Mama Day - Gloria Naylor - E-Book

Mama Day E-Book

Gloria Naylor

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Beschreibung

Die Insel Willow Springs vor der amerikanischen Südstaatenküste ist ein wundersamer Ort. Geheimnisse steigen von der Veranda in den Nachthimmel auf, Hoffnungen weben sich ins Louisiana-Moos, Befürchtungen wispern durch die Bäume. Jedes Jahr kehrt Cocoa aus dem hektischen New York für einige Wochen hierher zurück, zu ihrer Tante und ihrer Großtante, der ebenso starrköpfigen wie warmherzigen Mama Day. Doch als sie in einem Sommer ihren Freund George mitbringt, gerät das Leben auf der Insel aus dem Gleichgewicht. George und Cocoa beginnen zu begreifen, dass Willow Springs einer eigenen Wahrheit folgt – einer Wahrheit, die für sie beide zur Bedrohung wird. Mit magischer Erzählkraft beschwört Gloria Naylor opulente Bilder und reißt uns mit in einen Wirbel aus Liebe, Wahn und Hoffnungen.

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Über dieses Buch

Cocoa verbringt die Sommer bei ihrer Großtante Mama Day auf der Südstaateninsel Willow Springs, wo die Zeit stillzustehen scheint. Als sie aber ihren Freund George mitbringt, gerät das Leben auf der Insel aus dem Gleichgewicht, und der Ort wird für sie beide zur Bedrohung. Naylor entfesselt einen tosenden Wirbel aus Liebe, Wahn und Hoffnungen.

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Gloria Naylor (1950–2016), geboren in New York, studierte Anglistik und African-American Studies. Ihr vielschichtiges Werk kreist um das Leben Schwarzer, um ihre Kämpfe und Hoffnungen, in einer Welt, in der Weißsein alles bedeutet. Sie erhielt u. a. den National Book Award.

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Angelika Kaps (*1950 in Berlin) studierte Germanistik und Politologie, anschließend war sie u. a. als freie Film- und Literaturkritikerin tätig. Sie übersetzt aus dem Englischen, u. a. die Werke von Garrison Keillor, Gloria Naylor, Joanna Trollope und Tatiana de Rosnay. Kaps lebt in Berlin.

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Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Gloria Naylor

Mama Day

Roman

Aus dem Englischen von Angelika Kaps

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Die Originalausgabe erschien 1988 bei Ticknor & Fields, Boston und New York.

Die deutsche Erstausgabe erschien 1996 im Carl Hanser Verlag, München.

Originaltitel: Mama Day

© by Gloria Naylor 1988

© by Unionsverlag, Zürich 2023

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Constantine Manos (Daufuskie Island, South Carolina, 3 women under a tree, 1952; Robert Klein Gallery, Boston)

Umschlaggestaltung: Sven Schrape

ISBN 978-3-293-31133-6

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Version vom 08.03.2023, 10:28h

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Inhaltsverzeichnis

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Inhaltsverzeichnis

MAMA DAY

1 – Du hast mit einem Plastiktrinkhalm in deinen Zähnen …2 – Miranda hat so einen Tag, an dem man …

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Über Gloria Naylor

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Für Corlies Morgan Smith

Dienstag, den 3. Tag im August 1819

Zuschlag an Mister Bascombe Wade von Willow Springs für eine Negerin, die auf den Namen Sapphira hört. Alter 20. Rein afrikanische Abstammung. Gliedmaßen und Zähne gesund. Keine vom Gesetz vorgeschriebenen Garantien gegen Laster und Krankheiten finden hier Geltung, da der Käufer davon Kenntnis hat – und dies mit seiner Unterschrift bestätigt –, dass besagte Sapphira von minderer Qualität und von mürrischem Wesen und launischer Natur ist und sich auch nach angemessener Strafe der Ausführung von Feld- oder Hausarbeiten widersetzt hat. Hat bei Gelegenheit in der Eigenschaft als Hebamme und Krankenschwester gedient, nicht ohne dabei außerordentlichen Unfug getrieben und sich der Hexerei verdächtig gemacht zu haben.

Der Kaufpreis wird zur einen Hälfte in Goldzahlungsmittel entrichtet, zur anderen Hälfte in Naturalien.

Endgültig.

Willow Springs. Jedermann kennt sie, aber niemand spricht über die Legende von Sapphira Wade. Eine wahre Hexenmeisterin: satinschwarz, sahnig braun, rot wie Georgialehm: je nachdem, wer von uns an sie denkt. Sie konnte durch ein Gewitter laufen, ohne getroffen zu werden; einen Blitzstrahl in ihrer Hand auffangen; die Hitze von Blitzen dazu benutzen, das Reisig unter ihrem Medizinkessel zu entzünden; je nachdem, wer von uns an sie denkt. Sie verwandelte den Mond in Heilsalbe, die Sterne in Mullbinden und heilte die Wunden aller Lebewesen, ob sie aufrecht auf zwei Beinen gingen oder auf allen vieren krochen. Es geht nicht um richtig oder falsch, um Wahrheit oder Lüge; es geht um eine Sklavin und Frau, die diesen beiden Worten hier diesseits der Brücke eine ganz neue Bedeutung gegeben hat. Und irgendwie, auf irgendeine Weise, war 1823 das geschehen: Sie erstickte Bascombe Wade in seinem eigenen Bett, kam ungestraft davon und lebte noch tausend Tage, um die Geschichte zu erzählen. 1823: Sie heiratete Bascombe Wade, gebar ihm sieben Söhne in nur tausend Tagen, bohrte ihm einen Dolch durch die Niere und entkam dem Henkersstrick und lachte wie eine Feuersbrunst. 1823: Sie überredete Bascombe Wade in tausend Tagen, jeden Zentimeter Land auf Willow Springs seinen Sklaven zu übertragen, vergiftete ihn zum Dank dafür und gebar daraufhin sieben Söhne – Vater oder Väter unbekannt. Wenn man das alles zusammenmixt und sich unterm Strich an das hält, was als Tatsachen durch die Maschen der Zeit gefallen ist, hat man am Ende den Tod von Bascombe Wade (sein Grabstein steht draußen am Chevy’s Pass), die Übertragungsurkunden für unser Land (alle datiert auf ebenjenes Jahr) und sieben Söhne (sind nicht Miss Abigail und Mama Day die Enkelinnen dieses siebten Sohnes?). Der ungeklärte Faktor bei dem Ganzen sind die tausend Tage, und wir meinen, es würde uns dazu was einfallen, wenn wir die Köpfe zusammensteckten – was aber nicht möglich ist, weil Sapphira Wade nicht in den Regionen unserer Erinnerungen lebt, die wir zum Bilden von Wörtern benutzen können.

Aber es gibt keine Menschenseele in Willow Springs, die nicht wüsste, dass kleine dunkle Mädchen, das Haar mit bunten Schnüren zu Zöpfchen geflochten, »kurz vor ihrem 18 & 23 stehen«, wenn sie sich zu lange über die Gartenzäune lehnen und dabei über die Mätzchen kleiner dunkler Jungen lachen, die den Nerv haben, von »18 & 23« zu flüstern, wo sie doch noch Muttermilch auf der Zunge schmecken. Und wenn sie sich nur ein winziges bisschen zu lange hinüberlehnt oder ein bisschen zu breit grinst, brüllt es durch die verstaubte Tür mit dem Fliegengitter: »Schaff deinen o-beinigen Untersatz von meinem Zaun weg, Johnny Blue. Kommt mir kein verfrühtes ›18 & 23er‹ in die Wiege. Zieh sie ja erst noch auf.« Ja, der Name Sapphira Wade wird nie und von keinem einzigen Mund in Willow Springs auch nur gehaucht. Aber wer wüsste nicht, dass der alte falschzüngige Manager vom Sheraton-Hotel jenseits der Brücke, als er Winky Browne nur zwölf Dollar für seine ganze Bootsladung Langusten anbot – »versucht hat, ihn zu 18 & 23en«, was noch das Beste ist, was man ihm unterstellen kann? Wir sitzen hier alle nur einen Katzensprung und ein Weihnachten noch vom Jahr 2000 entfernt, und hat ihm denn noch niemand gesagt, dass Nigger jetzt lesen können? Als würde nicht auf den Speisekarten in seinem Restaurant stehen, dass eine Handvoll Krabben auf einem Schüsselchen mit zerstoßenem Eis beinahe zwölf Dollar kostet. Soll er es Garnelencocktail nennen oder was auch immer – wir können auch rechnen. Und der Preis von allem, was im Sund schwimmt, kriecht oder auf dem Meeresboden liegt, ist 1985 nach oben gegangen, in dem Jahr, als wir den »18-&-23-Sommer« hatten und die Brücke weggefegt wurde. Die Leute haben da draußen in dem tückischen Wasser ihr Leben nicht aus Spaß an der Freude aufs Spiel gesetzt – gibt nicht so viel 18 & 23 in der Welt.

Aber wir scheren uns nicht um diesen alten Hotelmanager. Er ist unser kleinstes Problem, mit dem wir hier in Willow Springs fertigwerden mussten. Malaria. Unionssoldaten. Sandboden. Zwei große Wirtschaftskrisen. Hurrikane. Ganz zu schweigen von diesen neuen Immobilienmaklern, die glauben, wir würden unsere Küstengrundstücke verkaufen, nur weil wir nicht so blöd sind, da zu wohnen. Fingen Anfang der Neunziger an, hier rüberzuschwärmen, schwafelten was von »Ferienparadies«, schwafelten was von »pit-to-resk«. Wie Winky sagte, wir müssten ihren Arsch aus dem Sumpf buddeln, sobald der erste Hurrikan hier durchfegte. Verstehst du, sie sind bloß drauf aus, da zu bauen, wo es keine Staatssteuern gibt – nie gegeben hat und nie geben wird, denn Willow Springs gehört zu keinem Staat. Georgia und South Carolina haben es doch versucht, haben sofort nach dem Bürgerkrieg zu beweisen versucht, dass Willow Springs entweder zum einen oder zum anderen gehört. Wirf einen Blick auf eine dieser alten Karten, die sie in Windeseile gezeichnet haben, sobald die Unionssoldaten abgezogen waren, und du kannst sehen, dass das Einzige, was uns mit dem Festland verbindet, eine Brücke ist – und selbst die muss nach jedem größeren Sturm neu gebaut werden. (Vor langer Zeit haben sie mal was von Stahl und Beton geredet, aber da Georgia und South Carolina keine Steuern einfordern konnten, wollte niemand für die Arbeit blechen. Also bauen wir sie selber wieder auf, wenn es nötig ist, und bauen sie so, wie wir sie brauchen – gerade stabil genug, um bis zum nächsten starken Wind zu halten. Brauchen eine Stahl- und Betonbrücke nur einmal alle siebzig Jahre oder so. Holz und Pech kosten bloß ein Zehntel und erfüllen volle neunundsechzig Jahre ihren Zweck – eine simple Rechenaufgabe.) Wie auch immer, die neunundvierzig Quadratmeilen sind geformt wie ein Schießbogen, der im Süden auf Georgia zugeht und im Norden auf South Carolina, und genau in der Mitte, wo die Pfeiler unserer Brücke sitzen, liegt die Grenzlinie zwischen den beiden Staaten.

Tja, wem gehört das Land also? Es gehört uns – schlicht und einfach. Und es gehörte unseren Vätern und deren Vätern vor ihnen und wieder denen davor – die einmal alle Bascombe Wade gehört hatten. Und als sie nachforschten, wie er selber dran gekommen war, fanden sie heraus, dass er nicht mal Amerikaner gewesen war. Sondern gebürtiger Norweger oder so was, und das Land war im Besitz seiner Familie da drüben in Europa gewesen, seit es von den Wikingern entdeckt und beansprucht worden war – man stelle sich das mal vor. Also dank der Hexerei von Sapphira Wade haben wir es von Norwegen oder irgendwo daher gekriegt, und wenn wir jemand Steuern schulden, dann denen. Gibt aber keine Wikinger oder irgendwelche anderen von da drüben in Europa, die mit so einem Dummkram zu uns gekommen wären wie diese Leute aus Columbia und Atlanta – wir seien unamerikanisch. Und so, wie wir es sahen, hatte Amerika gar nichts damit zu tun, wenn es um unser Land ging: Sapphira war in Afrika geboren, Bascombe Wade war aus Norwegen, und es war das 18 & 23ern zwischen den beiden, das uns das Land verschafft hatte. Und wir waren auch keine Amerikaner, als wir es kriegten – wir waren Sklaven. Und die Gesetze von wegen, dass Sklaven in Georgia und South Carolina nichts besitzen durften, galten hier nicht, weil das Land zu keinem von beiden gehört – damals nicht und heute nicht. Als es hier eine Menge Baumwolle gegeben hat und wir sie zu Ballen pressten und jenseits der Brücke verkauften, haben wir unsre Steuern an die Vereinigten Staaten von Amerika bezahlt. Und wir führen Buch über alle Fische, die gefangen und jenseits der Brücke verkauft werden, über unser ganzes bisschen Gemüseanbau. Und als wir später rübermussten, um zu arbeiten, oder als unsere Kinder rübergingen, haben wir Steuern von ihren Löhnen gezahlt. Wir zahlen Steuern für die Telefon- und Stromleitungen, die über den Sund laufen. Gibt hier niemand, der gegen das Gesetz verstößt. Aber Georgia und South Carolina kriegen nicht mal den Schimmer eines Pennys für unser Land, unsere Häuser, unsere Straßen oder unsere Brücke zu sehen. Na, sie haben sich in der Angelegenheit gegeneinander bis zum Obersten Gerichtshof hochprozessiert, und es endete mit einem Unentschieden. Wir nehmen an, sie hatten die Nase davon so voll, dass sie beschlossen, uns in Ruhe zu lassen – bis diese Bauspekulanten anfingen, hierherzuschwärmen wie Sandfliegen bei einem Sonntagspicknick.

Sicher, wir hätten das Geld brauchen können, und wir nutzten das Land nicht. Aber wie Mama Day ihnen sagte (uns war klar, dass wir sie direkt zu ihr und Miss Abigail schicken mussten), sie würden nicht in ihren dunklen Gabardineanzügen schwitzend den ganzen Weg hierhergeschnauft kommen, wenn sie sich von unserem Land nicht einen Batzen Geld versprächen, und so, wie wir es sahen, gab es genug Land – Küstenland, heißt das –, um uns ein ziemlich angenehmes Leben zu verschaffen. Und kalkuliert auf der Grundlage der tollen Pläne, die ihnen im Kopf rumschwirrten, war eine halbe Million pro Hektar nicht zu viel verlangt. Flapp, flapp, flapp – lieber Gott, da gerieten ihre Unterkiefer und Seidenschlipse im Wind ganz schön in Bewegung. Das Land sei so viel nicht wert, wenn sie darauf nicht bauen könnten. Jassör, sagte sie ihnen. Und Sie können nicht darauf bauen, wenn wir es nicht verkaufen … Wir kriegen also unseren Teil jetzt, und Sie Ihren später. Du hättest mal diese Rockschöße über den Sund zurückflattern sehen sollen, mit ihren ganzen Lügen von wegen »Aufschwung der Gemeinde« und »bessere Jobs«. Denn es ging überhaupt nicht um »wir jetzt und sie später« – sondern um »sie jetzt und wir nie«. Hatten wir nicht gesehen, was in den Achtzigern auf St. Helena, Daufuskie und St. John passiert war? Und davor in den Sechzigern auf Hilton Head? Da hatten sie den Leuten das Land abgeschwatzt und als Erstes Zäune drum herum gebaut und dann vom Festland die Bauunternehmer und hoch bezahlten Manager rübergebracht – hat niemand auf den Inseln das Geringste davon gehabt. Und die einzigen dunklen Gesichter, die man jetzt in ihren »Ferienparadiesen« sieht, gehören denen, die die Toiletten sauber machen und den Rasen mähen. Auf ihrem eigenen Land, wohlgemerkt, ihrem eigenen Land. Würde in Willow Springs nicht passieren. Denn wenn Mama Day Nein sagt, sagen alle Nein. Es gibt so ein 18 & 23 und so ein 18 & 23 – und niemand würde dem von Mama Day in die Quere kommen, denn sie weiß, wie man damit umgeht, schließlich ist sie eine direkte Nachfahrin von Sapphira Wade, und noch dazu stammt sie vom siebten Sohn des siebten Sohns ab – ah-ha. Sagt Mama Day Nein, sagen alle Nein. Hat keinen Sinn, dass du einen Haufen Geld machst, um dir dann über kurz oder lang Flöhe wegzukratzen, die du nicht hast, oder dich wie eine Alligatorschildkröte im Sumpf zu suhlen. Und wenn jemand darauf warten sollte, dass sie stirbt, so kann er lange warten. Sie sagt, sie stirbt nicht. Und wenn man’s recht bedenkt: Im einen Jahrhundert aufzukreuzen, es durch das ganze nächste zu schaffen und eine Zehe schon ins darauf folgende zu schieben, das ist so nahe an Unsterblichkeit, wie einer nur kommen kann.

Also, diese Spekulanten erhöhten den Preis und änderten die Pläne, änderten die Pläne und erhöhten den Preis, bis es zu einem Spiel für uns wurde. Winky kaufte ein Motorboot mit dem, was sie ihm 1987 boten, tauschte es zwei Jahre später gegen einen Kabinenkreuzer und sagt, er erwartet, dass er sich mit dem Angebot, das dieses Jahr in seiner Post liegt, eine Jacht leisten kann. Parris steigerte sich von einem neuen Schindeldach zu einer mehrgeschossigen Ranch und ist jetzt auf dem Weg, einen Swimmingpool und ein Treibhaus dazu zu bauen. Aber auch wenn das Lachen verebbt, das Grundprinzip bleibt. Und wir haben gelernt, dass alles, was von jenseits der Brücke kommt, mit allergrößter Vorsicht betrachtet werden muss. Schau dir bloß an, was passiert ist, als Reemas Junge – der mit dem birnenförmigen Kopf – sich aus einem dieser piekfeinen Colleges auf dem Festland wieder hierherbequemt hat, mit seinen Kladden und dem Kassettenrekorder im Schlepptau und der komischen Angewohnheit, die Lippen zu schürzen und die Zähne aufeinanderzuklacken, total aufgeregt und entschlossen, Willow Springs bekannt zu machen und auf die Landkarten zu bringen.

Wir waren ganz freundlich – Reema ist schon immer etwas wirr im Kopf gewesen, also konnte man es dem Jungen nicht ankreiden, wenn er nicht mehr wusste, dass ein Teil der Probleme von Willow Springs genau daher rührte, dass es gleich nach dem Bürgerkrieg in einige Landkarten eingetragen worden war. Und als er dann rumlief und uns über 18 befragte, konnten wir ihn nur noch bemitleiden, wie er so von »Ethnografie«, »einzigartigen Sprachmustern«, »Erhalt der Kultur« und ähnlichem Kram drauflosplapperte, der ihn schrecklich zu begeistern schien, während er in seine kleine graue Maschine hineinsprach. Er tauchte überall auf: Was bedeutet 18 & 23? Was bedeutet 18 & 23? Und wir alle sagten ihm die reine Wahrheit: Es war nur unsere Art, etwas auszudrücken. Winky war allerdings scheußlich, er spuckte sogar Tabaksaft für ihn. Saß den ganzen Tag auf seiner Veranda, kaute dem Jungen seinen Red Devil Premium weg und spuckte so, dass die Maschine es gut aufnehmen konnte. Die Sache war lustig genug, um uns durch Herbst und Winter zu bringen, bis er sich wieder über den Sund irgendwohin davonmachte, um sich dort das zu verschaffen, was angeblich eine Ausbildung war. Und er schickte allen, mit denen er geredet hatte, Kopien von seinem Buch, hübsch gebunden, mit unserem Namen und seiner Signatur auf der ersten Seite. Wir konnten Reema nicht mehr auf den Teppich kriegen, so stolz war sie. Ist nur gut, dass sie es nicht gelesen hat. Keiner von uns hat es auch nur durch die Einführung geschafft, aber die sagte alles: Er war nämlich zu der Schlussfolgerung gekommen, und zwar nach »ausgedehnter Feldarbeit« – hat in seinem ganzen Leben nicht eine Baumwollkapsel oder einen Salatkopf gepflückt, Reema hat ihn wie närrisch verwöhnt –, aber er war trotzdem zu der Schlussfolgerung gekommen, dass 18 & 23 ganz und gar nicht 18 & 23 war, sondern in Wirklichkeit 81 & 32, was zufällig die Längen- und Breitengrade waren, auf denen Willow Springs auf der Landkarte platziert war. Und wir wären einfach so verdammt blöd gewesen, dass wir das Ganze verdreht hätten.

Nicht dass er es blöd genannt hätte, wohlgemerkt, er nannte es »unsere kulturelle Identität durchsetzen«, »feindliche soziale und politische Parameter umkehren«. Verstehst du, weil wir als Sklaven hierhergebracht worden waren und keine andere Wahl hatten, als alles verdreht zu sehen. Und dann, weil wir hier so isoliert auf der Insel hockten, wo doch alle anderen im Land anständiges Englisch lernten und die Dinge so nannten, wie sie richtig hießen – wie im Wörterbuch und so, während wir die Dinge weiter arschrückwärts nannten. Und er fand das so wunderbar und fabelhaft und so weiter und so fort … Na, nachdem diese Bücherkiste hier angekommen war, falls irgendjemand noch irgendwelche Zweifel gehabt hat, was diese Spekulanten hier vorhatten, falls hinter den Witzen über Motorboote und Swimmingpools, die man sich mit dem Verkauf von einem Stück Land angeblich anschaffen konnte, auch nur ein kleines bisschen Ernst gesteckt haben sollte, diese Bücher haben damit aufgeräumt. Leute, die solche Schulen unterhielten, die aus unseren Kindern komplette Vollidioten machten – und dann sein Bild hinten auf dem Buchumschlag abdruckten, damit wir nicht mal leugnen konnten, dass er es war –, hatten mit uns nichts Gutes im Sinn.

Wenn der Junge wissen wollte, was 18 & 23 bedeutet, wieso hat er nicht einfach gefragt? Als er hier rumlief und allen Leuten diese Maschine vors Gesicht hielt, waren wir alle zur Stelle – jeder Einzelne von uns –, und weil er ein Junge von Reema war, hätten wir ihm den Gefallen getan. Er hätte Cloris nach ihrem krummen Rücken fragen können, den sie von der einen Aussaat hatte, wo ihr Maulesel sich das Bein gebrochen und sie die Zügel genommen und den Pflug selber gezogen hatte. Winky hätte ihm von dem heißen Teer erzählt, der ihm die Ecke seines rechten Auges rausgebrannt hatte in dem Sommer, als wir nur sieben Tage hatten, um die Brücke wieder aufzubauen und das bisschen Ernte, das uns nach dem Sturm geblieben war, rüberzuschaffen, bevor es verrottete. Jedermann hätte ihn über die Felder geführt, die wir seit den Achtzigern nicht mehr bearbeiten konnten, weil wir woanders Jobs annehmen mussten, Autos waschen, Lebensmittel austragen, Häuser putzen, eben alles – denn während der heimlichen Wirtschaftskrise hatten wir nur die Wahl, das Land zu verlassen oder es zu verlieren. Damals schliefen mehr Leute auf der Straße, und die Banken betrieben mehr Zwangsvollstreckungen gegen Farmen als während der großen Wirtschaftskrise davor.

Nein, er wollte gar nicht wirklich wissen, was 18 bedeutet, sonst hätte er gefragt. Er hätte sofort gefragt, wo Miss Abigail Day wohnt, damit wir ihn die Hauptstraße rauf zu dem kleinen gelben Haus hätten schicken können, wo sie gewohnt hat. Und sie hätte ihm ein großes Glas mit Eiswasser oder mit Zimttee gegeben, und er hätte gehört, wie Peace ganz jung gestorben war, dann Hope und noch mal Peace. Aber da war das Kind von Grace – das Enkelkind, ein Mädchen, das wie er aufs Festland gegangen war und sich wirklich gut gemacht hatte. Lebte jetzt außerhalb von Charleston mit ihrem Mann und zwei Jungs. Deshalb kommt sie viel öfter zu Besuch als damals, als sie noch in New York gewohnt hat. Und sie hätte wahrscheinlich das alte Fotoalbum rausgeholt, damit er sich ein paar Bilder von ihrer Enkelin Cocoa und von Grace, Cocoas Mama, hätte ansehen können. Und Miss Abigail blättert gleich vor bis zu dem hübschen Bild von Grace, wie sie in ihrem mit Satin ausgeschlagenen Sarg liegt. Und während sie ihn zurück auf die Vorderveranda begleitet und über die Straße zu einem silbernen Wohnwagen zeigt, wo ihre Schwester Miranda wohnt, sagt sie ihm, dass er ein paar Stängel von der Minze, die am Fuß der Treppe wächst, pflücken und kauen soll – das würde gegen den Durst in der heißen Sonne helfen. Und wenn er so schlau gewesen wäre, genau das zu tun, durstig oder nicht, wäre er auch so schlau gewesen, vor dem silbernen Wohnwagen in einigem Abstand stehen zu bleiben und Mama, Mama Day zu rufen und abzuwarten, bis sie herauskam und ihn zu sich winkte.

Er hätte ihr gesagt, dass er von Miss Abigail geschickt worden sei, und mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit hätte sie ihn dann reingelassen. Und wieder hört er von dem Kind von Grace, ihrer Großnichte, die wie er aufs Festland gegangen ist und sich wirklich gut gemacht hat. Lebt mit ihrem Mann und den beiden Jungs außerhalb von Charleston. Deshalb kommt sie jetzt öfter zu Besuch als damals, wo sie noch oben in New York gelebt hat. Cocoa sei für sie wie eine leibliche Tochter, erzählt ihm Mama Day, denn sie habe nie eigene Kinder gehabt.

Und während er die Minze gekaut hätte, hätte sie ihn bestimmt in den Garten begleitet, der zu dem Hartriegel führt, um ihm zu sagen, dass sie den Besuch kurz halten muss, weil sie beim andern Haus noch ein paar Gartenarbeiten zu erledigen hat. Und wäre er nun so schlau, ihr anzubieten, sie ein kleines Stück zu begleiten, dann – und nur dann – würde er von diesem Sommer vor vierzehn Jahren hören, als Cocoa mit ihrem ersten Mann aus New York zu Besuch gekommen war. Ja, erzählt sie, es habe einen ersten Mann gegeben – einen echten Großstadtjungen. Sein Name sei George gewesen. Und dass Cocoa fortgegangen und er geblieben sei. Dass es das Jahr mit dem letzten großen Sturm gewesen sei, der ihre Pekannussbäume umgerissen und sogar das Dach vom anderen Haus eingedrückt habe. Und bei einer Steineichengruppe lässt sie ihn anhalten; sie langt hinauf, reißt ihm ein bisschen Louisianamoos ab, das er sich in seine festen Lederschuhe tun soll – denn die bringen seine Füße wahrscheinlich ganz fürchterlich zum Schwitzen, sagt sie zu ihm. Und er muss sich auf den Boden setzen, gleich dort, und seine Schuhe aufbinden und das Moos hineinlegen. Und dann würde er durchs niedrige Gebüsch den alten Friedhof unten am Abhang sehen. Und wenn er wieder hochschaute, wäre sie zwischen den Bäumen verschwunden; aber er muss weiter das Louisianamoos in seine Schuhe stopfen und runter zum Friedhof gehen, wo er Grace, Hope, Peace und noch mal Peace beerdigt finden wird. Dann, ein Stückchen weiter, eine Gruppe von sieben alten Gräbern – und ein Stückchen weiter sieben noch ältere. Alle umgeben von diesen Steineichen und dem hängenden Moos, auf einer Anhöhe oberhalb des Sunds.

Alles, was er wissen musste, hätte er von dem gelben Haus über den silbernen Wohnwagen bis zu diesem Friedhof hören können. Aber es ist zu spät jetzt für ihn, diesen Weg einzuschlagen, da Miss Abigail seit mehr als neun Jahren tot ist.

Trotzdem, es gibt noch einen leichteren Weg. Er könnte einfach Cocoa beobachten, wenn sie mal wieder von Charleston zu Besuch hierherkommt. Sie geht schnurstracks zu Miss Abigails Haus, um die Zimmer zu lüften und ihre Koffer auszupacken, dann geht sie über die Straße, um nach Mama Day zu rufen, die zur Wohnwagentür kommt und winkt, während Cocoa sich durch das Hartriegelgebüsch zu dem Steineichenhain aufmacht. Sie bleibt stehen und stopft ein bisschen Moos in ihre offenen Sandalen, geht dann an den Gräbern vorbei zu einer Stelle auf der Anhöhe überm Sund, etwas südlich von diesen Steineichen. Und wenn er geduldig wäre und sich ein bisschen abseits hielte, würde er feststellen, dass sie hierherkommt, um sich mit ihrem ersten Mann zu treffen und mit ihm über jenen vierzehn Jahre zurückliegenden Sommer zu reden, als sie weggegangen und er geblieben ist. Und während sie und George gut zwei Stunden zusammen verbrachten – ohne dass einer ein Wort sagte –, hätte Reemas Junge von ihnen alles hören können, was es über 18 & 23 zu sagen gab.

Aber recht bedacht, wenn es jemand nicht versteht, Fragen zu stellen, versteht er auch nicht zuzuhören. Und er hätte ihnen zuhören können, so wie du uns jetzt zuhörst. Denk nach: Eigentlich redet niemand wirklich mit dir. Wir sitzen hier in Willow Springs, und du bist Gott weiß wo. Es ist August 1999 – besteht nur eine geringe Chance, dass es bei dir gerade dieselbe Jahreszeit ist. Ja, ja, hör zu. Hör diesmal wirklich zu: Die einzige Stimme ist deine eigene. Aber du hast schon von der Legende von Sapphira Wade gehört, obwohl niemand hier ihren Namen ausspricht. Du hast sie so gehört, wie wir sie erfahren, wenn wir auf unseren Veranden sitzen und Erbsen pulen, den mitternächtlichen Husten eines Babys zum Verstummen bringen, den Motor eines Autos auseinandernehmen – du hast sie gehört, ohne dass eine einzige Menschenseele auch nur ein Wort gesagt hat. Ist allerdings ein Jammer, dass Reemas Junge nicht so wie du Cocoa und George unten bei den Steineichen zuhören konnte – sonst wäre er mit einer bemerkenswerten Geschichte abgezogen.

1

Du hast mit einem Plastiktrinkhalm in deinen Zähnen gestochert – ich weiß, ich weiß, es war gar kein Trinkhalm, es war ein Kaffeerührstäbchen. Aber, George, seien wir fair, es gibt zwei kleine Öffnungen in diesen Dingern, sodass man damit wahrscheinlich Flüssigkeit aufsaugen könnte, wenn man in einer Notlage ist, also halte ich es für gerechtfertigt, es als Trinkhalm zu bezeichnen, zumal solche Bruchbuden wie dieser Coffeeshop in der Third Avenue sich nicht schämten, es als Kaffeerührstäbchen zu bezeichnen, wo doch das Zeug, das sie einem in die Tasse schütteten, ganz bestimmt nicht die Bezeichnung Kaffee verdiente. Alles an dieser Art Läden war ein bisschen mehr oder weniger als das, was es hätte sein sollen. Mich regte das immer auf: Die Edelstahlvitrinen waren zu sauber, und ist dir jemals aufgefallen, dass die Kuchen und Torten darin niemals krümelten, wenn sie durchgeschnitten wurden, und dass kein Saft jemals aus den Zucker- und Honigmelonen tropfte? Die Resopalplatten waren ein bisschen zu glatt für die Ellbogen, und der Geruch von diesen roten Vinylsitzen – immer rotes Vinyl – durchdrang den Geschmack des Essens, das lau ankam, wenn es ein warmes Gericht war, und lau, wenn es ein kaltes Gericht war. Ich schwöre dir, einmal habe ich ein lauwarmes Pistazieneis bekommen, und es war steinhart. Diese New Yorker Läden waren zur Fließbandabfütterung bestimmt, und es funktionierte – es gab darin nichts, was einen zum Verweilen ermunterte. Vor allem, wenn die Rechnung schon unten am Dessertteller klebend mitkam – wer mochte nach einer zweiten Tasse Kaffee fragen und dann zusehen müssen, wie sich ein großer, fettiger Daumenabdruck langsam über dem Dankeschön, das auf der Rückseite gedruckt war, ausbreitete?

Ich nehme an, du nahmst das Rührstäbchen für deinen Kaffee, weil du den Teelöffel schon für die Suppe benutzt hattest. Ich sah, wie dir die Kellnerin das Mittwochsgericht brachte, und das bedeutete Erbsensuppe, über die man sich schnell hermachen musste, bevor sie anfing zu klumpen. Um das Risiko zu umgehen, weitere zwanzig Minuten auf einen Suppenlöffel warten zu müssen, benutztest du deinen Teelöffel, wonach du nichts mehr zum Umrühren deines Kaffees hattest, der mit der Rechnung kam. Und offensichtlich wusstest du, dass dich das »Bin-gleich-bei-Ihnen, Babe« von unserer reizenden Kellnerin dazu verdammte, entweder deinen Finger oder ein Plastikrührstäbchen zu benutzen oder den Kaffee schwarz zu trinken. Und du nahmst Unmengen von Zucker und Milch. Der Junge versteht die Kunst des erfolgreichen Speisens auf der Third Avenue, dachte ich. Wenn auf der Mittagskarte nichts über sechs Dollar ausgepreist ist, hat man schon viel erreicht, wenn man es ohne Magengeschwüre zurück zur Arbeit schafft.

Und ich hatte nicht den geringsten Zweifel, dass du nach der Mahlzeit in irgendein Büro oder an sonst einen festen Arbeitsplatz zurückgehen würdest. Es waren nicht nur das kurzärmelige blaue Hemd und die Krawatte; du hast mit einer Gelassenheit und Bestimmtheit gegessen, die mit jedem Bissen von dem sehnigen Roastbeef deutlich signalisierte: ein Angestellter. Sechs Monate Arbeitssuche hatten aus mir eine Expertin im Erkennen von Leuten gemacht, die sich genau wie ich abhetzten, um dann zu warten – in irgendeinem Vorzimmer auf irgendeine Chance, hinter die heiligen Türen zu gelangen und dort zu beweisen, dass sie zwei Wörter in der Minute tippen konnten oder sich nicht die Bluse vollsabberten, während sie schwierige Fragen über ihren zweiten Vornamen und ihr Geburtsdatum beantworteten.

Bis zu jenem August hatte ich daraus eine Wissenschaft gemacht, obwohl die Leute hier sagen würden, ich sei mit Mama Days Zweitem Gesicht begabt. Das Zweite Gesicht hatte nichts damit zu tun: Im März jenes Jahres wurden allmählich die Mäntel abgelegt, und es war so ein April, in dem man schon den spuckenden Klimaanlagen entlang der Straße ausweichen musste, und bis zum Hochsommer hatte ich einen klaren Blick dafür – diese flotten Käfer auf den Avenues, deren Kleider noch die Glätte von Sachen aufwiesen, die den ganzen Vormittag von kühler Luft in irgendeinem klimatisierten Kasten umweht worden waren. Oder die Aktentaschen, die mit einem Gewicht neben Männerschenkeln baumelten, das deutlich besagte, es befand sich mehr darin als leere Fächer und eine Turnhose. Und vermutlich, weil ich eine Frau war, konnte ich es immer am Haar erkennen: Ein Kopf wird anders gehalten, wenn er jede Woche betütert wird, wenn der Nacken massiert wird, um die angespannte Muskulatur zu lockern, »damit die Wellen richtig fallen, meine Liebe«. Die Blondinen mit ihren Bubiköpfen, meine Ebenbilder mit den glatt gezogenen Locken, diese asiatischen Frauen, die mit ihrem Haar praktisch überhaupt nichts machen mussten, um hinreißend auszusehen, sodass sie es sich kräuseln oder kurz schneiden ließen, weil dann alle wussten, dass sie sich die fünfunddreißig Dollar in der Woche dafür leisten konnten. Ja, diese Leute hatten alle Arbeit. Und gewiss brauchte man kein Zweites Gesicht in den Zügen im abendlichen Berufsverkehr: all diese Baumwollhemden mit offenem Kragen – immer kariert oder bunt – und den getrockneten Schweißflecken unter den Armen von Fahrgästen, die noch einen Sitzplatz ergattern konnten, bevor die U-Bahn auf ihrem Weg nach Norden Midtown erreichte; denn diese Männer hatten ihre Schicht in den Fabriken, Lagerhäusern und Ladedocks weiter unten auf der Delancey Street oder in East New York oder Brooklyn hinter sich.

Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit erforderten die Zwischentypen: um rauszukriegen, welche Aktentaschen zwar mit dem richtigen Gewicht schwangen, aber nur Stapel von Lebensläufen enthielten, oder in welchen Gucci-Terminkalendern die säuberlich ausgeschnittenen Stellenanzeigen auf die Seiten geklebt waren, damit es so aussah, als würde ihre Besitzerin dort, wohin sie ging, erwartet, während in Wirklichkeit von ihr erwartet wurde, dass sie wartete. Ich muss zugeben, der Schwindel mit dem Terminkalender erforderte ein wenig Originalität und Klasse. Dieser Typ wusste, dass eine auf den letzten Teil zusammengefaltete Zeitung alles sofort verriet. Und ich weiß nicht, wen die anderen zu täuschen versuchten, wenn sie so taten, als würden sie die Überschriften und Leitartikel überfliegen, bevor sie zu den Stellenanzeigen übergingen und dort schließlich die Zeitung umschlugen und ein paar Zentimeter dichter ans Gesicht hielten. Wenn alles andere versagte, konnte ich nur noch beobachten, wie sie gingen – entweder zu entschlossen oder zu zögernd durch irgendeine Drehtür auf der Sixth Avenue. Das Unglück sucht sich gern Gesellschaft, und genau danach suchte ich in jenem drückenden August in den Straßen von New York. Ich verabscheute die Heuchler durch und durch, und wenn ich einen rauspicken konnte, fühlte ich mich in meiner Haut ein bisschen wohler. Zumindest war ich echt: Ich hatte keine Arbeit, und ich wollte welche – dringend. Wenn deine Arbeitslosenschecks eine kürzere Lebenszeit als eine Tsetsefliege haben und wenn du weißt, dass du mit Teilzeitarbeit kaum die Miete bezahlen kannst, und wenn alle Hauseingänge um den Times Square herum schon von sehr entschlossen aussehenden Damen besetzt sind, dann ist jede Maskerade für die Katz. Dann kann man nur noch seine Freunde jeden zweiten Tag um einen neuen Tipp bitten, die Zeitung sofort bei den Stellenanzeigen aufschlagen und dort eine Tasse Kräutertee und einen gemischten Salat bestellen, wo die Rechnung dafür an einem Tisch in der Nähe der Klimaanlage weniger als zwei Dollar beträgt.

Als du aufgegessen hattest und diskret versuchtest, das Roastbeef aus deinen Zähnen zu pulen, hatte ich noch zwanzig Minuten Zeit bis zur nächsten Massenbewerbung. Ich würde in dem Pulk zwischen eins und drei in der Andrews & Stein Engineering Company durchgeschleust werden. Und wenn meine Füße nicht so geschwollen gewesen wären, weil ich unterm Tisch die hochhackigen Schuhe ausgezogen hatte, wäre ich vielleicht rübergegangen und hätte dir einen von den Zahnstochern mit Pfefferminzgeschmack angeboten, die ich immer bei mir hatte. Ich hatte schon eine ganze Reihe Männer in Restaurants mit meiner Zahnstocherschachtel kennengelernt: Es war eine narrensichere Methode, um eine Unterhaltung anzuknüpfen, sobald ich sah, was sie bestellt hatten und wie sie es aßen. Die Art und Weise, wie ein Mann kaut, kann einem eine ganze Menge darüber verraten, was für eine Art Liebhaber er ist. Lach nicht – Fleisch ist Fleisch. Und du hattest diesen drei Scheiben Roastbeef eine Sorgfalt zukommen lassen, die sie nicht verdienten, daher kam mir tatsächlich der Gedanke, dass du die Mühe wert sein könntest, mich wieder in meine Schuhe zu zwängen. Du hattest hübsche Zähne und kräftige, stumpfe Finger, und deine Nägel waren sauber, aber Gott sei Dank nicht manikürt. Ich hatte versucht, rauszukriegen, womit du deinen Lebensunterhalt verdientest. Die Kombination von einem kurzärmeligen bunten Hemd und einer Strickkrawatte konnte alles bedeuten von einem Wachmann bis zu einem exzentrischen Vizepräsidenten. Egal, was, jeder, der ein Plastikrührstäbchen den unverpackten Zahnstochern auf dem Tellerchen neben der Kasse vorzog, wo sich Ohrenschmalzkrümel und Fett von ungezählten rumwühlenden Fingernägeln ansammelten, besaß zumindest gesunden Menschenverstand, wenn nicht sogar Hochachtung vor der feineren Etikette.

Aber als du an mir vorbeigingst, ließ ich dich und den Gedanken fallen. Meine Zahnstocher hatten mir bereits zwei Verabredungen im letzten Monat verschafft: mit einem ganzen Kotzbrocken und einem halben Kotzbrocken. Ich hätte darauf setzen können, dass mein Glück mit jedem Mal größer wurde und du nur ein Viertelkotzbrocken sein würdest. Aber selbst wenn, die Begegnung mit einem Viertelkotzbrocken in einem Coffeeshop auf der Third Avenue bedeutete für gewöhnlich, dass er meinte, ich würde einen kostenlosen Vortrag im Botanischen Garten über die Paarungsgewohnheiten von Usambaraveilchen und ein Abendessen in einem griechischen Restaurant – rote Vinylsitznischen – als sozialen Aufstieg betrachten. So viel hatte dieses Südstaatenmädchen gelernt: Es bestand eine eindeutige Beziehung zwischen dem Ort, wo man in New York einen Mann kennenlernte, und dem Ort, wohin er einen ausführte. Also, in einer dieser Nischen in einem griechischen Restaurant aufgegabelt zu werden, bedeutete Abendessen in einem ethnischen Mittelklasselokal: mexikanisch, chinesisch, süditalienisch, mit richtigen Tischtüchern, aber unter einer Glasplatte, und wahrscheinlich Off-Broadway-Tickets. Und wenn man sich in einem dieser Restaurants jemand anlachte, dann hieß das die obere ethnische Schublade: norditalienisch, französisch, russisch oder kontinental, mit Kellnern, nicht Kellnerinnen, und Balkonsitze am Broadway. East-Side-Restaurants, Jazzklubs im Village und Parkettplätze im Lincoln Center waren eine Abendeinladung mit der Kategorie, die man im Maxwell’s Plum oder in einer der Single-Bars oberhalb der Neunundfünfzigsten Straße auf der East Side und unterhalb der Sechsundneunzigsten auf der West Side antraf.

Ich war nie in die Barszene vorgestoßen, weil ich nicht trank und mich weigerte, drei fünfzig für ein Klub Soda zu bezahlen, bis der Langweiler des Abends aufkreuzte. Manche meiner Freundinnen sagten, dass man auf diese Weise in null Komma nichts eine Achtzehn-Dollar-Rechnung zusammenkriegen könne, nur um dann das Vergnügen mit einem rosahäutigen Viertelkotzbrocken zu haben, der fürs Essen nächste Woche mit dir auch eine ethnische Schublade weiter unten ausreichend fand, weil du eine Schwarze bist. Und wenn er ein brauner Viertelkotzbrocken war, hatte er bis kurz vor Lokalschluss gewartet, um die Rechnung für deinen letzten Drink zu übernehmen. Und wenn du nicht ein gehöriges Maß Dankbarkeit für seine Hand auf deinem Schenkel und eine Einladung in sein Zweiter-Stock-ohne-Fahrstuhl-Paradies zeigtest, dann bekamst du sinngemäß gesagt, dass dein schlechtes Benehmen genau der Grund war, weshalb er ursprünglich nach weißen Mädchen Ausschau gehalten hatte.

Das hört sich schrecklich an, oder? Nun, das waren schreckliche Zeiten für eine alleinstehende Frau in deiner Stadt. Das alles hatte etwas so Verzweifeltes und Trauriges – besonders für meine Freundinnen. Weißt du, Selma ging immer wieder in diese schicken Single-Bars, weil sie felsenfest behauptete, das sei die einzige Möglichkeit, »bestimmte« schwarze Männer kennenzulernen. Und sie lernte sie kennen, solche, die ganz gewiss nicht nach ihr suchten. Dann war es ausgerechnet im Central Park, wo sie diesen Arzt aufgabelte. Nicht einfach irgendeinen Arzt, nein, einen Park-Avenue-Neurochirurgen. Nach nur drei Monaten sprach er von Heirat, und sie malte uns lautstark eine Zukunft mit Bädern in Chanel No. 5 und mit Duschvorhängen aus plastiküberzogenen Dollarnoten aus – den ganzen Quatsch. Und das Traurige war eigentlich nicht, wie es sich entwickelte – ich meine, so verrückt das auch war, als er ihr schließlich erzählte, dass er eine Geschlechtsumwandlung vornehmen wolle, aber noch auf die richtige Frau warte, die bereit wäre, sich ebenfalls operieren zu lassen, weil er nicht im Traum daran denke, mit einem anderen Mann zu schlafen, auch nicht nach der Operation; noch verrückter – und noch viel trauriger – als all das, George, war die Tatsache, dass sie ernsthaft in Erwägung zog, ihm nach Dänemark zu folgen und sich operieren zu lassen. Also, ich sage dir, mochten meine Zahnstocher auch eine noch so kleine Geste sein, sie halfen mir, mich aus diesem ganzen Wahnsinn rauszuhalten.

Ich verließ schließlich den Coffeeshop und spürte jegliche Frische, die neu in mein Leinenkostüm und in mein Haar gekommen war, dahinschwinden. Wie konnte es so heiß werden in der Third Avenue, wo doch die Hochhäuser die Sonne abblockten? Als ich vor sieben Jahren nach New York gekommen war, hatte ich mich nach der Notwendigkeit solcher riesigen Gebäude gefragt. Niemand schien je für sehr lange darin zu sein; alle waren draußen auf den Bürgersteigen, furchtbar eilig irgendwohin unterwegs – und wohin? In meinem ersten Monat hier war ich entschlossen, das herauszufinden. Ich folgte einmal einer Frau: Sie hatte eine Bienenkorbfrisur mit Haarnadeln, die zu dem Strass auf ihrer schräg wie Katzenaugen geformten Sonnenbrille passten. Nur ihre beiden Daumennägel waren mit glänzendem Lack bemalt und so lang, dass sie sich krumm wie Haken bogen. Ich dachte, sie sei so sonderbar, dass niemand auf mich achten würde, wenn ich ihr nachging. Wir starteten auf der Dreiundfünfzigsten Ecke Sixth Avenue, nahe dem Sheraton, gingen Richtung Westen zur Eighth Avenue, bevor wir nach rechts einbogen, wo sie an einem koreanischen Obststand stehen blieb, eine Kiwi kaufte und im Weiterlaufen die Haut mit ihren Daumennägeln abpellte. Ich verlor sie am Columbus Circle; sie warf die geschälte Frucht ungegessen in eine Mülltonne und fuhr auf der Rolltreppe zur U-Bahn runter. Als sie hinunterging, kam eine andere Frau mit zwei prallvollen Plastiktüten die Rolltreppe rauf. Die führte mich den Broadway entlang bis zu der Stelle, wo er auf die Columbus Avenue und die Dreiundsechzigste stößt, und setzte sich auf eine der Bänke auf der Verkehrsinsel, die Tüten zwischen ihren Knien. Sie schlug fortwährend mit den Hacken dagegen, und es klang, als hätte sie Töpfe und Pfannen darin. Ein wirklich vornehm aussehender Kerl mit einem Tweedjackett und grauen Koteletten stand im selben Moment von der Bank auf, als sie sich hinsetzte, ging in ein Blumengeschäft auf der anderen Seite der Columbus Avenue, kam mit leeren Händen wieder heraus, und ich folgte ihm zurück Richtung Downtown zum Circle, bis wir zum Eingang des Central Park kamen. Er ging langsamer, drehte sich um, sah mir geradewegs ins Gesicht und lächelte. In dem Moment bemerkte ich, dass sein Hosenlatz von Sicherheitsnadeln für Windeln zusammengehalten wurde – du weißt schon, solche, wie man sie früher hatte, mit rosa Häschenköpfen drauf. Ich dachte, nie würde jemand meine Central-Park-Geschichte übertreffen, bis Selma ihren Neurochirurgen dort traf. Nach dem Kerl gab ich es auf – ich war inzwischen ohnehin erschöpft. Ich hasste Gehen beinahe so sehr, wie ich U-Bahnen hasste. Es ist irgendwas Heuchlerisches an einer Stadt, die die Hälfte der Zeit die Hälfte ihrer Einwohner unter der Erde behält; man könnte glauben, es gibt viel mehr Platz, als tatsächlich da ist – zum Leben, zum Arbeiten. Und ich hatte mit beidem Mühe, trotz dieser endlosen Kleinanzeigen in der Sonntagsausgabe der Times. Weißt du, es gibt allein in ihrem Stellenteil mehr Seiten als im Telefonbuch hier in Willow Springs. Aber ich brauchte eine Weile, um dahinterzukommen, dass der New Yorker Rassismus sich wie die meisten Menschen im Untergrund bewegte.

Mama Day und Großmama hatten mir erzählt, dass es mal eine Zeit gegeben hat, als die Stellen- und Immobilienanzeigen in den Zeitungen – sogar oben im Norden – deutlich mit »farbig« oder »weiß« gekennzeichnet waren. Es muss wundervoll einfach gewesen sein, auf Jobsuche zu gehen. Es wurde einem eine Menge Beinarbeit und Kopfzerbrechen erspart. Und wie ich mich nach diesen Zeiten sehnte, während ich mich die Straßen rauf- und runterquälte. Ich erwähnte mal etwas in der Art auf einer der Partys, die Selma für ihre ganz bestimmten Leute gab. Es wurde so still im Raum, als hätte ich verkündet, sie würden in Wahrheit einheimischen Wein trinken. Einer ihrer ganz bestimmten Menschen war so empört, dass seine Stimme zitterte: »Sie meinen, Sie wollen die Rassentrennung wieder einführen?« Ich sah ihn an wie einen Trottel – wo war sie bloß hin? Ich wollte nur die klaren Verhältnisse wiederhaben, das würde mir eine Menge U-Bahn-Münzen ersparen. Womit ich mich jetzt befassen musste, waren Anzeigen, in denen stand Unternehmen mit Chancengleichheit oder gar nichts – wo ebenso gut hätte stehen können Farbige erwünscht oder Ergreifen Sie Ihre Chance. Und selbst wenn ich mich auf die sicheren Angebote beschränken wollte, dann musste ich mir immer noch überlegen: Chancengleichheit bei was für einer Arbeit und bei was für einem Gehalt? Da ging dann das Kopfzerbrechen los.

Wie bei der Anzeige, der ich an diesem Nachmittag nachging: zweieinhalb Zentimeter in der Montagsausgabe für eine Abteilungsleiterin. Eine lange Stellenbeschreibung, sodass nicht genug Platz war, um »Unternehmen mit Chancengleichheit« zu drucken, selbst wenn es eins war. Sie hatten am Sonntag nicht inseriert, das hatte ich überprüft. Sie wollten nicht zwischen den halb- und ganzspaltigen Anzeigen der Vermittlungsagenturen untergehen. Offensichtlich eine kleine Firma. Andrews & Stein Engineering Company: Sie war mindestens zur Hälfte jüdisch, das hieß also liberal – vielleicht. Oder vielleicht wollten sie nur ihre eigenen Leute. Bevor ich nach New York kam, hatte ich noch nie irgendwelche Juden gesehen, außer im Fernsehen. Ich hatte gehört, dass sie sehr zusammenhielten, und da ich aus Willow Springs kam, konnte ich das gut nachempfinden. Branchenübliches Gehalt: Das konnte alles heißen, je nachdem, ob sie in einer Branche mit Burger King oder mit IBM waren. Einstellungsbeginn 1. September: Das war das Ausschlaggebende, trotz all der anderen Fragen, die noch ungeklärt waren. Wenn ich den Job bekommen würde, könnte ich noch Mitte August nach Hause fahren. Auch wenn ich ihn nicht bekommen würde, würde ich nach Hause fahren. Mama Day und Großmama konnten mir verzeihen, dass ich aus Willow Springs fortgegangen war, aber nicht, dass ich fortblieb.

Ich fand die Adresse und sah genau das, was ich befürchtet hatte. Ein fünfstöckiges Bürogebäude – Billigmietenbezirk, falls man überhaupt etwas in New York billig nennen konnte. Andrews & Stein befand sich in Suite 511. Der Fahrstuhl wie auch das alte Marmorfoyer und der kastanienbraun bedruckte Auslegeteppich im fünften Stock waren abgenutzt, aber gut gepflegt. Die Flure waren matt erleuchtet, um laufende Kosten zu sparen, und die Wände sahen aus, als würden sie in spätestens einem Monat einen neuen Anstrich brauchen. Ich konnte sehen, dass das ganze Gebäude recht und schlecht in Schuss gehalten wurde von einem eifrigen Hausmeister, der wahrscheinlich kurz vorm Ruhestand war. O nein, wenn diese Leute mich einstellten, dann für ein lächerliches Gehalt. Firmen, die Räume in einem solchen Gebäude mieteten, blätterten anständige Gehälter nur für Mr Steins strohdumme Nichte oder für Mr Andrews’ derzeitiges Betthäschen hin. Na, jetzt bist du schon hier, Cocoa, dachte ich, zieh halt die Sache pro forma durch.

Die Kirsch-Vanille, die mir mit einem Knopfdruck die Tür öffnete, war vorhersehbar, aber es gab vielleicht noch immer Grund zur Hoffnung. Wenn kleine, liberale Betriebe einen Schokoladenpudding hinter ihre Glasrezeption steckten, dann gab es selten noch mehr von denen hinten in den Büros. So eine vorn als Aushängeschild zu platzieren, ließ sie nachts gut schlafen und in dem Glauben, sie hätten den Geist Martin Luther Kings zur Ruhe geschickt. Es waren noch drei andere Frauen vor mir und ein sehr, sehr schwuler Asiat. Gott, solche waren selten – zumindest in meinen Kreisen. Die vier hatten bereits Klemmbretter und füllten ihre Bewerbungsbogen aus – vervielfältigte. Kirsch-Vanille war einigermaßen freundlich. Sie entschuldigte sich, dass nicht mehr Sitzplätze da seien, und sagte, ich müsse warten, bis eins der Klemmbretter frei würde, es sei denn, ich hätte selbst eine Schreibunterlage dabei. Ein sehr kleiner Betrieb. Aber sie verströmte nicht diese ölige Höflichkeit, die normalerweise dazu diente, dass dir stillschweigend jede Hoffnung auf den Job genommen wurde. Eine der Frauen, die dort saßen und ihre Bewerbung ausfüllten, war echte Lakritze. Ihr Haar fiel in weichen Wellen und glänzte wie Lackleder, und selbst aus der Nähe konnte ich nicht sagen, wo das Haar endete und ihre Haut anfing. Und sie hatte den Körper und den Mut, ein Balletttop zu tragen, das ebenso rot wie eng anliegend war. Ich vermute, die Lady sagte sich: Ihr werdet mich schon aus einer Meile Entfernung kommen sehen, ob es euch nun gefällt oder nicht. Ich wette, einer Menge Männern gefiel es. Wenn sie Mr Andrews’ Flittchen ersetzen wollte, würde sie den Job kriegen. Und die Art, wie sie mich von oben bis unten musterte – und mit dem Blick meine helle Haut und das zerknitterte Leinenkostüm abtat –, weckte in mir den Wunsch, meinen armseligen Busen rauszustrecken, aber das bedeutete, auch meine nicht existierenden Hüften einzubringen. Vergiss es, dachte ich, du stehst hier da ohne Titten, ohne Arsch und ohne Farbe. Also tröste dich mit der Fantasie, dass sie die Adresse verwechselt hat und sich für den falschen Job bewirbt. Wieso sollte sie zu einem Vorstellungsgespräch in einer Aufmachung erscheinen, die je nasser, desto besser aussähe, wenn sie nicht Rettungsschwimmerin werden wollte? Die anderen beiden Frauen konnte ich sofort ausmustern – Milchshakes. Eine hatte ihren Lebenslauf auf Blätter in unterschiedlichen Pastelltönen getippt und durchforstete sie gerade. Ich nehme an, um festzustellen, welches am besten zur Bürodekoration passte. Die andere hatte ihre Sozialversicherungskarte vergessen und wollte wissen, ob sie wegen der Nummer zu Hause anrufen sollte. Dumm genug zu sein, sie nicht auswendig zu lernen, war eine Sache, aber sich dann nicht einfach hinzusetzen und die Klappe zu halten, war mehr als einfältig. Selbst wenn Andrews & Stein eine Tarnung der Amerikanischen Nazipartei gewesen wäre, hätte sie keine Chance gehabt. Also waren die einzig ernsthaften Konkurrenten in dem Haufen ich, Lacklederhaar und Kumquat, die kleine ostasiatische Orange.

Ich erbte das Klemmbrett von der Frau mit der vergessenen Sozialversicherungskarte, und sie war drin und wieder draußen und plapperte weiter über die verdammte Nummer, noch bevor ich bei der Ausbildung angekommen war. Außer der Highschool gab es da nur zwei Jahre auf der Berufsschule in Atlanta – aber ich hatte als Beste meiner Klasse abgeschlossen. Es war die Berufserfahrung, auf die es bei einem solchen Job wirklich ankam. Dies war kein Laden, wo man sich um seinen Aufstieg Sorgen machen musste – all diese hinter der Empfangsdame zusammengepferchten Kästen und Aktenschränke –, hier ging es um den bloßen Durchstieg.

Ein Job in sieben Jahren sah sehr gut aus – mit einer fünfzigprozentigen Gehaltserhöhung. Pflichten: verschiedene und immer komplexere mit den Jahren. Die Versicherungsgesellschaft war einfach pleitegegangen, das war alles. Hätte ich bleiben können, wäre ich wahrscheinlich Versicherungsagentin geworden – aber ich habe eigentlich das Büro geleitet. Zwölf Sekretärinnen, fünfunddreißig Vertreter, sechs Schadenssachverständige und ein gieriger Präsident, der nicht genug Verstand hatte, darauf zu verzichten, die Hälfte der Häuser in der South Bronx zu versichern – sogar mit dreifachen Prämien bei Feuer- und Wasserschäden. Diese Gauner von Vermietern machten ein Vermögen, und jedes Mal, wenn ich jemand mit einem Feuerzeug sah, zuckte ich zusammen. Ich war bei Hobbys angekommen – das nervte mich immer; was ging sie meine Freizeit an? –, als Lacklederhaar reingerufen wurde. Sie stand auf, wie Frauen das tun, die wissen, dass sie besser aussehen, wenn sie in voller Größe zu sehen sind. Ich fragte mich, was sie wohl bei außerberuflichen Aktivitäten hingeschrieben hatte. Ich seufzte und schlug die Beine übereinander. Es würde eine lange Warterei werden. Nach zwanzig Minuten lächelte Kumquat mitfühlend zu mir rüber – zumindest wussten wir beide, dass er wohl kein Ass mehr im Ärmel hatte.

Der Knopf für die Gegensprechanlage auf dem Telefon der Empfangsdame leuchtete auf, und als sie wieder auflegte, nickte sie dem asiatischen Jungen zu.

»Mr Andrews ist noch immer bei dem Vorstellungsgespräch, daher muss Sie Mr Stein empfangen. Nehmen Sie Ihre Bewerbung mit zur zweiten Tür links, Mr Weisman.«

Er grinste mir wieder zu, während ich spürte, wie mein Leinenkostüm das letzte bisschen Bügelglätte unter der Niederspannungsklimaanlage einbüßte. Gott, ich wollte nach Hause – und ich meinte, richtig nach Hause. Trotz aller Probleme von Willow Springs, ein Katzenfisch war dort immer noch ein Katzenfisch.

Nun, Weisman war ziemlich schnell wieder draußen. Ich sagte mir zum tausendsten Mal, nichts in New York würde mich je wieder überraschen. Stein war wahrscheinlich ein Antisemit. Es dauerte weitere zehn Minuten, und ich saß noch immer da und wurde allmählich wirklich stinkwütend. Konnte Mr Stein mich nicht auch empfangen? Nein, sie habe gerade ein Ferngespräch von einem Kunden durchgestellt, aber Mr Andrews sei sicher gleich für mich da. Das bezweifelte ich ernsthaft. Er versuchte gerade, Lackleder – obwohl sie glaubte, sich für eine Stelle als Rettungsschwimmerin zu bewerben – davon zu überzeugen, dass man gewiss einen Posten für jemand mit ihren Fähigkeiten finden könnte. Ich gönnte ihr nicht die Genugtuung, meinen Zorn über die halbstündige Warterei zu sehen, wenn sie herausstolziert käme – ich studierte eifrig das Einwickelpapier meiner Kaugummipackung, da ich die Zeitung weggeworfen hatte, bevor ich herkam. Das Ding war beim Anzeigenteil unwiderruflich zerknittert, meine Tasche zu klein, um es darin zu verstecken, und man wollte bei einem Vorstellungsgespräch keinen dermaßen verzweifelten Eindruck machen. Und es gab nicht mal irgendwelche alten Ausgaben von Popular Mechanics oder so was im Vorraum – unterste Schublade durch und durch.

Schließlich wurde ich ins innere Heiligtum vorgelassen und ging ohne einen Funken Hoffnung an den Aktenschränken vorbei durch eine weitere Tür, die zu einem erstaunlich geräumigen Netzwerk kleinerer Büros führte. Ich betrat das dritte auf der linken Seite, wie mir aufgetragen worden war, und da warst du: blaues Hemd, Strickkrawatte, hübsche Zähne und alles. Ich fühlte die Schachtel mit den Minzzahnstochern durch die Tasche gegen meinen Schenkel drücken, als ich mich hinsetzte und die Beine übereinanderschlug, und zum ersten Mal an diesem Tag lächelte ich aufrichtig.

Bis du an diesem Nachmittag in mein Büro marschiert bist, hätte ich mich nie als abergläubischen Menschen bezeichnet. Weit davon entfernt. An das Schicksal oder die Vorherbestimmung zu glauben hieß, zu glauben, dass es eine Zukunft gab, und ich bin ohne eine aufgewachsen. Wir konnten entweder so oder gar nicht aufwachsen. Und unsere Erzieher im Wallace-P.-Andrews-Waisenheim für Jungen brachten uns eisern bei, ausschließlich in uns selbst zu investieren. »Haltet euch an das Jetzt, Freunde«, sagte Chip immer, wobei er auf seinem rechten Unterkiefer herumkaute und spuckte, als hätte er noch immer den Tabakpriem da drin, den in unserer Gegenwart zu kauen Mrs Jackson ihm verboten hatte. Und ich wusste, ich würde sie hören bis zu dem Tag, an dem ich starb: »Nur die Gegenwart bietet Chancen, Sir.« Ich würde sie sogar noch sehen können, wie sie den Kopf ruckartig hochnahm, das Kinn von irgendeinem Jungen packte, der weinte, weil er im letzten Pflegeheim nicht zurechtgekommen oder in der Schule gehänselt worden war, weil er keine Mutter hatte. Sie fasste sogar hoch ans Kinn eines kräftig gebauten Teenagers, der versuchte, ein schlechtes Zeugnis zu entschuldigen. Ich konnte noch immer den Schmerz in meiner Unterlippe fühlen von dem erbarmungslosen Griff ihres Daumens und Zeigefingers, die mir ins Kinn kniffen – »Nur die Gegenwart bietet Chancen, Sir.«

Sie sind wohl keine liebevollen Menschen gewesen, sie und Chip – und auch nicht, wenn man drüber nachdenkt, liebenswert. Aber wenn sie uns auch nicht gerade liebten, ihrer Arbeit widmeten sie sich mit großer Hingabe. Und Mrs Jackson betrachtete es als Teil ihrer Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dieses ausgemergelte Häuflein Außenseiter – die in den Plan von irgendjemand nicht hineingepasst hatten, sodass wir ausgemustert worden waren – zumindest mit Respekt angeredet wurde. Da waren so viele Jungen, und die Gesichter wechselten dauernd, sie wurde alt und konnte sich nie unsere Namen merken und bemühte sich auch nicht, das zu verbergen. Wir alle waren ärmer als arm, die meisten von uns waren schwarz oder Puerto Ricaner, also war es ziemlich wahrscheinlich, dass dies das erste und letzte Mal sein würde, dass uns jemand Sir nannte. Und wenn Reden und Ins-Kinn-Zwicken nicht halfen, war es nicht unter ihrer Würde, ebendiesen Worten durch einen braunen Lederriemen Nachdruck zu verleihen – einen Männergürtel, von dem die Schnalle entfernt worden war. Wir fragten uns immer, woher sie einen Männergürtel hatte. Man konnte Mrs Jackson ansehen, dass sie nie eine Mrs gewesen war, sagten die älteren Jungs. Oder falls sie sich vor tausend Jahren mal irgendeinen armen alten Trottel geangelt haben sollte, hätte er bei ihr nie einen hochgekriegt und schon gleich gar nicht die Hosen runterlassen müssen. Aber so was wurde nur weit außerhalb ihrer Hörweite gesagt, wenn sie einem was über den Rücken oder die Arme gezogen hatte. Sie ließ den Gürtel mit einer kalten Präzision niedersausen, die schrecklicher war als der Schmerz, den sie zufügte, und sie ließ ihn genau zehnmal niedersausen – einen Hieb für jede Silbe: »Nur die Gegenwart bietet Chancen, Sir.«

Kein Junge wurde jemals oberhalb des Halses oder vorne unterhalb der Taille berührt. Und sie schlug nie und nimmer diejenigen – egal, was sie anstellten –, die mit gebrochenen Armen oder Brandmalen von Zigaretten auf den Leisten ins Wallace P. Andrews gekommen waren. Ihnen entzog sie das Abendessen und das Frühstück am nächsten Morgen und sogar das Mittagessen, wenn sie meinte, sie hätten es verdient. Bernie Sinclair ist deswegen einmal umgekippt, und als er in der Krankenstube aufwachte, stand sie vor ihm und erklärte, dass er bis nach dem Abendessen bewusstlos gewesen war, aber er hätte auch dann kein Abendessen bekommen, wenn er nicht ohnmächtig geworden wäre.

Grausam? Nein, ich würde es beherrscht nennen. Bernie hatte ihr ins Gesicht gespuckt. Und sie verzog keine Miene, weder als es während der Hygieneuntersuchung passierte, noch als sie in der Krankenstube vor ihm stand. Als Bernie zu uns kam, waren ihm die Hälfte seiner Zähne ausgeschlagen, und er hasste es, die andere Hälfte zu putzen. Mrs Jackson schritt, wie jeden Morgen, die Reihe der Jungen unter zwölf ab und prüfte die Fingernägel, sah hinter die Ohren und rief zur morgendlichen Streckübung (Hände über den Kopf, Beine gegrätscht, Knie gebeugt und gestreckt), um ungewaschene Achseln und Unterleiber aufzuspüren. Bernie wollte seinen Mund für sie nicht aufmachen und musste die tägliche Aufzählung der Tatsachen über sich ergehen lassen (sie hielt nie Standpauken, sie nannte es die Aufzählung simpler Tatsachen): Wenn seine restlichen Zähne wegen mangelnder Pflege verrotteten, dann müsste der Zahnarzt ihm ein volles Gebiss statt nur eines Teilgebisses anpassen. Und es würde doppelt so lange dauern, um das Geld anzufordern, das dazu vom Staat benötigt wurde. Das würde dazu führen, dass er doppelt so lange in der Schule gehänselt und im Speisesaal auf Breikost gesetzt würde. Sie sagte das, wie sie alles sagte – langsam, deutlich und ohne Emotion. Zum zweiten Mal beugte sie sich vor und forderte ihn auf, den Mund zu öffnen. Er tat es und landete einen Batzen Spucke auf ihrer rechten Wange. Sogar Joey Santiago zuckte zusammen – seine gesamten ein Meter dreiundachtzig und zweihundert Pfund. Aber Mrs Jackson ließ sich nichts anmerken. Sie nahm das bestickte Taschentuch heraus, das sie in ihrem aufgerollten Blusenärmel aufbewahrte, und wischte sich das Gesicht ab, während sie eine weitere Liste von Tatsachen aufzählte: Sie habe ihn zweimal aufgefordert, sie fordere niemals ein Kind öfter als zweimal auf, irgendetwas zu tun – das waren die Regeln im Wallace P. Andrews. Kein Mittagessen, kein Abendessen, und er musste trotzdem allen seinen Pflichten nachkommen. Ich vermute, deshalb ist er umgekippt, kein Essen und unter der heißen Sonne in unserem Garten Unkraut rupfen – das und die Angst davor, was sie wirklich mit ihm machen würde, weil er sie angespuckt hatte. Er war noch neu und wusste nicht, dass sie überhaupt nichts machen würde.

Unser Zorn war ihr egal, ebenso unsere Verletzungen oder Enttäuschungen darüber, was das Leben uns angetan hatte. Nichts davon würde in der Welt draußen irgendeine verdammte Rolle spielen, also konnten wir das ebenso gut bereits im Wallace P. Andrews lernen. Es gab nur Regeln und Tatsachen.Mrs Jacksons Welt draußen auf Staten Island hatte Regeln, von denen man behaupten könnte, dass sie nicht fair waren, aber sie waren konsequent. Und wurden sie verletzt, so hatten wir die Garantie, dass sie uns – egal, wie sie es anstellen musste – beibringen würde, Verantwortung für die betreffenden Taten zu fühlen – ausschließlich für unsere Taten. Und so seltsam es auch war, wir verstanden, dass diese Bestrafungen eine Verbesserung unserer Situation darstellten: Bevor wir hierherkamen, hattenwir Prügel und kein Essen lediglich dafür gekriegt, dass wir auf der Welt waren.