»Mama, ich will spielen!« - Iben Dissing Sandahl - E-Book

»Mama, ich will spielen!« E-Book

Iben Dissing Sandahl

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  • Herausgeber: Mosaik
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Was brauchen Kinder, um glücklich zu sein? Wir investieren heute so viel Zeit und Energie in die schulische Bildung unseres Nachwuchses, anstatt zuzulassen, dass sie sich selbst und ihre Umgebung spielerisch erkunden. Unstrukturiertes, freies Spiel ist keine Zeitverschwendung. Ganz im Gegenteil: Spielen ist ein wertvoller, experimenteller Weg, bei dem Kinder die Gelegenheit haben, grenzenlose Räume in ihrer Fantasie zu erschaffen. Warum in Dänemark Spielen ein wichtiges Element der kindlichen Entwicklung ist, zeigt dieses Buch allen Eltern und Erziehern. Eine ganz praktische Anleitung zur Integration des Spiels in unseren Alltag und den unserer Kinder.

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Seitenzahl: 178

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IBEN DISSING SANDAHL

»Mama, ich will spielen!«

Warum dänische Kinder resilienter und kreativer sind

Aus dem Englischen von Karin Wirth

Die englische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel »Play. The Danish Way« bei Forlaget Ehrhorn Hummerston, Kopenhagen.

Alle Ratschläge in diesem Buch wurden vom Autor und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft. Eine Garantie kann dennoch nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist daher ausgeschlossen.

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Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Außerdem von Iben Dissing Sandahl im Programm:Warum dänische Kinder glücklicher und ausgeglichener sind( auch als E-Book erhältlich)

Deutsche Erstausgabe April 2020

Copyright © 2017 der Originalausgabe: Forlaget Ehrhorn Hummerston, Kopenhagen

Copyright © 2020 der deutschsprachigen Ausgabe: Mosaik Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: Sabine Kwauka

Umschlagmotiv: lookphotos/blend images; shutterstock

Redaktion: Dagmar Rosenberger

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

GS ∙ TW

ISBN 978-3-641-26083-5V001

www.mosaik-verlag.de

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Spiel-Eid

Die dänische Art

Freies Spiel

Eine glückliche Entwicklung

Das ganze Kind

Tipps für Eltern

Warum spielen?

Unser innerer Kompass

Ein spielerischer Geist

Zusammensein

Spielanleitung

So nutzen Sie die Spielanleitung

# Hygge

# Gleichberechtigung

# Beziehungen

# Gerüste

Spielräume

Spielen im Wohnzimmer

Spielen im Freien

Spielen mit oder ohne Spielzeug

Spielen und Zeit am Bildschirm

Dos and Don’ts

Wo kann uns das Spielen hinführen?

Beispiele aus Dänemark

Fünf Spielarten

1. Körperliches Spiel

2. Spiel mit Gegenständen

3. Symbolisches Spiel

4. Rollenspiel

5. Spiele mit Regeln

Dank

Quellen

Register

Vorwort

Als Warum dänische Kinder glücklicher und ausgeglichener sind herauskam, war ich überhaupt nicht darauf vorbereitet, welche außergewöhnliche Entwicklung dieses Buch für mich und meine Arbeit anstoßen würde. Ich stelle mir vor, dass es sich für eine Raupe so anfühlen muss, zum ersten Mal die Flügel auszubreiten und ihre Reise als Schmetterling anzutreten. Jeder neue Leser, den dieses Buch findet, erfüllt mein Herz mit Demut.

Ich bin dankbar dafür, dass Sie als Leser die dänische Art, Kinder zu erziehen, in Ihr eigenes Leben integriert haben, sei es in der Familie oder in Bildungseinrichtungen. Bei mir hat dieses Buch eine noch größere Neugier auf andere Lebensweisen geweckt und mich dazu ermutigt, noch mehr von meinen persönlichen und beruflichen Werten und Erfahrungen zum Thema Erziehung zu teilen.

»Freies, unstrukturiertes Spiel in einem geeigneten Rahmen bietet ein großes Potenzial für die Erziehung glücklicher, ausgeglichener und resilienter Kinder.«

Als Reaktion auf Warum dänische Kinder glücklicher und ausgeglichener sind kamen so viele Anfragen, die mich bewogen haben, auf das Thema »Spielen« einzugehen. Die Idee, über das Spielen zu schreiben, kam somit von Ihnen allen. Dieses Buch ist meine Antwort darauf, und es ist mir wichtig zu betonen, dass es eine Erweiterung meiner persönlichen und beruflichen Perspektive – als Dänin, Mutter, Lehrerin und Psychotherapeutin – in Bezug auf das Spielen darstellt. Es ist eine Einführung dazu, wie man das freie Spielen in den Alltag integrieren kann.

Freies, unstrukturiertes Spiel in einem geeigneten Rahmen bietet ein großes Potenzial für die Erziehung glücklicher, ausgeglichener und resilienter Kinder.

Ich glaube, dass wir alle dasselbe wollen: unseren Kindern ein besseres Leben ermöglichen. Als Lehrerin und Psychotherapeutin ist es für mich naheliegend, mich ausführlicher mit der Bedeutung des Spielens zu befassen. Ich war zehn Jahre lang Lehrerin und acht Jahre lang Klassenlehrerin derselben wunderbaren Klasse. Was ich von meinen Schülern gelernt habe, indem ich ihre Entwicklung von kleinen, neugierigen Kindern zu starken, lebenshungrigen Jugendlichen verfolgt habe, bedeutet mir sehr viel. Mit anderen Worten: Ich habe sowohl als Mutter als auch als Pädagogin meine persönlichen Erfahrungen gesammelt und weiß, worauf es bei der Kindererziehung ankommt.

Sommer in Dänemark

Dass das Spielen eine so große Bedeutung in meinem Leben hat, ist auf meine eigene Kindheit zurückzuführen. Ich bin Dänin und mein Denken ist in meinem kulturellen Erbe verwurzelt. Aber darüber hinaus bin ich auch einfach neugierig auf das, was es noch zu lernen gibt, und ich möchte, dass das Lernen Spaß macht. Eine Möglichkeit, das umzusetzen, ist, weiter zu spielen. In dem Moment, in dem wir als Erwachsene in ein spielerisches Universum eintauchen und alles außerhalb dieses Universums für eine Weile verschwindet, lassen wir der Fantasie freien Lauf, und die Alltagshektik verblasst. Das passiert nicht oft, aber ich bin sicher, dass wir uns alle an dieses Gefühl erinnern. Ist das vielleicht das universelle Geheimnis des Spielens – völlig im Augenblick aufzugehen? Ich glaube, dass wir auch als Erwachsene viel daraus lernen können, alles andere loszulassen und einfach zu spielen.

In meiner Kindheit fuhren wir jeden Sommer in das Ferienhaus meines Vaters. Es war ein altes Bauernhaus, das er zusammen mit einigen Arbeitskollegen von der Universität in der Nähe der wilden, schönen Nordsee gekauft hatte. Dieses Haus war einer der wichtigsten Orte der Freude in meiner Kindheit. Es war für meinen Vater nicht leicht, sich seinen Traum von einem Ferienhaus, in dem er im Sommer mit mir und meiner Schwester wohnen konnte, zu erfüllen. Als meine Eltern sich scheiden ließen, war es für ihn als alleinerziehenden Vater schwierig, sich zusätzlich zu einem großen Wohnhaus auch noch ein Ferienhaus zu leisten. Aber mein Vater fand es wichtig, die Gemeinschaft und die Freude mit anderen Menschen zu erleben. Die Lösung war, das Haus zusammen mit vier Paaren aus seinem Bekanntenkreis zu kaufen. Die meisten Leute fanden diese Konstellation wohl ziemlich seltsam, aber ohne die gesellige Natur meines Vaters und seiner Kollegen wäre mir eine der wertvollsten Erfahrungen meiner Kindheit verwehrt geblieben.

»Meine Kindheit war geprägt von Sommern voller unstrukturiertem, freiem Spiel. Wir lachten, diskutierten, verhandelten und erschufen alles miteinander, bis wir spät abends glücklich, zufrieden und müde ins Bett fielen.«

Versuchen Sie, sich acht bis zehn Kinder im selben Alter vorzustellen, die den ganzen Tag unbeaufsichtigt miteinander spielen. Unsere Eltern überwachten uns nicht, und wir konnten auf 1000 Quadratmetern drinnen und unbegrenzten Flächen draußen unsere Kreativität entfalten. Wir sammelten Blätter von Rosenknospen und stellten unser eigenes Eau de Toilette her. Wir spielten eine Art Fantasy-Spiel mit Requisiten aus unserem Kleiderfundus und dem, was wir in der Natur fanden. Wir schwammen im Meer, bauten imposante Sandburgen und konnten unserer Fantasie freien Lauf lassen. Abends durften wir für unsere Eltern Theater spielen, die uns Applaus und Aufmerksamkeit schenkten. Alles kam aus freiem, kreativem Spiel und unseren gemeinsamen Fantasien. Meine Kindheit war geprägt von Sommern voller unstrukturiertem, freiem Spiel. Wir lachten, diskutierten, verhandelten und erschufen alles miteinander, bis wir spät abends glücklich, zufrieden und müde ins Bett fielen.

Ich teile diese persönliche Erinnerung mit Ihnen, um deutlich zu machen, welche Wirkung es bei einem Kind hinterlässt, wenn es die Chance bekommt, sich durch Spielen weiterzuentwickeln.

Ich hoffe, dass Sie dieses Buch über das Spielen anregend und hilfreich finden, damit wir alle dafür sorgen können, dass auf der Welt mehr Toleranz, Empathie und Glück herrschen.

Ich danke Ihnen von ganzem Herzen.

Einleitung

Ich habe mich oft gefragt, warum Kinder so gerne spielen. Was hat das Spielen zu bieten und weshalb ist es so wichtig für das Wohlbefinden von Kindern? Gleichzeitig habe ich mich auch gefragt, was ich gern über die Bedeutung des Spielens gewusst hätte, als meine Kinder noch klein waren. Vielleicht wäre ich eine bessere Mutter gewesen, wenn ich das Potenzial des Spiels schon damals erkannt hätte. Deshalb dient dieses Buch auch als kurze Einführung in die Bedeutung des Spielens.

Freies oder Gutes Spielen ist Teil der dänischen Art, Kinder zu erziehen. Das »G« bildet den ersten Buchstaben des Akronyms »G-L-U-E-C-K« aus meinem vorherigen Buch, das ich zusammen mit Jessica Alexander geschrieben habe: Warum dänische Kinder glücklicher und ausgeglichener sind. Das Akronym beinhaltet sechs Grundsätze für die Erziehung selbstbewusster und kompetenter Kinder. »G« steht für Gutes Spiel, »L« für Lernorientierung, »U« für Umdeuten, »E« für Empathie, »C« für Coolbleiben und »K« für Kuscheliges Zusammensein (Hygge). Als Mutter in dem Land, in dem seit mehr als 40 Jahren die glücklichsten Menschen der Welt leben, möchte ich einige Elemente der dänischen Erziehungskultur mit Ihnen teilen, und eines davon ist unsere Art zu spielen.

Wenn wir von »freiem Spiel« sprechen, wird immer wieder die Frage gestellt, was darunter zu verstehen ist. Heute sind viele kindliche Aktivitäten von Erwachsenen angeleitet, wodurch die Fähigkeit der Kinder, sich frei zu entfalten, beeinträchtigt werden kann. Von Erwachsenen angeleitete Aktivitäten sind nichts Schlechtes, da oft gute pädagogische Prinzipien dahinterstehen, aber aus diesen Situationen entstehen selten spontane, fantasievolle Spiele. Strukturierte Spiele, wie »Jetzt bauen wir ein LEGO-Schloss, spielen mit Barbie-Puppen oder backen einen Kuchen« geben uns als Eltern die Möglichkeit, mit unseren Kindern zu interagieren. Zeitlich begrenztes strukturiertes Spiel mag erforderlich sein, weil es in einem vollen Zeitplan leichter unterzubringen ist. Aber das Hauptargument dieses Buchs lautet, dass unstrukturiertes, freies Spiel für die Erziehung ausgeglichener, resilienter und gesunder Kinder unerlässlich ist.

Leider spielen viele junge Menschen im Laufe ihres Heranwachsens immer weniger. Die amerikanische Wissenschaftlerin Sandra Hofferth von der Universität Maryland hat 2008 eine umfangreiche Studie durchgeführt, die zeigt, dass das Spielen schon in der Kindheit aus dem Leben der Menschen verschwindet. Von den 80er-Jahren bis zu den 2000er-Jahren ist die Zahl der Stunden, die Kinder mit freiem, unstrukturiertem und spontanem Spiel verbringen, auf acht Stunden pro Woche zurückgegangen. Wir sind niemals zu alt zum Spielen und sollten uns ein Leben lang Gelegenheit geben, in Fantasiewelten zu schlüpfen, die wir aus dem Wunsch nach Spaß und persönlicher Weiterentwicklung heraus erschaffen. In dem hektischen Leben, das wir heutzutage führen, ist es ein Geschenk, durch das Spiel einen Weg in den Flow-Modus zu finden. Wir müssen uns – wie unsere Kinder – so tief wie möglich in unsere Fantasiewelt eintauchen lassen. Hier finden Entwicklung und Kreativität statt, von denen wir in unserem Privat- und Berufsleben profitieren.

Darum ist dies eine Einladung an Sie als Erwachsene, wieder in die Erkundungsphase einzutreten und eine spielerische Geisteshaltung einzunehmen. Wieder einen Zugang zu Ihrer Fantasie zu finden und aus der starken Quelle der Kreativität zu schöpfen, die wir alle in uns tragen. Diese Ressource ist für Sie als Eltern, für Ihre Kinder und für die Dynamik zwischen Ihnen förderlich. Das Spielen wieder ins Erwachsenenleben zu integrieren, ist die beste Möglichkeit, Ihren Kindern das Spielen zu erleichtern. In diesem Buch geht es in erster Linie um die Bedeutung des freien, unstrukturierten Spiels für unsere Kinder. Aber bevor Sie weiterlesen, lade ich Sie als Eltern ein, dieses Buch nicht nur zu lesen, sondern es dafür zu nutzen, das Spielen auch wieder in Ihr eigenes Leben zu integrieren. Der wahre Wert des freien Spiels zeigt sich, wenn wir als Eltern die Jahre des durchorganisierten, rationalen Erwachsenseins dabei hinter uns lassen.

Diejenigen unter Ihnen, die direkt ins Spiel einsteigen wollen, können einfach zur »Spielanleitung« vorblättern und mit ihren Kindern – auf dänische Art – im Spiel schwelgen. Diejenigen, die an Ausführungen dazu interessiert sind, weshalb das Spielen so wertvoll ist, finden im Folgenden eine Einführung in das typisch Dänische am Spielen: Die dänische Art. In diesem Kapitel geht es darum, inwiefern freies Spiel Teil der Erziehung starker, glücklicher und resilienter Kinder ist – unter dem Gesichtspunkt der Ganzheit betrachtet. Im Mittelpunkt des zweiten Kapitels steht die Frage, weshalb das Spielen sowohl im Hinblick auf das Zusammensein als auch auf die Förderung einer spielerischen Geisteshaltung wertvoll ist, die sich auf die gesamte Lebensführung auswirkt. Kapitel drei ist eine praktische Spielanleitung voller Anregungen dazu, wie Sie als Eltern das Spielen mit Ihren Kindern gestalten können. Kapitel vier bietet im Anschluss Inspirationen zur Gestaltung von Spielumgebungen drinnen und draußen. Im letzten Kapitel wird schließlich die Frage gestellt, wohin uns das Spiel führen kann – mit einer Reihe von Beispielen aus dänischen Spielinitiativen.

Spiel-Eid

Freies, unstrukturiertes Spiel lässt der Fantasie ungehindert ihren Lauf. Das Spiel kennt keine Grenzen und lässt uns träumen. Das Träumen erschafft mitten im geschäftigen Alltag einen Raum in uns, und es ist ein Leben lang, nicht nur in der Kindheit, eine treibende Kraft. Durch das Spielen können wir jeden Tag unsere Persönlichkeit mehr entfalten und wir selbst werden.

»Wir alle brauchen leere Stunden in unserem Leben. Sonst haben wir keine Zeit, kreativ zu werden oder zu träumen.«

Robert Coles

Das Spiel ist ein sehr persönlicher Raum, indem man absolut ehrlich sein kann. Es ist ein Raum, in dem man allein oder mit anderen sich selbst, einander und die eigene Fantasie erleben kann. Beim Spiel mit anderen ist es wichtig, diesen geschützten Raum zu respektieren, da alle dabei Seiten von sich zeigen, die im Alltag vielleicht nicht sichtbar sind. Damit das Spiel uns alles gibt, was in ihm steckt, ist es wichtig, sich über eine grundlegende Ethik hinter dem freien, unstrukturierten Spiel zu einigen. Deshalb habe ich diesen Spiel-Eid formuliert, den Sie ausdrucken und vor dem Eintritt in das Spieluniversum mit allen Spielern laut nachsprechen können:

»Wir vereinbaren, diesen Zeitraum mit Spielen zu verbringen. Wir versprechen, offen für alles zu sein, was beim Spielen aufkommt, und es willkommen zu heißen. Wir spielen miteinander und bemühen uns daher, eine spielerische Atmosphäre zu schaffen, in der Raum für alle ist. Es ist ein sicherer Raum, in dem wir uns nicht schützen müssen.

Wir vereinbaren …

viel Spaß zu haben.ganz wir selbst zu sein.zu experimentieren und zu erkunden.dem Zauber der Fantasie Raum zu geben.andere Mitspieler oder ihre Ideen nicht zu verurteilen.die Ehrlichkeit wertzuschätzen, die das Spiel hervorbringt.für unsere eigene Kreativität und die Kreativität der anderen offen zu sein.«

Die dänische Art

Das Spielen macht einen großen Teil des Dänischseins aus. Es ist seit Jahrhunderten ein grundlegender Bestandteil der dänischen Tradition. 1871 entwickelten die Dänen Niels und Erna Juel Hansen die erste spielorientierte Erziehungstheorie, die von Friedrich Fröbel, einem deutschen Pädagogen, inspiriert war. Juel Hansen hielt das Spiel für wesentlich für die Kindesentwicklung, und in Dänemark hat diese Einschätzung immer noch Bestand. Die dänische Art der Kindererziehung spiegelt viele Aspekte der dänischen Kultur wider – bezogen auf den wirtschaftlichen Kontext, unsere Teilhabe an der Politik und unsere ethischen Grundsätze für die Interaktion innerhalb einer Gemeinschaft.

»Kinder lernen beim Spielen. Vor allem lernen Kinder im Spiel zu lernen.«

O. Fred Donaldson

In den USA und vielen anderen Ländern wird das Spiel zum Teil als Zeitverschwendung angesehen, da Lernen als wichtiger gilt. Viele Eltern auf der ganzen Welt konzentrieren sich auf die Bildung, und das Spielen wird traditionell nicht als Beitrag zum Lernen gesehen. Asiatische Eltern legen sehr viel Wert auf große Anstrengung, Disziplin und geplante Aktivitäten. Amerikaner sind häufig zielorientiert und lehren ihre Kinder, unabhängig, selbstbewusst und erfolgreich zu sein. In Afrika braucht es anscheinend ein ganzes Dorf, um ein Kind aufzuziehen, da alle sich für jedes Kind verantwortlich fühlen, als ob es ihr eigenes sei. Südamerikaner wirken oft sehr geradlinig und autoritär, während Araber traditionelle Erziehungsmethoden bevorzugen und im Allgemeinen weniger Wert auf die seelischen und sozialen Bedürfnisse von Kindern unterschiedlichen Alters zu legen scheinen.

Doch wo wir auch leben: Das Spiel ist immer ein Ausdruck der eigenen Kultur. Es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem Kinder nicht spielen.

Die dänische Erziehungsmethode unterscheidet sich dadurch von anderen, dass die Kinder sehr viel Gelegenheit zum unstrukturierten Spiel haben, dass es viele Aktivitäten im Freien und häusliche Umfelder gibt, in denen Kinder aufblühen können. Spontanes Spiel findet eher statt, wenn die Kinder sich sicher fühlen und in einer von Akzeptanz und dem Satz »Es ist in Ordnung« geprägten Atmosphäre leben.

Die Dänen kennen den Wert des freien Spiels seit den Anfängen der Pädagogik, und es liegt nahe, im freien Spiel einen der Hauptgründe dafür zu sehen, dass aus dänischen Kindern Erwachsene werden, die seit 40 Jahren zu den glücklichsten Menschen der Welt zählen. In Dänemark gilt das Spielen nicht als faulenzerischer Luxus, sondern als Eckpfeiler der Entwicklung. Im Spiel können Kinder ohne die Einschränkungen des Erwachsenenlebens ihr volles Potenzial entdecken und ihre individuellen Talente entwickeln. Ich bin davon überzeugt, dass das Spielen in naher Zukunft als die pädagogisch wertvollste Aktivität gelten wird. Und sie kostet keinen Cent. Sie verlangt von den Eltern allenfalls ein wenig Präsenz und Aufmerksamkeit. Ich hoffe, dass wir gemeinsam die Ketten einer durchgeplanten Lebensstruktur sprengen und der Fantasie unserer Kinder freien Lauf lassen, damit sie im Inneren ihre eigene Struktur finden können.

Die Grundlagen der dänischen Pädagogik

Dänemark besitzt eine lange historische, kulturelle und pädagogische Tradition, die uns meiner Meinung nach von anderen Ländern unterscheidet. Wie andere skandinavische Länder hält sich auch Dänemark an die UN-Kinderrechtskonvention, die nicht nur die Erfüllung der Grundbedürfnisse (ein Dach über dem Kopf, materielles Wohlergehen und ein Gefühl von Sicherheit) vorsieht, sondern auch nahelegt, das einzelne Kind zu respektieren, worauf in skandinavischen Schulen und Kindergärten großer Wert gelegt wird. Die Dänen haben großes Vertrauen zueinander, und das politische System basiert auf Werten, die uns wichtig sind, wie sozialer Zusammenhalt und Toleranz. Die Meinungsfreiheit ermöglicht den öffentlichen Diskurs über neue Ansätze und Methoden innerhalb der Pädagogik. Ein Diskurs, bei dem sich oft die Geister scheiden, wenn es darum geht, herauszufinden, was das Beste für unsere Kinder ist. Manche Menschen finden neue pädagogische Ideen aufregend, exotisch und inspirierend. Andere fühlen sich provoziert und finden neue pädagogische Philosophien befremdlich und unwichtig. Und das ist völlig in Ordnung – glücklicherweise gibt es bei uns Raum für unterschiedliche Ansichten.

Ein Großteil der dänischen Lernkultur basiert auf dem Konzept der sogenannten proximalen Entwicklung1. Das bedeutet, dass ein Kind genug Freiraum braucht, um sich im richtigen Bereich mit dem richtigen Maß an Hilfe zu entwickeln. Wenn wir Kinder zu sehr unter Druck setzen oder in eine bestimmte Richtung drängen, besteht die Gefahr, dass sie die Freude am Lernen verlieren und ängstlich werden. Das ist einer der Gründe dafür, dass das freie Spiel ein grundlegender Bestandteil der dänischen Kindererziehung zu Hause und in pädagogischen Einrichtungen ist.

Der Erfolg und die Freude, die Kinder im freien Spiel finden können, spiegeln die Stärke und Resilienz ihres inneren Kompasses wider.

Freies und fröhliches Spiel entsteht aus einem inneren Bedürfnis, sich auszudrücken. Dieser Drang, sich weiterzuentwickeln, ist eng mit der Ausbildung eines starken inneren Kompasses verbunden. Das Bedürfnis, sich einzubringen, zu forschen, Möglichkeiten zu erkennen und zu nutzen, stärkt diesen wichtigen inneren Kompass, den unsere Kinder ihr Leben lang brauchen. Je stärker das Gefühl eines Kindes für seinen inneren Kompass ist, desto besser fühlt es sich insgesamt. Der innere Wegweiser führt Kinder durch das Leben und trägt zu ihrem Glück bei. Ein starker innerer Kompass und ein ausgeprägtes Gefühl für das eigene Selbst machen echtes Selbstwertgefühl aus. Die Dänen sind gut darin, den inneren Antrieb von Kindern zu fördern, indem sie den Bereich der proximalen Entwicklung respektieren, statt sich auf externe Erfolgskriterien zu konzentrieren.

Für Eltern ist es wichtig, die Zone der proximalen Entwicklung bei ihrem Kind zu erkennen. Also nicht die Entwicklungszone, in der man das Kind gerne sehen würde, sondern diejenige, in der es sich tatsächlich befindet. Ich muss betonen, dass diese beiden Zonen nicht immer übereinstimmen. Man erkennt die Entwicklungszone, indem man auf Initiativen oder Ideen des Kindes achtet. »Das kann ich schon selber!«, »Darf ich den Hund ausführen?«, »Du setzt dich da hin, Papa, und ich setze mich hierhin.«, »Schau mal, wie hoch ich schon klettern kann!« oder »Du kannst ruhig das Licht ausmachen, wenn ich schlafe«. Diese Aussagen deuten auf den aktiven Versuch hin, etwas Neues auszuprobieren, zu dem sich das Kind nun bereit fühlt. Stehen Sie diesen Initiativen möglichst nicht im Weg, sondern helfen Sie Ihrem Kind, sicher voranzuschreiten. Lassen Sie Ihr Kind glauben, dass es die Kontrolle hat. Schenken Sie ihm Ihr Vertrauen – Kinder wachsen daran, wenn man ihnen zeigt, dass man an sie und ihre Fähigkeiten glaubt.

»Das freie Spiel bietet uns die Möglichkeit, ein mentales Gerüst um die Persönlichkeit unseres Kindes herum aufzubauen, um sicherzustellen, dass sein Fundament tragfähig ist.«

Spielen und Bewegung sind wesentlich für die Entwicklung rundum gesunder, glücklicher Kinder. Auch wenn das Spiel schwierig ist, sind Kinder freudig erregt, wenn sie feststellen, dass sie ihren Körper und ihr Handeln unter Kontrolle haben. »Ich hab’s geschafft!« bedeutet, sich gut zu fühlen und ein Erfolgserlebnis zu haben, wenn man Mut gezeigt hat. Mut ist in der Kindheit, in der Jugend und auch im späteren Leben erforderlich. Hier passt der Begriff »Gerüst« sehr gut und dient als schöne Metapher für die Unterstützung des Mutes von Kindern, wenn sie sich weiterentwickeln und Dinge ausprobieren: Wenn ein Haus gebaut wird, braucht es ein Gerüst, das es stützt. Sobald es von allein stehen kann, kann das Gerüst entfernt werden. Im übertragenen Sinn bauen wir ein mentales Gerüst um die Persönlichkeit unseres Kindes herum, um sicherzustellen, dass sein Fundament tragfähig ist.

Jedes Kind ist einzigartig