Malibu Rising - Taylor Jenkins Reid - E-Book
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Malibu Rising E-Book

Taylor Jenkins Reid

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Beschreibung

Das Sommerbuch des Jahres: laut, pulsierend und so unterhaltsam wie eine richtig gute Party   Malibu, 1983. Die jährliche Sommerparty von Nina Riva, Surfstar und Supermodell, steht bevor. Es ist das Event des Jahres, und niemand möchte die Gelegenheit missen, um mit den berühmten Riva-Geschwistern zu feiern. Nur Nina wünscht sich an diesem Tag so weit weg wie möglich: Nachdem ihr Mann sie betrogen hat, würde sie die Party am liebsten abblasen. Doch ihre Geschwister, Surfweltmeister Jay, Starfotograf Hud und das Nesthäkchen Kit stecken schon mitten in den Vorbereitungen und kurz darauf kommt der erste Überraschungsgast ...  In dieser wilden Partynacht kommen Familiengeheimnisse zum Vorschein, die seit Jahrzehnten unter der Oberfläche brodeln und drohen, das fragile Familiengefüge auseinander zu brechen. Weder Nina noch ihre Gäste ahnen, dass am Ende der Nacht alles in Flammen stehen wird ... 

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Malibu Rising

Die Autorin

TAYLOR JENKINS REID ist die internationale Bestsellerautorin von Die sieben Männer der Evelyn Hugo, Daisy Jones & The Six und Carrie Soto is Back. Ihre Romane werden millionenfach gelesen, in über zwanzig Sprachen übersetzt, verfilmt und stürmen zahlreiche Bestsellerlisten. Sie lebt mit ihrer Familie in Los Angeles.Von Taylor Jenkins Reid sind in unserem Hause bereits erschienen:Daisy Jones & The SixDie sieben Männer der Evelyn HugoCarrie Soto is Back

Taylor Jenkins Reid

Malibu Rising

Roman

Aus dem Amerikanischen

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage Mai 2023© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2023© 2021 by Rabbit Reids, Inc.Die amerikanische Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel Malibu Rising bei Ballantine Books, Penguin Random House, New York. Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © Kimberly Genevieve /Gallery Stock /Model: Cat Haave @ Idollooks Norway (Frau); © FinePic®, München (Palmen)E-Book Konvertierung powered by pepyrusISBN 978-3-8437-2867-6

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Inhalt

Titelei

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

 

Malibu fängt Feuer…

Samstag, 27. August 1983

TEIL EINS 

07:00 Uhr bis 19:00 Uhr

07:00 Uhr

08:00 Uhr

1956

09:00 Uhr

1956

10:00 Uhr

1959

11:00 Uhr

1959

12:00 Uhr

1961

13:00 Uhr

1962

14:00 Uhr

1969

15:00 Uhr

1971

16:00 Uhr

1975

17:00 Uhr

1975

18:00 Uhr

1978

1981

TEIL ZWEI 

19:00 Uhr bis 07:00 Uhr

19:00 Uhr

20:00 Uhr

21:00 Uhr

22:00 Uhr

23:00 Uhr

Mitternacht

01:00 Uhr

02:00 Uhr

03:00 Uhr

04:00 Uhr

05:00 Uhr

06:00 Uhr

07:00 Uhr

Anhang

Dank

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Malibu fängt Feuer…

 

Malibu fängt Feuer.

Das kommt hier gelegentlich vor.

Über das Tiefland des Mittleren Westens ziehen Tornados, im amerikanischen Süden kommt es zu Überschwemmungen, im Golf von Mexiko wüten Orkane.

Und Kalifornien brennt.

Seit es 500 v. Chr. von den Chumash besiedelt wurde, geriet das Land immer wieder in Brand. Es brannte im 19. Jahrhundert, als spanische Siedler das Gebiet beanspruchten, und am 4. Dezember 1903, als Frederick und May Rindge der Landstrich gehörte, der heute Malibu heißt. Die Flammen erfassten dreißig Meilen Küstenland und vernichteten ihr viktorianisches Strandhaus.

Malibu brannte 1917 und 1929, also lange nachdem die ersten Filmstars dorthin gezogen waren. Es brannte in den Jahren 1956 und 1958, als Surfer und Badenixen die Küsten bevölkerten. Es brannte 1970 und 1978, als sich die Hippies in den Canyons niederließen.

Es brannte 1982, 1985, 1993, 1996, 2003, 2007 und 2018.

Und immer wieder zwischendurch.

Denn das liegt in Malibus Natur.

Am Stadtrand von Malibu steht heute ein Schild mit der Aufschrift MALIBU, 27 MEILEN SCHÖNE LANDSCHAFT. Das schmale Stadtgebiet, das sich fast dreißig Meilen an der Küste entlangzieht, besteht aus Meer und Bergen, zwischen denen eine zweispurige Durchgangsstraße verläuft: der Pacific Coast Highway oder PCH.

Westlich des PCH erstreckt sich eine lange Reihe von Stränden, gesäumt von den leuchtend blauen Wellen des Pazifischen Ozeans. Entlang der Küste stehen vielerorts dicht gedrängt schmale, hohe Strandhäuser am Straßenrand und konkurrieren um die Aussicht. Der Küstenstrich ist von zerklüfteten Felsen geprägt, das Wasser ist klar, die Brandung stark. Die Luft riecht nach frischem Salzwasser.

Unmittelbar östlich des PCH beherrschen gewaltige, karge Berge den Horizont – salbeigrün und umbrafarben, mit dürren Sträuchern, wilden Bäumen und sprödem Unterholz.

Es ist ein trockenes Land. Ein Pulverfass. Und der Wind ist Segen und Fluch zugleich.

Die heißen, heftigen Santa-Ana-Winde fegen vom Landesinneren bis zur Küste durch die Berge und Täler. Der Legende nach verbreiten sie Chaos und Unordnung, doch eigentlich sind sie Brandbeschleuniger.

Im trockenen Wüstenholz kann ein winziger Funke unkontrollierbare, orangerote Flammen entfachen. Sie verschlingen das Land und verbreiten dichten schwarzen Rauch, der meilenweit die Sonne verdunkelt und Asche wie Schnee vom Himmel fallen lässt.

Lebensräume – Büsche, Sträucher, Bäume – und Häuser – Hütten, Villen und Bungalows, Ranches, Weingüter und Bauernhöfe – gehen in Rauch auf und lassen verbrannte Erde zurück.

Aber danach ist das Land wieder verjüngt, und es kann etwas Neues hervorbringen.

Zerstörung. Und Erneuerung, die aus der Asche entsteht. Die Geschichte des Feuers.

Das Feuer von 1983 brach nicht in den trockenen Hügeln Malibus aus, sondern an der Küste. Es begann am Samstag, dem 27. August, am 28 150 Cliffside Drive – im Haus von Nina Riva – während einer der berüchtigtsten Partys in der Geschichte von Los Angeles.

Gegen Mitternacht geriet die alljährliche Party völlig außer Kontrolle.

Um sieben Uhr morgens stand die Küste von Malibu in Flammen.

Denn wie es in der Natur von Malibu liegt, zu brennen, so lag es in der Natur einer gewissen Person, Feuer zu legen und zu verschwinden.

Samstag, 27. August 1983

TEIL EINS 

07:00 Uhr bis 19:00 Uhr

07:00 Uhr

Nina Riva wachte auf, hielt die Augen jedoch geschlossen.

Langsam sickerte das Bewusstsein zu ihr durch, als wollte es sie sanft auf den Morgen vorbereiten. Sie lag im Bett und träumte, dass sie bäuchlings auf ihrem Surfbrett im Wasser trieb, bevor die Realität zu ihr durchdrang: dass in gut zwölf Stunden Hunderte Menschen über ihr Haus herfallen würden. Als sie zu sich kam, dämmerte ihr wieder, dass jeder, der heute Abend hier auftauchte, wissen würde, was ihr Demütigendes widerfahren war.

Ohne die Augen auch nur einen Spalt zu öffnen, stöhnte sie auf.

Wenn Nina konzentriert lauschte, hörte sie ganz leise, wie sich das Meer an den Klippen brach.

Sie hatte immer davon geträumt, ein Haus wie jenes zu besitzen, in dem sie und ihre Geschwister unten an der Old Malibu Road aufgewachsen waren. Einen schäbigen Strandbungalow an der PCH, der auf Stelzen über dem Meer schwebte. Sie erinnerte sich gern an die Gischt vor den Fenstern, an das halb verrottete Holz und das rostige Metall, die den Boden unter ihren Füßen stützten. Sie wollte auf ihrer Veranda stehen, in die Flut blicken und die laute Brandung hören.

Aber Brandon wollte auf einer Klippe wohnen.

Also hatte er ihnen diese Villa aus Glas und Beton in der Enklave über Point Dume gekauft, fünfzehn Meter über dem Strand, von wo aus ein steiler Fußweg über Felsen und Stufen zu den brechenden Wellen hinunterführte.

Nina lauschte, so gut sie konnte, auf das Meeresrauschen und öffnete die Augen nicht. Warum sollte sie? Es gab nichts zu sehen.

Brandon lag nicht in ihrem Bett. Er war nicht im Haus, nicht einmal in Malibu. Er logierte im Beverly-Hills-Hotel mit dem rosa Stuck und den grünen Palmen. Sehr wahrscheinlich kuschelte er sich zu dieser frühen Stunde im Schlaf an Carrie Soto. Wenn er aufwachte, würde er wahrscheinlich mit seiner Pranke ihr Haar zur Seite streichen und ihren Hals küssen. Und dann würden die beiden vermutlich gemeinsam für die US Open packen.

Bah!

Aber Nina hasste Carrie Soto nicht dafür, dass sie ihr den Mann weggenommen hatte, schließlich konnte man niemandem einfach den Ehemann stehlen. Carrie Soto war keine Diebin – Brandon Randall war ein Verräter.

Nur seinetwegen war Nina Riva am 22. August auf der Titelseite des Magazins Now This mit der Schlagzeile abgebildet gewesen: NINAS KUMMER: WIE DIE EINE HÄLFTE VON AMERIKAS TRAUMPAAR VERLASSEN WURDE.

Ein ganzer Artikel war der Tatsache gewidmet gewesen, dass ihr Tennisprofi-Ehemann sie in aller Öffentlichkeit für seine Tennisprofi-Geliebte verlassen hatte.

Das Titelbild war einigermaßen schmeichelhaft. Sie hatten eines der Fotos von ihrem Bademoden-Shooting auf den Malediven Anfang des Jahres gewählt. Darauf trug sie einen fuchsiafarbenen Bikini mit hohem Beinausschnitt. Die dunkelbraunen Augen und die dichten Augenbrauen waren von ihrem langen braunen Haar umrahmt, das von der Sonne aufgehellt, leicht feucht und gewellt war. Und dann waren da natürlich ihre berühmten Lippen. Eine volle Unterlippe mit einer schmaleren Oberlippe – die Riva-Lippen, die durch ihren Vater Mick berühmt geworden waren.

Auf dem Originalbild hielt Nina ein Surfbrett in der Hand, ihr gelb-weißes Town & Country 6‘2«-Thruster. Auf dem Titelbild hatten sie es herausgeschnitten. Aber daran war sie inzwischen gewöhnt.

Im Inneren der Zeitschrift war ein Foto von Nina auf dem Parkplatz eines Lebensmittelladens abgebildet, das drei Wochen zuvor entstanden war. Nina trug einen weißen Bikini, über den sie ein geblümtes Sommerkleid geworfen hatte. Sie rauchte eine Virginia Slims und hielt ein Sixpack in der Hand. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, dass sie geweint hatte.

Daneben war ein Foto ihres Vaters aus den Sechzigerjahren abgedruckt. Er war groß, dunkel und konventionell gut aussehend. In Badehose, Hawaiihemd und Sandalen stand er vor dem Trancas-Markt, rauchte eine Marlboro und hielt eine Tüte mit Lebensmitteln in der Hand. Darüber stand DER APFEL FÄLLT NICHT WEIT VOM RIVA-BAUM.

Auf der Titelseite hatten sie Nina als verlassene Frau eines berühmten Mannes dargestellt, im Inneren als Tochter eines berühmten Mannes. Jedes Mal, wenn sie darüber nachdachte, biss sie die Zähne zusammen.

Schließlich öffnete sie die Augen und blickte an die Decke. Sie stand auf und ging nur im Slip die Betontreppe hinunter in die geflieste Küche. Dort öffnete sie die Glasschiebetüren zum Garten und trat auf die Terrasse hinaus.

Sie atmete die salzige Luft ein.

Heute Morgen war es noch nicht heiß; der Wind, der alle Küstenstädte heimsuchte, war ablandig. Nina fühlte ihn an den Schultern, während sie das perfekt geschnittene Gras betrat und die festen Halme zwischen ihren Zehen spürte. Sie ging an den Rand der Klippe und blickte zum Horizont.

Das Meer schimmerte tintenblau, vor ungefähr einer Stunde war die Sonne aufgegangen. Kreischend stiegen die Möwen über dem Wasser auf und ab.

Nina sah, dass die Wellen gut waren, eine deutliche Dünung bewegte sich in Richtung Little Dume. Es war ein tragischer Anblick. Wellen, die sich allein brachen, ohne dass jemand auf ihnen ritt.

Doch das wollte sie nun ändern.

Sie würde sich wie immer vom Meer heilen lassen.

Sie mochte in einem Haus wohnen, das sie sich niemals ausgesucht hätte. Mochte von einem Mann verlassen worden sein, von dem sie nicht einmal mehr wusste, warum sie ihn geheiratet hatte. Aber der Pazifik war ihr Ozean. Malibu war ihr Zuhause.

Brandon hatte nie verstanden, dass das Wundervolle am Leben in Malibu nicht der Luxus war, sondern die raue Natur.

Das Malibu ihrer Jugend war eher ländlich als städtisch gewesen, überall auf den sanften Hügeln hatte es unbefestigte Wege und bescheidene Häuser gegeben.

Nina liebte an ihrer Heimatstadt, dass Ameisen den Weg auf die Küchentheke fanden und manchmal Pelikane auf die Terrasse schissen. An den Rändern der unbefestigten Straßen lagen Pferdeäpfel, weil Nachbarn auf ihren Pferden zum Markt ritten.

Nina hatte ihr ganzes Leben lang an diesem kleinen Küstenstreifen gelebt, und ihr war klar, dass sie den Wandel kaum aufhalten konnte. Sie hatte gesehen, wie aus bescheidenen Farmen Wohnviertel für die Mittelklasse geworden waren, und nun entwickelte sich die Gegend zu einem Landstrich mit überdimensionierten Strandvillen. Aber bei der schönen Aussicht war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Stinkreichen auftauchten.

Wirklich überraschend war nur, dass Nina einen von ihnen geheiratet hatte. Und nun gehörte ihr wohl dieser Flecken der Welt, ob es ihr gefiel oder nicht.

Gleich würde sich Nina umdrehen und zurück ins Haus gehen, um ihren Badeanzug anzuziehen. Danach seitlich an der Klippe hinuntersteigen und ihr Brett aus dem Schuppen am Strand holen.

Doch in dieser Sekunde dachte Nina nur an die Party heute Abend und daran, dass sie den ganzen Leuten gegenübertreten musste, die wussten, dass ihr Mann sie verlassen hatte. Sie rührte sich nicht, war noch nicht bereit, sich umzudrehen.

Stattdessen stand Nina Riva am Rand der Klippe, die sie nie gewollt hatte, blickte aufs Wasser, dem sie gern näher gewesen wäre, und schrie zum ersten Mal in ihrem ruhigen Leben in den Wind.

»Warte hier.« Jay Riva sprang aus seinem offenen Jeep, hechtete über das eineinhalb Meter hohe Tor, ging die Kiesauffahrt hinunter und klopfte an die Tür seiner älteren Schwester.

Keine Reaktion.

»Nina!«, rief er. »Bist du wach?«

Die Ähnlichkeit der Geschwister war frappierend. Jay war schlank und groß wie Nina, aber eher kräftig als geschmeidig. Mit den braunen Augen, den langen Wimpern und den zerzausten braunen Haaren war er auf jene Art gut aussehend, die überheblich machte. Mit Boardshorts, einem ausgeblichenen T-Shirt, Sonnenbrille und Flip-Flops sah er aus wie das, was er war: ein Profi-Surfer.

Jay klopfte erneut, diesmal etwas lauter. Immer noch nichts.

Er war versucht, an die Tür zu hämmern, bis Nina aus dem Bett stieg, denn er wusste, dass sie irgendwann zur Tür kommen würde. Aber es war nicht der passende Moment, sich Nina gegenüber wie ein Arsch zu verhalten. Also drehte sich Jay um, setzte seine Wayfarer wieder auf und ging zum CJ-8 zurück.

»Heute Morgen sind wir beide allein«, sagte er.

»Wir sollten sie wecken«, sagte Kit. »Bei den Wellen wäre sie sicher dabei.«

Die kleine Kit. Jay startete den Motor und wendete vorsichtig in drei Zügen, damit ihre Bretter hinten stehen blieben. »Sie sieht denselben Wetterbericht wie wir«, sagte er. »Sie weiß von der Dünung. Sie kann auf sich selbst aufpassen.«

Kit blickte nachdenklich aus dem Fenster. Oder vielmehr blickte sie dort hinaus, wo ein Fenster gewesen sein könnte, wenn das Auto Türen gehabt hätte.

Kit war klein, schlank und drahtig. Sie hatte langes braunes Haar, ausgeblichen von Zitronensaft und Sonnenschein, Sommersprossen auf Nase und Wangen, gebräunte Haut, grüne Augen und volle Lippen. Sie sah aus wie eine Miniaturausgabe ihrer Schwester, nur ohne deren Anmut und Leichtigkeit. Schön, aber vielleicht etwas unbeholfen. Unbeholfen, aber vielleicht schön.

»Ich mache mir Sorgen, dass sie depressiv ist«, sagte Kit schließlich. »Sie muss aus dem Haus gehen.«

»Sie ist nicht depressiv«, widersprach Jay, als er die Kreuzung erreichte, an der die Straßen des Viertels in den PCH mündeten. Er sah nach links und nach rechts, um den richtigen Zeitpunkt zum Abbiegen abzupassen. »Sie ist nur verlassen worden, das ist alles.«

Kit verdrehte die Augen.

»Als Ashley und ich uns getrennt haben …«, fuhr Jay fort. Sie düsten jetzt auf dem PCH in Richtung Norden, die Berghänge zu ihrer Rechten, den weiten, klaren, blauen Ozean zur Linken. Der Fahrtwind war so laut, dass Jay schreien musste. » … war ich fertig, aber dann bin ich darüber hinweggekommen. Das wird bei Nina auch nicht anders sein. So ist das mit Beziehungen nun mal.«

Jay schien zu vergessen, dass er, als Ashley Schluss gemacht hatte, so fertig gewesen war, dass er sich fast zwei Wochen lang nicht mal eingestehen wollte, dass es passiert war. Aber das wollte Kit lieber nicht erwähnen und so riskieren, dass er ihr Liebesleben zur Sprache brachte. Mit ihren zwanzig Jahren hatte Kit noch niemanden geküsst. Und das spürte sie jeden Tag, jeden Augenblick – in manchen Momenten deutlicher als in anderen. Wenn es um die Liebe ging, sprach ihr Bruder oft mit ihr wie mit einem Kind, und wenn er das tat, lief sie rot an – verlegen und wütend zugleich.

Das Auto näherte sich einer roten Ampel, und Jay drosselte das Tempo. »Ich sage nur, dass das Wasser ihr jetzt bestimmt guttun würde«, sagte Kit.

»Nina packt das«, erwiderte er. Da an der Kreuzung niemand außer ihnen war, trat er aufs Gaspedal und fuhr weiter, obwohl die Ampel noch nicht umgesprungen war.

»Ich mochte Brandon sowieso nie«, sagte Kit.

»Doch, du mochtest ihn«, widersprach Jay und sah sie aus dem Augenwinkel an.

Das stimmte. Sie hatte ihn sehr gemocht. Alle hatten ihn gemocht.

Beim Beschleunigen toste der Fahrtwind, und keiner von ihnen sprach ein Wort, bis Jay wendete und sich am County Line an den Straßenrand stellte. Dies war ein großer Strand am nördlichen Ende Malibus, an dem sich das ganze Jahr über Surfer im Wasser tummelten.

Bei der aktuellen südwestlichen Dünung waren Wellen mit Tubes zu erwarten, in denen sie reiten konnten. Und vielleicht ein wenig angeben, falls sie Lust dazu bekamen.

Jay hatte bei zwei US-Surfmeisterschaften den ersten und den dritten Platz belegt. In den letzten drei Jahren war er dreimal auf dem Titelblatt der Surfer’s Monthly abgebildet gewesen. Er hatte einen Sponsorenvertrag mit O’Neill und ein Angebot von RogueSticks, eine Produktlinie von Shortboards der Marke Riva zu entwickeln. Er galt als Favorit für die allererste Triple Crown in diesem Jahr.

Jay wusste, dass er großartig war. Aber er wusste auch, dass ein Teil der Aufmerksamkeit, die er auf sich zog, seinem Vater geschuldet war. Und manchmal fiel es schwer, dazwischen zu unterscheiden. Der Schatten Mick Rivas verfolgte jedes seiner Kinder.

»Zeigen wir diesen Spinnern, wie man es macht?«, fragte Jay.

Kit nickte und lächelte. Seine Arroganz nervte und amüsierte sie zugleich. In manchen Kreisen mochte Jay als der aufregendste aufstrebende Surfer des Kontinents gelten. Aber für Kit war er nur der ältere Bruder, dessen Aerials allmählich langweilig wurden.

»Ja, gehen wir«, sagte sie.

Als Jay und Kit aus dem Auto stiegen, entdeckte sie ein kleiner Typ mit einem freundlichen Gesicht und einem halb angezogenen Neoprenanzug um die Hüften. Seth Whittles. Sein nasses Haar war glatt nach hinten gestrichen, und er fuhr sich mit einem Handtuch übers Gesicht.

»Hey, ich dachte mir schon, dass ich dich heute Morgen hier treffe«, sagte er zu Jay und kam um den Jeep gelaufen. »Die Tubes sind gerade genial.«

»Klar«, erwiderte Jay.

Seth war ein Jahr jünger als Jay und in der Schule eine Jahrgangsstufe unter ihm gewesen, doch als Erwachsene verkehrten sie nun in denselben Kreisen und surften auf denselben Wellengipfeln. Jay kam es vor, als ob Seth das als Sieg verbuchte.

»Große Party heute Abend«, bemerkte Seth leicht prahlerisch, und Kit begriff sofort, dass Seth damit betonen wollte, dass er eingeladen war. Während er sprach, begegnete er Kits Blick und lächelte sie an, als hätte er sie erst jetzt bemerkt.

»Hey«, sagte er.

»Hallo.«

»Ja, Mann, die Party findet statt«, sagte Jay. »Bei Nina in Point Dume, genau wie letztes Jahr.«

»Cool, cool«, erwiderte Seth, ohne dabei Kit ganz aus den Augen zu lassen.

Während Seth und Jay ihre Unterhaltung fortsetzten, holte Kit die Bretter von der Ladefläche, wachste sie und begann, sie zum Ufer zu schleifen. Schließlich holte Jay sie ein und schnappte ihr sein Brett weg.

»Seth kommt wohl auch heute Abend«, sagte Jay.

»Hörte sich so an.« Kit band sich die Leine an den Fuß.

»Er hat … dich ziemlich angegafft«, sagte Jay. Ihm war vorher nie aufgefallen, dass ein Typ Interesse an Kit gezeigt hatte. An Nina, klar, ständig. Aber nicht an Kit.

Jay betrachtete seine kleine Schwester mit neuen Augen. War sie jetzt etwa scharf, oder was? Er ertrug es kaum, sich die Frage zu stellen.

»Interessiert mich nicht«, sagte Kit.

»Er ist ein netter Typ, aber es ist schräg«, erwiderte Jay, »wenn jemand meine kleine Schwester vor meinen Augen so angafft.«

»Ich bin zwanzig, Jay«, bemerkte Kit.

Jay runzelte die Stirn. »Trotzdem.«

»Tja, also ich würde lieber sterben, als mit Seth Whittles rumzuknutschen«, erklärte Kit, stand auf und griff sich ihr Brett. »Mach dir darüber keinen Kopf.«

Seth sah ganz passabel aus, fand Jay. Und er war nett. Er verliebte sich ständig in das eine oder andere Mädchen, führte sie zum Essen aus und so weiter. Es gab schlechtere als Seth Whittles. Manchmal verstand er Kit nicht.

»Bist du bereit?«, fragte Kit.

Jay nickte. »Los.«

Die beiden stürzten sich in die Wellen, wie schon unzählige Male in ihrem Leben – sie legten sich auf die Bretter und paddelten Seite an Seite hinaus.

Es wartete bereits eine Handvoll Leute auf ihren Brettern im Wasser. Doch es war deutlich zu merken, welchen Status Jay bei den anderen hatte, denn als er durch die Brandung auf die anderen zukam, machten sie ihm bereitwillig Platz.

Jay und Kit stiegen direkt auf dem Peak ein.

 

 

Hud Riva war so klein und stämmig, wie seine Geschwister groß und schlank waren. Er holte sich im Sommer einen Sonnenbrand, während die anderen braun wurden, und war der Klügste der Bande. Viel zu klug, um die wahren Folgen seines Handelns nicht zu begreifen.

Er war acht Meilen weiter südlich auf dem PCH unterwegs, um Ashley, die Ex-Freundin seines Bruders, in einem illegal am Zuma Beach geparkten Campingvan zu vernaschen. So hätte er es allerdings nicht ausgedrückt. Für ihn war es Liebe machen. Es war einfach bei jedem Atemzug so viel Gefühl im Spiel, dass es nichts Geringeres als Liebe sein konnte.

Hud liebte das eine Grübchen in Ashleys Gesicht, ihre grün-goldenen Augen und das goldblonde Haar. Er liebte es, dass sie Anthropologie nicht aussprechen konnte, dass sie ihn stets fragte, wie es Nina und Kit ging, und dass ihr Lieblingsfilm Schütze Benjamin war.

Er liebte ihren schiefen Zahn, den man nur sah, wenn sie lachte. Immer wenn sie Hud dabei erwischte, wie er ihn ansah, hielt sie sich verlegen den Mund zu und lachte noch mehr. Und auch das liebte er an ihr.

In solchen Momenten schlug Ashley oft nach ihm und sagte: »Hör auf, du machst mich verlegen«, wobei immer noch ein Funkeln in ihren Augen blitzte. Und dann wusste er, dass sie ihn auch liebte.

Ashley sagte ihm oft, sie liebe seine breiten Schultern und seine langen Wimpern. Es gefiel ihr, wie er sich immer um seine Familie kümmerte. Sie bewunderte sein Talent – dass die Welt durch seine Kameralinse schöner aussah als direkt vor ihren Augen. Dass er sich in die gleichen gefährlichen Gewässer begab wie die Surfer, aber dabei schwamm oder auf einem Jetski balancierte und eine schwere Kamera hochhielt, die in perfektem Licht einfing, was Jay auf dem Brett zustande brachte.

Ashley hielt das für die beeindruckendere Leistung. Schließlich hatte es nicht nur Jay dreimal auf das Cover von Surfer’s Monthly geschafft, sondern auch Hud. Alle berühmten Aufnahmen von Jay stammten von Hud. Die brechende Welle, das Brett, das durch das Wasser schnitt, die Gischt, der Horizont …

Jay konnte vielleicht auf der Welle reiten, aber Hud war es, der sie schön aussehen ließ. Der Name Hudson Riva tauchte in allen drei Ausgaben auf. Ashley glaubte, dass Jay Hud genauso brauchte wie umgekehrt.

So sah Ashley in Hud Riva einen ruhigen Mann, der keine Aufmerksamkeit oder Anerkennung nötig hatte. Einen Mann, dessen Arbeit für sich sprach. Einen Mann und keinen Jungen.

Durch sie fühlte sich Hud männlicher als jemals zuvor.

Als Hud den Rhythmus beschleunigte, atmete Ashley flacher; er kannte ihren Körper und wusste, was sie brauchte. Es war nicht das erste, zweite oder zehnte Mal, dass er sie mit dem Mund befriedigte.

Als es vorbei war, zog Ashley Hud zu sich hoch, damit er sich neben sie legte. Die Luft war schwül – aus Angst, gesehen, gehört oder auch nur wahrgenommen zu werden, hatten sie alle Fenster und Türen geschlossen, bevor sie sich küssten. Ashley setzte sich auf und öffnete das Fenster neben dem Bett, um eine frische Brise hereinzulassen. Die salzige Luft sorgte für Abkühlung.

Vom Strand hörten sie Familien und Jugendliche, Wellen, die am Ufer ausrollten, das schrille Pfeifen eines Rettungsschwimmers am nächsten Turm. In Malibu gab es viele Privatstrände, aber Zuma – dieser breite Streifen unverbauter Küste mit feinem Sand am PCH – stand allen zur Verfügung. An Tagen wie diesen zog er Familien aus ganz Los Angeles an, die dem Sommer einen letzten, unvergesslichen Ferientag entlocken wollten.

»Hi«, sagte Ashley leise und lächelte ihn schüchtern an.

»Hi«, erwiderte Hud charmant.

Er nahm die Finger von Ashleys linker Hand und spielte mit ihnen, indem er seine eigenen Finger mit ihnen verschränkte.

Er könnte sie heiraten. Das wusste er. So hatte er noch nie für eine Frau empfunden. Es war ein Gefühl, als würde er sie seit dem Tag seiner Geburt kennen, auch wenn ihm klar war, dass das unmöglich stimmen konnte.

Hud war bereit, Ashley alles zu geben, alles, was er hatte, alles, was er geben konnte. Die Hochzeit ihrer Träume, so viele Babys, wie sie wollte. Was war so schwer daran, sich einer Frau zu verschreiben? Es kam ihm so natürlich vor.

Hud war erst dreiundzwanzig, doch er fühlte sich bereit, Ehemann zu werden, eine Familie zu gründen und sich ein Leben mit Ashley aufzubauen.

Er musste nur den Dreh finden, es Jay zu sagen.

»Also … heute Abend«, sagte Ashley und richtete sich auf, um sich anzuziehen. Sie zog ihre gelbe Bikinihose hoch und warf sich ein weißes T-Shirt über, auf dessen Brust in Blau und Gold »UCLA« stand.

»Warte!« Hud setzte sich ebenfalls auf, wobei er sich fast den Kopf an der Decke stieß. Er trug marineblaue Cordshorts und kein Hemd. An seinen Füßen klebte Sand. Immer klebte Sand an seinen Füßen. So waren er und seine Brüder und Schwestern aufgewachsen. Sand an den Füßen und auf den Böden, in den Autos, Taschen und Duschabflüssen. »Zieh dein Shirt aus. Bitte«, sagte Hud, beugte sich vor und griff nach einer Kamera.

Ashley verdrehte die Augen, aber beiden war klar, dass sie es dennoch tun würde.

Er klappte den Sucher herunter und sah sie direkt an. »Du bist ein Kunstwerk.«

Ashley verdrehte erneut die Augen. »Das ist so ein lahmer Spruch.«

Hud lächelte. »Ich weiß, aber ich schwöre, ich habe das noch nie zu einer anderen Frau auf diesem Planeten gesagt.« Das stimmte.

Ashley kreuzte die Arme über der Brust, griff nach dem unteren Rand ihres Shirts und zog es sich über den Kopf, wobei ihr das lange rotblonde Haar über den Rücken und um die Schultern fiel. Die ganze Zeit über drückte Hud unentwegt auf den Auslöser und hielt jede Bewegung fest.

Sie wusste, dass sie durch seine Linse wunderschön aussehen würde. Während er sie fotografierte, fühlte sie sich immer wohler, der Gedanke, dass er sie betrachtete, ließ sie aufblühen. Ashley ließ langsam die Hände zu ihrer Bikinihose gleiten und löste die Bänder, die sie hielten. Drei schnelle Bewegungen, dann war sie verschwunden.

Hud hielt für einen Augenblick unmerklich inne, fassungslos über ihre Bereitschaft, ihre Initiative, sich vor seiner Kamera noch mehr zu entblößen, als er es jemals von ihr verlangt hatte. Und dann machte er weiter. Er fotografierte sie wieder und wieder. Sie setzte sich auf das Bett und schlug die Beine übereinander. Und er ging mit der Kamera immer näher an sie heran.

»Mach weiter«, sagte sie. »Mach weiter, bis wir fertig sind.« Und dann zog sie an seinen Shorts, ließ sie zu Boden fallen und befriedigte ihn mit dem Mund. Er fotografierte sie, bis sie fertig waren. Sie sah zu ihm hoch und sagte: »Die sind nur für dich. Du musst sie selbst entwickeln, okay? Aber jetzt hast du sie für immer. Weil ich dich liebe.«

»Okay«, sagte Hud und sah sie immer noch fassungslos an. Sie war so vieles auf einmal, sie war unglaublich. Selbstbewusst genug, um sich so verletzlich zu machen. Großzügig, aber beherrscht. Selbst wenn sie ihn erregte, fühlte er sich in ihrer Nähe immer ganz ruhig.

Ashley stand auf, band die Bikinihose wieder zu und streifte entschlossen ihr Shirt über. »Also, wie ich schon sagte, wegen der Party heute Abend.« Ashley sah Hud an, um seine Reaktion abzuschätzen. »Ich glaube nicht, dass ich hingehen sollte.«

»Ich dachte, wir hätten beschlossen …«, begann Hud, doch Ashley unterbrach ihn.

»Deine Familie hat momentan genug Probleme.« Sie schob die Füße in ihre Sandalen. »Findest du nicht?«

»Du meinst Nina?«, fragte Hud und folgte Ashley zur Tür. »Nina packt das schon. Glaubst du, das ist das Schlimmste, was sie je durchmachen musste?«

»Das bestärkt mich noch«, sagte Ashley, als sie aus dem Campingbus in den Sand trat und von der Sonne geblendet wurde. Hud war einen Schritt hinter ihr. »Ich will keinen Skandal. Deine Familie …«

»Erregt viel Aufmerksamkeit?«, bot Hud an.

»Ganz genau. Und ich will nicht noch ein Problem für Nina sein.«

Die Rücksichtnahme Ashleys auf seine Schwester, der sie erst wenige Male begegnet war, hatte Hud von Anfang an bezaubert.

»Ich weiß, aber … wir müssen es ihnen sagen«, beharrte Hud und zog Ashley an sich. Er legte seine Arme um ihre Schultern und stützte das Kinn auf ihren Kopf. Er küsste ihr Haar. Sie roch nach Sonnenöl – Kokosnuss und Banane. »Wir müssen es Jay sagen«, stellte er klar.

»Du hast recht«, sagte Ashley. Sie legte den Kopf an Huds Brust. »Ich will einfach nicht so eine sein.«

»Was für eine?«

»Eine Schlampe? Die sich zwischen zwei Brüder stellt.«

»Hey«, sagte Hud. »Dass ich mich in dich verliebt habe, ist meine Schuld. Nicht deine. Und es war das Beste, was ich je getan habe.«

Das Schicksal irrte manchmal. Zu dieser Erkenntnis war Hud gekommen. Damit konnte er sich vieles erklären, was ihm im Leben passiert war. Die Hand, die ihn – und alle anderen – in eine bestimmte Zukunft lenkte … konnte gar nicht unfehlbar sein.

Manchmal lernt der falsche Bruder das Mädchen als Erster kennen. Mehr hatte es nicht zu bedeuten. Hud und Ashley … sie korrigierten einfach nur einen Irrtum des Schicksals.

»Es ergibt gar keinen Sinn, dass ich mit Jay zusammen war«, sagte Ashley und rückte von ihm ab, nur ihre Hände ließ sie mit seinen verschränkt.

»Das hab ich gleich gedacht, als ich dich zum ersten Mal gesehen hab«, sagte Hud. »Ich dachte: Das Mädchen gehört nicht zu Jay.«

»Dachtest du, ich gehöre zu dir?«

Hud schüttelte den Kopf. »Nein, du bist viel zu gut für mich.«

»Na ja, wenigstens siehst du es ein.«

Diesmal lehnte sich Ashley weit zurück und grub die Fersen in den Sand; nur Huds Griff verhinderte, dass sie hinfiel. Hud ließ sie einen Moment dort hängen und zog sie dann wieder an sich.

»Du solltest heute Abend kommen«, sagte er. »Wir sagen es Jay, und alles wird gut.«

Es gab eine unausgesprochene Übereinkunft zwischen ihnen, Jay eine Lüge aufzutischen. Eine Halbwahrheit.

Sie wollten Jay gestehen, dass sie zusammen sind. Aber sie wollten ihm nicht erzählen, dass sie bereits vor sechs Monaten miteinander geschlafen hatten, als sie sich eines Abends auf dem Venice Boardwalk begegnet waren. Damals waren Ashley und Jay noch zusammen gewesen.

Ashley hatte eine Jeansjacke über einem korallenroten Kleid getragen, mit dem der Wind spielte. Hud trug weiße Shorts und ein blaues, kurzärmeliges Button-down-Hemd, an den Füßen abgelatschte Bootsschuhe.

Beide wollten mit Freunden etwas trinken gehen, als sie sich vor einem Touristenshop begegneten, der Tank-Tops mit kitschigen Sprüchen und billige Sonnenbrillen verkaufte.

Sie hatten angehalten, um sich zu begrüßen, und ihren Freunden versprochen, gleich nachzukommen. Aber »gleich« schien immer später zu werden, bis sie feststellten, dass sie nicht mehr zu ihren Freunden gehen würden.

Sie unterhielten sich immer weiter, während sie gemeinsam den Boulevard hinunterschlenderten und in Geschäfte und Bars gingen. Hud probierte einen Cowboy-Strohhut auf, und Ashley lachte. Ashley schnappte sich scherzhaft ein Wonder-Woman-Lasso und tat so, als würde sie es in der Luft herumwirbeln. Und Hud erkannte an Ashleys Lächeln, dass aus dem Abend mehr wurde, als sie beide beabsichtigt hatten.

Stunden später, nach ein paar Drinks zu viel, quetschten sie sich in eine der Toilettenkabinen einer Bar namens Mad Dogs. Ashley flüsterte Hud ins Ohr: »Ich wollte dich schon immer. Eigentlich wollte ich immer dich.« Sie hatte eigentlich immer ihn gewollt.

Eine Sekunde nachdem sie es gesagt hatte, hatte Hud sie geküsst, ihre Beine gepackt, sie auf seine Hüften gehoben und an die Wand gedrückt. Sie roch nach einer Blume, deren Namen er nicht kannte. Ihr Haar fühlte sich fein und weich in seinen Fingern an. Noch nie hatte sich eine Frau so gut angefühlt wie sie in jener Nacht.

Als es vorbei war, fühlten sich beide beschwingt, befriedigt und leicht wie Luft, bis das schlechte Gewissen mit voller Wucht zuschlug.

Hud hielt sich gern für einen guten Menschen. Aber … mit der Freundin des eigenen Bruders schlafen – das würde ein guter Mensch niemals tun.

Jedenfalls nicht mehr als einmal.

Aber es gab diese Nacht und dann noch eine. Dann ein Abendessen in einem Restaurant vier Städte weiter die Küste hinauf. Dann ein paar Diskussionen darüber, wie genau Ashley mit Jay Schluss machen sollte.

Und dann hatte sie es getan.

Vor fünf Monaten war Ashley um elf Uhr nachts in Huds Campingtruck aufgekreuzt und hatte gesagt: »Ich habe mit ihm Schluss gemacht. Und ich finde, du solltest wissen, dass ich dich liebe.«

Hud hatte sie in den Wagen gezogen, ihr Gesicht in die Hände genommen und gesagt: »Ich liebe dich auch. Ich liebe dich, seit … ich weiß es nicht. Schon lange bevor ich es gedurft hätte.«

Und jetzt warteten sie nur noch auf den perfekten Moment, um Jay die Halbwahrheit zu sagen. Eine Halbwahrheit zwischen Halbbrüdern, obwohl Jay und Hud sich überhaupt nicht als Halbbrüder betrachteten.

»Komm zur Party«, sagte Hud zu Ashley. »Ich bin so weit, es allen zu sagen.«

»Ich weiß nicht«, erwiderte Ashley, setzte ihre weiße Sonnenbrille auf und griff nach den Schlüsseln. »Wir werden sehen.«

 

 

08:00 Uhr

Nina war in der Brandung unterwegs und hatte Mühe, die langen, langsamen Righthander zu finden, nach denen sie Ausschau hielt.

Sie war nicht hier, um zu shredden. Heute Morgen eigneten sich die Wellen sowieso nicht dazu. Sie wollte einfach nur anmutig auf ihrem Longboard dahingleiten und im Cross-Step zur Nose tänzeln, bis die Wellen sie abwarfen.

Der Strand war ruhig. Das war das Herrliche an einer kleinen, exklusiven Bucht, die auf drei Seiten von fünfzehn Meter hohen Klippen geschützt wurde. Obwohl es theoretisch ein öffentlicher Strand war, konnte ihn nur erreichen, wer Zugang zu einer privaten Treppe hatte. Oder bereit war, zu Fuß die zerklüftete Küste entlangzulaufen und das Risiko einzugehen, von der Flut überrascht zu werden.

Heute Morgen teilte sich Nina die Bucht mit zwei Teenagern in neonfarbenen Badeanzügen, die sich sonnten und Jackie Collins und Stephen King lasen.

Da Nina die Einzige im Wasser war, wartete sie in aller Ruhe auf ihrem Brett bis kurz hinter dem Peak. Während sie dort trieb, der Wind ihre nasse Haut kühlte, die Sonne ihre nackten Schultern bräunte und ihre Beine im Wasser baumelten, empfand Nina bereits einen Hauch des Friedens, den sie hier gesucht hatte.

Vor einer Stunde hatte ihr noch vor der Party gegraut. Sie hätte sie fast abgesagt, aber das konnte sie Jay, Hud und Kit nicht antun. Sie freuten sich jedes Jahr auf diese Party und sprachen anschließend noch monatelang darüber.

Alles hatte vor Jahren mit einer wilden Bierparty angefangen, bei der sich ein Haufen Surfer und Skateboarder aus der ganzen Stadt am letzten Samstag im August im Haus der Rivas getroffen hatten. Aber seitdem hatte Nina selbst einen höheren Bekanntheitsgrad und durch die Heirat mit Brandon noch mehr Aufmerksamkeit erhalten.

Jedes Jahr schien die Party mehr und mehr bekannte Persönlichkeiten anzuziehen. Schauspieler, Popstars, Models, Schriftsteller, Regisseure, sogar ein paar Olympioniken. Irgendwie war diese einst kleine Zusammenkunft zu der Party geworden, auf der man gesehen werden wollte. Und sei es nur, um sagen zu können, dass man dabei gewesen war, als …

Als Warren Rhodes und Lisa Crowne 1979 nackt in den Pool sprangen. Als 1981 die Supermodels Alma Amador und Georgina Corbyn vor den Augen ihrer Ehemänner miteinander herummachten. Als sich Bridger Miller und Tuesday Hendricks letztes Jahr zum ersten Mal begegneten und in Ninas Garten einen Joint teilten. Zwei Wochen später verlobten sie sich, und im Mai hatte Tuesday ihn dann vor dem Altar stehen lassen. Now This titelte: »Warum Tuesday mit Bridger nicht über diese Brücke gehen konnte«.

Es gab unzählige solcher Geschichten über die Riva-Party, und Nina war sich nicht bei allen sicher, ob sie stimmten.

Angeblich war Alexandra Covington von Louie Davies entdeckt worden, als sie oben ohne in Ninas Pool schwamm. Er besetzte sie als Prostituierte in Verlass ihn auf die sanfte Tour,und nun, zwei Jahre später, hatte sie einen Oscar gewonnen.

Auf der Party im Jahr 1980 hatte Doug Tucker, der neue Leiter der Sunset-Studios, offenbar besoffen herumerzählt, er habe Beweise dafür, dass Celia St. James lesbisch sei.

Hatte Ninas Nachbar Rob Lowe mit ihrem anderen Nachbarn Emilio Estevez letztes Jahr in der Küche »Jack & Diane« gesungen? Die Leute behaupteten es, aber Nina wusste es nicht genau.

Sie bekam nicht immer alles mit, was in ihrem eigenen Haus passierte. Sie sah nicht jeden, der sich blicken ließ. Hauptsächlich interessierte sie, ob ihre Brüder und Schwestern sich amüsierten. Und das taten sie immer.

Letztes Jahr hatten Jay und Hud mit den Bandmitgliedern von Breeze Gras geraucht. Kit unterhielt sich die ganze Nacht mit Violet North in Ninas Schlafzimmer, eine Woche später wurde Violets Debütalbum die Nummer eins. Seitdem bekamen Jay und Hud Karten für die Konzerte von Breeze, wann immer sie wollten. Und Kit schwärmte noch wochenlang davon, wie cool Violet war.

Nina wusste also, dass sie eine solche Party nicht absagen konnte. Die Rivas waren vielleicht nicht wie die meisten Familien, da es nur noch sie vier gab, aber sie hatten ihre Traditionen. Außerdem war es unmöglich, eine Party abzusagen, zu der es keine Einladungen gab. Die Leute würden kommen, ob es ihr nun passte oder nicht.

Von ihrer engen Freundin Tarine, die sie bei einem Shooting für Sports Illustrated kennengelernt hatte, war ihr zugetragen worden, dass sogar Vaughn Donovan kommen wollte. Und Nina musste zugeben, dass Vaughn Donovan vielleicht der heißeste Typ war, den sie je auf der Leinwand gesehen hatte. Die Art, wie er lächelte, als er in Wild Night auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums die Brille abnahm, hatte es ihr angetan.

Als Nina westlich von sich eine Dünung aufkommen sah, beschloss sie, dass die Party kein Fluch, sondern ein Segen war. Genau das, was sie brauchte. Sie hatte es verdient, sich etwas zu amüsieren und ausgelassen zu sein. Sie konnte sich mit Tarine eine Flasche Wein teilen. Flirten. Tanzen.

Nina beobachtete, wie die erste Welle einer Gruppe direkt hinter ihr langsam, gleichmäßig und wunderschön nach rechts brach, genau wie sie gehofft hatte. Als die nächste Welle kam, paddelte sie mit ihr, spürte die Strömung unter sich und sprang auf.

Sie bewegte sich mit dem Wasser und war nur noch damit beschäftigt, das Brett perfekt zu balancieren. Sie dachte nicht an die Zukunft oder die Vergangenheit, sondern nur an den Moment. Wie kann ich oben bleiben, wie kann ich mich halten, wie finde ich Stabilität? Besser. Länger. Mit mehr Leichtigkeit.

Als die Welle schneller wurde, ging sie tiefer in die Hocke. Als sie langsamer wurde, pumpte sie mit dem Brett. Als sie alles im Griff hatte, tänzelte sie leichtfüßig bis zur Nose und bewegte sich dabei so geschmeidig, dass sie die Geschwindigkeit nicht beeinträchtigte. Sie schwebte auf der Spitze des Bretts, sorgte mit den Füßen für Balance und streckte die Arme aus, um mehr Stabilität zu bekommen.

Diese Anmut hatte sie immer gerettet.

1956

Familiengeschichten sind im Grunde auch nur Geschichten. Mythen, die wir über unsere Vorfahren erzählen, um eine Erklärung dafür zu finden, warum wir sind, wie wir sind.

Die Geschichte von June und Mick Riva erschien ihrem ältesten Kind Nina wie eine Tragödie. Ihrem ersten Sohn Jay kam sie wie eine Komödie der Irrungen vor. Für ihren zweiten Sohn Hud war es ein Ursprungsmythos. Und ein Rätsel für das Baby der Familie, für Kit. Mick selbst sah darin nur ein Kapitel seiner Memoiren.

Aber für June blieb es immer eine Romanze.

Mick Riva lernte June Costas an der Küste von Malibu kennen, als sie siebzehn war. Das war 1956, ein paar Jahre bevor die Beach Boys dort ankamen, und nur wenige Monate bevor Gidget die Teenager scharenweise in die Wellen lockte.

Damals war Malibu ein kleines Fischerdorf mit nur einer Ampel gewesen. Ein ruhiger Küstenort, der sich über schmale, gewundene Straßen durch die Berge ins Landesinnere ausweitete. Aber die Stadt durchlebte die Jugend. Surfer ließen sich mit ihren knappen Shorts und Longboards nieder, Bikinis kamen in Mode.

June war die Tochter von Theo und Christina, einem Ehepaar aus der Mittelschicht, das in einer Zwei-Zimmer-Ranch an einer der vielen Schluchten von Malibu lebte. Ihnen gehörte ein darbendes Restaurant namens Pacific Fish, das direkt am Pacific Coast Highway Krabbenpuffer und gebratene Muscheln anbot. Sein leuchtend rotes Schild mit dem geschwungenen Schriftzug hing hoch in der Luft und verführte einen auf der Ostseite des Highways dazu, für einen Moment den Blick vom Wasser abzuwenden, etwas Frittiertes zu verspeisen und eine eiskalte Cola zu trinken.

Theo kümmerte sich um die Fritteuse, Christina um die Kasse, und abends und an den Wochenenden war es Junes Aufgabe, die Tische abzuwischen und die Böden zu bohnern.

Pacific Fish war Junes Verpflichtung und Erbe zugleich. Man erwartete von ihr, den Platz ihrer Mutter einzunehmen, wenn sie einmal den Tresen räumte. Aber June fühlte sich zu Höherem berufen, auch schon mit siebzehn Jahren.

Bei den seltenen Gelegenheiten, wenn ein Filmsternchen oder ein Regisseur das Restaurant betrat, strahlte sie über das ganze Gesicht. Sie erkannte alle, sobald sie zur Tür hereinkamen, weil sie die Klatschblätter studierte wie die Bibel und ihren Vater weichkochte, damit er ihr jede Woche eine Ausgabe von Sub Rosa oder Confidential kaufte. Wenn June Ketchup von den Tischen schrubbte, stellte sie sich vor, auf einer Filmpremiere im Pantages Theatre zu sein. Wenn sie Salz und Sand von den Böden fegte, stellte sie sich vor, wie es wäre, im Beverly Hilton zu wohnen und bei Robinson’s einzukaufen. June bestaunte die Welt, in der die Stars lebten. Nur wenige Meilen entfernt und doch unerreichbar für sie, weil sie Touristen Pommes frites servieren musste.

Zwischen den Schichten stahl sich June etwas Freude. Sie schlich sich nachts hinaus und schlief aus, wenn sie konnte. Und wenn ihre Eltern bei der Arbeit waren, sie aber noch nicht brauchten, überquerte June den Pacific Coast Highway und breitete am Strand gegenüber vom Restaurant ihrer Familie ihre Decke aus. Sie nahm ein Buch und ihren besten Badeanzug mit, ließ ihren blassen Körper in der Sonne brutzeln, eine Sonnenbrille auf der Nase und den Blick aufs Wasser gerichtet. Das tat sie jeden Samstag und Sonntag bis vormittags um halb elf, dann rief die Realität sie zurück ins Pacific Fish.

An einem bestimmten Samstagmorgen im Sommer 56 stand June am Ufer, die Zehen im nassen Sand, und wartete darauf, dass sich das Wasser an ihren Füßen wärmer anfühlte, bevor sie hineinwatete. In den Wellen waren Surfer, die Küste hinunter Fischer, und Teenager wie sie breiteten Decken aus und cremten sich die Arme ein.

June hatte sich an jenem Morgen mutig gefühlt und einen blau karierten, trägerlosen Bikini angezogen. Ihre Eltern hatten keine Ahnung, dass er überhaupt existierte. Als sie mit ihren Freundinnen nach Santa Monica gefahren war, hatte sie ihn in einer Boutique hängen sehen. Sie kaufte ihn von ihrem gesparten Trinkgeld und hatte sich die letzten drei Dollar von ihrer Freundin Marcie geliehen.

Ihr war klar, dass sie ihn zurückgeben oder, schlimmer noch, wegwerfen musste, falls ihre Mutter ihn entdeckte. Aber sie wollte sich hübsch fühlen. Sie wollte ein Signal aussenden und sehen, ob jemand antwortete.

June hatte dunkelbraunes Haar, das zu einem Bob geschnitten war, eine Stupsnase und kecke, geschwungene Lippen. In ihren großen, hellbraunen Augen lag jener fröhliche Ausdruck, der oft von Hoffnung begleitet wird. Dieser Bikini war vielversprechend.

Als sie an jenem Morgen am Ufer stand, fühlte sie sich fast nackt. Manchmal hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie ihren eigenen Körper so sehr mochte. Es gefiel ihr, wie ihre Brüste das Bikinioberteil ausfüllten, wie schmal ihre Taille war und wie weiblich ihre Hüften. Sie fühlte sich lebendig, während sie dort halb nackt stand, beugte sie sich hinunter und strich mit den Händen durch das kalte Wasser, das um ihre Füße floss.

Ein dreiundzwanzigjähriger, noch unbekannter Michael Riva schwamm in der Brandung. Er war mit drei Freunden unterwegs, die er in den Clubs von Hollywood kennengelernt hatte. Vor zwei Jahren hatte er die Bronx hinter sich gelassen und war auf der Suche nach Ruhm nach L. A. gekommen.

Als er aus einer Welle auftauchte, fiel sein Blick auf das Mädchen, das allein am Ufer stand. Ihre Figur gefiel ihm. Und wie sie dastand, schüchtern und ohne Freundinnen. Er lächelte sie an.

June lächelte zurück. Und so ließ Mick seine Freunde stehen und ging zu ihr. Als er endlich bei ihr war, fiel ein eiskalter Wassertropfen von seinem Arm auf ihren. Noch bevor er Hallo gesagt hatte, fühlte sie sich von seiner Aufmerksamkeit geschmeichelt.

Mick war unbestreitbar gut aussehend, mit seinem vom Meer glatt nach hinten gestrichenen Haar, den braun gebrannten, breiten Schultern, die in der Sonne glänzten, und der weißen, gut sitzenden Badehose. June mochte seine Lippen – die untere war so voll, dass sie geschwollen aussah, die obere war schmaler und hatte ein perfektes kleines V in der Mitte.

Er streckte ihr die Hand hin. »Ich bin Mick.«

»Hallo«, sagte sie und ergriff seine Hand. Die Sonne brannte auf sie herab, und June musste schützend die andere Hand über die Augen legen. »Ich bin June.«

»June«, sagte Mick und hielt ihre Hand etwas zu lange fest. Er sagte ihr nicht, dass June ein schöner Name sei. Die verwegene Freude, mit der er ihn laut aussprach, verriet sein Gefühl überdeutlich. »Du bist das hübscheste Mädchen an diesem Strand.«

»Oh, das weiß ich nicht«, sagte June und wandte lachend den Blick ab. Sie spürte, wie sie rot wurde, und hoffte, dass er es nicht bemerkte.

»Das ist leider eine Tatsache, June«, erwiderte Mick, als er ihren Blick erneut auffing, und ließ dann ihre Hand los. Er beugte sich langsam vor und küsste sie auf die Wange.

»Vielleicht führe ich dich mal aus?«

June spürte, wie ein Schauer ihren Körper durchlief, vom Herzen bis zu ihren Beinen.

»Sehr gern«, erwiderte sie und bemühte sich, mit ruhiger Stimme zu sprechen. June hatte nicht viel Erfahrung mit Männern – die wenigen Verabredungen, die sie gehabt hatte, waren auf Schulbällen gewesen –, aber sie wusste genug, um ihre Aufregung zu verbergen.

»Also gut«, sagte er und nickte ihr zu. »Du hast eine Verabredung.«

Als Mick wegging, war June sicher, dass er nicht gemerkt hatte, wie schwindelig ihr vor Freude war.

Am darauffolgenden Samstag wischte June um Viertel vor sechs den letzten Tisch im Restaurant sauber und streifte ruhig ihre rote Schürze ab. In dem schwach beleuchteten, schmuddeligen Badezimmer zog sie sich um und winkte ihren Eltern zum Abschied mit einem schüchternen Lächeln zu. Sie hatte ihnen erzählt, sie treffe sich mit einer Freundin.

Als June in ihrem Lieblingskleid in A-Linie und einer zugeknöpften rosa Strickjacke auf dem Parkplatz stand, überprüfte sie ihr Aussehen noch einmal in einem Handspiegel und glättete ihr Haar.

Und dann, um Punkt sechs, fuhr Mick Riva in einem silbernen Buick Skylark vor. Er trug einen gut sitzenden marineblauen Anzug mit weißem Hemd und einer breiten schwarzen Krawatte, so ähnlich wie der Look, für den er nur wenige Jahre später bekannt werden sollte.

»Hallo«, sagte er, stieg aus dem Auto und hielt ihr die Tür auf.

»Hallo«, sagte June und stieg ein. »Du bist ja ein richtiger Gentleman.«

Mick lächelte schief. »Meistens.«

June verbot sich, in Ohnmacht zu fallen.

»Wohin fahren wir?«, fragte sie, als Mick den Parkplatz verließ und in Richtung Süden fuhr.

»Keine Sorge.« Mick lächelte sie an. »Das wird großartig.«

June lehnte sich im Sitz zurück und zog sich die Handtasche auf den Schoß. Sie blickte aus dem Fenster auf den Ozean, der in der Dämmerung lag. In solchen Momenten fiel es ihr leicht, die Schönheit ihrer Heimatstadt zu schätzen.

Mick fuhr auf den Parkplatz des Sea Lion, das sich an die felsige Küste schmiegte und auf einem überdimensionalen Schild mit einem Schwertfisch behauptete, WELTBERÜHMT zu sein.

June zog die Augenbrauen hoch. Hier war sie zu besonderen Anlässen schon ein paarmal mit ihren Eltern gewesen. In ihrer Familie gab es feste Regeln für solche Lokale: Trink nur Wasser, iss eine Vorspeise, teile dir ein Hauptgericht, verzichte aufs Dessert.

Mick öffnete ihr die Autotür und nahm ihre Hand. Sie stieg aus.

»Du siehst umwerfend aus«, sagte er.

June versuchte, nicht zu erröten. »Du siehst auch sehr gut aus.«

»Danke«, erwiderte Mick, strich die Krawatte glatt und schloss die Tür hinter ihr. Bald spürte sie die Wärme seiner Hand auf ihrem Rücken, die sie zum Eingang lenkte. Sofort gab sie sich seiner Berührung hin. Seine Führung war wie eine Erleichterung – als würde sie endlich jemand in die Zukunft führen. Drinnen angekommen, platzierte man sie an einem Tisch am Fenster mit Blick auf den Pazifik.

»Das ist schön«, sagte June. »Danke, dass du mich hergebracht hast.«

Sie beobachtete, wie sich Micks Gesichtszüge entspannten und er lächelte. »Oh, gut«, sagte er. »Ich bin davon ausgegangen, dass du Meeresfrüchte essen willst, aber ich war nicht sicher. Es hörte sich an, als würde deiner Familie Pacific Fish gehören, richtig?«

»Ja.« June nickte. »Es gehört meinen Eltern. Ich helfe aus.«

»Kannst du keinen Hummer mehr sehen?«, fragte Mick.

June schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht. Nur Hummerbrötchen habe ich satt. Mit Hummerbrötchen kannst du mich jagen. Einen ganzen Hummer haben wir so gut wie nie. Aber Steak oder so etwas Ähnliches gibt es bei uns gar nicht. Immer nur Burger und Pommes frites und Muscheln und so. Alles wird frittiert. Es gibt nichts, was mein Vater nicht frittieren kann.«

Mick lachte. Damit hatte June nicht gerechnet, und sie sah lächelnd zu ihm hoch.

»Wenn sie sich zur Ruhe setzen, soll ich es übernehmen.« Ihre Eltern hatten June vor Kurzem eine ziemlich unattraktive Idee unterbreitet: Sie sollte einen Mann heiraten, der mit ihnen im Restaurant arbeiten wollte.

»Und wenn ich es richtig verstehe, bist du nicht gerade begeistert davon?«, fragte Mick.

June schüttelte den Kopf. »Wärst du das?« Vielleicht wäre er es. Vielleicht wäre es ja gar nicht so schlecht, einen Mann zu heiraten, der das Restaurant übernehmen wollte.

Mick blickte June einen Moment lang in die Augen. »Nein«, sagte er. »Ich wäre auch nicht gerade begeistert.«