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15.700 Kilometer, 25 Länder, 26 Grenzübergänge und nur eine Panne, mitten in der Gobi-Wüste in der Mongolei. Das ist das Resultat meiner Radreise von Deutschland zur Seidenstraße. Als kleine, aber mutige, allein reisende Frau möchte ich in meiner Reiseerzählung inspirieren Träume nicht nur zu träumen, sondern sie zu wagen und zu leben. Den Ländern, die wir nur aus Schlagzeilen kennen, wie der Türkei, dem Iran, Tadschikistan oder China eine Chance zu geben, und sie und ihre wunderbar freundlichen Menschen kennen zu lernen.
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Seitenzahl: 231
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Kopf aus. Herz an. Wunschlos glücklich.
Die Geschichte meiner Radreise zur Seidenstrasse.
Für meine Eltern und meine Schwester.
Vorwort
Einleitung
Zusammen reist man weniger allein
»What’s your story?«
»Deploy your bitch face.«
»Never judge a nation by its government.«
Grenzen – Politisch und physisch
Die Reise beginnt. - Deutschland
Warm-up mit Karl und der Reise - Prag, Wien, Bratislava, Budapest
Von Menschlichkeit und feinen Menschen - Rumänien, Bulgarien
Das ist die Türkei
Verliebt in Georgien
Mit Deutsch schlägt man aserbaidschanische Männer in die Flucht. - Aserbaidschan
Im Iran scheint die Sonne anders
Cycling in Central Asia
5 Tage, 500 Kilometer, 50 Grad. - Turkmenistan
Die Perle der Seidenstrasse. - Usbekistan
»I’m on top of the world.« – Pamir, Tadschikistan
Von Jurten und Ponies. - Kirgistan
Unendliche Weiten. - Kasachstan
Mein China – Teil I
»You are the one I was looking for.« - Mongolei
Mein China – Teil II
Schönes Südostasien - Laos, Vietnam, Kambodscha, Thailand
Welcome back! - Europa
Was ist dein Adventure-Level?
Was es mit dir macht
Stichwortverzeichnis
Ich sage, was ich denke. Und ich tue, was ich sage. Ich wollte ausbrechen und wieder in die weite Welt hinaus. Keine Ahnung wie ich in meinem Leben auf die Seidenstraße kam, aber sie hat mich schon immer fasziniert. Genauso wie Häfen. Diese gehörten zum Anfang von Austausch über Wissen, Religionen, Kulturen, Kommunikation und natürlich Handel für viele Dinge, die damals wenig Menschen kannten: Tee, exotische Tiere, Pflanzen, Gewürze. Ähnlich eigentlich unserem heutigen Internet. Die Seidenstraße, die es noch vor dem Seeweg gab, hat ihren Namen vom kostbarsten Textil in der früheren Zeit, der Seide. Ein lang gehütetes Geheimnis der Chinesen war die Herkunft und Herstellung der Seide, womit sie sich nicht nur ein Monopol sicherten, sondern auch großen Reichtum. Gleichzeitig versuchten die Chinesen damit ihre wilden Nachbarn aus der nördlichen Steppe zu besänftigen und Frieden mit ihnen zu erkaufen. Über die Seidenstraße wurde aber nicht nur Handel mit Seide, Fellen, Glas-, Gold-, Silbergegenständen, Bernstein, Elfenbein, Weihrauch und leider Sklaven betrieben, sondern auch die Menschen aufgeklärt. Es muss wahnsinnig spannend gewesen sein damals als Händler in die unbekannten Länder zu reisen, in Karawansereien zu übernachten und mit völlig fremden Kulturen in Berührung zu kommen. Es heißt, dass sich über die Seidenstraße drei nicht unbedeutende Religionen wie der Islam, das Christentum und der Buddhismus, bis nach China verbreitet haben (siehe zum Beispiel der Islam in Xinjang).
Im Juni 2016 erregte der Post von Hera van Willick, einer jungen niederländischen Radreisenden, auf Facebook meine Aufmerksamkeit. Zum ersten Mal sah und verstand ich, dass man 1. mit dem Rad und 2. als Frau alleine mit dem Rad die Welt erkunden kann. Ich googelte etwas zu dem Thema und las den Blog eines jungen Deutschen und entdeckte mehr und mehr wie aufregend es sein muss...unbewusst. Ich habe nie die Idee weiterverfolgt und ich weiß auch nicht mehr, ob ich vor oder nach der Anfrage für das Sabbatical schon fest die Idee hatte mit dem Rad loszufahren. Ich glaube, es war davor, dass ich meiner besten und langjährigen Freundin vorrechnete, dass ich in einem Jahr 18.000 Kilometer schaffen könnte (zum Schluss waren es 15.700 Kilometer in 10 Monaten). Damals mit einer etwas anderen Route (die furchtbar langweilig gewesen wäre mit wochenlang kasachischer Steppe). Mein damaliger Chef fragte mich Mitte Dezember 2017 bei der Vertragsunterzeichnung für das Sabbatical wo ich eigentlich hinwill. »Immer dahin wo die Sonne aufgeht«, habe ich geantwortet.
Ich hatte wie immer keinen klaren und super fixen Plan gehabt. Ich habe einfach entschieden, dass eine Radreise in den »wilden Osten« eine perfekte Aktion für mich wäre und es laut ausgesprochen. Dann gab es für mich kein Zurück mehr. Nicht aus falschem Stolz, sondern, weil ich mir einfach selbst vertraue. Und aus einer typischen »Tine-Schnaps-Idee« ist es die Reise meines Lebens geworden.
Trifft man eine solche Entscheidung alleine? Natürlich, ich bin alt und vernünftig genug dies für mich selbst zu entscheiden. Aber die Familie lebt das alles mit und macht sich nun einmal auch Sorgen. An Weihnachten 2017 kündigte ich nüchtern, wie ich nun einmal bin, meinen Plan an. Meine Mutter war völlig aus dem Häuschen, im positiven Sinne, und ist bis heute mein größter Fan. Mein Vater feierte auf seine Weise meine Ankündigung und meine Schwester reagierte wohl am sensibelsten auf meine Idee. Während ich fröhlich in meiner WhatsApp-Gruppe später von allen guten und schlechten Situationen berichtete, machte sie sich Sorgen und machte mir sogar einmal heulend am Telefon klar wieviel Kummer sie eigentlich manchmal wegen meiner Reise hatte. Ich muss zugeben, dass ich erst da wirklich realisierte, dass ich die Reise irgendwie doch nicht alleine mache. Ganz zu Recht, denn mein ganzer Freundeskreis stand und steht heute noch hinter mir. Und ich danke allen, die es nicht müde werden, meine Geschichten zu hören. Vor allem bin ich aber dankbar, dass meine Familie und Freunde mich in sehr praktischen Dingen unterstützt haben, sei es mit Umzug, Einlagern, Post verwalten und so weiter.
Meine immer noch beste Entscheidung war das Rad zu nehmen: Man ist immer mittendrin und fernab der touristischen Orte. Keiner ist auf dich vorbereitet und alle feiern dich, weil du da bist. Ich habe mir immer vorgestellt, dass es für die Einheimischen ulkig aussehen muss, wenn auf einmal eine kleine Ausländerin auf einem Fahrrad angerollt kommt. Immer wieder stellte ich fest, dass die Hauptstädte und großen Städte nicht repräsentativ sind für das restliche Leben in einem Land. Peking ist da ein Paradebeispiel. Es lohnt sich so sehr Länder neben ihren Touri-Hochburgen kennenzulernen. Auf dem Fahrrad nimmt man mehr wahr und auch vieles intensiver. So zum Beispiel den Geruch. Mir war vorher noch nie so stark der Rapsblütengeruch aufgefallen. Es geht einfach alles langsamer, viel bewusster, man hat Zeit wahrzunehmen, auch wenn man vielleicht manchmal gestresst ist und vorankommen, »Kilometer machen«, will.
Was bedeutet »Kopf aus, Herz an, wunschlos glücklich?« Kopf aus: Weil man sein vermeintlich sicheres Leben verlässt und alles riskiert – Job, Karriere, Haushalt, Freunde, Familie, das eigene Leben. Herz an: Weil man alle Menschen und Situationen auf sich zukommen lässt. »Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.« (Aus: Der Kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupéry). Wunschlos glücklich: Weil ich nichts erwartet habe, keine Vorstellungen hatte und auch keine Wünsche offengeblieben sind, weder was ich alles erleben durfte, noch von den Orten, die ich gesehen habe. Immerhin habe ich es noch in die Mongolei geschafft, was vorher gar nicht abzusehen war, ob ich es so weit schaffen kann. Glücklich, was bedeutet schon glücklich? Jeder definiert für sich selbst ‚glücklich’. Für mich sind es vor allem die kleinen Dinge, die Begegnungen, die mich glücklich machen, und davon habe ich mehr als genug bekommen. Und wie Buddha einmal so weise sagte: »Es gibt keinen Weg zum Glück. Glücklich-sein ist der Weg.«
»Finden Sie jemand, der Sie begleitet, und nicht verhaftet«, war der letzte Tipp, den mir der Tropenarzt gab. Seines Zeichens selbst zwei Jahre Arzt in Afrika gewesen wie er mir beim ersten Termin erzählte. »Wie Albert Schweitzer« meinte er. Das Binokel, das er aus der Tasche zog und auf die Nase setzte, ließ ihn auch gleich wie Albert Schweitzer aussehen. Tatsächlich sprach er damit etwas an, dass mich von Anfang an, an manchen Tagen sogar so schlimm, beschäftigte, dass mich die Panik kaum losließ. Die Angst alleine als Frau zu reisen. Alleine auf einem Fahrrad. Als »schwaches Geschlecht« sich noch verletzlicher auf dem Fahrrad ins Unbekannte zu bewegen. Ich hatte vor nichts Angst: Hungern, Frieren, Geld verlieren oder gestohlen zu bekommen, Sonnenbrand, mangelnde Hygiene, Kleben und Stinken, Krankheiten, was auch immer.Ich bin aber eher der Typ, der sich erst recht in etwas reinstürzt, wenn man ihr sagt, »lass das, das ist zu verrückt oder gar gefährlich«. Da ich bei Facebook in einer Radreisenden-Gruppe (in der ich echt ein paar hilfreiche Tipps bekommen habe) meine geplante Tour gepostet hatte mit Fragen zu Visa und damit auch der Iran erwähnt wurde, bekam ich plötzlich aus heiterem Himmel ungefragt und von völlig unbekannten Personen, vor allem von Frauen, den Hinweis mich nicht als Frau alleine in muslimische Länder zu begeben. Das sei Selbstmord und dann bräuchte ich mich auch nicht wundern oder gar beklagen, wenn ich es doch täte und dann was passiert. Glücklicherweise gab es aber ja auch immer noch die positiv Denkenden und nachdem mich eine bildhübsche, blonde Schwedin über ihren Trip durch den Iran aufgeklärt hatte und wie man sich »verteidigen« kann, war ich auch schon wieder etwas beruhigter. Letztendlich hätte ich nie meine Entscheidung revidiert und von meiner Reise abgesehen. Es fühlte sich nur besser an zu wissen, dass man nicht hilflos ausgeliefert sein muss (leider doch wie ich später herausfand) und durchaus »seinen Mann« stehen kann. Interessanterweise kommen viele Hinweise von Männern, die sich verdächtig oft auch gerne danach anhören, dass man doch nur mit Mann als Frau sicher auf Gottes schöner Erde verweilen kann. Und das kann auch nicht richtig sein. Selbst wenn es so wäre, dann gilt es das zu ändern. Gesagt, getan, am Ende habe ich dies bewiesen.
Nun könnte man auch sagen, dass ich einfach wahnsinniges Glück gehabt habe und deswegen unversehrt nach Hause gekommen bin. Das lässt sich nicht so einfach sagen. Es gibt zwei Dinge, die mich sicher durch meine Reise geführt haben. Zum einen Vernunft und zum anderen Bauchgefühl, begleitet von einer positiven Sicht auf die Dinge. Es gab viele Situationen in denen ich am Ende doch auf andere gehört habe oder mich vorab schlau gemacht habe, was mich erwarten könnte. Wie zum Beispiel zur Mongolei. Nachdem ich schlechte Erfahrungen auf meinem Weg gemacht hatte mit Männern, die ungefragt ans Zelt »klopften« oder mich in ihr Hotelzimmer entführen wollten, habe ich mir durchaus die Warnungen einer Italienerin zu Herzen genommen, die selbst gerade alleine durch die Mongolei geradelt war und gleich mehrere unangenehme Begegnungen mit Männern hatte. Zudem kam das Zeitproblem mit Visum für China hinzu. Ich beschloss kurzerhand mir eine Fahrerin zu organisieren. Selbst hier wurde mir von Reise-Veranstaltern angeraten eine Fahrerin, also eine Frau, anzufragen, um nicht in Schwierigkeiten zu kommen. Die Erfahrungen, die man mit dem »Ausgeliefert-sein« gemacht hat, führt man sich noch mehr vor Augen, wenn man realisiert wie groß, weit und verlassen die Mongolei ist. Es gibt nicht wirklich Möglichkeiten sich mit einem Zelt zu verstecken. An Giers (Name für die Yurten in der Mongolei) anzuklopfen wo dich wahrscheinlich ein Schäfer empfängt, der seit Wochen keine Frau gesehen hat, ist auch keine tolle Vorstellung. Und die Distanzen zwischen den Städten sind so groß, dass man unmöglich sich von Stadt zu Stadt und somit von Hotel zu Hotel hangeln kann. Und sich mal eben auf’s Rad schwingen, wenn man in Schwierigkeiten kommt und abhauen will, ist sowieso ausgeschlossen, so realistisch muss man einfach sein. Umso mehr Grund, sich das Projekt Mongolei durch den Kopf gehen zu lassen (damals war ich gerade in Almaty in Kasachstan) und vernünftig zu planen. Und was man hier oft als »cheating« (Englisch »mogeln«) empfindet – nicht alles alleine per Rad fahren – war schnell die beste Lösung. Und das Erlebnis Mongolei was schließlich super positiv. Mehr noch, ich würde sagen, dass ich mich in die Mongolei verliebt habe. Dadurch, dass ich meine Fahrerin hatte, bin ich in heimischen Haushalten aufgenommen worden, die ich so nie kennengelernt hätte. Ich hatte meinen Willen, da ich morgens mit dem Fahrrad fuhr und für mich auf meinem Fahrrad die Landschaft erkunden konnte (und offensichtlich die Aufmerksamkeit gelangweilter Schäfer erregte, die mich auf ihren Mopeds verfolgten). Ab Mittag hatte ich aber meine Einheimische – die mir eine gute Freundin geworden ist-, die Übernachtungen bei Freunden organisierte und mir damit den schönsten Einblick beschert hat, den man sich auf solch einer Reise wünschen kann. Am Ende kann ich sogar behaupten, dass ich durchaus ein ganzes Stück selbst durch die Mongolei gefahren bin (800 Kilometer!). Aber mehr zu diesem herausfordernden Stück im Kapitel »You are the one I was looking for - Mongolei«.
Was ist mit dem Bauchgefühl? Es sind vor allem Erfahrungen, die unser Gefühl für Dinge prägen. Aber auch unsere Einstellung. Ich versuche immer positiv zu sein, auch wenn Dinge schlecht laufen, und optimistisch zu bleiben. Anders wäre auch ein Abenteuer mit so vielen unberechenbaren Momenten und ständigen Überraschungen nicht durchzustehen, geschweige denn genießbar. Ich habe vor allem gelernt alles auf mich zukommen zu lassen und nicht alles kontrollieren zu wollen. »Schon an der nächsten Kurve könnte dich eine Überraschung erwarten«, hatte Maggy, eine meiner ersten Reisepartnerinnen, immer gesagt, wenn ich mal wieder versucht habe etwas zu planen. Du weißt nie was passiert oder dir dazwischen kommt: heftiger Gegenwind, Platten, Begegnungen mit anderen Reisenden oder Einheimischen, schöne Plätze, die zum Halten einladen, deine Tagesform oder vielleicht sogar Krankheit. Wie im wahren Leben hast du nicht alles in der Hand und je mehr man sich tragen lässt, desto erfüllender und entspannter wird die Reise. Wenn man also die richtige Einstellung hat und auch mal auf sein Bauchgefühl hört statt auf den Kopf, dann genießt man nicht nur mehr, sondern man fährt mindestens genauso gefahrlos, wie wenn man alles vorab geplant und abgesichert hätte. Schließlich ist man ja auch nicht völlig naiv und bringt einen Erfahrungsschatz mit, der ganz automatisch ein gutes oder schlechtes Bauchgefühl mit beeinflusst.
Mit meinem Post bei Facebook vor meiner Reise, kamen nicht nur Hinweise auf Gefahren, sondern lernte ich auch zwei Menschen –Paul und Maggy- kennen, die von Anfang an mich und meine Reise geprägt und geformt haben. Die wie zwei Lehrmeister mir die wichtigsten Dinge mit auf den Weg gegeben haben – bewusst und unbewusst. Vieles schaut man sich ab, wie zum Beispiel wie campt man richtig wild, wie legt man seine Paranoia ab und wie beißt man. Anderes hingegen, dessen war ich mir sicher, möchte man nicht übernehmen wie sich treten, jeden einzelnen Kilometer per Rad zu absolvieren auch wenn es schon an Selbstbestrafung grenzt, und Schnorren bis zum allerletzten Hemd. Sowohl Paul als auch Maggy, haben mich an mancher Stelle echt genervt bis hin zu richtig verletzt. Und dennoch möchte ich für nichts in der Welt diese beiden gemisst haben. Es hat mir gezeigt wie schön es ist seine Freiheit zu haben und alleine zu reisen. Aber auch um wieviel angenehmer, bereichender und lustiger es ist mit anderen zu reisen. Es hat sich immer irgendwie ergeben wie ich es gerade brauchte. Sei es, dass ich von Anfang an Maggy und Paul hatte, um warm mit diesem Trip zu werden oder Pedro, den wir in Tadschikistan kennengelernt haben und der später dann immer mal wieder auftauchte, in Kirgistan, Kasachstan, in der Mongolei oder in China. Oder Little Monster und Dong Dong, das chinesische Paar, das plötzlich da in der Kurve stand mit seinem Tandem, als ich mir innerlich gerade mehr als alles andere Gesellschaft wünschte, weil Peking, mein verpatzter Geburtstag und viele Gefühle zu viel wurden. Ich rollte am 17.November 2018 eine absolut langweilige Straße in den Bergen Südchinas entlang, war gerade noch so halb am Überlegen wo es mich heute Nacht wohl zum Übernachten hinverschlagen würde. Und da stand dieses wunderbare chinesische Pärchen am Straßenrand und lächelte mich an. Es sind diese kleinen schönen Momente, die einen wahnsinnig glücklich machen, und die sich tief einprägen.
Alleine ist man unheimlich stolz alles selbständig zu bewältigen. Und letztendlich selbst in Gesellschaft ist man immer Einzelkämpferin, weil man in jeder Situation für sich entscheiden muss wie man reagiert. So verliert man sich auch einfach mal während man mit anderen zusammen reist, weil einer schneller oder langsamer radelt oder plötzlich ein Problem hat und man aber schon vorausgefahren ist und das nicht mitbekommt. Dann hatte man sich innerlich schon darauf eingestellt, dass es heute eine entspannte Nacht wird, da man nicht alleine ist. Hat nicht dafür gesorgt so zu planen, dass man ein Plätzchen in der nächsten Stadt anpeilt oder einen der vielen Hinweise für Wild Campen erreicht. Dann wurde es auch schon einmal kurz stressig für mich. Völlig unnötig wahrscheinlich, weil es doch meistens am Ende gut ausging mit dem Schlafplatz finden. Und ich, soweit ich mich erinnern kann, letztendlich immer wieder die anderen wiedergefunden habe. Ich habe mit einigen Damen gesprochen, die mit ihren Partnern unterwegs waren, die mir sagten, wie gerne sie mal in ihrem eigenen Tempo und auf eigene Faust fahren würden. Da dachte ich immer, ja, ist richtig, weil es so viel befriedigender ist es alleine zu schaffen. Aber du hast nicht den Stress mit Übernachtung finden und ruhig schlafen, weil du nicht alleine bist. Ihr habt die Freiheit einfach da zu stoppen wo es euch gefällt und den Tag entspannter anzugehen ohne euch Gedanken zu machen, wo man wohl sicher schlafen kann. Auch hier ein Trugschluss: Man darf nicht meinen, dass es allein reisende Männer oder auch Pärchen immer einfacher haben. Ich habe Geschichten gehört von Single-Männern, die unmoralische Angebote von anderen Herren bekamen oder die sich jeden Abend in Panik versetzten, sie könnten überfallen und ausgeraubt werden.
Paul, der mein erster Begleiter war, hat mich tatsächlich damit überrascht, dass er mindestens genauso Respekt vor dem Wild Campen hatte wie ich. Was er natürlich nie offen zugegeben hat. Wir haben unsere ersten echten Versuche in der Wildnis zusammen gemeistert und tatsächlich war ich entspannter als er. Ich bin ihm wahnsinnig dankbar, dass er mich mit zu seiner rumänischen Familie eingeladen hat. Die Familie hat uns mehr als herzlich aufgenommen und unterstützt. Zuvor hatte er mich beim Herausfahren aus Budapest damit genervt, dass er kritisierte, das ich nur mit meinem GPS-Gerät navigiere. Er hatte nicht ganz Unrecht – das GPS-Gerät zeigte zwar viele gute Radwege an, aber für den ganzen Rest der Reise war es keine Hilfe. Auf dem Weg zu ihm nach Jena hatte es mich so unglaublich blöd durch die Landschaft geschickt, dass ich spätestens da bereits hätte einsehen sollen, dass die Welt kein zusammenhängendes Radnetz ist und irgendwann sowieso der Punkt kommt an dem man einfach nur noch stumpf auf Hauptstraßen fährt und sogar Autobahnen.Tatsächlich hatte ich nicht viel Zeit meine Reise vorzubereiten, aber das Wenige an Zeit, was ich hatte, habe ich in die Vorbereitung dieser GPS-Karten gesteckt. Und dann bin ich nachher mit einer ganz simplen Offline-Karte gefahren. Man kann eben nicht alles richtig machen.
Und überhaupt: Wie startet man denn so eine Reise, wenn man absolut keine Ahnung hat was da alles auf einen zukommt? Also keine Vorstellung hat was einen erwarten könnte. Erst als ich wirklich auf dem Rad saß und die ersten Nächte anstanden, habe ich verstanden was es heißt ein Plätzchen zum Schlafen zu finden und dass dies eben nicht immer so einfach ist. Aber genauso habe ich Schritt für Schritt die Dinge an mich herankommen lassen und von Tag zu Tag dazugelernt. So habe ich meine erste Nacht wildes Campen dadurch geschafft, dass mich meine erste Gastgeberin bei Warmshowers (Ulla in Aschaffenburg) darauf gebracht hatte, dass man sich ja auf Campingplätzen auch niederlassen kann, wenn sie geschlossen sind. Meine Idealvorstellung wäre ja gewesen am besten immer Campingplätze zu finden, was natürlich Quatsch ist. Aber so weit habe ich nicht gedacht und das ist auch gut so. Wenn man immer alles durchdenkt, dann tut man die Dinge oft nicht. Tatsächlich habe ich aber nie ablegen können, doch immer einen »Schlafplatz« planen zu wollen. Und um dem Plan zu folgen, habe ich große Distanzen in Kauf gekommen, um in die nächste Stadt zu kommen und ein Hotel zu finden, oder einen »ausgewiesenen« Platz zum wilden Campen .
Der treueste und wichtigste Begleiter war aber meine Whatsapp-Gruppe aus Familie und Freunde, die mich stets und ständig unterstützt hat. Es hatte immer eine oder einer einen aufmunternden oder anerkennenden Kommentar für mich. Es wurde mitgefeiert und mitgeschmunzelt. Mitgestaunt und vor allem miterlebt. Es gab so viele Momente in denen ich glücklich war, daran erinnert zu werden, warum es wichtig ist, vernünftig zu entscheiden und keine Risiken einzugehen.
Diese Reise habe ich für mich gemacht, für mich ganz alleine, aber es ist schön zu wissen, dass es Menschen gibt, die zu Hause auf einen warten und stolz auf einen sind. Dass es sich lohnt auch irgendwann mal wieder nach Hause zu kommen, egal wie lange die Reise dauert oder wo sie hinführt.
Zusammen reist man weniger allein. Ich liebe diese Überschrift, weil sie alles sagt. Man reist allein mit allen Herausforderungen und Vorteilen, aber zusammen ist man weniger allein und genießt mindestens genauso intensiv. Schlussendlich gebe ich zu, dass ich gerne weiter per Rad gereist wäre, weil es für mich die schönste Art des Reisens ist und es so gut getan hat frei zu sein, als Nomade zu reisen und in den Tag hinein zu leben...aber eben nicht wieder alleine.
Ganz ehrlich, wie fühlt man sich, wenn man diese Frage gestellt bekommt? Ich fühle mich jedes Mal geehrt, sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext. Für mich ist es die wertschätzendste Frage aller Fragen, die man jemandem stellen kann. Die Frage nach dem wer bin ich und wo komme ich her. Die Tragweite und Wertschätzung dieser Frage habe ich erst in Kirklareli verstanden, an meinem ersten Abend in der Türkei. Vielleicht bin ich deswegen so eingeschossen auf die Bedeutung dieser Frage. Aber wenn man darüber nachdenkt, dass dein Gegenüber ganz offensichtlich danach fragt was deine Geschichte ist, was dich als Mensch ausmacht und irgendwie nebenbei auch was du eigentlich hier-jetzt-gerade machst, dann ist das doch die Aufmerksamkeit, die man sich insgeheim wünscht und genießt.
Mein erster Abend in der Türkei war der Hammer. Nie, nie, nie hätte ich erwartet, was ich dort erlebt habe. Es war einfach so unglaublich überraschend und unerwartet, dass ich es niemals vergessen könnte und für immer dafür dankbar sein werde. Der Grenzübergang Bulgarien-Türkei, wo mich fast ein Hütehund aufgefressen hätte mit einem Stockmaß, das meiner eigenen Körpergröße entspricht und der überdimensionalen Drohne, die mich bis Kirklareli verfolgte, waren vielleicht nicht der angenehmste Einstieg in die Türkei, aber nach den ersten paar Stunden in Kirklareli schnell vergessen. Ich kam in dieser ersten Stadt nach der Grenze an und war vom ersten Moment an hin und weg. Die ersten Eindrücke als ich hier gehalten habe und mir etwas zu essen gekauft habe waren exotisch und positiv. Ich hatte mich direkt beim ersten Dürüm-Verkäufer niedergelassen, hungrig wie immer und furchtbar neugierig auf das authentische türkische Essen. Um die Atmosphäre der umtriebigen, aber kleinen Hauptstraße zu genießen, ließ ich mich vor dem Laden an einem der Tische nieder – Karl-Gustav, mein Reiserad, stets bei mir. Der Besitzer kam gleich herausgelaufen, mindestens genauso neugierig wie ich, und wir fingen an uns mit Händen und Füßen zu unterhalten. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ich glaube dieser Türke war der Erste mit dem ich eine Konversation »à la Hand-Fuß« hatte. Immer am Lächeln und offensichtlich furchtbar begeistert von der Ausländerin, die sich hierher »verirrt« hatte, fragte er mich aus. Jemand, der sich die Szene angeschaut hätte, wäre wahrscheinlich vom Lachen ins Weinen gekommen und wieder zurück, weil man tatsächlich immer mit den Händen fuchtelt, oft auch die Beine einsetzt und am Ende einfach das klassische »Activity« spielt, nur eben mit einer wildfremden Person. Besonders lustig wird es dann immer, wenn es darum geht nach der Toilette zu fragen. Mir ist es nie wirklich gelungen einen charmanten Weg zu finden nach dem stillen Örtchen zu fragen, aber irgendwie habe ich es immer gemeistert ohne alle in Verlegenheit zu bringen. Im Gegenteil, es kann schon immer nur zu einem Lacher führen. Und wenn man gemeinsam lacht, dann hat man meistens schon gewonnen und es bedarf keiner großen Erklärungen mehr, um sich der Unterstützung des Gegenüber sicher zu sein. Ich war so begeistert, dass der Besitzer, der kein WC in seinem kleinen Imbiss anbieten konnte, mir den Toiletten-Schlüssel der gegenüberliegenden »Einkaufspassage« organisierte, dass ich kurzerhand in einem kleinen Café Tee bestellte, um mich zu bedanken und diesen wunderbar netten Moment zu feiern. Nicht nur, dass es ein typisches Männer-Café war und ich in meinem Rad-Reise-Outfit als Frau hereinkam und keiner murrte oder blöd glotzte, sondern der junge Kellner darauf bestand den Tee auszugeben, und mir zur anderen Straßenseite zu meinem Platz vor dem Imbiss zu bringen. Es dauerte nicht lange, da gesellte sich noch der Barbier von nebenan dazu und sprach von Verwandtschaft in Deutschland (ich glaube sogar in gebrochenem Englisch). Er wollte auch noch einmal hören, was ich eigentlich hier treibe und warum das auch noch per Fahrrad. Was ich hier an wunderbarer Gastfreundschaft kennengelernt habe, sollte mich meine ganzen 30 Tage durch die Türkei begleiten.
Meine Gastgeberin Meral, die ich über Warmshowers gefunden hatte, traf ich später wie vereinbart in der Nähe ihrer Wohnung in einem »Biergarten« mit einem Freund. So einfach ist das, man schaut auf einer Karte bei der Plattform für einheimische Gastgeber für Übernachtungen namens Warmshowers, ob es auf dem Weg einen Kandidaten gibt und schreibt diesen an. Hat diese Person Zeit einen aufzunehmen, tauscht man sich über einen Chat darüber aus wie und wann man sich trifft, dann bekommt man eine Adresse und diese sucht man dann auf einer Karte (ich zum Beispiel auf maps.me) und navigiert dahin. Meral, eine super nette junge Frau, war Lehrerin und sprach perfekt Englisch. Sie war so alt wie ich und kam gerade aus dem Krankenhaus nach zwei Wochen Koma nach einem Radunfall. Spätestens hier habe ich verstanden und verinnerlicht, dass Fahren mit Helm die Grundvoraussetzung ist, um diese Reise sicher zu überstehen. Sie war nicht schnell unterwegs als sie stürzte, aber ohne Helm hätte sie es laut Arzt nicht überlebt. Starker Tobak, aber genau richtig, um mich einzunorden und den Helm mal endlich Ernst zu nehmen.
Nun bin ich nicht zum ersten Mal in meinem Leben gereist und habe auch nicht zum ersten Mal den Alltag Einheimischer im Ausland erlebt, und dennoch war ich entzückt wie stinknormal und gleich doch alle Menschen sind. Meral entschuldigte sich gleich, dass sie ihre Termine durcheinandergebracht und eigentlich ein Date heute Abend hätte, sogar ihr erstes überhaupt. Wir waren gleich wie zwei Freundinnen, ohne uns auch nur eine Stunde zu kennen. Ich sagte ihr, dass es natürlich absolut kein Problem wäre und doch super geil, dass sie ein Date habe. Für mich sei es völlig in Ordnung mich selbst zu versorgen und mich dann in ihre Wohnung zurückzuziehen und auszuruhen bis sie wiederkäme. Ihre Katze würde mir zudem auch noch Gesellschaft leisten. Am Ende stellte sich heraus, dass das Rendez-vous wohl doch erst später die Tage zustande käme, sie aber sonst eigentlich auch Tango-Tanzkurs hätte. Ein Freund von ihr wolle sie schon seit Langem einmal mit dorthin nehmen, um sie dafür zu begeistern. Man rechnet wirklich mit vielen Sachen auf solch einer Reise, aber nicht am ersten Abend in der Türkei einem Tanzkurs beizuwohnen. Ich kam aus dem Feiern ob dieser lustigen Überraschungen nicht mehr heraus, es war einfach zu herrlich diese Aneinanderreihung von schönen Erlebnissen. Im Anschluss an den Kurs hatte sie sämtliche Freunde aus der Stadt organisiert mit etwas trinken zu gehen, um mich vorzustellen und mir die Stadt zu zeigen sowie die Leute vorzustellen. Wenig später saßen wir nach einer kurzen Stadtführung durch einen ihrer Kumpel in einem Pub mit sicherlich zwanzig Leuten und tranken Bier während im Hintergrund Baseball- und Fußballspiele auf den Bildschirmen liefen. Mir gegenüber saß ein junger Mann, ein türkischer Soldat, und stellte mir nach einem kurzen Vorstellungschat die alles