Magie der Schatten - Band 1: Barshim und Cashimae - C.S. Steinberg - E-Book

Magie der Schatten - Band 1: Barshim und Cashimae E-Book

C.S. Steinberg

4,7

Beschreibung

Die Alte Welt, zwei Länder, in denen Magie so selbstverständlich ist, wie das Atmen. In den Hallen Natriells schwebt ein in Leder gebundenes Buch. Mit einem Bann belegt. Man gab ihm den Namen 'Buch des Lebens'. In ihm ist eine alte Legende auf brüchigem Pergament geschrieben. Sie erzählt von den Wächtern, den Vigils, und von den Boten, zwei Elementar-Magier, die das Ende der Alten Welt bedeuten. In jener Nacht übergibt ein Drache zwei Kinder, Barshim und Cashimaé, in die Obhut der Alten Welt. Gezeichnet von der Angst der Worte und von der eigenen Vergangenheit fürchten die Magier, die um die alte Saga wissen, dies sei das Erwachen der Boten. Doch wo Furcht ist, ist der Wunsch nach Macht nicht weit. Tamin, ein Mitglied des Kreises Natriells, erkennt die unglaubliche Macht, die in diesen zwei Magier steckt und will sie sich zu eigen machen. Doch was ist, wenn eine alte Legende falsch interpretiert wird? Wenn jene, die die Elemente beherrschen, auf Rache aus sind? Wenn sich die letzten Seiten des Buches füllen, ziehen Schatten über das Land. Die Legende beginnt gerade erst. Am Ende wird nichts mehr sein, wie es einmal war.

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Magie der Schatten

Band 1

Barshim und Cashimaé

von

C.S.Steinberg

Die Zeit ist wie eine Schwester.

Wir können sie nicht ändern,

doch wir können lernen, mit ihr zu leben.

Dieses Buch widme ich

meinem liebevollen Begleiter,

der noch immer mit mir Geduld hat,

wenn ich schon ungeduldig bin.

Und euch, die ihr weiter als bis zum Tellerrand schaut.

Das Buch:

Eine Legende, die falsch gedeutet wird.

Ein Drache, der zwei Kinder bringt.

Ein Buch in rotes Leder gebunden und mit einem Bann belegt.

„Eure Zukunft ist euer Weg aus der Vergangenheit. Es treiben Wellen der Ewigkeit auf dem Wasser“.

Der Drache fliegt weiter, zurück bleiben Barshim und Cashimaé und ein ganzes Land, das sie fürchtet. Zurück bleibt auch die Angst vor Worten, die auf brüchigem Pergament stehen. Was als Ehre gelten soll, beginnt ein Spielball zu werden.

Was ist, wenn man die Macht besitzt, die Elemente zu beherrschen?

Und was, wenn sich alles in zwei Personen festigt, die sich nur lieben wollten und am Ende das Wort „Wir“ zum eigenem Gesetz machen?

Und werden Barshim und Cashimae es schaffen gegen die Vorbehalte eines ganzen Landes zu bestehen?

„Ewigkeit wird zu einer Grenze, wenn man ihr einen Namen gibt“

Barshim und Cashimae ist der erste Band der Fantasy-Trilogie „Magie der Schatten“

Die Autorin:

C.S. Steinberg ist 1977 in Deutschland geboren. 2007 wagt sie die erste Veröffentlichung in der Autorenanthologie „Handverlesen“. 2009 präsentiert sie „Savinama – der Wächter“, das Begleitbuch zur Trilogie „Magie der Schatten“ erstmals im Internetradio und baut sich damit eine Fangemeinde auf. 2011 erscheint „Savinama“ als Buch, 2012 als ebook. Mehr Informationen zur Autorin auf www.cssteinberg.de.

Grafik: Olaf Tischer

Lektorat: Gerd Fischer

ISBN: 9783944124148

Copyright der ebook-Ausgabe 2012 mainbook Verlag, Gerd Fischer

Alle Rechte vorbehalten

Eine kleine Hilfestellung

Lese und Ausdrucksweise der altmagischen Sprache: Die alte Sprache ist sehr einfach in Wort, Schrift und Ausdruck.

Hier einige Grundregeln: Im Altmagischen existieren a,ö und ü nicht. Auch Buchstabenkombinationen wie: ae, ue und oe werden nicht als solche ausgesprochen. Jeder Buchstabe bekommt hier seine eigene Betonung.

Altmagisch ist eine Sprache des Klanges. Die Buchstaben fließen ineinander und doch hat jeder seinen eigenen Wert.

Hier noch einige regelmäßig auftauchende Wörter:

Vorwort

Eine Hand legt sich gegen das Glas der Scheibe. Nacht herrscht dort draußen auf den Straßen.

Fern der Zeit schimmert die Erinnerung in einem Sternbild am Himmelszelt. Dreigestirn!

Die Sanduhr war stehen geblieben, denn sie war die Zeit. Sie war die Namenlose, die alle in ihren Wahrheiten suchten.

Doch die Wenigsten finden den Mut, ihr in die Augen zu blicken…

Sie kann dich sehen!

- Nuavera -

Kapitel 1

Die Nacht lag über Natriell. Ein voller Mond zeichnete sich fern der Berge ab, die die alte Stadt Comoérta umschlossen, ehe sie den Blick auf das Meer freigaben.

Die Sterne funkelten in der frühwinterlichen Kühle um die Wette und beleuchteten den Sand der roten Wüste, die etwa drei Tagesritte im Landesinneren der Alten Welt lag. Ein Meer aus Rubinen, die in der Nacht eine sanfte Wärme von sich gaben, während sie am Tage ein Betreten fast unmöglich machten. Auf ihrem Boden leuchteten zwölf Fackeln in einem Kreis. In ihrer Mitte standen sechs Männer und Frauen zusammen. Gekleidet in blauschwarze Mäntel.

„Ich hoffe, dieser nächtliche Ausflug bringt mehr als nur Schlafmangel“, erklangen die unzufriedenen Worte eines Mannes. Neben ihm hob eine Frau den Kopf. Ihre Augen und ihr Haar waren weiß, wie frisch gefallener Schnee. „Du solltest dich zügeln in deiner Wortwahl, Tamin.“ Er zuckte beiläufig mit den breiten Schultern und lachte sie verschmitzt aus hellblauen Augen an. Mit einer Hand fuhr er sich durch die kurzen blonden Haare und gähnte ausgiebig.

„Du hast das Benehmen eines Isgrins.“ Damit schritt die Magierin an ihm vorbei und trat neben einen Mann, der etwas abseits von ihnen am Rande der Fackeln stand und in die Ferne blickte. Er trug ebenso einen blauschwarzen Umhang, den an den Säumen goldfarbene Stickereien zierten.

Den hageren Körper etwas gebeugt, stützte er sich mit beiden Händen auf einen schwarzen Stab. Im Licht des Mondes leuchteten goldene Gravuren auf der glatten Oberfläche. Ein langer grauer Bart und ebensolches Haar wiesen auf das hohe Alter seines Trägers hin. Ein Blick in sein faltiges Gesicht bestätigte dies. „Du solltest ihm nicht böse sein, Filyma. Es ist die Ungeduld der Jugend, die aus ihm spricht.“

„Er ist jetzt seit zehn Jahren Kreismitglied und sollte seinen Heißsporn etwas zügeln können, Shorbo.“

Shorbo zwinkerte ihr zu und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Horizont. „Die Elemente haben uns hierher gerufen. Tamin beherrscht Magie, doch kann er die Stimmen, die darin liegen, nicht hören. Es ist lange her, dass die Magiewesen in dieser Form an uns heran getreten sind.“

Ein leichter Luftzug wirbelte Funken von den Fackeln in den klaren Nachthimmel. Tamin trat neben die beiden. „Wird es noch lange dauern?“

Mit ihrer abweisenden Art musterte Filyma den Jüngeren, als wolle sie ihn zu Eis gefrieren lassen. "Tamin, so spricht kein Mitglied des Kreises, es ist deiner nicht würdig. Akzeptiere, was dir gegeben ward und achte die Regeln…"

Sie brach ab und wandte sich um. Der Wind wechselte die Richtung und brachte ein leises Donnern mit sich. Ein Vibrieren zog durch den Boden. Die Sandkörner begannen zu tanzen.

Unruhig hoben alle die Köpfe. Wolken türmten sich auf und zwischen ihnen stoben blaue Blitze hindurch. Der Wind nahm an Stärke zu und entwickelte sich zu einem Orkan. Er fegte um den Kreis, riss den Sand in die Höhe, jedoch ohne die Fackeln zu löschen und ohne in das Innere des Kreises einzudringen.

„Bei allen Himmeln“, rief Tamin ehrfürchtig. Er konnte fühlen, wie sich jedes Haar auf seinen Armen aufstellte, verursacht durch die Elektrizität, die in der Luft lag. Das Donnern kam immer näher, gefolgt von einem Rauschen. Der Sand umwirbelte so dicht und hoch den Kreis der Fackeln, dass ein Hindurchsehen nicht mehr möglich war.

Shorbo, der Kreisführer Natriells, trat an den nördlichsten Rand des Kreises. Die Inschrift seines Stabes leuchtete hell und strahlend unter der Kraft der alten Magie. Er senkte den Kopf und folgte den Strömen des Windes, um seine Ehrerbietung zu zeigen, die er gegenüber den Elementen empfand. Sein langer weißer Bart und sein Mantel wurden zur Seite geweht. Es hatte den Anschein, als würden ihn die Elemente begrüßen. Die anderen hinter ihm senkten nun ebenfalls die Köpfe und legten die Hände übereinander.

Hinter der Wand aus Sand und Wind landete etwas Gewaltiges und Mächtiges. Seine Gegenwart verhieß altes Wissen, unglaubliche Macht und Weisheit. Zum Greifen nahe.

Ein Brüllen hallte ihnen entgegen.

Tamins Augen wurden groß. Er besaß die Frechheit, die Einheit der anderen zu verlassen und an Shorbos Seite zu treten.

"Was ist das?"

"Mein junger Freund, lerne Achtung vor den oberen Gesetzen. Verneige dich vor dem Ursprung aller Magie." Als ob der Wind Shorbo recht geben wollte, fegte er dem jungen Magier Sand ins Gesicht.

Plötzlich war es still. Kein Geräusch drang mehr an ihre Ohren, obwohl der Wind nicht an Stärke nachgelassen hatte. Blitze wurden sichtbar und der Sand fiel wie auf ein unsichtbares Kommando zu Boden.

Vor ihnen befand sich eine gewaltige Wand aus Wasser. Hoch erhoben, bereit jeden Moment herab zu stürzen und alles unter sich zu begraben. Berge aus Wellen, in denen weiße Gischt strömte, in stetigen Wirbeln. Über diesem imposanten Gebilde im Zentrum des Kreises erschien sternenklarer Himmel, doch dahinter, über dem Wasser ballte sich eine große Wolkendecke auf, die ihre Energien entlud.

Ein dunkler Schatten verharrte reglos vor ihnen und als sich die Wolken zurückzogen, wurde der massige Körper eines Drachen im Mondlicht sichtbar. Obwohl schwärzer als die Nacht, leuchteten seine Schuppen immer wieder in einem geheimnisvollen Licht im Schein des vollen Mondes auf.

Langsam hob er den mit Dornen besetzten Kopf und spie eine gewaltige Feuer-Fontäne aus. Sein Brüllen hallte von den Gebirgen zurück und ließ alle in Ehrfurcht erstarren.

Seine mit Krallen besetzten Pranken gruben sich tief in den Sandboden. Er breitete die Flügel weit aus, senkte den Kopf und seine gelben Augen suchten die Lebewesen, die vor ihm wie kleine Insekten schienen. Für einen Moment sah es aus, als wolle er sie vom Antlitz dieser Erde wischen, während sein langer Schwanz unruhig hin und her zuckte.

Drachen waren von je her die mächtigsten aller Magiewesen. Jeder hatte Respekt vor ihnen, doch dieser hier war mehr als das: einer der letzten Elementardrachen. Kaum jemand hatte sie je zu Gesicht bekommen. Selbst Shorbo, der schon viele Jahrhunderte in dieser Zeit verweilte, konnte sich nicht daran erinnern, wann der letzte gesehen worden war, schon gar nicht bei einer solchen Zusammenkunft.

Endlich entspannte sich der mächtige Leib. Der Drache faltete die Flügel ein Stück weit zusammen und stützte sich mit kleinen Haken, die sich an den Spitzen befanden, auf dem Boden ab. Die gelben Augen, die das ganze Leben kannten, ruhten auf der Gruppe.

"Ein Urwächter!" Tamin sprach aus, was alle dachten. Shorbo blickte seinen jungen Freund strafend an. Die Stimme des Drachen durchdrang sie dunkel und dröhnend, als sie den Geist der Mitglieder erreichte.

- Eine Einheit bildet, was von je her eine Einheit war und die Sicherheit einer ganzen Welt bietet -, ertönte es.

Die Gedanken des Drachen erfüllten die Nacht. Die Augen des Kreisführers funkelten. Weise Worte, die er schon sein ganzes Leben kannte.

Kurz herrschte erneute Stille und es schien, als warte der Drache auf etwas. Doch schließlich senkte er den Kopf, um die Wesen, die für ihn so klein waren, besser sehen zu können. Sein Atem streifte den Boden, wirbelte Furchen in den Sand.

Alle spürten, wie er ihren Geist ertastete, wie er ihre Charaktere beurteilte, um den Richtigen auszuwählen.

- Kind der Charfea -, fuhr der Drache fort.

Filyma blickte überrascht auf. Irritiert trat sie neben Shorbo, dann begann er von neuem zu suchen.

- Wächter des Kreises -

Shorbo war es nun, der nicht glauben konnte, dass sein Name genannt wurde. Er war alt und hatte bereits begonnen, den Bann der Zeit zu lockern. Er war bereits auf der Suche nach einem würdigen Nachfolger für den Kreis, um endlich zurückzukehren in die ewige Stille. Zu lange trug er schon die Lasten des Kreisführers auf seinen Schultern.

Filymas Gesicht sprach deutlich aus, was alle dachten: Was geschah hier?

Der Drache hob wieder den Kopf. Die Luft vibrierte durch diese winzige Bewegung. Eine Feuerkugel leuchtete zwischen ihnen auf und verschwand in einem Funkenregen. Zurück blieben zwei Bündel.

- Eure Zukunft ist euer Weg aus der Vergangenheit. Es treiben Wellen der Ewigkeit auf dem Wasser -

Die Flügel des Drachen breiteten sich aus und als sich der Körper in den Himmel erhob, verschwand die Wasserwand, ebenso die Wolken. Zurück blieben die fühlbaren Energien und zwei neue Wesen, die in diese Welt eintreten sollten.

„Zeichnen wir neue Spuren in den Sand.“ Leise verhallten Shorbos Worte in der Nacht.

Kapitel 2

Tamin hockte auf dem Fenstersims und blickte frustriert in die Morgendämmerung. Silbern zeichnete sich der erste Sonnenstrahl in der Ferne auf dem Meer ab und ließ Horizont und Wasser eins werden. Doch für solche Schönheit besaß der Magier heute keine Aufmerksamkeit. Was hatte er erwartet? Dass er die Aufgabe bekommen würde, einen neuen Elementar-Magier auszubilden, obwohl er der Jüngste des Kreises war? Denn um nichts anderes konnte es sich handeln, darin war sich der Kreis einig. Dass ihm dieses Wissen anvertraut werden würde?

Ja, gestand er sich ein. In dem Moment, als er begriff, was ihnen die Alte Magie überbracht hatte, wünschte er sich, einer der Auserwählten zu sein. Die Kraft, die von dem Elementar-Drachen ausgegangen war, hatte ihn fortgerissen und ihm neue Möglichkeiten eröffnet. Wie in einem Rausch. Wie eine Erinnerung, die er nicht greifen konnte.

Aus den alten Sagen wusste er, dass ihnen die Magischen Wesen manchmal menschenähnliche Kinder mit besonderen Fähigkeiten anvertrauten. Ihre Macht sei so groß, erzählten die Lehrer der Alten Welt, dass die Ihrigen sie nicht auszubilden vermochten.

Aber warum ausgerechnet Shorbo? Im Laufe des Lebens legte jeder Magier einen Zauber auf sich selbst, den Bann der Zeit. Sie blieben im Alter und Aussehen, wie sie es sich wünschten. Nur jünger werden war nicht möglich. Shorbo, der alte Kreisführer, hatte diesen schon lange abgelegt.

Tamin stand auf und ging zu den beiden Körben, die auf dem Tisch standen.

Nachdem sie nach Comoérta zurückgekehrt waren, zogen sich die Kreismitglieder zurück, um sich von den Strapazen der Reise zu erholen. Tamin meldete sich freiwillig, um über die zwei Neuankömmlinge zu wachen. Am Rande bekam er mit, dass sich Shorbo mit zwei anderen Magiern stritt, doch als sie ihn bemerkten, sprachen sie plötzlich über belanglose Dinge. Er war zwar das jüngste Mitglied, aber manchmal ärgerte es ihn sehr, wenn man ihn an offensichtlichen Geheimnissen nicht teilhaben ließ.

Schweigend betrachtete Tamin die zwei Kinder, während im Hintergrund ein Feuer im Kamin brannte. Ein kleiner Junge mit dunklen Haaren und ebenso dunklen Augen lag im rechten Korb. Tamin suchte seine Aura und spürte schon jetzt eine große Kraft. Aber auch etwas Dunkles.

In dem anderen Korb lag ein Mädchen, dessen Augen blau wie das Wasser und grün wie das Gras waren. Zudem besaßen sie ein Gelb wie die Augen des Drachen. Ihr Haar war ebenso braun wie das des Jungen. Sie strahlte Wärme und Liebe aus.

"Was seid ihr? Tag und Nacht? Licht und Schatten? Oder einfach nur Bastarde der magischen Wesen?“ So wie diese Filyma, schoss es ihm durch den Kopf. Ein Kind, ein Mischling, entstanden aus der Liebe zwischen einem Magier und einer Charfea. Wesen, die zum Elbenvolk gehörten, und mit ihrer Schönheit auch den hartgesottensten Mann zu Fall brachten.

Barshim und Cashimaé. Allein der Gedanke, ein Magier und ein Drache … das waren Bilder, die sich Tamin gar nicht ausmalen wollte. Da er noch nie etwas davon gehört hatte, dass Drachen menschliche Gestalt annehmen können, war es schlicht ein Ding der Unmöglichkeit. Aber diese Kraft, die von diesen Kindern ausging, berührte die Sinne des Magiers, wie Tautropfen die Gräser am Morgen.

Tamin gestand sich ein, dass er sich niemals mit der Macht der Drachen auseinandergesetzt hatte. Schon gar nicht mit der der Elementar-Drachen, was als Kreismitglied ein unverzeihliches Versäumnis darstellte.

Doch wer rechnete schon damit, dass – wie Shorbo es ausdrückte – ein geborener Elementar-Schatten jemals zu ihnen kommen würde? Und dann gleich zwei. Der Magier nahm sich fest vor, seine Wissenslücken in der hiesigen Bibliothek zu füllen.

Noch einmal betrachtete er die Kinder, die so friedlich schliefen, als haben sie mit all dem, was um sie herum geschah, nichts zu tun. Barshim strahlte schon jetzt etwas Eigensinniges aus, das einem das Gefühl gab, nichts aus der Alten Welt könne ihm etwas anhaben, während er zufrieden an seinem Daumen nuckelte.

Tamin verstand, warum er Filyma zugesprochen worden war. Sie würden sich ergänzen. Filyma, die Prinzessin des Eises, wie sie alle im Stillen zu nennen pflegten. Die ihr Leben nach eigens erstellten Regeln aufbaute, auf Perfektionismus und der unergründlich tiefen Ruhe der Magie. Sie war eins mit den Elementen. Wie das Wasser, das zu Eis gefror und aus der Stille beobachtete. Doch wehe dem, der es wagte, sie anzugreifen. Sie war nicht harmlos wie ein kleines Mädchen, das den Schutz anderer bedarf. Sie war das Eis selber, heiß und feurig. Kalt und zerstörerisch zugleich. Barshims Energien wirkten ähnlich.

Cashimaé kam den seinen sehr nahe. Und doch wieder nicht. Ihre Aura umhüllte etwas Geheimnisvolles und Ungeklärtes und in diesem Moment beschloss Tamin, ihr Begleiter zu werden. Der sie leiten und lehren würde, egal, ob der Drache Shorbo dazu auserkoren hatte oder nicht. Cashimaé sollte den Weg mit ihm beschreiten. Er verschwendete keinen Gedanken daran, dass dieses noch so kleine Bündel eines Tages seinen eigenen Willen entwickeln und selber Entscheidungen fällen würde und mit Beschlüssen, die Tamin für sie traf, nicht einverstanden wäre.

Tamin war von jeher ein Mann, der einen eigenen Kopf besaß und seine Ziele erreichen wollte. Rücksicht war für ihn ein Wort der Schwäche.

*

Vier Tage waren seit der Ankunft der Kinder vergangen. Shorbo saß in seinem Arbeitszimmer an einem großen Schreibtisch und schrieb mit einer weißen Feder auf ein Pergament.

Als es leise an der Tür klopfte, hob er nicht einmal den Kopf, sondern schenkte seine Aufmerksamkeit weiterhin der Schrift. Ein Knarren ließ erahnen, dass der Klopfende nicht weiter auf das Herein wartete. Schwere Schritte ließen Shorbo schließlich auf sehen.

„Wenn du hergekommen bist, um mir Vorwürfe zu machen, ist dein Weg umsonst.“ Mit diesen Worten legte der alte Magier die Feder zur Seite.

Vor ihm stand ein großgewachsener stämmiger Mann in einem weißen weiten Mantel, die Säume mit dezenten Stickereien aus goldenem Garn besetzt. Sein Haar war grau, nur wenige dunkle Stellen ließen erahnen, dass sie einmal schwarz gewesen sein mussten. Im Nacken mit einem Lederband zusammen gebunden, fielen sie ihm bis weit über die Schultern. Der kurze gepflegte Vollbart, wies die gleichen Farbschattierungen wie das Haupthaar auf. Am meisten jedoch stachen die von kleinen Fältchen umschmeichelten Augen hervor. Sie leuchteten in einem solch intensiven Bernsteinton, wie ihn kein anderer Magier besaß. Es handelte sich um Savinama, den Kreisführer Liyiells.

„Vorwürfe, alter Freund? Wer wird denn ein so unschönes Wort in den Mund nehmen?“ Er ließ sich in einen Sessel sinken und faltete die Hände.

Shorbo erhob sich und trat an einen Schrank aus dunklem Holz. Seine Hände holten zwei Kristallgläser und eine Karaffe hervor, worin eine goldfarbene Flüssigkeit leuchtete. Er füllte die Gläser bis zur Hälfte und trat zu seinem Freund. „Sagen wir es so, ich bin noch nicht ganz wieder angekommen und schon tauchst du hier auf. Wie lange hat das Schiff gebraucht, Savinama?“

Der Magier nahm ihm eines der Gläser ab und nippte an dessen Inhalt. „Drei Tage.“

Shorbo lehnte sich gegen den Tisch und sein Gesicht spiegelte ein Lachen wider. „Drei Tage? Mir scheint, der Wind war den Segeln sehr gewogen.“

„Lassen wir das Geplänkel, Shorbo. Wenn ich nicht hören kann, was die Elemente mir fast ins Gesicht schrien, wer dann?“ Der Kreisführer Natriells betrachtete den Freund eingehend. „Aé, wer dann? Es sind zwei Kinder, Savinama. Ein Junge und ein Mädchen. Ihre Aura ist so stark wie nichts, was ich bisher erlebt habe. Oh entschuldige, fast nichts“, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu.

„Du machst dich lustig über mich.“ Shorbo stellte das Glas auf den Tisch und ergriff stattdessen eine Rolle. Er zog sie ein Stück auf. „… die Boten von Leben und Tod. Das Zurückkehren der Waage…“, zitierte er einige Worte.

Savinama strich sich müde die Augenbrauen. „Eine alte Saga, Shorbo. Nur weil es Elementar-Magier sind, müssen sie nicht gleich das Ende der Alten Welt bedeuten.“

„Das ist eine Sache der Interpretation. Das Problem ist, dass fast jedes Kreismitglied es so liest. Aber warum der Drache ausgerechnet mich ausgewählt hat, für das kleine Mädchen zu sorgen, will nicht in meinen Kopf.“

Der Kreisführer Liyiells erhob sich und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. „Nun…,“ damit trat er ans Fenster. „Wir werden sehen, ob sie es sind, die in den Schriften angekündigt wurden. Ich unterstütze deine Entscheidung, auch wenn die Älteren der Kreise Furcht äußerten. Es ist nicht zwingend, dass es geschieht, denn die Worte des Drachen können auch heißen, dass wir eine Chance haben, unseren eigenen Weg zu gehen.“ Shorbo betrachtete seinen alten Freund schweigend.

- Vielleicht auch nur, dass wir auf einen Weg zurückkehren -

Kapitel 3

Baitimes war nicht groß, gerade einmal 1200 Seelen zählte der Ort. Shorbo war glücklich, wieder in seinem Hause zu sein, weit fort vom Lerneifer und der Hektik der anderen.

Hier, zwischen den Hügeln, liebte er die Ruhe und Ausgewogenheit der Natur und lebte mit ihr im Einklang und im Takt desselben Herzschlages. Er war sicher, dass es der perfekte Ort war, um Cashimaé auszubilden. Ohne die misstrauischen Blicke der Kreismitglieder. Sein Stellvertreter Karaz war lange genug im Amt, so dass Shorbo nicht mehr ständig zugegen sein musste.

Shorbo zog eine Amme aus dem Dorf hinzu, die ihn unterstützte. Und die Zeit flog dahin. Das Mädchen wuchs überraschend schnell heran, als könne sie es kaum erwarten, die neue Welt um sich herum zu erkunden und kennenzulernen. Schon bald lief sie auf eigenen Füßen durch die Gräser.

So aufgeweckt und fröhlich sich die Kleine jedoch entwickelte, es wurden keine Anzeichen von Magie sichtbar.

Tamin, der den Kreisführer oft mit der Ausrede ihn auf dem Laufenden halten zu wollen, besuchte, ärgerte dies und Shorbo musste ihn immer wieder darauf hinweisen, dass es nicht ihre Aufgabe wäre, etwas zu wecken, was eventuell nicht vorhanden war. Schließlich reiste Tamin zurück in seine Heimat, doch er versprach dem alten Kreisführer, schon bald zurückzukehren, um ihm bei der Erziehung Cashimaés zu helfen.

Shorbo beobachte oft stundenlang, wie das Kind einen Vogel am Himmel betrachtete oder mit ihren Gedanken einfach weit fort war. Doch konnte er ihren Geist nicht erreichen, fast, als wäre sie eine jener "Kopfblinden", denen der Weg zur Magie verwehrt blieb. Als Kopfblinde bezeichneten die Magier die Menschen, die von jenseits der Grenzen, der anderen Welt kamen. Da sie keinen Hang zu den Elementen besaßen, wurden sie zwar vordergründig respektiert, insgeheim aber nur geduldet.

Er machte sich Gedanken darüber, ob es vielleicht das war, was ihnen die Zukunft bringen würde: eine Welt, in der die Magie in Vergessenheit geriet. Eine Erde, wie die Menschen ihre Heimat nannten.

Doch wenn Cashimaé ihn anschaute, mit ihrem unergründlichen Blick voller Fragen, sah er manchmal das Feuer und das Wissen einer erwachsenen Frau, die auf der Suche nach sich selbst war. Und wenn Shorbo sie fragte, wo ihre Gedanken weilten, kamen manchmal Sätze wie "Jenseits der Zeit" oder "Im vergessenen Nirgendwo". Worte, die ein so kleines Kind eigentlich nicht verstehen konnte. Was verbarg sie? Versteckte sie ihre Magie? Und warum tat sie dies?

Kapitel 4

Es ging bereits auf die heißen Sommermonate zu. Der Wind hatte die Richtung gewechselt und trug von Norden trockene Luft über das Land.

Shorbo saß vor dem Haus und vertiefte sich in seine Aufzeichnungen und Schriften, die ihn oft stundenlang beschäftigten.

"Sha?"

Eine helle Mädchenstimme unterbrach die Konzentration des alten Mannes. Er runzelte die Stirn, hielt in der Bewegung inne und betrachtete den letzten Satz, den er soeben mit der Feder beenden wollte. Ein Prickeln auf der Haut verriet ihm, dass er beobachtet wurde, und so hob er den Kopf.

Vor dem Tisch stand ein kleines, aufgewecktes Mädchen, zierlich und schlank. Mit langen, braunen Haaren, die der Wind im leichten Spiel zurück wehte. In den Händen hielt sie einen Strauß wilder Blumen. Heute trugen ihre Augen ein tiefes Blau, klar wie der Himmel.

Shorbo spürte eine tiefe Wärme in sich, wie er sie so betrachtete. Sechs junge Jahre alt. Wo war nur die Zeit geblieben?

"Sha?!"

Sie legte den Kopf fragend zur Seite. Ein Lächeln zuckte um die Lippen des Kreisführers. Niemand außer Cashimaé nannte ihn Sha und es würde wohl auch niemand anderes wagen. Er liebte die Kleine über alles und manchmal fiel es ihm schwer, ihr Regeln oder Grenzen zu setzen, denn ihr Wesen hatte etwas Berauschendes, das jeden in seinen Bann zog, der in ihre Nähe kam. Ähnlich einem Aphrodisiakum. So tief und unschuldig, dass es fast schmerzte.

"Was möchtest du, Cashim? Du weißt doch, dass du mich nicht stören sollst, wenn ich am Arbeiten bin."

"Ja, ich weiß. Doch ich dachte, du möchtest gerne wissen, dass wir Besuch bekommen."

Er legte die Feder zur Seite und musterte sie. "Woher weißt du das?"

Sie hob die Achseln und grinste verschmitzt, wobei ein kleines Grübchen auf ihrem Kinn erschien.

"Hm, weiß es einfach." Mit diesen Worten legte sie die Blumen auf den Tisch, drehte sich um und verschwand wieder in den hohen Gräsern, die das Haus umschlossen.

Verdutzt sah Shorbo ihr nach. Er schloss die Augen und öffnete seinen Geist. Eine Weile musste er suchen, bis er die Energieströme der Angekündigten fand.

Es war tatsächlich Besuch auf dem Weg zu ihnen.

Er schaute in die Richtung, in die das Kind verschwunden war. Sollte sie doch beginnen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln? Noch war es viel zu früh, ein Urteil darüber zu fällen, doch es war ein Anfang und dieser Anfang machte ihn stolz.

Shorbo besaß noch genügend Zeit, seine Unterlagen in die Hütte zu bringen und etwas Ordnung zu schaffen. Darum beneidete er die Hexen und Hexer. Ihnen war es möglich, solch lästige Arbeiten mit Hilfe der Hexerei zu erledigen. Den Magiern blieb dies leider versagt und so musste er es von Hand erledigen. Natürlich konnte er Gegenstände allein mit den Gedanken bewegen, doch es erforderte enorme Energie und jede Anwendung entzog dem Körper einen Teil davon, der wieder aufgeladen werden musste. Alles besaß eben seine Waage. Er verzichtete auf die Anwendung von Magie, wenn es sich nicht wirklich als notwendig erwies.

Shorbo stellte gerade die Blumen von Cashimaé in eine Vase aus Ton, als er das Stampfen von Pferdehufen vernahm. Er wischte sich die Hände an seiner grauweißen, bodenlangen Tunika ab, ergriff den schwarzen Stab und eilte in freudiger Erwartung nach draußen.

Filyma rutschte gerade von der sandfarbenen Stute und wandte sich um. Das Gesicht gezeichnet vom Staub des Weges, ließ sie die Kapuze des Reisemantels nach hinten fallen. „Meine Liebe!“ Sie drehte sich um und ihre weißen, ebenmäßigen Zähne wurden sichtbar. Sie legte die Hände übereinander und verbeugte sich. „Circanprefect, ich grüße Euch.“

Missbilligung trat in seine weisen Züge. „Ich bitte dich, zu viel der Höflichkeiten an einem solch bescheidenen Ort, wo keiner der Kreise verweilt.“

Sie musterte ihn kurz und ihr Gesicht strahlte. „Es ist schön, dich zu sehen, Shorbo.“

„Schon viel besser.“ Damit umarmten sie sich. Shorbo erfasste Filyma an den Schultern und schob sie ein Stück von sich. „Lass dich ansehen, Filyma. Sind es wirklich schon acht Monate, dass der Kreis zur letzten Versammlung zusammen gekommen war?“ Sie nickte.

Filyma trug einen langen Überrock aus weichem Wildleder, darunter ein grünes Hemd und braune Hosen. Die Unterarme mit Schienen besetzt, mit dezenten Nieten verziert und an den Händen Handschuhe ohne Finger aus dem gleichen Material. Auf dem Rücken hoben sich über Kreuz zwei Griffe über den Schultern ab. Kampfschwerter, die in einer Halterung unter dem Mantel ruhten. Shorbo kam nicht umhin, Filyma wie eine Kriegerin aus dem Elbenvolk zu betrachten, statt eines Mitgliedes und einer Magistratera des Kreises. Ihr Haar fiel in einem schweren geflochtenen Zopf bis zur Hüfte hinab. Was ihn allerdings beunruhigte, waren ihre Augen. Sie wirkten müde und an ihren Rändern konnte er deutliche Furchen erkennen, die von Erschöpfung sprachen.

„Komm und setze dich! Ich habe dir frisches Wasser bereitgestellt.“ Er wies mit der Hand zu dem Tisch, an dem er noch vor einer Weile gearbeitet hatte. Feder und Bücher waren einer Kanne und Bechern gewichen.

Sie löste den Sattel und nahm den Zaum ab, damit sich das Pferd frei bewegen konnte. „Es sieht aus, als hast du mich erwartet?“

Shorbo strich sich über den langen weißen Bart, während er sich niederließ. „Eigentlich war es Cashimaé, die mir deine Ankunft mitteilte, oder besser gesagt, überhaupt sagte, dass jemand auf dem Weg zu uns ist.“

Filyma ließ sich nieder. „Die Kleine? Hat sie uns über die Hügel kommen sehen?“

„Nein, dafür warst du noch zu weit weg."

Sie stellte den Becher zurück und löste im Sitzen die Schnüre des Mantels. „Sagtest du nicht bei deinem letzten Besuch in Comoérta, dass es den Anschein hat, als würde sie den Weg einer Kopfblinden gehen?“

Der alte Mann begann zu strahlen, wie es nur ein stolzer Vater konnte. „So war es auch bis heute. Es ist das erste Mal gewesen, dass es ihre innere Intuition von Magie war, die aus ihr sprach.“ Er legte eine nachdenkliche Pause ein. „Aber du sprachst in der Mehrzahl, wo ist dein Begleiter? Ist es Barshim? Hast du ihn mitgebracht? Wie geht es euch? Es ist sechs Jahre her, eine lange Zeit. Ich habe ihn seit jener Nacht nie wieder gesehen. Du sprichst kaum von ihm…“

Filyma winkte lachend ab. „Moment, Moment! Eine Frage nach der anderen. Hast du ihn nicht gespürt? Barshim ist mitgekommen, aber kurz vor deinem Haus zog er es auf einmal vor, in den Hügeln zu verschwinden. Eure Grashügel faszinieren ihn.“

Man konnte Shorbo die Überraschung über die Neuigkeit ansehen. „Nein, ich habe ihn nicht gespürt.“

Sie legte den Mantel beiseite und lächelte erneut. „Das wundert mich nicht. Er versteht es wie kein anderer, seine Ströme vor den Magiern zu verbergen.“

Die Art, wie sie es aussprach, der Klang ihrer Worte, ließen Shorbo Filyma erneut mustern. Sie versuchte leicht und unbeschwert zu klingen, doch ihre Aura zeugte von Anspannung. Shorbo wollte es nicht wahrhaben, doch vor ihm saß die unwiderlegbare Tatsache: Filyma wirkte alt.

Als habe sie seine Gedanken gelesen, wurde ihr Blick sanft. "Versteh es nicht falsch, ich liebe diesen Jungen über alles. Er ist der Mittelpunkt meines Lebens, aber manchmal ist er fürchterlich anstrengend. Er ist ein Dickkopf und achtet kaum Regeln. Er mag lieber seinen eigenen Weg gehen…"

Shorbo lehnte sich zurück und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. "Wie du, Filyma, ganz wie du! Warst du es nicht, die ihr Leben in einer einzigen und eigenen Planung verbringt? Die distanziert und für sich selbst entscheidet, welches der richtige Weg ist? Ohne groß auf andere zu hören? Vielleicht ist das der Grund, warum Barshim dir anvertraut wurde. Damit du lernst, von deinem eigens vorgeschriebenen Weg abzuweichen und neuen Dingen dein Herz zu öffnen?“

„Bin ich wirklich so?“

„Man nennt dich nicht umsonst Eisprinzessin.“

Jetzt klang ihr Lachen wirklich echt. „Diese Bezeichnung habe ich wohl etwas anderem zu verdanken als meiner Art zu leben.“ Und damit begannen sie sich in dieser Umgebung, frei von allen Regeln, aus den vergangenen Tagen zu erzählen.

Von der Zeit, die doch viel zu schnell verging.

*

Ein Stück abseits des Hauses, am Rande der hohen Klippen, stand Cashimaé. Die Augen geschlossen, weitab im Geiste von dieser Welt. Dies war ihr Lieblingsplatz und oft saß sie stundenlang dort, um dem Donnern der Wellen zu lauschen. Wie die Klippen sie tief unter ihr brachen, während hinter ihr der Wind durch das hohe Gras strich und in seiner eigenen Sprache Geschichten erzählte.

Sie mochte es, den Stimmen darin zu lauschen, auch wenn sie kein Wort verstand. Es war etwas anderes, als es mit Buchstaben zu ersetzen. Die Finger in den Strömen spielen zu lassen, eins zu werden, mit allem, was sich um sie herum befand.

Den Körper regelrecht aufzulösen und frei zu sein…

Ein leises Rascheln im Gras ließ sie die Augen öffnen. Sie drehte sich um und kreuzte die Arme vor der Brust. Die Farbe ihrer Augen wechselte in ein tiefes Moosgrün. Es brauchte nur einen Moment, ehe ihr Blick einem Strauch galt, der dicht und voller blauer Beeren hing.

"Du bist ein Bento*, wenn du glaubst, dich an mich heranschleichen zu können, ohne dass ich es bemerke."

"Und du bist ein Isgrin*, weil du es nicht gemerkt hast!", kam es genau von der anderen Seite. Sie fuhr erschrocken herum. Zwei dunkelbraune Augen, fast schon schwarz, funkelten sie schelmisch an. Direkt darunter stachen ihr eine Reihe schneeweißer Zähne ins Gesicht, die durch ein breites freches Grinsen zum Vorschein kamen. Der Junge mochte so alt sein wie sie. War genauso groß, wirkte jedoch im Ganzen etwas schlaksig und dünn.

"Baby!", grinste er noch breiter.

"Selber Baby."

Während sie einmal blinzelte, war er wieder fort. Nur sein Lachen und "Du bist doch ein Isgrin!" waren noch zu hören.

Sie stampfte auf den Boden. "Bin ich gar nicht!"

*

Filyma hatte sich hingelegt. Shorbo saß gemütlich auf der Bank, mit dem Rücken an die Hauswand gelehnt, und paffte in aller Ruhe seine Pfeife. So sehr er die warmen Strahlen der späten Nachmittagssonne genoss, seine Gedanken waren bei seiner Freundin. Er machte sich Sorgen.

Sie berichtete viel über den Jungen. Er kostete sie alle Kraft und hatte sogar ihren Bann der Zeit zeitweise durchbrochen. Weswegen die Magistratera um fast zehn Jahre gealtert war. Barshims Wissensdurst schien unstillbar, wobei Filyma schwor, dass er in sich mehr davon trug, als sie alle zusammen. Und im Gegensatz zu Cashimaé legte er auch sehr viel Magie an den Tag. Mit einer Selbstverständlichkeit, die es schwer machte, ihn überhaupt noch zu leiten.

Shorbos Gedanken schweiften zurück, in jene Nacht, als die Kinder zu ihnen gebracht wurden. Noch oft danach hatte man im Kreise Natriells gefragt, wie sich die Kinder entwickelten. Die wenigen, die die Schriften kannten, schwiegen, aber ihre Blicke sprachen Bände: Sie hegten mehr als nur Misstrauen. Furcht vor der Zukunft sprach daraus. In den alten Schriften stand geschrieben, dass eine Einheit zu ihnen kommen würde. Elementar-Magier. Bote der Ewigkeit. Dass ihr Weg die Vergangenheit beschreiten, die Gegenwart überholen und die Zukunft neu schreiben würde. Der Kreisführer nickte still zu sich selbst. Keiner kannte diese Worte so gut wie er, denn er war es selbst, der sie vor 25 Jahren niedergeschrieben hatte, um sie dann zwischen uralten Pergamenten in den Bibliotheken zu hinterlegen, bis sie jemand anderes fand. Filyma kannte einen Teil davon, war damals dabei gewesen, aber nur er wusste um die ganze Geschichte. Hinweise durfte er geben, die Wahrheit musste die Alte Welt selber finden.

Etwas streifte Shorbos Gedanken.

"Hallo, mein junger Freund." Er brauchte die Augen nicht zu öffnen, um ihn zu sehen. Die Präsenz des Jungen war so nah und fest, dass er fast glaubte, sie anfassen zu können. Shorbo fühlte, wie Barshim versuchte, seinen Geist zu erforschen und zu ergründen. Nun, er war nicht schlecht, das musste der alte Magier ihm zugestehen, doch bei weitem noch nicht gut genug.

Er blickte ihn nun an. "Hallo, Barshim." Er bekam keine Antwort. Diese tiefen, dunklen Augen hatten ihn fixiert, ohne auch nur die geringste Regung zu zeigen. Die dunklen Locken fielen ihm ins Gesicht und ließen es noch blasser und dünner wirken.

Shorbo spürte einen Druck auf den Schläfen, ließ sich jedoch nichts anmerken, sondern zog erneut an seiner Pfeife und blies den Rauch gen Himmel. Als sich der Druck verstärkte, den Schutz, den er vor seinem Geiste trug, zu durchbrechen, musste er sich eingestehen, dass dieses Kind mehr konnte, als in diesem Alter üblich. Es begann, anstrengend und lästig zu werden. Bedrängnis und Unbehagen kamen langsam hinzu.

Was wollte er erreichen? Wieso tat er das?

Filyma hätte ihm Respekt vor einem Mitglied des Kreises beibringen sollen. Und überhaupt Respekt vor anderen Personen.

"Und du bist doch ein Bento." Mit diesen Worten stieß die plötzlich aufgetauchte Cashimaé Barshim einfach um. So unvorhersehbar das Mädchen auch erschienen war, so endete der innere Kampf mit Shorbo, als habe es ihn niemals gegeben.

Zurück blieb ein überraschtes Kind. Barshim saß auf dem Hosenboden und sah sie verdutzt an. Dann breitete sich wieder das schon einmal gesehene freche Grinsen auf seinem Gesicht aus. "Hm, vielleicht bist du doch nicht ganz so kopfblind und weltblind wie ein Isgrin."

Mit einer lässigen Handbewegung warf Cashimaé ihr langes Haar zurück, reckte stolz den Kopf, sodass ihr die kleine Stupsnase etwas Niedliches verlieh, und musterte ihn abfällig. "Lerne erst einmal, andere nicht zu unterschätzen, ehe du dich in solche Höhen bewegst." Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und verschwand hoch erhobenen Hauptes in der Hütte.

Shorbo musste sich ein Lachen verkneifen. Seine Cashim legte das Auftreten einer erwachsenen Frau im Körper eines Kindes an den Tag.

Barshims Gesicht wirkte verärgert und im Stolz gekränkt, während er noch immer im Staub hockte.

Jetzt musste Shorbo doch lachen und Barshim sah ihn noch trotziger an, brummelte etwas Unverständliches, ehe er aufstand und wie ein gekränkter Hund davon trottete, während er mit der Hand versuchte den Staub vom Hintern zu entfernen.

Kapitel 5

Abends saßen sie zusammen am Tisch beim Essen. Die beiden Kinder hockten einander gegenüber und ließen sich nicht aus den Augen, beobachteten jede Bewegung des anderen mit grimmigen Blicken.

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