Macht Armut krank? Unterstützungsangebote zur Gesundheitsförderung sozial benachteiligter Menschen - Annemarie Treiber - E-Book

Macht Armut krank? Unterstützungsangebote zur Gesundheitsförderung sozial benachteiligter Menschen E-Book

Annemarie Treiber

0,0
36,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Deutschland gehört zu den wohlhabendsten Ländern der Welt, aber die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Doch soziale Benachteiligung und soziale Ungleichheit bleiben nicht folgenlos, da es Zusammenhänge zwischen Armut und der Gesundheit von Menschen gibt. Wie kommt gesundheitsrelevantes Verhalten zustande? Welche Rolle spielt die Soziale Arbeit im Zusammenspiel mit Armut und Gesundheit? Welche Unterstützungsangebote gibt es bereits? Annemarie Treiber untersucht die Zusammenhänge zwischen der sozialen Lebenslage und der Gesundheit von Menschen. Sie geht insbesondere darauf ein, wie die Soziale Arbeit durch Unterstützungsangebote zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention bei von Armut betroffenen Menschen beitragen kann. Am Beispiel der Stadt Wiesbaden zeigt sie, welche Projekte und Angebote bereits existieren und inwiefern sie wirksame Mittel zur Gesundheitsförderung darstellen. Aus dem Inhalt: - Gesundheitsfürsorge; - KiEZ; - Frühe Hilfen; - Salutogenese; - Resilienz; - Chancengleichheit

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI
PDF

Seitenzahl: 112

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

1... Einleitung

2... Gesundheitswissenschaftliche Grundlagen

2.1 Gesundheit und Krankheit

2.2 Soziale Determinanten von Gesundheit

3... Soziologische Handlungstheorien und deren Beiträge zur Erklärung von gesundheitsrelevantem Verhalten

3.1 Agency

3.2 Soziologische Handlungstheorien

3.2.1 Das normative Leitbild

3.2.2 Das individualistische Leitbild

3.3 Verknüpfung von Agency und Struktur

4... Soziale Lebenslagen und Gesundheit

4.1 Armut und soziale Ungleichheit

4.2 Zusammenhänge von Armut und Gesundheit

4.2.1 Aktueller Forschungsstand

5... Die Notwendigkeit von Hilfsangeboten

6... Soziale Arbeit im Kontext von Armut und Gesundheit

6.1 Von der Gesundheitsfürsorge bis zur Gesundheitsförderung

6.2 Gesundheitsförderung

6.3 Gesundheitsförderung, Krankheitsprävention und die Soziale Arbeit

7... Gesundheitsfördernde und krankheitspräventive Unterstützungsangebote der Sozialen Arbeit

7.1 Frühe Hilfen: Begriffsbestimmung, Leitbild und Leitsätze

7.1.1 FrAnKHA - Frühe Anleitung durch Kinderkrankenschwestern, Hebammen und Ärztinnen

7.2

1. Einleitung

In Zeiten der Corona-Krise wird noch einmal offensichtlicher, wie viele Menschen von Armut betroffen sind und wie groß die Schere zwischen armen und reichen Menschen ist. Diese wird immer größer. So berichtete die Tagesschau über einen Beitrag der Brookings Institution, welchem nach aufgrund der Covid-19-Krise zahlreiche Haushalte in den USA von einer Nahrungsknappheit betroffen seien. Umfragen zufolge waren bis Ende April mehr als jeder fünfte Haushalt in den USA und zwei von fünf Haushalten mit Kindern unter 12 Jahren von Nahrungsknappheit betroffen. Nahrungsknappheit bedeutet in diesem Kontext, dass den Betroffenen ihre eingekaufte Nahrung nicht ausreichte und sie kein Geld hatten, um sich mehr Nahrung zu kaufen, beziehungsweise dass die Kinder in den Haushalten nicht genug aßen, da die Eltern sich nicht genügend Nahrung leisten konnten. Eine Umfrage, die sich an Mütter mit kleinen Kindern widmete, ergab, dass seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie 40,9 Prozent der Mütter mit Kindern unter 12 Jahren von Ernährungsunsicherheit betroffen waren (vgl. Bauer 2020).

Auch in Deutschland hat die Covid-19-Pandemie erhebliche Folgen für die gesamte Wirtschaft und die Bevölkerung. Zahlreiche Menschen haben seit dem Beginn der Pandemie beispielsweise ihren Job verloren. Auch abseits der Corona-Pandemie lassen sich viele Hinweise auf eine Ungleichheit in den Lebensbedingungen der Menschen finden:

Trotz dessen, dass Deutschland zu den wohlhabendsten Ländern der Welt gehört und „über umfassende Systeme der sozialen Sicherung und der medizinischen Versorgung [verfügt]“ (Lampert 2016: 120), besteht zeitgleich eine starke Ungleichheit im Hinblick auf die Lebensbedingungen und die sozialen Teilhabechancen. Diese Ungleichheit hat in den vergangenen Jahren zugenommen: Hier ist unter anderem besonders auf die hohe und „in bestimmten Bevölkerungsgruppen steigende Armutsbetroffenheit, die fortschreitende Konzentration des Privatvermögens, die Zunahme überschuldeter Haushalte, die Ausweitung von prekären Beschäftigungsverhältnissen, den wachsenden Anteil älterer Menschen mit unzureichender Altersvorsorge, sowie den […] stark ausgeprägten Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen“ zu verweisen (vgl. ebd.: 121). Doch Armut und soziale Ungleichheit bleiben nicht folgenlos. Wie beispielsweise die KiGGS-Studie belegt, gibt es Zusammenhänge zwischen Armut und der Gesundheit von Menschen. Armut soll krank machen. Dieser These soll in dieser theoretischen Literaturarbeit verschärft nachgegangen werden. Hierfür sollen Studien und bereits vorliegende Forschungserkenntnisse herangezogen werden. Es werden also keine eigenen Daten erhoben. Hieran angeschlossen soll untersucht werden, inwiefern die Profession der (Gesundheitsbezogenen) Sozialen Arbeit durch Unterstützungsangebote zu einer Verbesserung dieser Umstände beitragen kann. Denn die Profession verfolgt nach ihrem Selbstverständnis das Ziel, soziale Benachteiligungen zu vermeiden und Menschen dazu zu befähigen und zu ermutigen, das Wohlergehen zu verbessern (vgl. DBSH 2016). Bei der Erforschung von Möglichkeiten der Unterstützung zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention bei von Armut betroffenen Menschen soll auf Angebote in der Landeshauptstadt Wiesbaden zurückgegriffen werden. Hieraus ergibt sich folgende Forschungsfrage für diese Arbeit:

„Inwiefern kann die Soziale Arbeit durch Unterstützungsangebote in Wiesbaden zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention bei von Armut betroffenen Menschen beitragen?“

2. Gesundheitswissenschaftliche Grundlagen

2.1 Gesundheit und Krankheit

Für die Begrifflichkeiten „Gesundheit“ und „Krankheit“ gibt es keine einheitlichen Definitionen. „Gesundheit“ und „Krankheit“ können sehr individuell ausgelegt und interpretiert werden – hierzu gibt es nicht nur in den Sozialwissenschaften, sondern auch in der Medizin Diskurse.

So äußert sich Hucklenbroich folgendermaßen:

„Trotz der Einheitlichkeit im Grundansatz der wissenschaftlichen Medizin („Schulmedizin“) hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer deutlicher herausgestellt, dass der allgemeine Begriff der Krankheit, im Sinne der allgemeinen Unterscheidung zwischen Krankheit und Gesundheit, fundamental ungeklärt und kontrovers ist. Dies betrifft Fragen der Art, ob es überhaupt einen allgemeinen Krankheitsbegriff – im Unterschied zu speziellen Krankheiten im Sinne von Krankheitseinheiten – gibt, ob und wie die Begriffe „Krankheit“ und „Gesundheit“ definiert oder anderweitig eindeutig charakterisiert werden können; welche Rolle bei der Charakterisierung dieser Begriffe Werte und Normen spielen; ob die Psychiatrie gegenüber der somatischen Medizin einen eigenen Krankheitsbegriff verwendet und/oder benötigt; und inwieweit ein allgemeiner Krankheitsbegriff soziokulturell invariant ist beziehungsweise nur kulturrelativ formuliert werden kann“ (2007: 77).

Franzkowiak, Homfeldt und Mühlum verstehen unter „Gesundheit“ und „Krankheit“ Begriffe, die sich auf biologische Grundlagen und menschliches Agieren beziehen. Ihrer Meinung nach sind Gesundheit und Krankheit Konstrukte der Gesellschaft, welche durch kulturelle Erwartungen in den Körper der Menschen kulturell integriert sind (vgl. 2011: 25).

Alfons Labisch unterstützt dies durch folgende Aussage:

„Die Normalität des Körpers geht unmerklich in eine Normativität, eine Wertbezogenheit des Körpers über. Im Begriff ´Gesundheit` schlagen die Werte einer Gesellschaft gleichsam an der leiblich-körperlichen Oberfläche der Menschen in die innere Ordnung ihrer Leiblich-/Körperlichkeit um. Die jeweilige Deutung von Gesundheit vermittelt also zwischen den individuellen Körpern der Menschen und den gesellschaftlichen Anforderungen an ein bestimmtes Verhalten, soweit sich dieses in einem unendlichen, jeweils kulturell-zivilisatorisch erklärbaren Spektrum von Möglichkeiten auf biologische Grundlagen menschlichen Verhaltens beziehen lässt. Diese Verhaltenserwartungen werden in ihren Körpern gleichsam verdinglicht.

Damit ist die Stelle markiert, an der sich gesellschaftliche Ordnung in die Ordnung des Leibes verwandelt. Ein „genuines“, sozusagen ´natürliches`, d.h. nicht durch Kultur vermitteltes Körpererleben gibt es nicht“ (1999: 481).

Indem menschliche Lebenserfahrungen und Lebensbereiche in den Fokus systematischer und medizinischer Erforschung und Verantwortung gerückt werden und hieraus eine umfassende Gesundheitsversorgung bis hin zum Lebensende resultiert, verschafft sich die Medizin ihre Deutungsmacht über den menschlichen Körper mit der Prophezeiung einer Lebensverlängerung. Andererseits nimmt die Medikalisierung des Lebens auch die Vorstellung über eine selbstverantwortliche Befugnis über den eigenen Körper. Hierbei wird die spirituelle Auslegung von Gesundheit jedoch vergessen. Diese findet ihren Ausdruck durch die Suche nach alternativen Heilmethoden sowie in Bemühungen zur Wiederaneignung des eigenen Körpergeschehens – mit dem Hintergrund, über die eigene Gesundheit und Krankheit stärker bestimmen zu können (vgl. Franzkowiak, Homfeldt, Mühlum 2011: 26).

Unter der spirituellen Betrachtungsweise von Gesundheit kann man sie nach Hawks et al folgendermaßen verstehen:

Gesundheit wird durch ein hohes Maß an Glauben, Hoffnung und Engagement in Bezug auf eine klar definierte Weltanschauung oder ein Glaubenssystem, das der eigenen Existenz Sinn und Zweck verleiht, bestimmt. Diese Erfüllung umfasst die Verbundenheit mit sich selbst, Anderen und einer höheren Macht oder größeren Gegebenheit[1] (vgl. Hawks et al 1995: 373).

Die pathogenetische Perspektive

Erklärungen, die auf einer pathogenetisch-medizinischen und/oder psychiatrischen Betrachtungsweise fußen, erklären Gesundheit durch die Abwesenheit von Krankheit und/oder Störungen. Historisch entspringt das Krankheitsverständnis der modernen Medizin aus einer mechanistischen Betrachtungsweise (vgl. Franzkowiak, Homfeldt, Mühlum a.a.O.: 61). J. Bengel, R. Schrittmatter und H. Willmann fassen dieses Krankheitsverständnis folgendermaßen zusammen:

Der menschliche Körper sei mit einer Maschine zu vergleichen, „[…] deren Funktionen und Funktionsstörungen verstanden werden können, indem die Organsysteme und -strukturen sowie die physiologischen Prozesse möglichst genau analysiert werden“ (vgl. Bengel, Schrittmatter, Willmann 2001: 16). Durch organische Defekte würden Krankheitssymptome wie körperliche Beschwerden und Veränderungen sowie auch psychische Auffälligkeiten erklärt werden. Aus diesen physiologischen oder anatomischen Defekten würde die tatsächliche Krankheit resultieren. Ziel sei es, Defekte zu erkennen und diese zu beheben. Ob ein Mensch als „krank“ bezeichnet wird, hänge von der Feststellung anatomischer oder physiologsicher Veränderungen ab (vgl. ebd.: 16ff.)

Für die Behandlung von Infektionskrankheiten und die dadurch weltweit gesteigerte Lebenserwartung der Bevölkerung liefert die naturwissenschaftliche Medizin ein historisch erfolgreiches und überzeugendes Rahmenmodell. Bei vielen internistischen und chirurgischen Herausforderungen, wie beispielsweise einem Zwölffingerdarmgeschwür oder dem juvenilen Diabetes mellitus wirken pathophysiologische Diagnosen und Behandlungen. Für die Zuschreibung als Erkrankung und die Einleitung von kausalen Behandlungen sind in allen Fällen naturwissenschaftlich nachweisbare Strukturveränderungen und/oder Funktionsstörungen, die den Organismus betreffen, Voraussetzung. Jedoch reicht diese Perspektive bei den heutzutage chronisch-degenerativen Störungen sowie bei allergisch und autoimmunologisch wirkenden Krankheiten und insbesondere bei den funktionellen beziehungsweise somatoformen psychischen Störungen nicht mehr aus (vgl. Franzkowiak, Homfeldt, Mühlum 2011: 62).

Die salutogenetische Perspektive

Aaron Antonovsky, der als Begründer des Konzepts „Salutogenese“ gilt, versteht Gesundheit als Prozess. Dies kann als Gegenpol zum Konzept der Pathogenese gesehen werden. Nach Antonovsky gibt es keinen ganz gesunden Menschen. Zudem seien auch in einer sterbenskranken Person noch gesunde Anteile vorzufinden. Weiter sei ein Mensch nicht entweder gesund oder krank, sondern befände sich auf einem Kontinuum, einem Prozess von gesund und krank (vgl. Antonovsky 1997: 2.e2).

Die salutogenetische Perspektive geht der Erforschung gesundheitserhaltender und gesundheitsfördernder Prozesse nach. Sie widmet sich Fragen wie:

„Warum bleiben Menschen trotz zahlreicher alltäglicher Belastungen, krankheitserregender Risikokonstellationen, einer Vielzahl potenziell gesundheitsgefährdender Einflüsse, auch trotz schwerwiegender kritischer Lebensereignisse gesund?

Wie schaffen sie es, sich von Störungen und Erkrankungen wieder zu erholen?

Was zeichnet Menschen aus, die trotz extremer Belastungen nicht psychisch dekompensieren oder somatisch erkranken?“ (Franzkowiak, Homfeldt, Mühlum a.a.O.: 62).

Nach Antonovsky muss Gesundheit durchgehend in der eingehenden Beschäftigung mit Stressoren (inneren und äußeren Einflüssen) neu aufgebaut werden. Insbesondere generalisierte Widerstandsressourcen sind im Hinblick auf die Salutogenese von Bedeutung, um sich vor Stressoren schützen und diesen zu widerstehen zu können. Diese resilienten Faktoren können die Kraftquellen einer positiven Entwicklung sein. Sie befinden sich in der Person (beispielsweise als organisch-konstitutionelle Immunressourcen, als Bildung, Intelligenz oder Bewältigungsstrategien), im sozialen Nahraum (zum Beispiel als das Gefühl, sich „verortet“ und zugehörig zu fühlen, als soziale Unterstützung und Hilfe, als Erfahren von Vertrauen und Anerkennung sowie als Selbstwirksamkeits- und Kontrollerleben), auf gesellschaftlicher Ebene (beispielsweise als Erfahrung von Anerkennung über Teilhabe an sinnvollen Tätigkeiten oder als materielle und sozial-ökologische Sicherheit wie die Verfügbarkeit über Geld, Wohnung und Arbeit) und auf kultureller Ebene (beispielsweise als Zugang zu kulturellem Kapital im Sinne von tragfähigen Werten und Überzeugungen) (vgl. BMFSFJ 2009: 57).

Der zentrale Baustein der Salutogenese ist das Kohärenzgefühl.

Das Kohärenzgefühl ist die Fähigkeit, Ressourcen zu erkennen, richtige zu aktivieren und für sich nutzbringend einzusetzen. Es wird definiert als „Grundhaltung, die Welt als zusammenhängend, sinnvoll und steuerbar zu erleben“ (Franzkowiak, Homfeldt, Mühlum a.a.O.: 63). Folgende Aspekte wirken zusammen: die Handhabbarkeit verfügbarer Ressourcen (beziehungsweise die Bewältigungsfähigkeit von Problemen), die Verstehbarkeit der Welt sowie das Gefühl, das Leben als sinnvoll (beziehungsweise als bedeutsam) zu empfinden. Verfügt ein Individuum über ein stabiles Kohärenzgefühl, so hat es das Gefühl, seine eigenen Lebensbedingungen zu einem großen Teil steuern und gestalten zu können. Für die Gesundheitsarbeit sowie die Gesundheitsförderung ergibt sich die Ableitung folgender Annahme: Je stärker die Handlungsbefähigung beziehungsweise das Kohärenzgefühl, desto eher wird der Mensch Stressoren mit positiven Folgen für die Gesundheit bewältigen und sein Leben aktiv selbst steuern (vgl. Franzkowiak, Homfeldt, Mühlum 2011: 63.).

Im 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung wird der Mensch, in Anbetracht des Kohärenzgefühls, nicht als passives Wesen verstanden, das externen Kräften ausgesetzt ist, sondern als Subjekt, das sein eigenes Leben anhand seiner vorhandenen Bewältigungsressourcen aktiv beeinflussen kann. Es geht also um die Frage, wie der Mensch diesen Prozess steuert und nicht um die Frage nach Belastungen und deren Vermeidung (vgl. BMFSFJ 2009: 60).

Inzwischen zählt das Konzept der Salutogenese zu den einflussreichsten Ansätzen in der Gesundheitsförderung und den Gesundheitswissenschaften. Es wendet sich, integrativ und interdisziplinär, gegen die einseitige Betrachtungsweise auf die Gesundheit aus der Sicht der Pathogenese. Zudem versteht es sich aber auch als „Ergänzung und Korrektiv zur biomedizinischen Krankheitsorientierung“ (Franzkowiak, Homfeldt, Mühlum a.a.O.: 64). Beide Perspektiven fügen sich nach Antonovsky als ein komplementäres Ganzes zusammen. Die daraus resultierende Annahme eines Gesundheits-Krankheits-Kontinuums legte den Weg zu einem integrativen Ansatz beider Perspektiven. Erst diese sich veränderte Perspektive war es, die den zweigeteilten Denkansatz, welcher zu verkürzten Sichten auf beiden Seiten führt, überwand.

Die Salutogenese bietet „eine Meta- und Rahmentheorie für ressourcenorientierte Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention [sowie] eine Legitimation für entsprechende Konzepte und Maßnahmenplanungen“ (ebd.). Weiter legt sie ihren Schwerpunkt auf Selbststeuerung und Agency in spezifischen Lebensverläufen und -kontexten (vgl. ebd.).

Gesundheit nach Fröhlich

Günter Fröhlich setzt sich in seinem Text „Kritik der Gesundheit – Philosophische Überlegungen zu einem überstrapazierten Begriff“ ebenso mit dem Begriff der Gesundheit auseinander. Zu Beginn greift er eine Aussage von Verfassungsrechtler Paul Kirchhof auf, welche dieser in einer Fernsehsendung im Jahre 2007 äußerte: