich mich und richte mich auf, wenn es mal schwieriger wird. Diese fünf Entscheidungen sind Leitlinie für den täglichen Bedarf, ohne zur Geißel zu werden – schon allein deshalb, damit der Heiligenschein nicht drückt.

Es macht durchaus Sinn, allein den zweiten Teil des Buches zu lesen. Allerdings fehlen dann diejenigen Episoden aus meinem Leben, die mich erst dazu gebracht haben, diese Gedanken anzustellen und diese Grundentscheidungen zu treffen. Wer diese aber bereits kennt oder wem sie schlicht wurscht sind, der findet gleichwohl im zweiten Teil ein in sich geschlossenenes System von Gedanken, vertiefenden Erkenntnissen und grundlegenden Entscheidungen, die für den Umgang mit sich selbst und anderen hilfreich und wertvoll sein können.

Die fünf Grundentscheidungen basieren auf einer der wichtigsten Erkenntnisse, denen ich begegnet bin: »Das Geheimnis des Könnens liegt im Wollen.« Diese Erkenntnis wurde von Aristoteles1 formuliert, ist damit knapp 2.400 Jahre alt, aber an Durchschlagskraft und Aktualität kaum zu überbieten. Nur dann, wenn ich bereit bin, die Kraft meines Willens zu gebrauchen, bin ich in der Lage, die in mir schlummernden Talente und Energien zu entdecken und zu entwickeln. Bin ich dazu nicht bereit, brauche ich mich weder zu wundern noch zu beschweren, wenn ich das Gefühl habe, dass das Leben an mir vorüberzieht. Wer sich an die Zuschauerrolle oder in gesteigerter Form an die Opferrolle gewöhnt hat und sich wissentlich oder unwissentlich in ihr einrichtet, kann dieses Buch getrost beiseitelegen – für diese Menschen ist es pures Gift, was sie hier erwartet. Alle anderen dürfen gerne weiterlesen.

Deswegen legen wir jetzt los.

Dieses Buch handelt von meiner Entdeckungsreise zur inneren Kraftquelle und zu den eigenen Talenten. Auch wenn der Start ins Leben dafür nicht gerade die besten Voraussetzungen zu liefern schien.

Meine Mutter, Karin, hat einige Monate nach der Geburt tagebuchartige Aufzeichnungen verfasst, in denen sie nüchtern und eindrücklich die ersten Wochen skizziert hat. Ich bin ihr dankbar, dass ich die Aufzeichnungen hier verwenden darf. Hinzugefügt sind lediglich einzelne Worte oder Satzteile, die das Geschehene und Erlebte besser verständlich machen.

Wir befinden uns im Jahr 1961, es ist Anfang Oktober, Ort des Geschehens ist das Krankenhaus in Dortmund, in dem bereits mein Bruder Thilo vor zweieinhalb Jahren zur Welt kam. Jetzt bin ich an der Reihe – und ich bin spät dran ...

1 384–322 v. Chr.

Erster Teil

Geschichte und Geschichten

GEBURT UND ERSTE WOCHEN

Tagebuchartige Aufzeichnungen meiner Mutter:

Geburt ist zwei Wochen zu spät, schon eine Woche vorher war ich im Krankenhaus, sehr nervös gewesen, die Vorstellung von Hannelore (Studienfreundin) und deren behindertem Kind kreiste im Kopf, Untersuchung, Herztöne waren gut, wenn nichts passiert, soll es unbedingt am kommenden Dienstag kommen, schon im Mutterleib irrsinnige Beinbewegungen, konnte man richtig von außen greifen.

3.10.1961, am Dienstagmorgen dann ins Krankenhaus mit meiner Mutter »Amama«, Untersuchung, Geburt mit Tropf eingeleitet, Kreißsaal, Tropf läuft, Wehen, Zäpfchen, Spritze, Narkose, nach 2 Stunden ist es da, 13.30 Uhr, Aufwachen aus Narkose, ich frage nach dem Kind, »ganz lebhafter gesunder Junge«, aber man bringt ihn mir nicht, muss wieder an Hannelore denken und ihre Tochter, die im Mai ganz ohne Arme, nur mit einem Fingerchen an der Schulter zur Welt kam.

Ärzte und Schwestern sind im Säuglingszimmer, Kind wird untersucht, abgewischt, man ist ratlos, entsetzt, Amama wird hinzugerufen, sieht das Kind an, wie es da liegt und strampelt, sagt ruhig und bestimmt aus ihrer großen Erfahrung: »Dieses Kind will leben.«

Gegen 15 Uhr wird er mir von Dr. Paul, Chefarzt, gebracht, in Tuch gewickelt, mit den Hebammen, Schwestern Hildegard und Lucia, wunderbarer Arzt und Schwestern, Ohnmacht und karge Worte, ein Junge mit ganz kurzen Armen, kleine Händchen mit je drei Fingerchen, ich bin betroffen, nicht schockiert, irgendwie hatte ich es im Gefühl, Vorahnung? Geburtsgewicht 3.150 Gramm, 51 cm lang, Kopfumfang 36 cm, abends kommt Hans-Walter, weinen.

Zweiter Tag, Hans-Walter kommt mit wunderschönem Rosenstrauß und einer goldenen Kette als Geschenk, alles lieb und fürsorglich, aber mir fehlt jegliche Freude, als er weg ist weinen, verzweifelt wie noch nie in meinem Leben, ich denke, das Leben müsse still stehen über dem Leid des armen kleinen Kindes, kann nichts essen zu Mittag, Schwester Agnes kommt und berichtet von ihrem Kummer, sie hatte ein Kind, das am plötzlichen Kindstod starb, »Seien Sie doch froh, dass dieses Kind so gesund ist, alles Lebendige, das uns geschenkt wird, hilft uns zum Weiterleben«, um halb eins bringen sie mir das kleine Kerlchen, zieht und schluckt, dass es eine Wonne ist, nachmittags mit Hans-Walter, Tiefpunkt erreicht, keiner glaubt, dass er überleben würde, »Du musst dich jetzt vor allem auf Thilo konzentrieren. Er ist gesund, er braucht deine ganze Kraft«, ich bin niedergeschlagen und verwirrt, stelle das Stillen ein.

Am dritten Abend kommt Dr. Paul an mein Bett, er ließ extra Spezialisten kommen, die ihn untersucht haben, es sei alles o.k., »Sie dürfen den Jungen nicht langsam aushungern lassen, dann gehen Sie besser nachts ins Säuglingszimmer und drücken ihm ein Kissen aufs Gesicht. Vor Bestrafung brauchen Sie keine Angst zu haben, in dieser Situation können Sie mit mildernden Umständen rechnen. Wenn sie das nicht tun wollen, tun sie alles, damit dieses Kind stark wird und alle Chancen erhält, die es kriegen kann. Der Junge ist kerngesund«, Stille, die Worte hallen nach, wirken wie eine Erlösung, Entscheidung! Milch abpumpen und wieder stillen.

Ändern der Babykleidung tut regelrecht körperlich weh, es kostet viel Überwindung, die Ärmel der Hemdchen und Jäckchen abzuschneiden, habe dabei das Gefühl, seine Arme abzuschneiden.

Sonntag, 8.10., alle gehen aus dem Zimmer, wenn ich stille, außer Amama, gut, denn da hat man viel Ruhe, heute soll er auf den Namen »Matthias« getauft werden, Reminiszenz an den Vorfahren väterlicherseits, den Dichter Matthias Claudius, Wetter ist trübe, Blumen auf dem Fensterbrett, nachmittags kommen die Verwandten, sieben Personen, weiße Decken auf Nachttisch und Bett, schön hergerichtet von Schwester Agnes, der Junge wird gebracht, süß und rührend, Taufkleidchen, das auch Thilo anhatte, jetzt kurzärmlig, alle müssen weinen, nur Matthias ist vergnügt und zufrieden und saugt laut schmatzend an meinem kleinen Finger, es ist eine sehr ernste und schöne Feier, aber ich bin vor allem traurig, Opa (Vater von Hans-Walter), Pfarrer in Dortmund-Hombruch, nimmt die Taufe vor, Taufspruch: »Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein«, Onkel Bumba (Hans F.) und Tante Anita (Nichte von Amama) bieten sich als Taufpaten an.

10.10., beim Waschen, er bewegt etwas seine kleinen Ärmchen und Fingerchen, was für ein Glück, seine Beinchen sind prächtig und sein ganzes Körperchen so schön wohl gebildet, was wäre das für ein Prachtjunge, aber von diesem Gedanken muss ich mich ganz freimachen, es ist sonst zu schwer, Amama kommt, heute Briefe geschrieben, keine Geburtsanzeigen verschickt, weil man nicht wusste, was man draufschreiben soll, man hätte lügen müssen, wenn man draufgeschrieben hätte, dass man sich über die Geburt freut, Amama kommt jeden Tag, sie ist in allen schwierigen Situationen eine unheimliche Stütze, abends gehe ich regelrecht üben, kleine Kinder mit Armen anzugucken, kriege am Anfang jedes Mal einen Heulkrampf.

Damals rätselt man im Krankenhaus, woher das kommen könnte, so etwas gab es in der Art hier noch nicht, ich erzähle den Schwestern, dass mein Vater in Stalingrad beide Arme verlor, bevor er starb, die Schwestern mutmaßen, dass die Behinderung etwas Psychosomatisches sei, der Arzt staucht daraufhin die Schwestern zusammen, eine andere Variante ist die einer Verstrahlung.

13.10. Männlein wird immer süßer, verfolgt schon mit den Augen, nimmt gut zu, trinkt Unmengen, Schwester Irene liebt ihn ganz besonders, wenn immer es geht, nimmt sie ihn raus und sagt todernst, dass sie ihn adoptieren würde, wenn ich ihn nicht wolle, Freude darüber, welche Anerkennung er von anderen bekommt.

14.10. muss wieder viel nachdenken und weinen, er sieht so spitzbübisch aus und ist so ein liebes süßes Kerlchen, dass man die Sache mit seinen Ärmchen gar nicht fassen kann, aber ich weiß, so darf ich nicht denken, da komme ich nicht vorwärts.

15.10. Abstillen wegen Brustentzündung, sehr schmerzhaft.

16.10. trinkt aus dem Fläschchen immer zu schnell und zu viel, spuckt danach alles wieder, muss ihn langsamer trinken lassen, macht Wahnsinns Grimassen und seine Härchen sind immer noch rot, hoffentlich bekommen die mal eine richtige Farbe, es ist eine dunkle und schwierige Zeit, wie soll das Kind im Leben zurechtkommen? Habe Albträume, dass wir im Krieg verschüttet werden und er sich als Einziger nicht mit den Händen befreien kann.

17.10. Entlassung aus dem Krankenhaus, muss weinen, als eine andere Mutter ihr gesundes Kind ausgehändigt bekommt, auch Abschied von Amama, die in Dortmund bleibt, Hans-Walter und ich fahren direkt nach Spork-Eichholz, nettes Willkommensgeschenk der Nachbarn über uns.

26.11.1961 Amama kommt zu Besuch und bringt die »Welt am Sonntag«, dort ist ein Bild und ein Bericht, in dem der Verdacht geäußert wird, dass Contergan schwerste Missbildungen verursacht, Entsetzen, Sprachlosigkeit.

Dezember, Matthias lacht viel, viele aufbauende Briefe, viel Mitgefühl, Brief erhalten: »Sie werden immer wieder flehen müssen, dass Gott, der Ihnen so Schweres auferlegt hat, Ihnen Kraft und Glauben schenkt, dass auch das aus seiner Hand kommt. Er wird Ihnen helfen und Sie mit diesem Kind ganz besonders segnen. Ist es doch ein so großes Glück, dass der Geist gesund ist, und wer weiß, was der liebe Kleine noch für wertvolle Gaben mitbekommen hat, die Sie erst nach und nach entdecken.« (Margarete R., Lehrer-Kollegin von Amama aus Görlitz)

NUR ZWEI ODER DREI TABLETTEN

Also ein Contergan-Kind. Rückblende. Nach dem Studium meiner Eltern.

Mein Vater, Prof. Dr. Hans-Walter Berg, studierte Sport und Musik auf Lehramt an Gymnasien und tritt gerade seine Stelle als Studienassessor am Leopoldinum II in Detmold an. Dort lebt er unter der Woche in einem kleinen Zimmer zur Untermiete. Meine Mutter, Dr. Karin Berg-Kotterba, studierte Kirchenmusik, danach Musikwissenschaft, Philosophie, Geschichte und Germanistik. Sie wohnt noch mit Thilo, meinem zweieinhalb Jahre älteren Bruder, in der gemeinsamen Wohnung in Dortmund, im 4. Stock, mit 92 Stufen und ohne Aufzug, und liegt in den letzten Zügen der Drucklegung des Notenteils ihrer Dissertation. Es ist Ende Januar des Jahres 1961. Noch zwei Monate durchhalten, dann würde die Familie Richtung Detmold, genauer gesagt nach Spork-Eichholz, umziehen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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