Mama, kommt der Krieg auch zu uns? - Vorwort von Peter Maffay - Sara Bildau - E-Book

Mama, kommt der Krieg auch zu uns? - Vorwort von Peter Maffay E-Book

Sara Bildau

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Beschreibung

Unsere Welt ist nicht heil - aber wie vermitteln wir das unseren Kindern? Sara Bildau ist ZDF-Nachrichtenfrau - und erklärt als Mama auch schreckliche Nachrichten kindgerecht - weil Kinder ein Recht auf Information haben. In unserem digitalen Zeitalter kann man die Nachrichten nicht mehr von den Kindern fernhalten. Krieg, Vertreibung, Amokläufe und Umweltkatastrophen haben längst Einzug in die Spiel- und Klassenzimmer gehalten. Doch wie können Eltern mit ihren Kindern darüber sprechen, ohne sie zu verstören? Und wie damit umgehen, wenn auch kleinere Geschwister mit am Tisch sitzen? Eine Herausforderung für alle Mütter und Väter – für viele auch eine Überforderung. Aber fest steht auch: Kinder haben ein Recht auf Information! Sara Bildau ist Politjournalistin und Moderatorin der ZDF "heute"-Nachrichten sowie Mutter zweier Töchter (5 und 10 Jahre alt). Nachrichten verständlich aufzubereiten und zu erklären, ist ihr täglich Brot, ihren Kindern gegenüber jedoch fällt ihr das nicht immer leicht. Und so begibt sie sich auf die Suche nach Antworten, wie man das Unvorstellbare in Worte fasst, die Kinder jeder Altersstufe verstehen. Durch ihre Gespräche mit Expert*innen aus Pädagogik und Psychologie zeigt sie Wege auf, wie Eltern ihren Kindern Sicherheit geben, auch wenn sie selbst verunsichert sind. Und wie Kinder zu Hause, aber auch in Kita, Schule und durch Freunde lernen können mit herausfordernden Zeiten umzugehen und gemeinsam diese Welt ein kleines Stückchen besser zu machen. *** Mit einem Vorwort von Peter Maffay ***

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Seitenzahl: 263

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impressum

© eBook: 2025 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2025 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Ariane Hug

Lektorat: Sylvie Hinderberger

Covergestaltung: ki 36 Editorial Design, Daniela Hofner

eBook-Herstellung: Liliana Hahn

ISBN 978-3-8338-9626-2

1. Auflage 2025

Bildnachweis

Coverabbildung: Kerrick/iStockphoto.com (Panzer), Strekalova/iStockphoto.com (Haus)

Illustrationen: Adobe Stock; Freepik; iStockphoto.com; Kiranshastry/Flaticon; Mauritius Images; Thomas Leidig

Autorinnenfoto: Thomas Leidig

Syndication: Bildagentur Image Professionals GmbH, Tumblingerstr. 32, 80337 München www.imageprofessionals.com

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Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Für meine Große und meine Kleine,

sowie all die anderen Kinder – auf der Suche nach Antworten

VORWORT VON PETER MAFFAY

Wie sage ich es meinem Kind? Das ist angesichts von Krisen, Krieg und Terror gar nicht einfach. Als Vater einer kleinen Tochter beschäftigt mich diese Frage sehr.

Vor gut zehn Jahren gab es unter Pädagogen eine heftige Kontroverse darüber, ob Grimms Märchen zu brutal für Kinderseelen sind. Aber: Bei den Gebrüdern Grimm wird am Ende immer alles gut. Das Böse verliert. »Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.« Mit diesem versöhnlichen Schlusssatz schliefen Generationen von Kindern abends ein. Genauso ist es bei Tabaluga, dem kleinen grünen Drachen, der mich, meine Band und mein Team schon seit 40 Jahren begleitet: Er besteht gegen den bösen Arktos jedes Abenteuer und hat dabei treue Gefährten an seiner Seite. Schließlich siegen Moral, Vernunft und Freundschaft. In der Realität ist das leider nicht so.

Das, was wir heute mit unseren Kindern zu besprechen haben, ist leider kein Märchen, sondern bittere Wahrheit. Dabei bewegen wir uns auf einem schmalen Grat. Einerseits können wir unsere Kinder nicht von allem fernhalten, was ihnen Angst machen könnte, denn unsere Aufgabe als Eltern ist es, sie auf die Herausforderungen des Lebens vorzubereiten. Auf der anderen Seite sind wir in der Verantwortung, Schaden von unseren Kindern abzuwenden und sie zu beschützen.

Was ist also in dieser Situation richtig und was ist falsch? Wie spricht man mit einem Kind über Gewalt, Tod und Zerstörung? Wie detailliert geht man darauf ein? Wann ist der richtige Zeitpunkt dafür? Sara Bildau hat diese Fragen in ihrem Buch aus verschiedenen Perspektiven beleuchet und Expertenmeinungen dazu eingeholt.

Aus meiner Sicht wäre das Schlimmste, unsere Kinder mit ihren Fragen und Nöten alleinzulassen. Das Zweitschlimmste ist, sie zu unterschätzen. Das hat mich meine kleine Tochter Anouk gelehrt, als wir darüber sprachen, was der Krieg mit den Menschen macht. »Der liebe Gott soll den Krieg beenden, weil mir die Kinder aufgefallen sind und dass sie sterben und keine Anziehsachen haben. Ich will eine Grußkarte machen und darauf ein Herz malen«, sagte sie.

Wir können unseren Kindern also durchaus behutsam vermitteln, dass Kriege entstehen, weil Menschen sich streiten und dabei so böse werden, wie es niemals sein darf. Wir können ihnen zugleich erklären, dass es viel mehr gute Menschen gibt, die sich für den Frieden einsetzen. Wir können über Gewalt reden und darüber, dass Familien aus ihrer Heimat fliehen müssen, weil ihre Häuser zerstört wurden. Zu viele Einzelheiten sollten wir Kindern jedoch ersparen. Denn sie haben ein Recht auf eine unbeschwerte Kindheit, in der sie sich sicher und geborgen fühlen.

Kinder haben die beneidenswerte natürliche Fähigkeit, die Welt positiv zu sehen. Sie dürfen von uns Erwachsenen erwarten, dass wir ebenfalls eine optimistische Grundhaltung an den Tag legen. Denn Kinder lernen vor allem am Beispiel. Ihre wichtigsten Vorbilder sind wir, ihre Eltern.

Wenn wir unseren Kindern etwas schuldig sind, dann das, dass wir zuversichtlich bleiben, uns nicht entmutigen lassen und für eine Welt eintreten, in der Frieden und Mitgefühl die Oberhand haben.

Peter Maffay

AM ANFANG UNSERER ENTDECKUNGSREISE: DIE TALIBAN ZUM FRÜHSTÜCK

Während die Kleine hochkonzentriert ihr Frühstücksei pellt, beschäftigt die Große an diesem Morgen etwas anderes. Etwas, was ich nicht sehe, etwas, womit ich so gar nicht rechne – befinde ich mich doch an diesem Spätsommersonntag daheim quasi im gedanklichen Off-Modus.

Auch sie wirkt entspannt, sitzt genauso da, wie sie es eigentlich nicht soll – lässig das Bein angewinkelt auf dem Stuhl – und fragt mich kauend: »Mama, gibt’s eigentlich was Neues von den Taliban?« Dabei wirkt sie immer noch total gelassen. Ich bin’s aber nicht mehr. Alarm im Kopf! Was stellt mein 10-jähriges Kind mir da nur für Fragen? Und vor allem: Wie reagiere ich darauf?

Obwohl ich für meine Antwort etwas Zeit gewinnen kann, weil ich mich vor Schreck fast an meinem Brötchen verschlucke, fällt mir erst einmal nicht mehr ein, als ebenso cool zu murmeln: »Nee, alles beim Alten!« Keine weiteren Nachfragen – Stille –, dann Gelächter trotz dieses schwierigen Themas.

Anschließend sprechen wir als Familie über die Menschen in Afghanistan. Darüber, dass die USA und ihre Verbündeten – also auch Deutschland – das Land wieder verlassen haben. Und so die Taliban ihre Macht zurückerobern konnten. Wie ungerecht es ist, dass insbesondere den Frauen und Mädchen ihre Rechte genommen werden. »Die dürfen nicht mehr in die Schule gehen?«, fragt die Große. »Gemein!«, findet das nun auch die Kleine.

Mein Mann und ich versuchen, alles so kindgerecht wie möglich zu erklären. Ob es gelungen ist? Ich weiß es nicht. Am Ende freuen sich die Kinder zumindest darüber, was sie selbst doch für ein schönes Leben haben.

Für die Zukunft nehmen wir uns dennoch vor, mehr darauf zu achten, was die Kinder von unseren Gesprächen mitbekommen. Von unseren Gesprächen über die Arbeit. Mein Mann und ich sind beide Journalisten und das ist für mich die nächstliegende Erklärung dafür, warum neben den eigentlichen Interessen unserer Großen – Pferde, Pferde und Pferde – plötzlich die Taliban auftauchen. Sie muss uns also gehört haben …

Die große Tochter ist gerade auf die weiterführende Schule gekommen. Die Kleine ist fünf Jahre, ein Vorschulkind mit dem festen Willen, für immer in der Kita zu bleiben. Was ihre Eltern im Fernsehen erzählen, interessiert beide null Komma null. Wenn sie es mal mitbekommen, folgt ein schneller Blick auf den Bildschirm, ein kurzes Lächeln, das das Desinteresse etwas überspielen soll, dann wird sich mit anderen Dingen beschäftigt.

Ganz anders aber, wenn mein Mann und ich die Arbeit mit nach Hause nehmen. In unseren Köpfen! Gedankenaustausch nach einem Nachrichtentag, der selten ein Happy End hat, gibt es bei uns ständig. Und da hören die Große und die Kleine zu. Offenbar auch, wenn wir das gar nicht mitkriegen. Und wir auch gar nicht wollen, dass SIE das mitkriegen!

EISKALT ERWISCHT

Das »Taliban-Gespräch« ist nun schon einige Jahre her, es hat mich lange beschäftigt. Es war letztendlich der Auslöser dafür, dieses Buch schreiben zu wollen.

Erst war es nur ein Gedanke: Man müsste doch mal schauen, wie man mit Kindern am besten über so etwas spricht … Im Laufe der Zeit wurde dann aus dem »Man müsste doch mal …« ein »Ich muss das unbedingt machen, und zwar jetzt!«

Denn die Zeiten sind immer noch unruhiger geworden und die Fragen meiner Kinder noch mehr, dazu viel schwieriger zu beantworten. Absurd, dass ich mir heute zu Hause ein Gespräch über die Taliban fast zurückwünsche …

Beispiel vor einigen Monaten: Dasselbe Kind, dieselbe Mutter, derselbe Frühstückstisch und wieder eine Frage aus dem Nichts: »Mama, kommt der Krieg auch zu uns?«,will meine Große plötzlich von mir mit erwartungsvollem Blick wissen. In Erwartung, dass ich sie wie so oft schnell beruhigen kann. Doch dieses Mal hat sie mich eiskalt erwischt. Denn meine eigene Gefühlslage ist ja eine ganz andere im Vergleich zu damals während unseres Taliban-Gesprächs …

Krieg auch in Deutschland? Allein der Gedanke daran war bis vor einiger Zeit völlig abwegig. Doch seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine ist diese Frage jeden Tag dringender und aufdringlicher geworden – ich stelle sie mir selbst oft. Die Antwort darauf kenne ich allerdings nicht. Wie soll ich sie dann meiner Großen geben?

Wie einfach konnte ich früher die Ängste meiner Mädchen mit ihnen gemeinsam besiegen, wenn es darum ging, ein gruseliges Monster könnte sich im Schrank verstecken. Doch jetzt geht es um ganz andere Ängste. Um Ängste, die eine reale Grundlage haben. Um Ängste, die auch ich selbst habe! Wie soll ich als Mutter oder Vater damit umgehen? Ob Journalistin oder nicht – das spielt dabei überhaupt keine Rolle.

»Mama, kommt der Krieg auch zu uns?« Diese Frage kann nicht mehr wie früher mit einem »Nein, quatsch« weggewischt werden. Auch wenn ich das in einer ersten, überforderten Reaktion bei meiner Tochter versucht habe. »Nein, das passiert hier nicht!«

Diese Antwort von mir an sie – gelogen oder einfach nur gehofft? Jedenfalls gut gemeint. Richtig beruhigt wirkt meine Große nach diesem Gespräch aber nicht. Wie auch? Ohne weitere Erklärung …

GEMEINSAM ANTWORTEN FINDEN

Ich will es besser machen! Bin mir aber nicht sicher, wie das funktionieren kann. Verheimlichen möchte ich meinen Kindern nichts, aber Angst machen noch weniger. Ein Zwiespalt, den vermutlich die meisten Eltern kennen.

Lasst uns deshalb in diesem Buch Erklärungen für das Unerklärliche finden, gemeinsam auf eine Art Entdeckungsreise gehen! Wie können wir Eltern in solchen Situationen behutsam und trotzdem ehrlich mit unseren Kindern sprechen? Was ist die richtige Dosis an Nachrichten, die Kinder vertragen und verarbeiten können? Wie sprechen wir schwierige Themen an? Wie reagieren wir »richtig« auf ihre Fragen? Und ganz wichtig dabei auch: Wie erziehen wir unsere Kinder zu selbstbewussten Menschen und Demokraten in dieser komplizierten Welt?

Dieses Buch möchte ich aus meiner ganz persönlichen Perspektive schreiben: als politische Journalistin, die ihren Job liebt und lebt, in erster Linie aber als Mutter! Als Mutter, der es zu Hause viel schwerer fällt als im Fernsehstudio, die Nachrichten zu erklären.

Bei der Suche nach Antworten bin ich also keineswegs die »Expertin«. Vielmehr will ich diejenige sein, die die richtigen Fragen stellt – um herauszufinden, wie wir unseren Kindern eine Welt erklären, die zu verstehen uns selbst immer schwerer fällt. Ich spreche dazu mit ganz unterschiedlichen Personen, die alle einen ganz unterschiedlichen Blick auf die Dinge haben: vom Psychologen über die Hirnforscherin, vom Medienexperten über den Resilienzcoach bis hin zur Sportwissenschaftlerin.

Ganz bewusst habe ich mich auch dafür entschieden, auf einigen Reiseabschnitten mal kurz abzubiegen, um ein paar Seiten uns selbst zu widmen, uns Eltern. Denn ich bin überzeugt davon, dass wir unseren Kindern nur Sicherheit geben können, wenn wir selbst lernen, in diesen unsicheren Zeiten klarzukommen.

Genauso soll es aber auch um »die Rolle der anderen« gehen. Denn wir Eltern haben zwar natürlich die Hauptverantwortung, wenn es darum geht, mit unseren Kindern über Kriege und Katastrophen zu sprechen. Aber Bezugspersonen wie Erzieher, Lehrerinnen und Freunde prägen unsere Kinder und die Welt, in der sie leben, ebenfalls.

Das Ziel unserer Entdeckungsreise: selbst eine Antwort zu finden – für sich, für jedes Kind individuell – und vielleicht ja auch einen Weg, wie wir unsere Welt ein kleines bisschen besser machen können. Für unsere Kinder, mit unseren Kindern.

Das klingt so gut und so einfach. Ist es aber nicht! Laut UN-Kinderrechtskonvention haben Kinder und Jugendliche ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Das schließt auch die Freiheit ein, sich Informationen und Gedankengut jeder Art zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben. Sie haben also das Recht, zu wissen, was auf der Welt passiert, und ein Teil davon zu sein, wenn sie das möchten. Dieses Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit für Kinder wurde 1989 von den Vereinten Nationen festgeschrieben. Doch gelebt wird es nicht überall.

Wir Nachrichtenleute schauen ja schnell und gerne in viele andere Länder, die sich beim Umgang mit Rechten und Gesetzen besonders schwertun oder diese mit den Füßen treten. Jetzt geht es aber darum, sich an die eigene Nase zu packen – und zwar nicht als Staat, sondern als Mutter oder als Vater:

Inwieweit treten wir genug für das Recht auf Information bei unseren Kindern ein? Diese Frage sollten wir uns während unserer gemeinsamen Entdeckungsreise in diesem Buch immer wieder selbst stellen.

Das Problem an der ganzen Sache ist schnell beschrieben und wenig überraschend: Wir lieben unsere Kinder, wollen sie beschützen, am besten vor allem Bösen da draußen und auch drinnen in unserem eigenen Lebensraum. Sollen wir sie also nicht auch beschützen vor bestimmen Informationen?

Allerdings: Genauso unrealistisch wie es ist, dass die Kinder daheim nichts von den Problemen, Ängsten und Krisen ihrer Eltern mitbekommen, genauso wenig wird es klappen, sie von allen Problemen, Ängsten und Krisen der Welt fernzuhalten. Im Gegenteil: Wir müssen bei ihnen Informationen über schlechte Nachrichten zulassen!

Nicht jede Mutter, nicht jeder Vater, nicht jeder Erziehungsberechtigte teilt diese Meinung – das ist mir in den vergangenen Jahren häufig bewusst geworden. Und ich muss ehrlich zugeben: Das hat mich überrascht. Und es hat mich immer wieder nachdenklich zugleich gemacht …

Natürlich bin ich auch Mitglied der zahlreichen (oder doch schon zahllosen) Eltern-Whatsapp-Gruppen. Sei es Schule, Kita oder Sportverein: Ohne geht’s nicht mehr und mit gehe ich oft in der Flut an beflissenen Diskussionsbeiträgen unter. Lautlos schalten hilft. Ignorieren nicht. Jedenfalls bei mir nicht.

Da schreibt zum Beispiel eine Mutter, die es »kurios« findet, dass im Freundeskreis der Tochter (10 Jahre alt) über Politik, über die Ukraine und Russland gesprochen wird. Woher die Kinder denn alle diese schlimmen Sachen wüssten? Sie findet, sie sollten generell von so einem »Schlamassel« ferngehalten werden. Sollten noch Kinder bleiben dürfen.

RUMMS! Ein Argument, das seine Wirkung niemals verfehlt. Egal, wobei, egal, wie oft es auch schon eingesetzt wurde. Denn wer würde sich schon schuldig machen wollen, dem eigenen Kind die Kindheit zu nehmen?

Doch, stopp, da war doch noch etwas anderes: Nämlich Diktatoren, Terroristen, Naturgewalten, die neusten Virusvarianten – um nur einige Beispiele zu nennen. Sie sind dafür verantwortlich, dass unsere Kinder nicht in einer rosaroten Seifenblasenwelt leben können, wie wir es gerne hätten. Manchmal ist es eben finster.

Ist es nicht unsere Aufgabe, sie in der (wenn auch oft harten) Realität an die Hand zu nehmen und sie ihnen, so gut es eben geht, zu erklären? Können wir sie so nicht AM BESTEN beschützen?

KINDER KRIEGEN ÜBER DIE MEDIEN MEHR MIT, ALS WIR MEINEN

Schlimme Ereignisse bekommen unsere Kinder zwangsläufig mit. Spätestens wenn sie ein eigenes Handy haben, kriegen sie davon Fotos, Videos und Artikel weitergeleitet, die sie vielleicht so gar nicht haben wollten. Die Sozialen Medien als Nachrichtenquelle für unsere Kinder: Sie sorgen bei mir sowohl privat als auch beruflich für Kopfzerbrechen, lassen sich aber in beiden Fällen nicht umgehen.

Vielleicht sind es auch »nur« die Schlagzeilen von Nachrichtenseiten, die unsere Kinder beim Scrollen im Handy wahrnehmen. Und reicht nicht auch ein kurzer Blick beim Vorbeigehen am Zeitungskiosk? Schlechte Nachrichten lauern leider an jeder Ecke – auf uns und unsere Kinder.

Die Überschriften werden natürlich von den Kollegen ganz bewusst als Eyecatcher in Szene gesetzt, weil sie zum Weiterlesen animieren sollen. Das ist klar und gelernt. In diesen Zeiten haben sie es aber nun mal ganz besonders in sich. Ist das alles nur noch reißerisch oder nicht doch realistisch? Hier nur ein paar Beispiele:

Putins Blut! Kreml-Chef metzelt in Europa (Bild-Zeitung, 25. Februar 2022)

Europa, die USA und der Krieg – Ja zur Atombombe (taz.de, 15. Februar 2024)

Neue Affenpocken-Variante: Gefahr besonders für Kinder hoch(tag24.de, 22. August 2024)

Jede dieser Schlagzeilen ist ein Treffer mit Potenzial zum Knock-out. Bei wem kommt da denn bitte keine Angst auf?

Und das ist ja längst nicht alles. Ob zu Hause, im Geschäft oder im Auto: Nachrichten laufen so oft im Hintergrund, dass wir Erwachsenen sie gar nicht mehr richtig mitbekommen. Unsere Kinder aber sehr wohl. Als ich neulich etwa meine kleine Tochter zum Fußballtraining gefahren habe, fragte sie mich auf einmal: »Warum haben die Eltern das denn gemacht?« Ich wusste zunächst gar nicht, was und wen sie meinte. »Welche Eltern?« wollte ich wissen. »Na, die das Baby tot gemacht haben.« Kurzer Schreckmoment, erst dann habe ich wahrgenommen, dass im Radio gerade über einen Kindsmord in Bielefeld berichtet wurde. Blitzschnell das Radio ausgemacht – natürlich eine logische Maßnahme. Aber sie kam erstens zu spät und war zweitens wenig souverän.

Auf das »Warum?« konnte ich meiner Kleinen übrigens zu dem Zeitpunkt keine kluge Antwort geben, dafür aber das Versprechen, dass wir so etwas natürlich niemals tun würden. »Weiß ich doch eh!«, war daraufhin ihre Antwort.

ALLE REDEN DARÜBER

Es sind aber nicht nur die Medien, von denen unsere Töchter und Söhne beängstigende Dinge mitbekommen. Sie hören sie auch von anderen Kindern in Kita oder Schule, von Gleichaltrigen und Älteren. Traumatisierte Flüchtlingskinder sitzen immer häufiger mit am Tisch oder in der Spielecke. Andere Sprache, anderes Verhalten, anderes bisheriges Leben. Und auch wenn sie selbst ihre Geschichte nicht erzählen können oder wollen: Sicher ist, es wird von den anderen Kindern dann über sie geredet …

Und wir Eltern selbst? Auch in Nicht-Journalisten-Wohnungen und Häusern drehen sich heute natürlich viele Gespräche um Krisenthemen:

»Was kommt da nur auf uns zu?«, fragen sich zum Beispiel die Eltern gegenseitig.

»Der Krieg macht alles teurer!«, schimpft etwa die Mutter mit ihrer Freundin am Telefon.

»Der Klimawandel macht alles kaputt«, stellt der Vater mit dem Nachbarn beim Small Talk über die Hecke fest.

Alles Gespräche, die bei kleinen und großen Kindern ein ungutes Gefühl auslösen.

Ganz egal also, wie sehr Eltern auch versuchen, sie von alldem fernzuhalten: In ihrem täglichen Leben können und werden Kinder immer wieder solche Informationsfetzen aufschnappen – ob im Elternhaus, auf dem Schulhof, in der Kita, im Verein, bei den Großeltern oder aus den Medien …

Das alles ausblenden? Nein! Sie mit diesen Fetzen alleinlassen? Erst recht nicht! Sie brauchen die Einordnung! Und sie brauchen unsere Unterstützung, um diese beängstigenden Nachrichten und Bilder zu verarbeiten. Nur so werden sie ihre kindliche Unbeschwertheit nicht verlieren.

Denn nichts mehr wünsche auch ich mir für meine Töchter: dass sie einfach Kinder bleiben dürfen, selbst in diesen Zeiten. Ganz besonders in diesen Zeiten!

WAS BEDEUTET DAS RECHT AUF INFORMATION?

Das Recht auf Information ist eng mit dem Recht auf Bildung verbunden und für Kinder grundlegend, um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Die wichtigsten Informationsgeber sind wir Eltern, aber auch Bildungseinrichtungen und natürlich: die Medien! Laut UN-Kinderrechtskonvention steht Kindern der freie Zugang zu Informationen durch Fernseh- und Radioprogramme, Zeitungen, Bücher und Internet zu. Weil Kinder die Sprache der Erwachsenen oft noch nicht verstehen, haben sie das Recht auf eigene, verständliche Informationen. Deutschland und alle anderen Vertragspartner haben sich deshalb verpflichtet, Massenmedien zu ermutigen, Informationen und Material zu verbreiten, die für Kinder von sozialem und kulturellem Nutzen sind. Übrigens: Die Voraussetzungen muss der Staat schaffen, für die Umsetzung des Rechts auf Information unserer Kinder sind aber in erster Linie wir Eltern verantwortlich.

Was bedeutet das Recht auf Information NICHT?

Dass Kinder in der Informationsflut untergehen dürfen! In Artikel 17 der UN-Kinderrechtskonvention heißt es, dass die Vertragsstaaten die Erarbeitung geeigneter Richtlinien fördern werden – zum Schutz des Kindes vor Informationen und Material, die sein Wohlergehen beeinträchtigen. Heißt konkret: Trotz des Rechts auf Information sollen Kinder nicht alles sehen, lesen oder hören, was sie überfordert. Freier Zugang geht nicht ohne Schutz. Und für den müssen Staat (mit Regeln und Gesetzen) und Eltern (mit Regeln und Gesprächen) sorgen. Insbesondere heute! Damals bei der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention war überhaupt noch nicht absehbar, dass und in welchem Ausmaß das Internet künftig von Kindern genutzt werden würde.

So überzeugt ich davon bin, dass wir mit unseren Kindern über schlechte Nachrichten reden müssen, so riesig ist aber natürlich der Unterschied, den ich dabei zwischen meiner großen und meiner kleinen Tochter mache. Gerade mal fünf Jahre alt, noch verschmust und pausbäckig ist diese. Und vor allem in meinen Augen: völlig unschuldig und gutgläubig. Niemals käme ich bei der Kleinen auf die Idee, selbst die Initiative zu ergreifen und mit ihr über das aktuelle politische Weltgeschehen zu sprechen. Sie dagegen schon …

»Mama, darf ich dir was ins Ohr flüstern?«, hat sie mich vor Kurzem gefragt.

»Ja klar, mein Schatz. Was ist los?«,antwortete ich, mich zu ihr runterbeugend.

»Der Putin ist ein böser Mann, der will alle kleinen Kinder in der Ukraine töten!«, sagte sie mit leiser, aufgeregter Stimme.

Es war vermutlich gut, dass ihre Lippen so nah an meinem Ohr waren und ihr Gesicht fast in meinen Haaren vergraben war, sodass sie meinen entsetzten Gesichtsausdruck nicht sehen konnte.

»Wer erzählt denn so etwas?«,fragte ich sie, obwohl ich die Antwort eigentlich schon kannte und in Gedanken bereits wutentbrannt den Namen meiner großen Tochter rief, die mir als »Informationsgeberin« am wahrscheinlichsten erschien.

Doch die Kleine ging auf meine Frage gar nicht weiter ein. Viel mehr beschäftigte sie eine Sache sehr:

»Mama, weiß der Putin denn auch, wo ich wohne? Hat der meine Adresse?«

Jetzt drückte ich sie, so fest ich konnte.

»Nein, natürlich nicht. Und der will auch gar nicht zu dir«, versuchte ich sie zu beruhigen.

Offenbar mit Erfolg. Die Antwort schien ihr zu genügen, um weiter eifrig bester Laune ihren Magnetenturm in die Höhe zu bauen. Puh! Vorbei! Ich war froh!

Die Erkenntnis oder besser gesagt Bestätigung bei diesem schwierigen Mutter-Tochter-Gespräch für mich: Auch die Kleinen kriegen vieles mit, was wir vielleicht so gar nicht wollen – insbesondere, wenn sie größere Geschwister haben oder ältere Freunde.

Die Frage ist also auch hier nicht mehr, OB wir mit ihnen über schlechte Nachrichten reden müssen, sondern WIE.

AUF DER SEITE DER KINDER STEHEN

Aber was können Kinder in welchem Alter begreifen und verarbeiten? Darauf kennt die Entwicklungspsychologie wichtige Antworten. Der erste Stopp auf unserer Entdeckungsreise deshalb: Berlin. Dort lebt und arbeitet der Psychologe Dr. Malte Mienert. Durch seine regelmäßigen Veröffentlichungen in der Zeitschrift »Kita aktuell spezial« bin ich auf ihn aufmerksam geworden: Er hat die Kleinsten genau im Blick. Und diesen Blick empfinde ich beim Lesen als besonders scharf und seine Analysen als überaus scharfsinnig. Keine Binsenweisheiten, sondern echte Hilfen!

Er versuche eben Nüchternheit reinzubringen, sagte er mir vor unserem Interview. Nüchternheit – auch bei solch schwierigen Themen wie Krieg und andere Katastrophen. Und dass er sich nie von seinen Gefühlen davontragen lasse und immer zu 100 Prozent auf der Seite der Kinder stehe.

Auf der Seite der Kinder? Das klingt fast so, als würden wir Eltern die Gegner sein. Sind wir nicht! Nach unserem Interview wusste ich genau, wie Malte Mienert es meint. Auch wenn ich zwischendurch ganz schön schlucken und mich selbst als Mutter hinterfragen musste.

KINDER DÜRFEN »WARUM« FRAGEN, ERWACHSENE NICHT INTERVIEW MIT DEM PSYCHOLOGEN DR. MALTE MIENERT

»Damit eine Information für die Kinder wirklich bewertbar ist, muss es irgendeine Vorerfahrung geben.«

Herr Dr. Mienert, gibt es ein Alter, in dem Kinder zu jung für ihr Recht auf Information sind?

Ein zu jung gibt es nicht für Informationen! Aber wir sollten Kinder nicht aktiv mit Informationen konfrontieren, die für sie zu kompliziert sind. Wir müssen aber immer damit rechnen, dass sie irgendwelche Begriffe, Konzepte aufschnappen. Dann geht’s um das REAGIEREN auf die Informationen, die da kommen! Aber selbst nicht aktiv auf die ganz kleinen Kinder zugehen.

Als meine Kinder ganz klein waren (sagen wir mal zwischen 0 und 2), waren sie oft dabei, wenn ich mich über ernste Themen unterhalten habe oder es sind nebenbei Nachrichten gelaufen. Weil ich mir sicher war, dass sie das in dem Alter ja ohnehin nicht verstehen können. Kann eine Mutter oder ein Vater das bedenkenlos machen?

Ja, bei den 0- bis 2-Jährigen können Sie das bedenkenlos tun! Es gibt da Untersuchungen aus der Entwicklungspsychologie: Kinder können sehr früh erkennen, ob es eine ans Kind gerichtete Sprache ist oder eine an einen Erwachsenen gerichtete Sprache. Die Kinder filtern dann: Sind die Informationen jetzt für mich? Oder sind die für einen Erwachsenen gemeint? Die Kinder blenden sich nur dann ein, wenn es Informationen sind, die für sie bestimmt sind. Wir ändern ja auch unbewusst unsere Stimme – je nachdem, mit wem wir reden. Die Kinder erkennen das an unserer Stimme, an unserer Stimmfärbung.

Damit eine Information für die Kinder wirklich bewertbar ist, muss es irgendeine Vorerfahrung geben. Und für Worte wie »Krieg« oder »Taliban« oder »Überfall« gibt es im kindlichen Gehirn keine Andockungsmöglichkeiten. Sie haben ja zum Glück hier bei uns noch keine Erfahrung damit. Und sie haben deswegen keine negative oder positive Bewertung. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Konzept der sozialen Verweisung.

Können Sie uns dieses Konzept mal erläutern?

Soziale Verweisung heißt: Die Kinder orientieren sich in unsicheren Situationen am Gefühlsausdruck ihrer Bezugsperson. Wenn ich als Kind nicht weiß, wie ich eine Situation einschätzen soll, eine Information oder etwas, was ich sehe oder höre, dann schaue ich in der Regel auf die Gefühlssituation der Bezugsperson und versuche daraus zu lesen: Wie geht es zum Beispiel meiner Mutter?

Das heißt: Wenn ich panisch reagiere, dann weiß das Kind: Jetzt ist’s ernst!?

Es geht nicht nur um panisch. Es geht um feinste mimische Bewegungen. Die zu erkennen, darin sind Kinder wirklich Meister. Wir spiegeln unsere eigenen Ängste an die Kleinen, auch wenn wir das nicht wollen. Da gibt es auch keinen Tipp, wie man das abstellen kann. Es geht den Kindern nicht darum, was die Bezugsperson sagt, sondern was sich in Mimik und Gestik zeigt, in der Stimmfärbung. Das bekannteste Phänomen ist die Kita-Eingewöhnung.

Oh ja, das wurde mir damals auch mal vorgeworfen, dass ICH das eigentliche Problem bin, nicht das Kind!

Das kann man keinem vorwerfen! Die Kinder finden sich erst gut rein, sobald sich die Eltern entspannen. Und wenn Sie sich als Mutter noch nicht entspannen, dann wird das auch seine Gründe haben. Und so ist das eben auch bei der Informationsverarbeitung im Alltag. Informationen sind erst einmal neutral. Aber wenn Kinder einen bestimmten Begriff, eine bestimmte Formulierung häufiger mit einem gespannten Gefühl bei Mama oder Papa wahrnehmen, dann überträgt sich das im Sinne der Verweisung. Gefühle werden von den Eltern aufs Kind verwiesen.

Also erst, wenn die Eltern sich zum Beispiel öfter über Krieg unterhalten haben, fragen die Kinder nach … Richtig?

Genau, es geht nicht um den Begriff Krieg, es geht nicht um das Konzept Krieg. Dafür gibt’s bei Kindern in diesem Alter noch kein Verständnis. Sondern es geht darum: Warum beschäftigt das Mama oder Papa so sehr? Kinder merken, da liegt was in der Luft. Nichts Konkretes, sondern etwas Abstraktes. Immer wenn dieser Begriff auftaucht, dann ist komische Stimmung.

Bei 0- bis 2-Jährigen würde ich mir keine Gedanken machen. Aber ab drei Jahren, wenn auch das sprachliche Verständnis bei den Kindern wächst, wenn sie auch mehr Leute zum Austausch bekommen, mehr Möglichkeiten haben, Begriffe aufzuschnappen, dann müssen Sie echt aufpassen.

Aufpassen, WIE ich über WAS rede, und auch aufpassen, wenn die Nachrichten laufen?

Ganz genau!

»Es gibt eine Frage hinter der Frage! Die sollte man versuchen herauszufinden.«

Gibt es denn eine Faustregel, die ich beachten sollte, wenn mich mein kleines Kind dann auf schlimme Dinge, auf die Katastrophen in der Welt anspricht?

Dann kommt es bei den Erwachsenen auf interessiertes, zugewandtes Nachfragen an: »Erzähl mal, was beschäftigt dich da? Was hast du da gehört? Wo ist das Thema denn aufgetaucht?« Den Ball ans Kind zurückgeben.

Also einfach Gegenfragen stellen?

Ja, aber ich würde das Kind jetzt auch nicht ausfragen. Was für viele Kinder gilt: Es gibt eine Frage hinter der Frage! Die sollte man versuchen herauszufinden. Und da denkt man als Erwachsener oft: Das überrascht mich jetzt total! Neutral nachfragen, ohne zu führen, damit rauskommt, was die Frage hinter der Frage ist.

Gleichzeitig kann man so ja den Wissensstand checken – was das Kind überhaupt weiß, damit ich danach nicht aus Versehen zu viel ins Detail gehe.

Ja, genau, aber man wird bei den 3- bis 6-Jährigen meist ganz schnell feststellen, dass es um einen ganz konkreten, persönlichen Bezug geht. »Kann das meiner Mama auch passieren? Kann das mir passieren? Oder meinem Haustier?« Die Kinder versuchen das an ihrem sozialen Erfahrungsbereich anzudocken.

Können wir Kinder in dem Alter, auch wenn es hart klingt, als Egomanen bezeichnen? Meine Tochter hat sich ja auch selbst bedroht gefühlt, obwohl es ja eigentlich um andere Kinder in der Ukraine geht.

Egomane bedeutet: Ich, immer nur ich! Den Begriff würden wir in der Psychologie jetzt nicht verwenden. Wir würden egozentrisch sagen, auch in einem positiven Sinne. Es muss etwas mit mir zu tun haben! Die Fähigkeit der sozialen Perspektivübernahme, also seine eigene Perspektive verlassen und sich in die Gedankenwelt eines anderen Menschen reinversetzen zu können, das wird noch ein paar Jahre dauern. Bis zum Schuleintritt etwa sind Kinder dazu einigermaßen in der Lage.

Ich bin im Zentrum. Es geht irgendwie um mich: In Stresssituationen wird diese Denke selbst bei Erwachsenen immer wieder auftauchen. Die soziale Perspektivübernahme – das ist jetzt keine Fähigkeit, die wir ab dem Schulalter haben, immer und überall, und ab dann sind wir ganz weise.

Gerade in Stresssituationen ziehen wir uns alle oft auf die egozentrische Perspektive zurück: »Was hat das mit mir zu tun?« Der Unterschied aber ist: Kinder im Alter von null bis sechs KÖNNEN es nicht anders. Die Jugendlichen oder wir Erwachsene könnten es ja – wie so eine Treppe, die man hoch- und runtersteigen kann. Das können die Kleinen nicht.

Gibt es absolute No-Gos beim Gespräch mit den Kleinsten? Sätze, die niemals fallen sollten?

»Du musst keine Angst haben.« Das kann man 30-mal sagen, aber die Angst ist einfach da. Das Gefühl. Und der Stress beim Kind wird dann noch größer, wenn es denkt, dass es das Gefühl eigentlich nicht haben soll. »Du musst keine Angst haben!« Das ist einfach Quatsch! Genau wie: »Ein Indianer kennt keinen Schmerz.« Oder: »Wir schaffen alle Situationen.« Das sind so Wunschgedanken von uns, die in der Praxis aber nicht funktionieren.

Aber in meiner eigenen Kindheit gab’s von meinem Vater das Ritual, dass meine Schwestern und ich in schwierigen Situationen alle zusammen sagen mussten: »Wir schaffen alles!« Daran denke ich mit einem schönen Gefühl zurück.

Na, dann drücke ich Ihnen die Daumen, dass das immer klappt!