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Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: 1. Sonne, Mond und Hahn 2. Kuckuck 3. Mensch und Mücke 4. Kuh und Bache 5. Wildschwein und Chamäleon laufen um die Wette 6. Wildschwein und Frosch schwimmen um die Wette 7. Rabotity 8. Wie aus einer Biene ein Ochse wurde 9. Der Alte mit den sieben Söhnen 10. Tangaly und Doso 11. Der Affe und die Kröte 12. Wie die Vögel einen König kürten 13. Der Klatsch der Tiere 14. Die Schildkröte und der Elefant 15. Der Streit der Pflanzen 16. Der malaiische Reineke Fuchs 17. Die Schöpfung der Erde 18. Die Schöpfungsgeschichten der Javaner 19. Warum der Neumond ist 20. Die Zauberer von Ake-dabo 21. Wie die Leute von Engano zu ihren Ärzten kamen 22. Vom Manne, der Gott versuchte 23. Wie Allah die guten und schlechten Taten der Menschen richtet 24. Die ungetreue Gattin 25. Wie die Affen entstanden 26. Die Geschichte vom Affen 27. Der Vogel Garuda 28. Suri ikuen und die beiden Raubvögel 29. Der Halbe 30. Simpang Impang 31. Die Erzählung von Lafaang 32. Die Erzählung vom himmlischen Prinzen und der irdischen Prinzessin 33. Rakian 34. Keang-Njamo 35. Der Streit der Glieder des Menschen 36. Recht muß Recht bleiben 37. Betrug bringt keinen Segen 38. Teile, und dann herrsche! 39. Der Blinde und der Lahme 40. Prinzessin Sini ma Sidaja 41. Die Geschichte einer Frau, die zum Manne und darauf König wurde 42. Das Makassarische Aschenbrödel 43. Die Geschichte vom blinden König, der in den Westlanden wohnte 44. Die arme alte Frau und der Fisch auf dem Trocknen. 45.
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Seitenzahl: 488
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Malaiische Märchen
Inhaltsverzeichnis:
1. Sonne, Mond und Hahn
2. Kuckuck
3. Mensch und Mücke
4. Kuh und Bache
5. Wildschwein und Chamäleon laufen um die Wette
6. Wildschwein und Frosch schwimmen um die Wette
7. Rabotity
8. Wie aus einer Biene ein Ochse wurde
9. Der Alte mit den sieben Söhnen
10. Tangaly und Doso
11. Der Affe und die Kröte
12. Wie die Vögel einen König kürten
13. Der Klatsch der Tiere
14. Die Schildkröte und der Elefant
15. Der Streit der Pflanzen
16. Der malaiische Reineke Fuchs
1. Der Tigerkönig ist krank
2. Wie der Zwerghirsch Schiffbruch erlitt
3. Wer mordete die Kinder der Fischotter?
4. Der Tiger bekommt seinen Lohn
5. Der Tiger und der Schatten
6. Klugheit siegt
7. Der Elefant wettet mit dem Tiger
8. Der Zwerghirsch und der Tiger
9. Der Zwerghirsch, der Tiger und die Wespen
10. Der Zwerghirsch, der Tiger und die Schlange
11. Der Zwerghirsch, der Tiger und der Brunnen
12. Der Zwerghirsch und die Hochzeitsgäste
13. Der Zwerghirsch und der Riese Gergasi
14. Der Zwerghirsch und der Tiger
15. Der Zwerghirsch und der Bär
16. Der Zwerghirsch und das Krokodil
17. Der Zwerghirsch im Loch
18. Der Zwerghirsch und der Einsiedlerkrebs
19. Der Zwerghirsch und die Schildkröte
17. Die Schöpfung der Erde
18. Die Schöpfungsgeschichten der Javaner
1. Wie die Naturgläubigen sie erzählen
2. Wie die Buddhisten sie erzählen
3. Wie die Brahmaisten sie erzählen
4. Wie die Muhamedaner sie erzählen
19. Warum der Neumond ist
20. Die Zauberer von Ake-dabo
21. Wie die Leute von Engano zu ihren Ärzten kamen
22. Vom Manne, der Gott versuchte
23. Wie Allah die guten und schlechten Taten der Menschen richtet
24. Die ungetreue Gattin
25. Wie die Affen entstanden
26. Die Geschichte vom Affen
27. Der Vogel Garuda
28. Suri ikuen und die beiden Raubvögel
29. Der Halbe
30. Simpang Impang
31. Die Erzählung von Lafaang
32. Die Erzählung vom himmlischen Prinzen und der irdischen Prinzessin
33. Rakian
34. Keang-Njamo
35. Der Streit der Glieder des Menschen
36. Recht muß Recht bleiben
37. Betrug bringt keinen Segen
38. Teile, und dann herrsche!
39. Der Blinde und der Lahme
40. Prinzessin Sini ma Sidaja
41. Die Geschichte einer Frau, die zum Manne und darauf König wurde
42. Das Makassarische Aschenbrödel
43. Die Geschichte vom blinden König, der in den Westlanden wohnte
44. Die arme alte Frau und der Fisch auf dem Trocknen.
45. Michel und die Schlange mit den sieben Köpfen.
46. Don Juan und die alte Zauberhexe
47. Nabala
48. Der Prinz und die Prinzessin
49. Die Geschichte vom ringwurmkranken Kerisen
50. Kaduan
51. Serungal
52. Die faule Frau mit dem Korbe
53. Ein Toter tötet zwei, und zwei Tote töten vierzig
54. Zwei Geschichten von Sangumang
1. Sangumang und Maharadja
2. Sangumang und die sieben Brüder Asangbaratih
55. Der malaiische Eulenspiegel
1. Die Geburt des Eulenspiegels
2. Wie der Eulenspiegel eine Maultrommel stahl, und was darnach kam
3. Wie Eulenspiegel des Königs Wams anzog
4. Wie Eulenspiegel den König in den Block schloß
5. Wie Eulenspiegel dem König seine Hinterseite zeigt
6. Wie Eulenspiegel den Schmied foppte
7. Wie Eulenspiegel bestraft wurde und sich der Strafe entledigte
8. Wie Eulenspiegel zum Tode verurteilt wurde und entwischte
9. Wie Eulenspiegel sich rächte und dem König ein trauriges Geschick bereitete
10. Wie Eulenspiegel sich erkältete und dem König einen Schabernack spielte
11. Wie Eulenspiegel den König zum andern Mal anführte
12. Wie Eulenspiegel sein Kalb wiederbekam
13. Wie Eulenspiegel einen Schweinehändler betrog
14. Wie Eulenspiegel ein Boot verkauft
15. Wie Eulenspiegel entkam und eine Frau verführte
16. Wie Eulenspiegel des Königs Schwiegersohn wurde
17. Wie Eulenspiegel den König dreimal anführte
18. Die Geschichte von Mau Loha, dem Eulenspiegel von Belu
19. Kandhulok
20. Wie Djonaha seiner Schulden ledig wurde
21. Der Dumme
56. Zwei Parabeln aus dem Bostan us Salathin.
Das Große
Die Bedingungen
57. Das Wasser »Lebensmutter«
58. Die Geschichte vom Sultan Indjilai
59. Wie Boro Budur entstand
60. Die Kalang-Legende
61. Treue Liebe findet ihren Lohn
Ein Märchenist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchen-forschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).
Malaiische Märchen
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783849602758
www.jazzybee-verlag.de
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Die drei Götterkinder Sonne, Mond und Hahn lebten als Brüder anfangs einträchtig beieinander.
Eines Tages ging die Sonne einmal aus, Mond und Hahn blieben im Hause. Da befahl der Mond dem Hahn, er möchte die Rinder hereinholen, doch der weigerte sich. Der Mond wurde darob böse, faßte ihn beim Schopf und warf ihn auf die Erde hinunter.
Als die Sonne heimkam, erzählte der Mond ihr den Vorfall. Die Sonne wurde betrübt und sagte: »Du magst nicht in Eintracht leben; schön, dann will ich auch nicht mehr mit dir ausgehen. Fortan gehört dir die Nacht und du darfst erst des Abends ausgehen. Der Tag jedoch ist mein. Und der Hahn wird mich niemals vergessen, denn ich habe ihn nicht vertrieben und noch immer lieb. Auch will ich's nicht haben, daß er ausgeht oder kräht, wenn du unterwegs bist.«
Der Hahn befolgte die Anweisungen der Sonne. Allemal, wenn sein Bruder morgens aufsteht, freut er sich ihn zu sehen; er erinnert sich daran, daß sie sein älterer Bruder ist, er schaut ihn an und ruft unaufhörlich den Tag über: »Indriinilay zoky e! Indriinilay zoky e! [Sieh da, mein älterer Bruder, e!] Und wenn die Sonne untergegangen und der Mond an der Reihe ist, dann begibt sich der Hahn schnell ins Haus, um den andern nicht sehen zu müssen.
Ein Sohn Zanaharys war gestorben. Der Vater rief sämtliche Lebewesen der Erde zusammen, damit sie bei der Bestattung die Trauerlieder sängen. Auf Befehl Zanaharys begannen alle mit dem Gesang, aber bald wurden etliche müde, und man vernahm ihre Stimmen nicht mehr. Nach Verlauf einer Stunde sangen nur noch sehr wenige Trauerlieder. Und nach zwei Stunden hörte man fast keinen mehr. Als die dritte Stunde zu Ende ging, waren alle heiser und stimmlos geworden, nur der Kuckuck sang noch aus vollem Halse. Tag und Nacht sang er, bis Zanahary ihm schließlich Einhalt gebot. Als der Kuckuck ihn nun um eine Belohnung bat, sprach Zanahary: »Ich bin mit dir zufrieden. Hinfort sollst du dir, wenn du Eier legen willst, nicht wie andere Vögel ein Nest bauen; denn du mußt doch jetzt sehr müde sein, nachdem du solange gesungen hast. So sollst du deine Eier denn in die Nester anderer Vögel legen; du darfst ihre hinauswerfen und zerschlagen, damit du Platz für deine eigenen bekommst. Die anderen Vögel sollen die Mühe haben, deine Eier auszubrüten, aber du brauchst es nicht!«
Und so geschieht es denn. Der Kuckuck brütet seine Eier nicht aus, sondern schiebt sie den anderen unter.
Herr Olombelona und die Mücke Rekehitsa hatten Gefallen aneinander; so schlossen sie denn auch Blutsbrüderschaft; als Rekehitsa vom Blute des Herrn Olombelona trank, mundete dies ihr vortrefflich. Und so erzählte sie nachher den anderen Mücken: »Wir mühen uns allemal ab, Blut ausfindig zu machen. Da wollen wir künftighin doch nicht das unseres Bruders vergessen, das ausgezeichnet schmeckt.« Eine andere Mücke antwortete: »Laßt uns ihn besuchen und einmal sein Blut proben; dann ersparen wir ihm die Mühe, uns Reis zu kochen, Wasser zu holen und ihn zu waschen, wir bitten ihn da nur um ein recht einfaches Mahl.«
Herr Olombelona war eingeschlafen und schnarchte, als die Besucher bei ihm erschienen; sie baten nach allen Regeln des Anstands um Eintritt, doch Herr Olombelona hörte sie nicht und antwortete nicht. »Bss! Bss!« machten die Mücken, »laßt uns hineingehen.« Damit flogen sie hinein, ließen sich auf dem Menschen nieder und tranken sein Blut. Plötzlich fuhr Herr Olombelona aus dem Schlafe auf und rief wütend: »Wartet! Euch werde ich kommen! So benehmt ihr euch also einem Blutsbruder gegenüber?« Und tapp, tapp! streckte er eine Mücke nach der anderen nieder.
Seither, so geht die Mär, sind Menschen und Mücken keine Freunde mehr. Sieht der Mensch eine Mücke, schlägt er sie tot; trifft aber die Mücke einen Menschen, sticht sie ihn und saugt sein Blut.
Kuh und Bache wohnten, so geht die Mär, zusammen in einem geruhigen Tal. Sie bekamen zur selben Zeit Junge. Sprach die Bache zu ihrer Gefährtin: »Schau, wie fruchtbar ich bin, und wie viel schöner ich mit meinen vielen Kleinen bin als du!« Die Kuh antwortete: »Laßt uns ins Dorf gehen und den Leuten unsere Nachkommenschaft zeigen; wer von uns verhöhnt wird, soll die Häßlichste sein.« Die Bache willigte ein, und beide begaben sich auf den Weg. Die Kuh trabte zuerst durch die Gassen; als die Leute sie sahen, sagten sie: »Schaut mal, welch herrliche Kuh! Seht, was für ein niedliches Kälblein sie bei sich hat!« Die Bache folgte ihr unmittelbar; als die Leute sie sahen, höhnten sie und riefen: »Seht einmal das garstige Wildschwein an!«
Daher trägt das Wildschwein stets den Kopf zum Boden gesenkt; es schämt sich der Worte der Menschen. Die Kuh aber hält das Haupt hoch empor, denn sie ist auf die Schmeicheleien stolz.
Wildschwein und Chamäleon, so geht die Mär, waren eines Tages auf der Nahrungssuche und begegneten sich am Ufer des Entwässerungskanals eines Reisfeldes. Das Wildschwein fragte das Chamäleon nach woher? wohin? »Ich suche mir etwas zu essen,« antwortete es. »Du wirst gerade was zum Beißen finden, du bist ja so schwach und langsam! Du mußt nicht so planlos umherirren. Fürchtest du dich denn nicht, einmal einem solch großen Tier wie mir zu begegnen und von seinen Hufen zertreten zu werden?« »Du hast schon recht,« entgegnete das Chamäleon, »und alles, was du sagst, stimmt aufs Haar. Aber bedenke doch auch, bin ich schon klein, so brauche ich nur wenig zum Essen, und deshalb kann ich mir sehr leicht das verschaffen, was ich nötig habe.« Das Wildschwein war darob ganz erstaunt und fand keine Worte zur Erwiderung. Das Chamäleon setzte hinzu: »Bist du einverstanden, Herr Vetter, dann wetten wir einmal. Glaube aber bitte nicht, daß ich dich, den viel Stärkeren, zum Kampfe herausfordern will. Ich schlage dir nur ein einfaches, kleines Vergnügen vor.« – »Einverstanden; wenn du schon, trotz deiner Kleinheit, so verwegen bist, dann werde ich, der Große und Starke, doch nicht nein sagen. Sprich, welche Wette wollen wir eingehen?« – »Was du willst!« Sie entschieden sich für einen Wettlauf und wählten zum Ziel einen Baum, der in recht beträchtlicher Entfernung vor ihnen am Wege stand. »Ich bin fertig!« sagte das Wildschwein. »Warte bitte noch einen Augenblick,« sprach das andere Tier, »damit ich das Ziel klar erkennen kann.« Dabei traf das Chamäleon einige Vorbereitungen, um im geeigneten Augenblick auf den Rücken des Schweines springen zu können. Als es eine günstige Stelle gefunden hatte, rief es: »Herr Vetter, es kann losgehen!« Gleichzeitig sprang es auf den Rücken des Schweines, das unter Aufbietung aller Kräfte vorwärtsstürmte. Als sie am Ziel waren, ließ sich das Chamäleon ins Gras fallen. Das Wildschwein schaute sich um und meinte, das Chamäleon wäre noch weit hinten. »Herr Vetter,« rief es, »schaut nicht zurück, ich bin bereits hier vor dir!« Wütend wollte das Wildschwein den Wettstreit nochmals zum Austrag bringen. Das Chamäleon nahm an, gebrauchte dieselbe List und war wieder der Erste. Das Wildschwein war immer ärgerlicher geworden: »Kein Tier hat mich je besiegt; ich werde mich rächen und dich verschlingen.« – »Das wäre Verrat, Herr Vetter! Haben wir nicht eine gemeinsame Abmachung getroffen?« – »Ich erinnere mich daran nicht im allergeringsten, ich will dich fressen.« – »Na, dann erlaube mir wenigstens, meine Verwandten vorher davon in Kenntnis zu setzen, denn das ist ja kein Spiel mehr, sondern eine höchst wichtige Angelegenheit.« – »Mach, daß du fortkommst,« sagte das Wildschwein, »ich werde hier warten.«
Also begab sich das Chamäleon fort; es traf zunächst den Tsintsina-Vogel und sprach zu ihm: Ich will mit dem Wildschwein kämpfen; bitte, stehe mir bei, du bist ja ein hilfsbereiter Freund.« – »Gern,« erwiderte der Tsintsina-Vogel, »vertraue mir nur; ich werde im hohen Grase sitzen und aufpassen.« Darauf erblickte das Chamäleon die Wachtel und bat sie um die gleiche Hilfeleistung; die Wachtel sagte zu und wollte sich in den Graben begeben, um dem Kampfe zuzuschauen. Alsdann traf das Chamäleon die Lerche, den Papelika-Vogel und den Frosch; es erzählte allen dasselbe und erhielt die gleiche Antwort. Inzwischen war das Wildschwein ungeduldig geworden und, anstatt auf seinen Feind zu warten, ihn suchen gegangen. Unterwegs wurde es vom Tsintsina-Vogel bemerkt, der rief: »Jaty! Jaty! Da ist er! Da ist er!« Das Wildschwein meinte die Stimme des Menschen zu hören und schlug sich seitwärts in die Büsche. In der nächsten Bodensenke rief ihm die Wachtel entgegen: »Safaleo Safaleo! Umzingelt, umzingelt ihn!« Es flüchtete weiter. Am Bergfuße bemerkte es der Papelika-Vogel: »Bobo! Bobo! Piff, paff!« In der Ebene ließ die Lerche ihren Ruf erschallen, als es bei ihr vorüberlief: »Sorosy! Sorosy! fangt ihn! Fangt ihn!« Und als es durch ein Reisfeld trabte, quarkte der Frosch: »Peheto! Peheto! Greift an! Greift an!« Das Wildschwein, das von all den Anstrengungen ganz erschöpft war, wußte nicht, nach welcher Seite es flüchten sollte. In diesem Augenblick kam der Mensch mit einem Hunde vorbei. Sie töteten das Wildschwein.
So wurde das große und starke Wildschwein von der Klugheit des kleinen Chamäleons besiegt.
Lambo, das Wildschwein, begegnete eines Tags am Rande eines Reisfeldes Boketra, dem Frosche. Der Große sah auf den Kleinen herab und sagte: »Verhalte dich ruhig und plantsche nicht im Wasser, wenn du dabei soviel Lärm machen mußt!« – »Mein Lieber,« antwortete Herr Boketra, »ist's auch schon recht, daß du der Große bist, so verbitte ich's mir doch ernstlich, so anmaßend zu mir zu sprechen. Bist du wirklich so stark wie du scheinst? Laß uns einmal unsere Kräfte im Schwimmen messen.« – »Halt den Mund und belästige mich nicht obendrein. Ich nehme es mit hundert deinesgleichen auf.« – »Gewiß, sehr wohl! Ich weiß, daß du sehr kräftig bist. Aber vielleicht bin ich dir doch im Schwimmen über.« – »Schön, einverstanden! bei Neumond treffen wir uns wieder, jeder bringt seine Angehörigen mit, die dann dem Austragen des Wettstreites in der Großen Lagune in Amparihilara zuschauen sollen.«
Vor dem Kampfe dachte sich nun Boketra eine List aus. Er bat mehrere andere Frösche, sich hier und dort in der Lagune, wo die Schwimmer vorbei mußten, zu verstecken, und etwa von Herrn Lambo gestellte Fragen richtig zu beantworten.
Als die beiden Gruppen beieinander waren, hielten ihre Führer einen Rat ab, um zu beschließen, was mit dem Besiegten geschehen sollte. Man kam überein, daß er mit seiner ganzen Familie hinzurichten wäre. Dabei darf man nicht vergessen, daß die Wildschweine durchaus nicht glaubten, daß eine Niederlage ihres Kämpen überhaupt möglich war.
Die Schwimmer starteten also. Der eine verließ sich allein auf seine Kraft; er schwamm mit kräftigen Stößen vorwärts, und das Wasser spritzte um ihn hoch auf; der andere hielt sich zurück. Herr Lambo befand sich bald mitten im See. Seine Verwandten feuerten ihn durch Zurufe an. Doch fühlte er sich plötzlich matt und matter werden; er wandte den Kopf nach rechts, nach links, um zu sehen, wieviel er wohl seinem Gegner voraus war. Sofort rief ihm ein Frosch zu: »Na, noch ein bißchen und du hast ihn um ein gutes Stückchen überholt.« – »Wo steckt denn mein Gegner?« fragte das Wildschwein. »Hier bin ich!« antwortete hinter ihm ein anderer Frosch. Da begann das Schwein mit verstärkter Anstrengung wieder weiter zu schwimmen.
Ein wenig später wiederholte sich das gleiche Spiel. Als der erschöpfte Herr Lambo den Mund öffnete, um sich nach seinem Gegner zu erkundigen, drang ihm das Wasser in den Schlund, und er ertrank.
Die anderen Schweine, die am Ufer zurückgeblieben waren, wurden durch den plötzlichen Tod aufs höchste überrascht. Wütend über die Frösche, die dem Sieger zujubelten, wollten sie sich auf die kleinen Kerle stürzen, um sie zu verschlingen; doch die sprangen sämtlich ins Wasser und entkamen so ihren Feinden. Seither sind Frösche und Schweine keine Freunde mehr gewesen.
Rabotity jagte eines Tages im Walde. Er stieg auf einen hohen Baum. Da es gehörig wehte, brach der Ast; Rabotity fiel zur Erde und brach ein Bein. Nun sagte er: »Der Baum ist der Mächtigste auf Erden, er hat mir mein Bein zerschlagen.« Doch der Baum antwortete: »Wenn ich der Mächtigste wäre, hätte der Wind mich nicht entwurzelt. Also ist der Wind der Mächtigste.« Der Wind sprach: »Wenn ich der Mächtigste wäre, würde der Berg mir nicht den Weg versperren. Der Berg ist also der Mächtigste.« Der Berg sagte: »Wenn ich der Mächtigste wäre, würde die Ratte sich nicht durch mich hindurchwühlen. Die Ratte ist also die Mächtigste.« Die Ratte sprach: »Wenn ich die Mächtigste wäre, würde die Katze mich nicht verschlingen. Die Katze ist also die Mächtigste.« Die Katze sagte: »Wenn ich die Mächtigste wäre, könnte der Strick mich nicht fesseln. Der Strick ist also der Mächtigste.« Der Strick sprach: »Wenn ich der Mächtigste wäre, vermöchte das Messer mich nicht zu zerschneiden. Das Messer ist also am mächtigsten.« Das Messer sagte: »Wenn ich am mächtigsten wäre, wäre das Feuer nicht imstande, mich zu vernichten. Das Feuer ist am mächtigsten.« Das Feuer sprach: »Wenn ich am mächtigsten wäre, dürfte das Wasser mich nicht auslöschen. Das Wasser ist am mächtigsten.« Das Wasser sagte: »Wenn ich am mächtigsten wäre, brauchte ich nicht das Boot zu tragen. Das Boot ist am mächtigsten.« Das Boot sprach: »Wenn ich am mächtigsten wäre, könnte der Stein mich nicht zertrümmern. Der Stein ist am mächtigsten.« Der Stein sagte: »Wenn ich am mächtigsten wäre, vermöchte die Krabbe mich nicht zu durchbohren. Die Krabbe ist am mächtigsten.« Die Krabbe sprach: »Wenn ich am mächtigsten wäre, würde der Mensch mich nicht essen. Der Mensch ist also der Mächtigste.«
Mahaka wettete eines Tages mit einem Adligen, daß er aus einer Biene einen Ochsen machen könnte. Der lachte ihn aus. Doch er holte ein Bambusrohr, steckte eine Biene hinein, nahm den Bambus auf die Schulter, zeigte ihn überall herum und rief: »Heda! Seht euch meinen Ochsen an, seht euch meinen Ochsen an!«
So marschierte er den Tag über von einem Dorf zum andern und trug den Bambus auf der Schulter. Gegen Abend machte er in dem Hause eines Dorfes, in dem er schon gewesen war, Halt. Als die Leute ihn sahen, fingen sie an, ihn zu verhöhnen und riefen: »Halloh! Da ist ja Mahaka! Mahaka ist da!« – »Jawohl, so heiße ich,« antwortete der Schalk. »Wißt ihr das noch nicht?« – Und wieder rief er: »Heda! Seht euch meinen Ochsen an, seht euch meinen Ochsen an!« Dabei zeigte er ihnen die Biene.
»Wo sollen wir denn dein Vieh unterstellen?« fragte ihn der Herr des Hauses, da inzwischen die Nacht angebrochen war.
»Bringt es dahin, wohin es gehört,« antwortete er.
Der Mann brachte die Biene zu den Hühnern, die sie sofort mit den Schnäbeln zerhackten. Als er am nächsten Morgen das Tier wiederholen wollte, war es tot. Der Wirt geriet in helle Aufregung und sagte zu seinem Gaste: »Mahaka! Mahaka! Dein Vieh ist tot!« – »Wer es tötete, gehört dafür mir!« – »Dummes Zeug, das fehlte noch!« – »Schön,« erwiderte Mahaka, »dann gib mir genau solch eine Biene wieder. Sonst gehört mir der, welcher sie getötet hat.«
Der Herr des Hauses war darob ganz verschüchtert und war damit einverstanden, daß Mahaka die Biene durch ein Huhn ersetzt wurde.
Am anderen Tage verließ Mahaka das Dorf; das Huhn hatte er unterm Arm, und gemächlich marschierte er seines Wegs. Als die Sonne unterging, trat er in das Haus eines vornehmen Mannes, der viele Kinder hatte. »Hallo! Mahaka! Halloh! Mahaka!« riefen sie. »Jawohl, ich heiße wirklich Mahaka, da kennt ihr mich also schon. Schaut euch mal meinen Ochsen an,« fuhr er fort und zeigte dabei auf das Huhn. »Wo sollen wir das Huhn unterbringen?« fragte der Hausherr. »Bringt es dahin, wohin es gehört!« Die Kinder griffen das Huhn und setzten es bei den Enten aus. Doch die bissen es tot, denn sie duldeten nichts Fremdes bei sich.
»Ich werde die mitnehmen, die mein Vieh gemordet hat,« sagte Mahaka. Und dabei rollte er so fürchterlich mit den Augen, daß dem Hausherrn angst und bange wurde und er ihm für das Huhn eine prächtige Ente gab.
Am Abend bat Mahaka um ein Nachtlager bei einem Manne, der Truthühner züchtete. »Bitte, schaff dies Vieh dahin, wohin es gehört,« sagte er zu ihm. Die Kinder brachten die Ente zu den Truthühnern; und am nächsten Morgen war sie tot. Mahaka drohte, und der Mann schenkte ihm eine schöne Truthenne. Mahaka tat sie in einen Korb und wollte die nächste Nacht bei Rabeondry, dem Mann mit den Hammeln, verbringen. »Setz mein Vieh hin, wo sein Platz ist.« Man brachte die Truthenne in die Ecke des Geheges, wo die Hammel eingesperrt waren. Doch die Hammel meinten, in dem Korb wäre Gras; so rannten sie in der Nacht überall mit den Hörnern gegen den Korb an, um ihn zu zertrümmern; dabei ging natürlich die Truthenne drauf. »Ich bin nicht eher zufrieden,« sagte Mahaka und spielte dabei den wilden Mann, »bis man mir ihren Mörder übergeben hat.« – »Eigentlich trifft die Schuld nicht mich,« antwortete Rabeondry, »aber wir wollen uns nicht erzürnen. Nehmt einen Hammel mit.«
Gegen Abend kehrte Mahaka bei einem Manne ein, der viele Ochsen besaß. Der Hammel wurde in eine Bucht gesperrt, wo man einen Ochsen fett machte. In der Nacht stand Mahaka auf, begab sich in die Bucht, tötete den Hammel und bestrich die Hörner des Ochsen mit dem Blute, so daß die ganz rot wurden. Dann legte er sich wieder hin und schlief bis in den hellen Tag hinein; der Hausherr mochte inzwischen die Tat gemerkt haben. Als er aufgestanden war, tat er so, als ob er seinen Hammel holen wollte. Als er ihn tot vor sich sah, überhäufte er den Hausherrn mit schwersten Vorwürfen. »Der hat mir meinen Hammel getötet und dafür soll er mir gehören. Und wenn ihr damit nicht einverstanden seid, dann werde ich euch beim Schulzen verklagen.« Lange währte Rede und Gegenrede, doch bei der Starrköpfigkeit des Mahaka mußte der andere schließlich doch nachgeben und hieß ihn den Ochsen mitnehmen.
Mahaka suchte nun den Adligen auf, mit dem er gewettet hatte, erzählte ihm seine Fahrten und Abenteuer und von den Listen, die er angewandt hatte, um die Biene in einen schönen Ochsen zu verwandeln. Da mußte der Adlige ihm auch noch den Wettpreis auszahlen.
Ein Mann hatte sieben Söhne; als sie herangewachsen waren, verließen sie das Haus; niemand blieb beim Vater. Als er schneeweiß geworden war, rief er seine Kinder wieder zu sich und befahl ihnen, einen Stier zu töten. Nachdem dies geschehen war, beauftragte er den Ältesten mit der Verteilung des Fleisches. Doch der Sohn lehnte es ab, denn er wußte nicht, wie er teilen sollte. Da sprach der Vater: »Teile es in drei gleiche Teile, ein Drittel gibst du den Verwandten meiner Knochen, ein Drittel den Leuten von drinnen, die nach draußen gehen und ein Drittel den Leuten von draußen, die nach drinnen kommen.« Die sieben Söhne waren ob dieses Rates, ebenso wie die Umstehenden, recht verwundert, und der Älteste fragte den Vater nochmals: »Herr Vater, erklärt Euch doch, bitte; wen meint Ihr mit den Verwandten Eurer Knochen? Wen mit den Leuten von drinnen, die nach draußen gehen und wen mit den Leuten von draußen, die nach drinnen kommen?« – »Die Verwandten meiner Knochen,« erwiderte der Greis, »seid ihr selber, denn nach eurem Tode werdet ihr bei mir im Grabe unserer Ahnen beigesetzt, nicht in einem andern Grabe; wenn nicht in einem andern Lande; doch dann lebt ihr ja nicht bei mir. Die Leute von drinnen, die nach draußen gehen, sind eure Schwestern, die sich mit den Männern aus einem andern Hause oder andern Lande verheiratet haben, und die Leute von draußen, die nach drinnen kommen, sind die Schwestern der Fremden, die sich mit euch verheiraten und in unserm Hause wohnen werden. Die Frauen werden hier empfangen und die Kinder, die sie auf die Welt bringen, werden die Nachkommen unserer Ahnen sein.«
Als die Teilung des Fleisches beendet war, sagte der Greis zu seinen Söhnen: »Holt unsern Jagdhund, wir wollen auf die Jagd gehen.« Der Vater zog also in der Begleitung seiner Söhne und des Hundes los; sie erblickten mehrere Perlhühner; sofort machte sich der Hund an ihre Verfolgung, aber, als er sie erreicht hatte, stürzten alle über ihn her, schlugen ihn mit den Flügeln, hackten ihm mit den Schnäbeln die Augen aus und machten ihn blind. Blutend flüchtete sich der Hund zu seinem Herrn. Der Vater sagte kein Wort; er nahm die Hand seines ältesten Sohnes, band den Daumen mit den drei folgenden Fingern zusammen, nur den kleinen Finger ließ er frei, und befahl ihm, mit diesem Finger ihm eine Laus vom Kopf zu nehmen. Der Sohn schaute wohl die Laus, aber es gelang ihm nicht, sie fortzuholen; er sagte: »Herr Vater, wenn ich die Laus fortnehmen soll, dann müßt Ihr mir die Finger wieder losbinden.« Der Greis, der merkte, daß seine Söhne die Unterweisung verstanden hatten, sprach: »Liebe Söhne, nun wißt ihr, daß viele Perlhühner nicht von einem Hund allein auseinandergejagt werden können, und daß man eine Laus nicht mit einem Finger entfernen kann.«
So entstanden die beiden Sprichwörter.
Es waren einmal zwei recht verschlagene Gesellen, die verstanden die Klügsten zu betrügen und die Weisesten zu hintergehen. Eines Tages lernten sie sich kennen. So geschah es. Tangaly schleppte einen Korb voll Bananen, den er gegen andere eßbare Sachen umtauschen wollte. Da traf er Doso, der Reis trug. Sie wechselten die Lasten und jeder zog mit seiner Bürde weiter. Zu Hause leerte Doso schleunigst seinen Korb; da sah er, daß nur obenauf sich eine Lage Bananen befand, der übrige Rest bestand aus Kehricht. Tangaly schüttete ebenfalls seinen Korb aus; bei ihm lag ein wenig Reis oben, und unter der dünnen Schicht fand sich nur leere Spreu. »Ich werde ihn totschlagen, wenn ich ihn wiedertreffe,« sagte Doso. »Der Kerl wird umgebracht, kommt er mir in den Weg,« meinte Tangaly. Schon am nächsten Tage begegneten sie sich; gerade wollten sie aufeinander losschlagen, als sie es doch für besser befanden, Freundschaft zu schließen; jeder fürchtete die Prügel des andern. Und da beide so verschlagen waren, verstand es sich von selbst, daß sie zusammen nun ihr Glück machen mußten. Bevor sie sich jedoch zusammentaten, wollte jeder erst einmal sein Heil allein versuchen.
Tangaly zog gen Norden und spielte den Narren; er ging im Zickzack, tänzelte bald auf einem, dann auf dem andern Bein; redete fortwährend wahllos Worte vor sich hin, die keinen Sinn hatten, und aus seinen Mundwinkeln ließ er den Speichel rinnen, als ob er krank wäre. Den Leuten, denen er begegnete, stellte er verrückte Fragen oder er hielt sie mit kindischen Reden fest. Schließlich traf er ein Paar, das ihm leicht hineinzulegen deuchte: die Frau trug ein herrliches Gewand, und ihr Gatte besaß ein prächtiges Steinschloßgewehr, das mit Kupfer beschlagen war; beide waren mit Muschel- und Glasperlenketten behängt. Tangaly stand am Wege, und als sie vorübergingen, fing er zu tanzen an; und das Ehepaar klappte in die Hände, um im Takte den Tanz des Narren zu begleiten; alles, was sie bei sich hatten, legten sie auf den Boden neben sich hin und waren recht vergnügt, daß sie bei solch angenehmer Unterhaltung im Schatten der Bäume ausruhen konnten. Es entspann sich eine Unterhaltung. »Mütterchen,« sagte Tangaly, »erlaubt mir, Euer Gewand anzulegen.« Im selben Augenblick ließ er den Speichel aus dem Munde laufen. »Väterchen, darf ich einmal mit deiner Büchse zielen?« Dabei machte er etliche groteske Sprünge, um einen Kriegstanz vorzugeben. »Mütterchen, deine Muschelketten sind wirklich prachtvoll!« Dabei nahm er die Muschelketten und band sie um den Kopf. Dann tanzte er, machte einige Schritte rückwärts, dann wieder vorwärts, legte die Sachen wieder hin und nahm sie wieder auf. Das Ehepaar vergnügte sich ungemein an dieser Aufführung; es lachte aus vollem Halse, bis Tangaly mit einemmal den Tanz abbrach und urplötzlich verschwand, so schnell, daß sie nicht einmal seinen Schatten mehr sehen konnten. Allein und ganz verblüfft blieben beide unterm Baume sitzen.
Doso begegnete dagegen einer alten Frau, die ein Kind auf dem Rücken trug. Doso stand an einer Wegeecke und spielte den kranken Mann. »Was machst du hier?« fragte die Alte. »Mütterchen, ich bin plötzlich krank geworden und warte nun auf jemand, um nicht allein zu gehen.« – »Ach! Doch schön, mein Kleiner und ich reisen ganz allein und suchen uns einen, der mit uns geht.« Sie machten sich alle drei auf den Weg, und nach einiger Zeit erklommen sie einen sehr steilen Berg. Die Alte, die schon an die fünfzig Jahre auf dem Buckel hatte, kam ganz außer Atem; sie ächzte und stöhnte, weil sie das Kind zu tragen hatte, und alle Augenblicke blieb sie stehen, um neue Kräfte zu schöpfen. »Mütterchen, Ihr werdet müde und quält Euch gar zu sehr ab,« sagte der Schalk, »gebt mir den Kleinen, ich will ihn tragen.« Rafotsibe hatte nur darauf gewartet und vertraute ihm den Kleinen sogleich an. »Gebt mir auch Euren großen Traggürtel her, damit ich ihn bequemer schleppen kann.« Doso war es jedoch nicht um den Gürtel zu tun, er wollte die Bürde stehlen. Rafotsibe gab ihn ohne Bedenken heraus. Nachdem sie eine Weile gegangen waren, kamen sie alle drei in ein Dorf; sie machten vor einem Hause Halt, um sich in dessen Schatten auszuruhen. Dann sorgte aber Doso dafür, daß die Alte schon vorher wieder aufbrach; sie wäre schon so alt, meinte er, und so müde, daß sie kaum allein den Weg machen könnte, und ihm würde es gar nichts ausmachen, selbst nicht mit seiner Bürde, sie wieder einzuholen. Die gutmütige Alte glaubte ihm und setzte sich in Bewegung, während Doso darauf mit dem Kind und dem Gürtel nach der andern Seite hin abzog.
Als die beiden Schelme sich wieder getroffen hatten, zeigte einer dem andern, was er erbeutet hatte, denn wie das Sprichwort sagt, macht man sich nicht die Mühe, in den Wald zu gehen, ohne wenigstens ein Stück Holz mitzunehmen. »Wer von uns hat den besseren Teil erwählt?« fragte Doso. »Hab ich's, weil ich einen Menschen, oder du, weil du ein Gewehr mitgebracht hast?« – »Du hast besser als ich abgeschnitten,« antwortete Tangaly, »du hast ein Lebewesen bei dir, und das tauscht man nicht gegen eine Flinte ein.« – »Nun, legen wir unsere Siebensachen zusammen, wenn sie auch verschiedenen Wert haben, denn wie sagt das Sprichwort: was sich zusammengetan hat, kann man schlecht auseinanderbringen.« – »Na, na!« meinte Tangaly, »jeder mag doch lieber seine Sachen für sich behalten.« Hernach entschieden sie sich jedoch dafür, ihre Beute zusammenzutun und sie am Schluß ihrer Abenteuerfahrt zu teilen.
Wochenlang hörte man nun bald von nichts anderm im Lande als von den Diebereien und Betrügereien der beiden Burschen. Schließlich taten sich die Leute einer Landschaft zusammen, um die beiden, die zur Landplage geworden waren, totzuschlagen. Zunächst ergriff man den Tangaly, der dann in der Nacht desselben Tages noch seinen Wunden erlag. Doso dagegen hatte von dem Plan Wind bekommen und war ausgerückt, bevor sie ihn sich langen konnten. Er flüchtete in eine Höhle; doch alle Mühe, sich zu verbergen, war vergebens; man suchte gründlich, kehrte das unterste zu oberst; und schließlich entdeckten ihn seine Feinde, denen der Haß die Augen geschärft hatte. Sie nahmen ihn fest, setzten ihn in einen großen Korb und trafen Anstalten, ihn lebendig in den Fluß zu werfen. Doso flehte bei seinen Häschern vergeblich um Gnade, so bitterlich er bat und weinte, man möchte ihn doch frei lassen, niemand hatte mit ihm Mitleid. Hat ein Floh den Leuten das Blut abgezapft, sagt das Sprichwort, muß man ihn zerdrücken. Man war auf dem halben Wege zum Flusse, da starb unglücklicherweise plötzlich jemand im Dorfe; die Kunde wurde sogleich hinausgesandt, und die Menge mußte daraufhin sofort umkehren; Doso blieb in seinem Gefängnis eingesperrt. Da kam von ungefähr eine alte Frau, die einen Hammel verloren hatte, bei Doso vorüber; sie klagte und jammerte: »O, ich armes, geschlagenes Weib! Nun habe ich meinen schönen Hammel mit dem großen fetten Schwanz verloren!« – »Bäh! Bäh!« blökte da der Schalk im Korbe.
»Aha!« sagte die Alte, »da blökt ja mein lieber Hammel; gewiß hat ihn jemand gestohlen und in den Korb gesteckt!« Und sogleich löste sie die Bänder am Korbe und öffnete ihn. Kaum fühlte Doso sich frei, da machte er sich über die Alte her, sperrte sie ein und machte sich aus dem Staube. Diesmal erfuhr niemand, wo er sich in Sicherheit gebracht hatte. Den Vogel, den man aus dem Käfig läßt, pflegt man zu sagen, kann man nicht wiedergreifen. Die Menge kam wieder zurück und hob den Korb hoch, um ihn nach dem Flusse zu schleppen. Rafotsibe jammerte kläglich; sie sagte, sie wäre nur so von ungefähr da vorbeigekommen, als sie ihren Hammel suchte, da hätte der Kerl im Korbe sie angeführt, eingesperrt und den Korb am Wege stehen lassen. »Halt den Mund!« riefen die Leute, »schau, jetzt machst du eine alte Frau nach, aber wir lassen uns von dir keine Mätzchen mehr vormachen. Du entgehst deiner Strafe nicht!« Und – batsch – warfen sie den Korb in den Fluß. Die Alte ertrank, und die Leute gingen beruhigt in ihr Dorf heim.
Doso nahm sein Geschäft in weit entlegenen Landen wieder auf; er machte große Reisen und blieb, so erzählen die Baras, rund hundert Jahre fort. Große Schätze an Sklaven, Silber und Ochsen brachte er zusammen; er besaß so viel, daß niemand seinen Reichtum zu zählen vermochte. In der langen Zeit packte ihn nun wohl das Heimweh, und so kam er zurück. Vorm Dorfe sandte er jemand hinein, denn er getraute sich nicht, geradenwegs sich hin zu begeben, wo er so viel ausgefressen hatte. Der Bote bestellte dem Schulzen, daß Doso Heimweh bekommen hätte und nun untertänigst um Erlaubnis bäte, wieder ins Dorf kommen zu dürfen. Der Schulze erhob keine Einwände; er glaubte übrigens, daß es ein ganz anderer Doso war, und nicht der Schalk von dazumal, der schon lange, lange tot sein mußte, Doso war darob sehr zufrieden und hielt mit allen Reichtümern seinen Einzug ins Dorf; die Leute waren höchst überrascht; schließlich stimmten sie aber doch überein und sahen, daß es sich um den einstigen Dieb handelte. Doso stand im Mittelpunkt aller Gespräche im Dorfe, denn das Sprichwort sagt: »Reiche laden viel Neid auf sich.« – »Wo hast du nur alle diese Güter erwerben können?« fragten ihn die Alten des Dorfes. »Erinnert ihr euch noch daran, wie ihr mich in den Fluß geworfen habt? Schön! Da habe ich wundervolle Dinge erlebt. So etwas habe ich nie im ganzen Lande zu sehen bekommen. Da, im Wasser habe ich lange gelebt und alle meine Reichtümer sammeln können. Schaut euch meine roten Stoffe, meine Perlen, meine Glassachen an, dann die dicken, fetten Ochsen, meine jungen, kräftigen Sklaven und alle die vielen Dinge, die ich ja gar nicht aufzuzählen vermag!« – »Wo, sagst du, hast du denn gewohnt?« unterbrachen ihn die Leute. – »Im Flusse, sage ich euch, da im Wasser habe ich dies alles gefunden!« – »Da wollen wir auch hingehen, alle zusammen!« riefen die törichten Kerle, »und wollen ordentlich reich werden!« – »Wir wollen große Körbe flechten,« schrien die alten Weiber, »unsere Kinder hineinstecken und sie in den Fluß hinablassen, damit sie dort Geld und Güter aller Art sammeln können.« – »Bedenkt aber wohl,« meinte Doso, »daß man sehr lange im Wasser bleiben muß.« – »Alles ist wohl bedacht! Spätestens bis Neumond werden wir alle ins Wasser hinabgestiegen sein.« Und bis zum Neumond unterhielt man sich über nichts anderes als die Abenteuer des Doso. Bis der Tag da war, machten die Frauen nur Körbe. Und eines Morgens versammelte sich alles am Ufer, denn alle Männer wollten gemeinsam ausziehen, um die Reichtümer zu suchen. Einen nach dem andern warf man in den Fluß, und man hörte nichts als das Aufklatschen der Leiber im Wasser: »Batsch! Platsch! Batsch!« – »Hoffentlich könnt ihr die vielen Dinge auch alle schleppen!« sagten die einen. »Nehmt nur das Beste!« sagten andere. Eine Woche war seit dem Bade der Männer verstrichen, und keiner war bislang heimgekehrt. Ach, die Toten kommen nicht wieder! Unruhe quälte die Frauen. Da sprach Doso zu ihnen: »Absteigen ist das Gegenteil von Aufsteigen; eure Männer kommen nie wieder an die Oberfläche; ihre Leichen liegen auf dem Grunde des Flusses, Tote erwachen nicht wieder. Bildet ihr euch etwa ein, ihr hättet mich vordem vielleicht in den Fluß geworfen? Vortrefflich, das Schicksal hatte mit mir Besseres vor, ich kam nicht um; ein altes Mütterchen, die Frau, die ihren Hammel verloren hatte, habt ihr statt meiner hineingeworfen. Ihr seid ja horndumm gewesen, wenn ihr wirklich glaubtet, daß es außer Moder, Steinen und Fischen noch andere Dinge im Wasser gibt. Gebt nur die Hoffnung auf, jemals etwas von euren Männern wiederzusehen; ihr Leben ist abgeschlossen, ihre Zeit ist abgelaufen. Und da sich mit den Toten schlechterdings nichts anfangen läßt, so will ich euch fortan den Vater, den Gatten, den Sohn ersetzen.« Bei diesen Worten waren die Leute wie auf den Mund geschlagen; die Frauen fielen in Ohnmacht, die Kinder heulten und schluchzten. Aber was sollten sie anfangen? Sie standen allein; durch eigene Schuld und Dummheit hatten sie ihre teuren Lieben verloren. Alle mußten sich bescheiden und nun unter der Herrschaft des Doso ihr trauriges Leben – weiterleben.
An einem regnerischen Abend saßen der Affe Krah und die Kröte Raong unter einem Baumstamm und wehklagten über die Kälte. »Kr-r-r-h,« fauchte Krah; »Hut-tut-tut,« quarkte die Kröte. Sie verabredeten, am nächsten Tage einen Baum zu fällen und sich aus der Rinde eine warme Jacke zu machen. Am Morgen schien aber die Sonne so hell, warm und schön, daß Krah sich oben in den Baumwipfeln vergnügte, während Raong auf den Baumstamm kletterte und im Sonnenschein badete. Plötzlich kam Krah von oben herab und rief: »Halloh! Altes Haus! Wie geht es dir denn?« – »O, ausgezeichnet,« antwortete Raong. »Sag' mal, wollten wir uns nicht eine Jacke machen?« fragte Krah. »Ach was! Zum Henker mit der Jacke!« antwortete Raong, »wir wollen sie morgen machen, ich fühle mich jetzt so behaglich warm.« Und den ganzen lieben Tag freuten sie sich über den Sonnenschein.
Am Abend fing es wieder zu regnen an; wieder saßen die beiden unterm Baumstamm und stöhnten über die Kälte. »Kr-r-r-h,« fauchte der Affe; »Hut-tut-tut,« quarkte Raong. Und wieder verabredeten sie, am nächsten Tage einen Baum zu fällen und sich aus der Rinde eine warme Jacke zu machen. Am Morgen schien die Sonne wieder so hell, warm und schön, daß Krah sich oben in den Baumwipfeln vergnügte, während Raong im Sonnenschein badete. Wiederum meinte Raong: »Ach was! zum Henker mit der Jacke! Wir wollen sie morgen machen.«
Jeden Tag erlebte man dasselbe Schauspiel, und so ist es bis heute geblieben, und Krah und Raong sitzen noch immer im Regen, stöhnen über die Kälte und wehklagen »Kr-r-r-h« und »Hut-tut-tut«.
◉Meer von Lelles bei Garut
Einstmals saßen die Vögel alle beisammen und ratschlagten, wie sie ihren König küren sollten. Sie redeten lange hin und her. Endlich einigten sie sich und sagten: »Wir wollen zum Himmel emporfliegen. Wem es gelingt, bis an den Himmel heranzukommen und ein Stückchen der Himmelswand mitzubringen, der soll König sein.«
Alle Vögel stimmten dem Vorschlage bei.
Der schlaue Kolibri holte sich vor dem Wettfluge ein Stückchen weißglänzende Rinde von einer Palme [Salé-Baum], das er zwischen seinen Flügeln verbarg.
Auf ein Zeichen hin flogen die Vögel zum Himmel empor.
Unterwegs wurde der Kolibri rechtschaffen müde und sagte: »Ich kann nicht mehr, ich kann nicht weiter! Buzeros, nimm mich auf deinen Rücken.«
Gesagt, getan! Der Buzeros spürte den Kolibri nicht im geringsten.
Schließlich war es auch mit den Kräften des Buzeros und der andern Vögel zu Ende. Sie waren zu sehr erschöpft. Einer nach dem andern kehrte um und flog wieder nach der Erde zurück.
Als der Buzeros heimfliegen wollte, flog der Kolibri auf und rief den andern Vögeln zu: »Was? Ihr wollt schon wieder heim? Voran, folgt mir doch!« Die Vögel waren jedoch zu müde und matt, um ihm noch weiter folgen zu können.
Der Kolibri flog daher allein weiter, doch erreichte auch er den Himmel nicht.
Schließlich kehrte auch er um, flog zur Versammlung zurück und zeigte ihr triumphierend das Stückchen Baumrinde. »He! Schaut her! Ihr habt's nicht gekonnt. Nur ich erreichte den Himmel. Seht, hier ist ein Stückchen von der Himmelswand!«
Viele Vögel, auch der Buzeros, sprachen da: »Was! Wir konnten nicht zum Himmel kommen, und nun will ein so winziger Wicht den Himmel erreicht haben und gar unser König sein?«
Und sie redeten wieder alle miteinander und sagten: »Wir lassen uns diesen König nicht gefallen. Wir werden ihn verjagen. Denn ein solcher Knirps kann doch nicht über uns König sein.«
So jagten die Vögel den Kolibri fort. Er floh und verkroch sich in ein Mauseloch. Da konnten die Vögel ihm nicht beikommen.
Sie beriefen darauf eine neue Versammlung. Darin sollte ein Wächter gewählt werden. Und die Eule wurde zum Wächter bestellt, sie hatte die größten Augen. Sie sollte das Mauseloch bewachen. Als sie dies eine Weile getan hatte, wurde sie schläfrig, sie nickte mit dem Kopfe, tiefer, immer tiefer und schlief endlich ganz fest ein. Wie der Kolibri das merkte, kam er schnell aus dem Loche heraus und flog fort.
Drauf kamen die Vögel und fragten: »Weshalb hast du nicht Wache gehalten und aufgepaßt?«
Die Eule gab ihnen keine Antwort, sondern flog davon. Da taten die Vögel sich zusammen und setzten hinter ihr her. Doch versteckte sie sich in einem Dickicht von Lianen, Winden und Kriechern.
So konnten die Vögel nicht an sie herankommen. Aber auch die Eule darf sich nicht mehr am Tage sehen lassen. Sie fliegt nur bei Nacht. Denn sie fürchtet ihre Feinde.
Es waren einmal drei Tiere: Frau Frosch, Frau Maus und Frau Kakerlake. Sie wohnten zusammen in einem Hause, waren Freundinnen und duzten einander.
Eines Tages waren sie wieder einmal beisammen, als die Maus fortging, um ihr Wasser abzuschlagen. Da verleumdete Frau Frosch Frau Maus und sagte: »Ach, meine liebste Frau Kakerlake, unsere Freundin, Frau Maus, hat eine gar spitze Schnauze; die hat sie vom Stehlen, denn sie stiehlt uns allen das Saatkorn.« Die Maus hatte aber alle Worte unter'm Hause gehört. Als sie die üblen Reden vernahm, weinte sie und gleich kam ihr der Zorn hoch. Sie ging wieder nach oben und fragte: »Sagt mal, ich habe eine spitze Schnauze? Und die habe ich, weil ich euch allen euer Saatkorn stehle, nicht wahr?« Die beiden antworteten: »Nein, liebste Frau Maus, wir hatten dir doch nichts Böses nachgesagt. Du hast uns ganz verkehrt verstanden. Wir haben nur davon gesprochen, daß unsere liebe Frau Maus die spitze Schnauze bekam ob des Fleißes, mit dem sie die prächtigen Muster in die Gewebe stickt.«
Nun mußte Frau Frosch sich für eine Weile entfernen. Da regte sich die Lästerzunge der Maus, und sie sagte: »Ach, meine liebste Frau Kakerlake, haben Sie gesehen, wie die Pfötchen unserer lieben Freundin, Frau Frosch, ganz schmal geworden sind?! Das kommt vom vielen Springen auf die Steine; auch sind ihre Schenkel ganz platt geworden, weil sie soviel auf den Steinen sitzt.« Frau Frosch hatte die beiden jedoch unterm Hause belauscht, und als sie nach oben kam, sagte sie: »Was sagt ihr, ich hätte infolge des Springens so magere Schenkel bekommen?« Die antworteten: »Aber liebste Freundin, wer redet denn nur solch' Zeug? Wir meinten, deine Schenkel wären so platt geworden, weil du stets so fleißig mit dem Webeschwert hantierst.«
Darnach mußte Frau Kakerlake verschwinden. Da schwatzten und klatschten die beiden anderen Frauen und lästerten: »Aber Liebste, unsere Freundin, Frau Kakerlake, hat doch nur deshalb solch glatte Haut, weil sie in jedermanns Kisten und Kasten herumkriecht.« Das hatte Frau Kakerlake gehört und sagte, als sie wieder nach oben gekommen war: »Was meintet ihr? Ich bin so glatt, weil ich in jedermanns Kisten herumkrieche?« – »Aber nein,« erwiderten die beiden, »wir redeten davon, daß du so fleißig strickst, und daß du deshalb so glatt geworden bist. Du sitzt ja sogar in der brennenden Sonne und strickst!«
Eines Tages ging die Schildkröte am Flusse spazieren. Da begegnete sie dem Elefanten. Sagte der Elefant: »Bobog, was machst du hier?« – »Ich suche mir etwas zu essen,« antwortete die Schildkröte. »Schön,« erwiderte der Elefant, »und ich will dich fressen.« – »Aber weshalb denn?« fragte Bobog. »Nun, es gefällt mir halt so,« sagte der Elefant.
»Hast du denn gar kein Mitleid mit mir, ich kann doch nicht fortlaufen, ich kann nur langsam kriechen.«
»Nun, wenn du nicht willst, daß ich dich fresse, dann werde ich dich aber verbrennen.«
»Ach, ich fürchte mich so vor dem Feuer; wenn ich es nur sehe, mache ich, daß ich fortkomme und eile ins Wasser.«
»Aber,« fuhr nun die Schildkröte fort, »wenn ich nun nicht verbrenne, darf ich dich darauf verbrennen?«
Der Elefant sagte, das dürfte sie.
Der Elefant schleppte nun auf dem Flußufer einen Holzhaufen zusammen, der fast so groß wie eine kleine Hütte war. Drauf sagte er: »Bobog, morgen ganz früh mußt du dich in den Holzhaufen begeben, damit ich dich verbrennen kann.« – »Jawohl,« erwiderte die Schildkröte, »ich will morgen dorthin gehen. Du mußt mich aber fortwährend anrufen, und wenn ich dir nicht mehr antworte, dann kannst du den Scheiterhaufen anzünden.«
Am andern Morgen kroch die Schildkröte in den Holzhaufen, und noch eine lange Zeit vernahm der Elefant ihre Stimme, wenn er sie anrief. Schließlich schwieg Bobog. Darauf zündete der Elefant den Holzstoß ringsum an, so daß die Schildkröte nach keiner Seite hin entkommen konnte. Das Feuer brannte nieder, und der Elefant sagte: »Nun wird die Schildkröte wohl tot sein.« Er trottete zum Fluß hinunter, um Wasser zu trinken. Als er zurückkam, sah er die Schildkröte aus der Asche hervorkriechen. Sie hatte sich nämlich zuvor im feuchten Sande eingegraben, ihre Schalen verschlossen und war so unverletzt geblieben.
»Du mußt sehr klug sein,« sagte der Elefant, »wie bekommt einem das Feuer, tut es weh oder nicht?«
»Nun, gemütlich ist es gerade nicht,« antwortete die Schildkröte, »aber was soll man machen, wenn ein Elefant einen verbrennen will.«
Darauf bat die Schildkröte den Elefanten, ihr beim Zusammentragen des Holzes für seinen eigenen Scheiterhaufen behilflich zu sein. Drei oder vier Tage lang schleppte der Elefant Holz herbei und trug einen Holzstoß zusammen, der erheblich größer war als der, welchen die Schildkröte bei ihrer Verbrennung benötigt hatte. Dann fragte Bobog, wann er in den Haufen gehen wollte. Der Elefant antwortete: »Am nächsten Morgen in aller Frühe.«
Anderen Tags ging der Elefant in den Haufen und machte es sich darin gemütlich. Die Schildkröte fragte: »Nun, Elefant, hast du es dir bequem gemacht? Ich will jetzt anzünden.«
»Zünde man an,« brummte der Elefant.
Bobog setzte den Holzstoß nun ringsherum in Brand. Nach einer Weile rief der Elefant: »Na, das Feuer ist ziemlich heiß.« »Gut, ich habe mir darüber kein Urteil erlaubt,« antwortete die Schildkröte.
Bald schrie der Elefant ganz laut, daß das Feuer ihn verbrenne.
»Sei doch ruhig, kannst du dich denn gar nicht still verhalten,« rief die Schildkröte, »ich habe nicht ein Mal geschrien; außerdem bist du selbst schuld daran, du wolltest mich doch verbrennen. Ich hätte nie daran gedacht, dich zu verbrennen.«
So verbrannte denn der Elefant, und die Schildkröte lachte sich ins Fäustchen und sagte: »Haha! Elefant! Du glaubtest, du könntest ein Wesen verbrennen, dessen Rücken und Gesicht hart sind; außerdem konntest du dich nicht in den Sand eingraben.«
Alsdann machte sich die Schildkröte eine Flöte aus einem kleinen Elefantenknochen; und während sie des Weges zog und spielte, kam sie an einen großen Baum. Auf dem Baum saß ein Affe. Als der den lieblichen Flötenton vernahm, kam er herunter, um zu sehen, wer da die Flöte spielte.
»Bobog,« sagte er, »woher hast du die Flöte?«
»Aus einem Elefantenknochen.«
»Wie kommst du denn zu einem Elefantenknochen? Ich möchte deine Flöte einmal probieren.«
Die Schildkröte wollte dem Affen zunächst die Flöte nicht geben; schließlich rückte sie die Flöte heraus, und sofort griff der Affe danach und entwischte damit auf den Wipfel des Baumes.
Die Schildkröte aber weinte, weil sie nun keine Flöte mehr hatte.
Nach einer Weile kam ein kleiner Flußkrebs des Weges und fragte die Schildkröte, weshalb sie denn heule. »Weil der Affe mir meine Flöte gestohlen hat,« sagte die Schildkröte.
»Wo ist er denn?« fragte der Krebs.
»Dort oben auf dem großen Baum,« antwortete die Schildkröte.
»Na, da gräme dich nur nicht mehr,« sagte der Krebs, »ich werde einmal auf den Baum klettern.«
Nun hatte der Affe gerade seinen Jungen bei sich, und als der Affenjunge den Krebs auf dem Baum bemerkte, rief er:
»Vater, da sitzt ein Krebs ganz nahe bei dir.«
»Ach was! Dummes Zeug!« antwortete der Vater, »das wird wohl bloß ein Holzknuppen sein.«
Darauf zwickte der Krebs den Affen, und der Affe ließ die Flöte fallen.
Der Krebs ließ sich selbst zu Boden fallen.
So bekam die Schildkröte ihre Flöte wieder und bedankte sich beim Krebse: »Denn ohne deine Hilfe,« sagte sie, »hätte ich sie ganz gewiß nicht wiederbekommen.«
Eines guten Tages blähte sich Jagong, der Mais, und sagte: »Gäbe es keinen Reis mehr, dann müßte ich allein das Menschengeschlecht erhalten.« Die Liane Dagun und der Dschungelyams Gadong waren damit ganz und gar nicht einverstanden; sie beanspruchten die gleiche Ehre; und weil sie sich nicht einigen konnten, baten sie den König Salomo um seine Entscheidung. König Salomo sprach: »Ihr habt alle drei recht, trotzdem ist es besser, daß Jagong sich der Menschheit annimmt, denn er ist mit der Bohne Kachang befreundet.« Darob ergrimmten die Liane Dagun und der Yams Gadong und zürnten dem Jagong mächtig. Sie zogen nun gemeinsam aus, um eine Fruchtsprosse des Dschungelfeigenbaums zu ergattern, damit sie ihn pfählen konnten; na, sie fanden keine. Mittlerweile hatte Jagong jedoch Wind von ihrer Suche bekommen und bemühte sich deshalb um Pfeilgift. Als er es bekommen hatte, vergiftete er damit Gadong, und seither besitzt der Dschungelyams seine betäubenden Eigenschaften. Der Yams Gadong geriet darüber in Wut und speerte Jagong, darum sind bis zum heutigen Tage die Maiskolben löcherig. Jagong wehrte sich und verwundete Dagun mit dem spitzen Sproß einer Wilang-Liane.
Nun traten die Streitenden vor den Propheten Elias, der sagte jedoch zu ihnen: »Geht zum Salomo, für mich ist die Sache zu schwierig.« Und Salomo sprach: »Fechtet den Streit nur unter euch aus, damit der Zorn eurer Herzen beruhigt wird.« Es entspann sich ein Kampf, der sich über zweimal sieben Tage hinzog. Mata Lembu, der Ochsenaugenbaum, stand ganz in der Nähe; seine Rinde wurde von den Kugeln so arg zerschunden, daß sie heute noch die Narben zeigt. Der Perachak-Strauch bekam Angst und, anstatt näher an die Kämpfer heranzurücken, um den Austrag des Streites besser beobachten zu können, stellte er sich auf die Zehenspitzen; deshalb ist er heute noch so lang und schlank. Und Andram, das Riedgras, war so erschrocken, daß es sich schleunigst aus dem Staube machte; als es in der Ferne jedoch noch immer den Kampflärm vernahm, stürzte es sich in seiner Angst ins Wasser, wo es bis heute verblieben ist und wächst.
Als die zweimal sieben Tage abgelaufen waren und der Kampf unentschieden blieb, da schieden die Streitenden voneinander, und Salomo trennte sie durch einen weiten Zwischenraum. Gadong, der Yams, mußte sich hinsetzen und Dagon, die Liane, sich niederlegen. Jagong, der Mais, und Kachang, die Bohne, durften jedoch aufrecht stehen bleiben.
Der Großkönig der Tiger war krank. Da verneigte sich der Tigerthronfolger vor ihm und sagte: »Geruhen Ew. Majestät vom Fleische jeglichen Tieres zu speisen, dann dürften Ew. Majestät wohl wieder genesen.« So befahl der Großkönig dem Thronfolger, alle Tiere zu ihm zu entbieten, und allemal aß der König eins von ihnen. Nur der Zwerghirsch, dem auch eine Aufforderung zuging, weigerte sich zu kommen. Der Großkönig ergrimmte über den Zwerghirsch, doch war er zu schwach, um ihm etwas anhaben zu können. Als er denn endlich doch kam, fragte der König ihn aus: »Weshalb kamst du nicht sogleich, als alle Tiere zu mir entboten wurden?« Der Zwerghirsch antwortete: »Ew. Majestät, Ew. geringster Diener konnte nicht erscheinen, denn ihm träumte von einer Medizin, die Ew. Majestät wieder gesund machen würde.« Der König fragte: »Von welcher Medizin hast du geträumt?« – »Ew. allergeringsten Diener träumte, daß die alleinhelfende Medizin gegen Ew. Majestät Krankheit die ist, daß Ew. Majestät das greift und schlingt, was Ew. Majestät am nächsten ist.«
Kaum hatte der König dies vernommen, da stürzte er sich auf den Thronfolger und verschlang ihn. Und sogleich war der König gesund, und der Zwerghirsch wurde nun Kronprinz.
»Komm,« sagte der Zwerghirsch zum Reiher, »komm und segele mit mir nach Java.« So segelten sie los; Freund Zwerghirsch saß am Steuer, Freund Reiher paßte auf's Segel. Der Wind wehte von Norden. Freund Zwerghirsch wurde bald schläfrig, und das Boot fiel vom Winde ab.