Mandelblütenträume - Karin Spieker - E-Book
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Mandelblütenträume E-Book

Karin Spieker

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Beschreibung

Das Chaos, das man Liebe nennt: Der turbulente Feelgood-Roman »Mandelblütenträume« von Karin Spieker jetzt als eBook bei dotbooks. Frisch geschieden, ohne Wohnung, ohne Job – für die Hobby-Eventmanagerin Vicky folgt auf den Regen geradewegs die Traufe. Und dann ist da noch der attraktive Playboy Florian, der immer genau dann auftaucht, wenn sie in ein Fettnäpfchen tritt! Doch dann überrascht er Vicky mit einem unwiderstehlichen Angebot: Sie soll ihn über den Sommer als neue Assistentin in seine Villa auf Mallorca begleiten. Begeistert sagt sie zu – und ahnt nicht, dass die verflixte Liebe bald für Chaos sorgen wird … Plötzlich tanzen in Vickys Bauch jedes Mal die Schmetterlinge Salsa, wenn ihr neuer Chef in der Nähe ist. Vernünftig wie sie ist, lehnt Vicky die Avancen des notorischen Herzensbrechers erstmal ab und flirtet lieber mit dem süßen Spanier Fran. Aber kann sie Florian auf Dauer widerstehen? Sommerstrandträume und Inselzauber pur: Ein Roman über die romantischen Irrwege zum Glück. Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der romantisch-schwungvolle Liebesroman »Mandelblütenträume« von Karin Spieker. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 327

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Über dieses Buch:

Frisch geschieden, ohne Wohnung, ohne Job – für die Hobby-Eventmanagerin Vicky folgt auf den Regen geradewegs die Traufe. Und dann ist da noch der attraktive Playboy Florian, der immer genau dann auftaucht, wenn sie in ein Fettnäpfchen tritt! Doch dann überrascht er Vicky mit einem unwiderstehlichen Angebot: Sie soll ihn über den Sommer als neue Assistentin in seine Villa auf Mallorca begleiten. Begeistert sagt sie zu – und ahnt nicht, dass die verflixte Liebe bald für Chaos sorgen wird … Plötzlich tanzen in Vickys Bauch jedes Mal die Schmetterlinge Salsa, wenn ihr neuer Chef in der Nähe ist. Vernünftig wie sie ist, lehnt Vicky die Avancen des notorischen Herzensbrechers erstmal ab und flirtet lieber mit dem süßen Spanier Fran. Aber kann sie Florian auf Dauer widerstehen?

Sommerstrandträume und Inselzauber pur: Ein Roman über die romantischen Irrwege zum Glück.

Über die Autorin:

Karin Spieker, Jahrgang 1976, lebt mit ihrem Mann und ihrer Katze Lotti bei Paderborn. Nach einem Studium der Literatur- und Medienwissenschaften arbeitete sie zunächst im PR-Bereich und als Werbetexterin, bevor sie sich hauptberuflich dem Schreiben widmete. Neben der Literatur ist die Musik ihre große Leidenschaft: Sie spielt seit früher Kindheit Klavier und Gitarre, außerdem singt sie in einem A-cappella-Ensemble und leitet den örtlichen Kirchenchor.

Die Website der Autorin: www.karin-spieker.de

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Originalausgabe Juni 2018

Copyright © der Originalausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Birgit Förster

Titelbildabbildung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Bildmotiven von Shutterstock.com/Le Panda und Shutterstock.com/Katsiaryna Chumakova und Shutterstock.com/anemad

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (sh)

ISBN 978-3-96148-244-3

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Karin Spieker

Mandelblütenträume

Roman

dotbooks.

Prolog

Ein lauer Wind streichelte mein Gesicht und bewegte meine Haare. Endlich waren wir angekommen, meine Koffer und ich. Wir standen auf einem der schönsten Grundstücke, die ich je gesehen hatte. Ich war umgeben von satter, mediterraner Pflanzenpracht. Egal, wohin ich blickte, überall fand mein Auge Blütenteppiche, üppige Büsche und schattenspendende Bäume. Ich stand auf der großen, weiß gekiesten Auffahrt vor einer Reihe von Garagentoren. Neben den Garagentoren begann, eingebettet in eine Oleanderhecke, eine breite Treppe, die seitlich an einer Terrasse vorbei hinauf zum Haus führte – oder waren es vier Häuser?

In den Hang hinein war ein Ensemble aus vier Quadern mit riesigen Glasflächen gebaut. Sie waren über- und hintereinander geschichtet, sodass das Dach des ersten Quaders die riesige Terrasse für den nächsten Quader bildete. Seltsamerweise fügte sich der ultramoderne Bau harmonisch in die Landschaft, denn der Architekt hatte bei der Fassadengestaltung viel Holz und grobe Natursteinquader verwendet. Das ganze Anwesen sah nach viel Geschmack und noch mehr Geld aus!

Unter mir, nur wenige Meter entfernt und unglaublich blau, leuchtete das Mittelmeer. Ein geschwungener, grob mit Steinen befestigter Pfad führte vom Vorplatz aus steil abwärts. Ich war sicher, ich müsste ihm nur folgen, schon wäre ich bei der kleinen, privaten Bucht, mit der mein neuer Arbeitgeber geworben hatte.

Mein Herz tat einen Freudenhüpfer beim Anblick dieses Pfades. Ich war sicher, dass hinter jeder seiner Kurven herrliche Aussichten auf mich warteten. Am liebsten hätte ich meine Koffer einfach stehen lassen und wäre sofort Richtung Meer gestürmt.

Plötzlich war es mir egal, warum ich hier war. Ich würde ab heute hier leben dürfen, in einem Haus, das schöner war als alle Häuser, in denen ich je gelebt oder Urlaub gemacht hatte.

An diesem Gedanken würde ich mich eben festhalten, falls die Dinge in der nächsten Zeit nicht ganz so optimal laufen sollten.

Mit einem letzten Blick auf das Meer drehte ich mich um und machte mich daran, mitsamt meinem Reisegepäck die Stufen zum Haus zu erklimmen.

Ich war schließlich nicht zum Vergnügen hier!

Kapitel 1

Einige Tage vorher

Ich war viel zu spät zur Bushaltestelle aufgebrochen.

Beim Verlassen des Hauses hatte ich einen dicken Fettfleck auf dem kurzen Wollrock, den ich trug, entdeckt. Also musste ich in letzter Minute ein neues Outfit zusammenstellen. Hektisch hatte ich drei verschiedene Tops und zwei Hosen anprobiert, um schließlich doch bei meinem Lieblingskleid zu landen.

Ich hasse es, bei einem Shoppingbummel schlecht angezogen zu sein! In allen Geschäften lauern diese makellos gekleideten, zu allem Überfluss meist auch noch hübschen, jungen und schlanken Verkäuferinnen. Ich fühle mich ihnen gegenüber grundsätzlich schlampig und ein wenig hinter der Mode, selbst wenn ich mir viel Mühe mit Haaren, Make-up und Klamotten gegeben hatte.

Nun, zurück zu meiner Verspätung: Ich sah den Bus schon kommen, als ich noch gut 200 Meter von der Haltestelle entfernt war. Ich fuhr erst seit Neuestem wieder mit öffentlichen Verkehrsmitteln und ich hatte noch kein Gefühl dafür, wie lange ich zur Bushaltestelle eigentlich brauchte. Drei Minuten, das lehrte mich meine heutige Erfahrung, reichten definitiv nicht!

An der Bushaltestelle stand ein Mann in Jeans und Lederjacke, blond, groß, breitschultrig. Als der Bus in die Haltebucht einfuhr, blickte er zufällig in meine Richtung und sah, wie ich mich auf meinen acht Zentimeter hohen Pumps und in einem viel zu engen Kleid im Sprint versuchte. Mein Anblick amüsierte ihn blendend, seine Mundwinkel erreichten fast seine Augen, so breit grinste er. Trottel! Nur weil er ein bisschen aussah wie Brad Pitt in gepflegt hatte er noch lange kein Recht, sich über seine Mitmenschen lustig zu machen. Hoffentlich hielt er wenigstens den blöden Bus für mich auf!

Ja, tat er. Als er mich lange genug ausgelacht hatte, stieg er in den Bus und ich sah durch die Windschutzscheibe, wie er mit dem Busfahrer sprach und auf mich zeigte. Prima, jetzt lachten beide Männer über mich und ich würde mich zu allem Überfluss auch noch bei ihnen bedanken müssen. Ob ich einfach den nächsten Bus nehmen sollte? Nein, beschloss ich, so viel Stolz wäre dann ja auch schon wieder lächerlich.

Um einen letzten Rest Würde bemüht, verlangsamte ich meine Schritte auf den letzten Metern – Pff, sollten sie doch warten! – und erklomm cool und souverän, wie ich hoffte, die Stufen in den Bus.

Zwei grinsende Männergesichter empfingen mich.

»Danke, dass Sie auf mich gewartet haben«, rang ich mir ab.

Der Busfahrer zuckte die Schultern. »Ist ja mein Job. Wo soll’s denn hingehen?«

»Einmal Hauptbahnhof bitte.«

»Zwo achtzig. Und nächstes Mal gehen Se ein bisschen früher los, was?«

»Hmhm. Hier, bitte.« Ich gab ihm das Geld passend und ging weiter.

Der Gutaussehende lümmelte in einer der hinteren Reihen und grinste mir entgegen. Selbstverliebt, entschied ich. Warum fuhr so einer überhaupt Bus? Er sah aus, als hätte er nicht nur ein, sondern mindestens zwei Autos. Teure Jacke, teure Schuhe, beides eindeutig echtes Leder. Teurer Teint, irgendwie. Glatt, gleichmäßig, strahlend, leicht gebräunt. Teure Haare. Sorgfältig geschnitten und ebenso sorgfältig mit Gel verstrubbelt. Teure Zähne. Da waren eine Zahnspange und vor nicht allzu langer Zeit ein Bleaching im Spiel gewesen. Teure Ausstrahlung. Jeder Körperteil, jede Fingerspitze verströmte entspanntes Selbstbewusstsein.

Ich hasste solche Männer! Mit Sicherheit hatte er heute schon mehr Zeit im Bad verbracht als ich! Arroganter Schnösel! Vielleicht hatte er sein Punktekonto überzogen und fuhr deshalb Bus. So oder so ähnlich musste es sein.

Ich glitt in eine der vorderen Sitzreihen, ohne sein Grinsen zu erwidern, und kehrte ihm stur den Rücken zu. Scheiße, sah der Mann gut aus! Aber ich mochte das Selbstbewusstsein eines solchen Womanizers nicht noch dadurch befeuern, dass ich interessiert wirkte. Bestimmt war er auch so schon längst davon überzeugt, dass er mich schwer beeindruckt hatte.

Wir fuhren die Hauptstraße entlang, vorbei an Baumärkten, Autohändlern, einer Videothek und diversen mittelständischen Betrieben. Ich war seit Jahren fast jeden Tag auf dieser Strecke unterwegs, es fiel mir schwer, mich mit dem Blick aus dem Fenster abzulenken.

Ob seine Nase operiert war? Oder war die von Natur aus so gerade?

Nein, Victoria, denk an was anderes. Da, die Gartenstühle dort in der Ausstellung, die würden doch hervorragend in die Nische unter den Apfelbäumen passen! Aber nein, an meinen Garten, der nicht mehr mein Garten war, wollte ich gerade auch nicht denken, sonst fing ich nur an zu heulen. Dann beschäftigte ich mich lieber wieder mit diesem Kerl.

Was hatte es zum Beispiel mit diesen Wangengrübchen auf sich? Die waren doch schon fast lächerlich, nur Babys und kitschige Hollywood-Helden hatten so etwas. Und seine Augen leuchteten so strahlend blau – das waren Kontaktlinsen, oder nicht?

Ich konnte nicht widerstehen – ich wandte mich noch einmal nach ihm um. Prompt begegnete mir sein Blick und ein Lächeln erhellte seine Züge. Hastig drehte ich mich weg. Mein Herz klopfte ein wenig und ich spürte Röte in meinen Wangen. Prima, ganz prima. Jetzt wusste er, dass ich an ihn gedacht hatte. So ein Mist.

Den Rest der Busfahrt riss ich mich zusammen, aber sein Blick, den ich abwechselnd auf meinem bloßen Nacken, in meinen hochgesteckten dunklen Locken und auf meinem Halbprofil vermutete, ließ meine Haut so intensiv kribbeln, dass ich sogar überlegte, ob ich schon früher aussteigen und den Rest der Strecke zu Fuß zurücklegen sollte.

Ich war erleichtert, als der Bus endlich am Hauptbahnhof hielt. Ich nahm die vordere Bustür, um weiteren Blickkontakt mit dem Strahlemann aus dem Weg zu gehen. Erst als ich auf der Straße stand, entspannte ich mich.

Ich zog mein Kleid – ein schmales Trägerkleid aus hellgrauem Wollstoff, mein Kleid für alle Gelegenheiten – und das darunter sitzende langärmelige Shirt glatt und legte meinen dünnen schwarzen Mantel über den Arm. Der April arbeitete gerade daran, nach dem Winter endlich die 15-Grad-Marke zu knacken, und in der Sonne fand ich es schon ganz schön warm.

Der Bus hinter mir fuhr an und schon kam ich mir albern vor. Sehr albern. Das Grinsen eines Mannes, eine winzige Nettigkeit – und ich dachte eine Viertelstunde lang über diesen Typen nach? Benutzte sogar den vorderen Ausgang, um seinem verwirrenden Blick nicht begegnen zu müssen? Ach herrje, man konnte Situationen auch überbewerten!

Wahrscheinlich war ich dieser Tage Männern gegenüber einfach durcheinander. Ich schien weder zu wissen, was sie von mir wollten, noch, was ich von ihnen wollte. In zehnjähriger monogamer Ehe war mir das Gefühl dafür irgendwie abhandengekommen. Sogar mein Mann und ich hatten am Ende nicht mehr gewusst, was wir voneinander wollten. Wir waren uns in stillem Einverständnis immer öfter aus dem Weg gegangen und unsere Gespräche waren immer seltener und kürzer geworden. Dann war nach unserem Sohn, meinem Stiefsohn Marlon, auch unsere Tochter, meine Stieftochter Marlene, zum Studium in eine andere Stadt gezogen. Und da merkten wir, dass wir uns nicht einmal miteinander langweilten, nein, wir gingen uns schlicht nichts mehr an.

Die Wahrheit ging uns eines Sonntags auf, als wir uns abends in der Doppelgarage trafen und beide einen Koffer aus unseren jeweiligen Autos zogen. Ich kam zurück von einem Besuch bei meinen Eltern, er hatte – geschäftlich, natürlich! – ein Seminar besucht.

»Oh, ich wusste gar nicht, dass du auch unterwegs warst!«, sagte er mit einem Blick auf das Gepäckstück in meiner Hand.

Wir sahen einander überrascht an und in dem Moment wussten wir beide, dass die Zeit für eine Trennung gekommen war.

Es tat nicht weh. Schon seit Jahren gingen wir getrennte Wege, er hatte wie verrückt Karriere gemacht, mittlerweile führte er über 500 Mitarbeiter. Gisbert war 20 Jahre älter als ich, er hatte seine Bekannten, ich hatte meine Bekannten. Außerdem meine Hobbys und das riesige Haus. Niemand war fremdgegangen, wir hatten einander nicht verletzt, nein, wir hatten einfach nur aufgehört, einander zu lieben, einander nahe zu sein.

»Schade.« Das war ein Wort, das in unserem Trennungsgespräch oft fiel. »Schade, dass wir nicht rechtzeitig etwas unternommen haben.« »Schade um unser gemütliches Zuhause.« »Schade, dass wir ab jetzt Weihnachten getrennt feiern müssen – dann werde ich deine köstliche Gans wohl nie wieder zu essen bekommen.« »Schade, dass es ›glücklich und zufrieden bis ans Lebensende‹ nur im Märchen gibt.«

Alles war furchtbar einfach, das war es, was uns traurig machte. Irgendwann einmal hatten wir uns schließlich geliebt. Und für ihn war es sogar schon die zweite Ehe, die nicht dauerhaft funktioniert hatte.

Die ganze harmonische, einvernehmliche Trennung hatte nur einen einzigen Haken: Ich würde in Kürze auf der Straße sitzen. Arbeitslos und abhängig von den Unterhaltszahlungen eines Mannes, den ich nicht mehr liebte.

Denn in den fünf Jahren, die seit meinem Studium vergangen waren, hatte ich nie als Angestellte gearbeitet, sondern ausschließlich ehrenamtlich und für meine Familie. Sicher, das war ungewöhnlich für eine Frau meiner Generation, aber für mich hatte sich dieses Leben immer richtig angefühlt.

Als meine Kommilitoninnen sich nach ihrem abgeschlossenen Studium reihenweise in unbezahlten Praktika den Hintern wund arbeiteten, gab es für mich keinen logischen Grund, es ihnen gleichzutun. Gisbert verdiente geradezu verboten gut, außerdem wurde ich zu Hause weit mehr gebraucht als in irgendeinem Unternehmen. Und einen Hauch von Berufsleben hatte ich schon im Studium über die ehrenamtliche Tätigkeit für den Tennisverein in mein Leben geholt.

Gisbert war beruflich oft unterwegs, meine Stiefkinder Marlon und Marlene hatten zu der Zeit gerade Schwierigkeiten in der Schule, meine Schwiegermutter konnte allein kaum noch gehen … Selbst wenn ich als Geisteswissenschaftlerin Vollzeit gearbeitet hätte, hätten wir womöglich unterm Strich mehr für die Pflege meiner Schwiegermutter und die Betreuung und den Nachhilfeunterricht der Kinder bezahlt, als ich verdienen konnte. Ich sah mehr Sinn darin, mich selbst um die Kinder und das Haus zu kümmern. Außerdem machte es mir ganz einfach Spaß!

Wann immer ich meine Studienkolleginnen über muffige Büros, Überstunden und unerträgliche Chefs stöhnen hörte, war ich unendlich dankbar dafür, dass das Schicksal es so gut mit mir gemeint hatte. Gisbert und ich hatten uns regelmäßig gegenseitig auf die Schultern geklopft, weil unsere konsequente Arbeitsteilung unser Leben so einfach und harmonisch machte.

Aber trotzdem war mir immer klar gewesen, dass unser Modell nur funktionieren würde, solange unsere Ehe intakt war.

Also bis jetzt.

Meine Unterhaltszahlungen würden ordentlich ausfallen, das war nicht das Problem. Wir hatten das vertraglich geregelt, als wir nach meinem Studium beschlossen hatten, dass ich mich ausschließlich um unser Privatleben kümmern würde.

Und ich kannte Gisbert: Er war ein großzügiger Mann, er würde mir auch über den festgelegten Unterhalt hinaus jederzeit Geld überweisen, wann immer ich ihn darum bat. Und selbstverständlich würde er mich so lange in seinem Haus wohnen lassen, wie ich wollte.

Aber mit der Trennung war mein Ehrgeiz erwacht. Solange ich Gisberts Leben organisiert, erleichtert und verschönert hatte, war es fair gewesen, dass ich von seinem Geld lebte. Aber jetzt, da ich nichts mehr für ihn tat, wollte ich das nicht länger.

Ich war eine kluge, talentierte Frau, ich hatte studiert. Ich war erst 30! Und in den letzten Jahren hatte ich viel geleistet – wenn auch nicht als Angestellte, sondern »nur« als Vorsitzende eines großen Haushalts. Ich hatte zahlreiche Partys, Events und Reisen geplant, oft genug mit einer großen Gruppe von Teilnehmern. Ich hatte unsere riesige alte Villa am Stadtrand mithilfe unzähliger Handwerker in ein Juwel verwandelt. Ich hatte so viele Gäste beherbergt, dass ich mir manchmal fast wie die Inhaberin eines Hotels vorgekommen war. Ich hatte auf unserem Grundstück einen wunderschönen, parkartigen Garten anlegen lassen. Ich hatte Italienisch und Spanisch gelernt und sprach es mittlerweile fließend, denn mein Mann – Ex-Mann! – hasste es, wenn im Ausland nicht alles nach seinem Wunsch lief, und er schätzte es sehr, wenn ich in unseren Urlauben die Dinge regelte. Ich hatte an unzähligen Nachmittagen Nachhilfe gegeben. Marlon hatte in der Mittelstufe große Probleme mit den Fremdsprachen gehabt, Marlene brauchte bis zum Abitur regelmäßig Unterstützung in Mathe. Ich hatte meine Schwiegermutter betreut – immerhin drei Mal in der Woche, bis sie im letzten Jahr gestorben war. Und, und, und …

Realistisch betrachtet hatte ich in meinen Ehejahren als Erzieherin, Altenpflegerin, Eventmanagerin, Innenausstatterin, Köchin, Gärtnerin, Lehrerin und Reiseleiterin gearbeitet. Mindestens. Hätte ich all das nicht privat, sondern beruflich gemacht, ich wäre auf dem Arbeitsmarkt hoch begehrt.

Leider wusste ich, dass all das nicht zählte, wenn ich mir jetzt nach jahrelanger Auszeit wieder einen Job suchte. Es würde unendlich schwer sein, überhaupt zu Vorstellungsgesprächen eingeladen zu werden. Für den Fall, dass es mir gelang, war ich heute hier in der Stadt: Ich brauchte zum ersten Mal in meinem Leben professionelle, neutrale Kleidung. Genauer gesagt einen schwarzen Hosenanzug, eine weiße Bluse und gepflegte Schuhe, die Uniform einer berufstätigen Frau. Wenn Kleider Leute machten, machte die richtige Kleidung aus mir hoffentlich bald eine finanziell unabhängige Frau.

Ich stand also am Hauptbahnhof und schimpfte mit mir, weil mich dieser Schönling so beeindruckt hatte. »Schwachsinn!«, murmelte ich vor mich hin, während ich in die Fußgängerzone eintauchte.

Eine ganze Weile ließ ich mich durch die Geschäfte treiben, guckte hier, befühlte dort. Komischerweise machte mir Shopping jetzt, wo ich aufs Geld gucken musste, viel mehr Spaß als in all den Jahren zuvor, in denen ich einfach nur gekauft hatte, was mir ins Auge fiel. Meine neue, selbst auferlegte Sparsamkeit zwang mich, mir Gedanken zu machen und mich vor jedem Einkaufsbummel gründlich zu informieren. Ich wollte mir nur ein einziges neues Paar Schuhe leisten? Dann mussten es eben die perfekten Schuhe sein, das eine Paar, das jeden neuen Trend mitmachte. Ich fühlte mich ein bisschen wie eine Schatzsucherin.

Erst im dritten Schuhladen fand ich das richtige Modell. Schwarz, damit man sie zu allen Farben kombinieren konnte. Blockabsatz, damit ich darin auch längere Strecken gehen konnte. Glattleder, falls es regnete. Und das zu einem Preis, mit dem ich leben konnte.

Froh über meine Beute, beschloss ich, dass ich mir eine Pause verdient hatte. Die Cafés in der Fußgängerzone waren gut besucht, einige Mutige saßen aufgrund des schönen Wetters sogar schon an den Außentischen. Raucher, vermutete ich, eigentlich war es noch zu kühl, um längere Zeit im Freien zu sitzen. Ich steuerte mein Lieblingscafé an, das »Wohnzimmer«, in dem überall gemütliche Sessel und Sofas standen und dessen Wände mit riesigen Bücherregalen bestückt waren. Ich hatte Glück, ein letzter kleiner Tisch in der Ecke wurde gerade frei, als ich eintrat.

Zufrieden warf ich meinen Mantel und meine neu erworbenen Schuhe auf den Sessel neben mir und suchte in der Bücherwand nach Lesestoff für die nächste Stunde. Ich fand Kurzgeschichten von Rosamunde Pilcher. Nicht, dass ich die typische Pilcher-Leserin wäre, aber hier und jetzt, mit einem Hauch von frisch gebackenen Waffeln in der Nase und einer frischen Trennung auf dem Buckel, hatte ich plötzlich Lust, in ihre heile, romantisch-melancholische Welt einzutauchen.

Eine köstliche Waffel, zwei Kurzgeschichten und ein Kännchen Rotbusch-Vanille-Tee später fühlte ich mich durch und durch wohl. Die Sonne wärmte durch das Fenster meinen Rücken und meine Haare. Am liebsten wäre ich ewig so sitzen geblieben, allein mit mir selbst, aber umgeben von lauter sympathischen Menschen.

Und ich durfte sogar noch hier sitzen bleiben, schoss es mir plötzlich durch den Kopf, so lange, wie ich wollte. Gisbert erwartete nicht mehr, dass ich zu Hause noch irgendwelche Pflichten wahrnahm, die Kinder waren weit weg, Termine hatte ich ausnahmsweise keine. Ich war jetzt der einzige Mensch, dem ich Rechenschaft über meine Aktivitäten schuldete. Ein ungewohnter Gedanke.

Als die Kellnerin kam, bestellte ich noch ein Kännchen Tee und kam mir einigermaßen verwegen vor. Ich, Victoria »Vicky« Wode, hing am helllichten Tage genüsslich in einem Café herum. Und ich traf nicht einmal eine Freundin, nein, ich vertat einfach meine Zeit. Wenn das meine Mutter wüsste! Ich grinste in mich hinein und steckte meine Nase wieder in das Buch.

»Ist hier noch frei?« Es dauerte eine Weile, bis ich erkannte, dass diese Worte mir galten. Eine tiefe Männerstimme hatte sie ausgesprochen und deren Besitzer stand direkt vor meinem Tisch. Ich sah auf und wünschte sofort, ich hätte die zweite Kanne Tee nicht bestellt. Denn vor mir stand der Teure aus dem Bus.

Kapitel 2

Was soll man antworten, wenn man allein an einem Tisch sitzt und gefragt wird, ob noch ein Platz frei ist? Soll man das Offensichtliche leugnen? Behaupten, man würde auf jemanden warten? Oder frech antworten: »Nein, den Sessel braucht meine Tasche!«? Für all das bin ich nicht der Typ. Weder Frechheit noch Lügen liegen mir sonderlich. Ich bin eher jemand, der grundsätzlich höflich, freundlich und korrekt bleibt. So bin ich erzogen worden, so handle ich. Ob ich will oder nicht.

»Natürlich«, sagte ich also lächelnd und räumte Mantel und Tasche von dem zweiten Sessel. Innerlich fluchte ich. Ich hatte mich eben noch so wohl gefühlt und jetzt saß dieser verwöhnte Kerl an meinem Tisch. Adieu, herrliches Alleinsein.

Außerdem ärgerte mich, dass mein Herz plötzlich einen Tacken schneller schlug. Mein dummer, männerentwöhnter Körper reagierte leider ganz anders auf diesen Schönling, als mein Verstand es wollte. Und jetzt schoss er auch noch ein strahlendes Lächeln auf mich ab, bei dem seine Leuchtaugen noch intensiver funkelten. Irgendetwas in meiner Bauchgegend schlug einen Salto. Scheiße, dieser Mann war hübsch!

»Es tut mir leid, dass ich Sie beim Lesen gestört habe«, begann der Teure, »aber alle anderen Tische sind besetzt, und da wir uns doch schon aus dem Bus kennen …«

Sein Lächeln wurde breiter und jetzt tauchten wieder diese Grübchen in seinen Wangen auf. Das war ja geradezu lächerlich – man hätte Barbies Ken nach seinem Vorbild modellieren können.

»Kein Problem«, sagte mein wohlerzogenes Ich. »Ich bin wirklich froh, dass Sie eben den Bus für mich aufgehalten haben. Sonst säße ich womöglich noch gar nicht hier!«

»Stimmt! Und wenn Sie hier nicht sitzen würden, wäre der Tisch vielleicht frei. Also ist dies hier eigentlich mein Tisch, und dann müssten Sie mich fragen, ob Sie hier sitzen bleiben dürfen.«

»Eine interessante Logik.« Blödmann.

»Und nicht von der Hand zu weisen.« Er zwinkerte mir zu.

Herrje, so einen siegesgewissen Hengst hatte ich schon lange nicht mehr erlebt. Jetzt schälte er sich aus seiner schwarzen Lederjacke. Natürlich trug er ein hautenges weißes Shirt, natürlich war sein Oberkörper fitnessstudiogestählt. Was hatte ich denn erwartet? Es passte alles ins Bild.

»Kommen Sie öfter her?«

Schweren Herzens schlug ich meine Kurzgeschichten zu und legte das Buch auf den Tisch. Er würde nicht lockerlassen. Er war nicht der Typ dafür.

»Schon. Von Zeit zu Zeit.«

»Ich bin zum ersten Mal hier. Hier im Café und hier in der Stadt. Ich hatte heute Vormittag einen Termin und fliege erst heute Abend wieder zurück. Und da dachte ich, ich gucke mir endlich mal die City an, mein Kollege schwärmt so von der Altstadt.«

Ich sah auf seine Tüten und zog ironisch die Augenbrauen hoch. »Schwärmt er auch von unseren Schuhläden?«

Der Teure lachte gutmütig und streckte gemütlich Arme und Beine von sich. Jetzt okkupierte er drei Sessel und nahm außerdem den gesamten Raum unter dem Tisch für sich in Anspruch, als wäre völlig klar, dass ich kleines Frauchen nicht viel Platz benötigte. »Erwischt! Ich hab selten Zeit zum Einkaufen, und einige Dinge muss man eben anprobieren. Schuhe, zum Beispiel. Da habe ich mit Bestellungen nur schlechte Erfahrungen gemacht.«

Ich nickte kühl. Wo er recht hatte …

Die Kellnerin kam an unseren Tisch und der Teure bestellte, ohne nachzufragen, »das Gleiche wie die Dame«. Sogar das fand ich irgendwie angeberisch. Anbiedernd und schleimig.

»Und?« Er wandte sich wieder mir zu. »Was macht eine schöne Frau wie du – wir sagen doch du, oder? – an einem Werktag allein im Café? Hast du dir auch heute freigenommen? Oder gehörst du zu den glücklichen Teilzeitbeschäftigten?«

Er war wirklich unglaublich aufdringlich. Was würde er als Nächstes wissen wollen? Auf welche Sexpraktiken ich abfuhr? Ich hatte plötzlich Lust, ihm sein arrogantes Zwinkern und seine unbeirrbar gute Laune aus dem Gesicht zu fegen. Einfach, indem ich ihm die Wahrheit sagte. Ernsthafte Probleme killen bekanntlich jeden Small Talk im Handumdrehen.

»Keins von beidem«, antwortete ich. »Ich bin nicht zum Vergnügen in der Stadt. Ich brauche dringend Businessklamotten, weil ich mich bewerben muss. Mein Mann und ich trennen uns gerade und ich möchte finanziell möglichst bald auf eigenen Füßen stehen. Das wird sicher nicht einfach, nachdem ich in den letzten Jahren nur privat gearbeitet habe! Und hier im Café bin ich, um mich vom Shoppen zu erholen. Und weil es momentan nichts gibt, was zu Hause auf mich wartet.«

Bang. Nimm dies, Blondie, und schmier es dir in deine Grübchen.

Sein Grinsen war tatsächlich verschwunden, aber er wirkte mitnichten peinlich berührt von meinem Geständnis. Stattdessen sah er mich nachdenklich an.

»Das klingt hart, aber wenn ich dich so ansehe, traue ich dir einiges zu. Du wirkst intelligent und gepflegt, beides keine schlechten Eigenschaften, wenn man einen Job sucht. Was hast du dir denn vorgestellt?«

»Alles! Ich habe Germanistik und Pädagogik studiert und war danach fünf Jahre zu Hause und hab mich um meine Stiefkinder und um ein riesiges Haus gekümmert – ich weiß, dass ich es mir nicht leisten kann, anspruchsvoll zu sein. Es wäre schön, wenn ich etwas finden würde, wo ich meinen Kopf einsetzen darf. Und ich muss natürlich davon leben können.«

Warum erzählte ich ihm das alles? Es musste an seinem konzentrierten und hoch interessierten Gesichtsausdruck liegen.

»Du hast eben gesagt, du hättest ›privat gearbeitet‹ – was genau meinst du damit?«

»Warum interessiert dich das eigentlich so?«

»Na ja – wir sitzen hier, deine Tasse ist noch halb voll … Über irgendetwas müssen wir uns ja unterhalten. Möglicherweise kann ich dir helfen.«

»Du?« Oh, ganz so deutlich hatte ich meine Verblüffung nicht zum Ausdruck bringen wollen.

Blondie blieb gelassen. »Ja, ich. Immerhin habe ich eine eigene Firma und jede Menge Kontakte. Es gibt mit Sicherheit schlechtere Ansprechpartner für dein Problem. Also: Was hast du in den letzten Jahren gemacht?«

Ich seufzte. Wollte ich mein Privatleben wirklich vor diesem Angeber ausbreiten? Andererseits: Was hatte ich schon zu verlieren? Vielleicht kannte er ja wirklich jemanden, der jemanden kannte … Und wenn er tatsächlich eine eigene Firma hatte … Jobs wurden oft unter der Hand vergeben und wie ich eben gesagt hatte, konnte ich es mir nicht leisten, wählerisch oder empfindlich zu sein.

Also breitete ich vor ihm aus, was ich in den letzten Jahren geleistet hatte und welche Fähigkeiten ich mir angeeignet hatte. Selbst wenn es sinnlos war: Dies hier war eine gute Übung für kommende Bewerbungsgespräche, oder nicht? Vor diesem Angeber fiel mir zumindest das Angeben nicht schwer.

Ich berichtete von den großen Feiern, die ich in unserer Villa und im Garten organisiert hatte. Fast immer waren Gäste von Rang und Namen dabei gewesen, deshalb hatten fast alle unsere Partys eher gehobenen Charakter gehabt und wochenlange Vorbereitungen erfordert. Und immer war alles reibungslos verlaufen. Ich erzählte davon, wie ich Haus und Garten mithilfe des Personals stets makellos in Schuss gehalten hatte. Wie ich meine Stiefkinder betreut und gefördert hatte. Von meinem ehrenamtlichen Engagement im Sportverein und den vielen organisatorischen Aufgaben, die ich dort seit Jahren übernahm, den zahlreichen Kontakten, die ich deswegen pflegte. Von meinen außergewöhnlich guten Fremdsprachenkenntnissen. Von den vielen Reisen, auch Gruppenreisen, die ich organisiert hatte. Von dem komplizierten Terminkalender meines viel beschäftigten Mannes, von all der privaten Korrespondenz, die ich für ihn erledigt hatte.

Eine regelrechte Lobeshymne auf mich selbst brach in einem minutenlangen Monolog aus mir hervor. Keine Ahnung, wo all das herkam, Blondie hatte irgendetwas an sich, das in mir den Wunsch weckte, ihn zu beeindrucken. Er strahlte ein so unerschütterliches Selbstvertrauen aus, dass ich ihm gegenüber um keinen Preis den Kürzeren ziehen wollte, schätze ich. Irgendwann während meines Monologes hob Blondie die Hand.

»Ja, allmählich habe ich ein Bild vor Augen. Du bist also so etwas wie ein Organisationswunder, richtig? Du kannst Leuten sagen, was zu tun ist, und bist gleichzeitig daran gewöhnt, es vielen Leuten um dich herum recht zu machen? Du kannst hundert Dinge unter einen Hut bringen? Und schaffst es, dich dabei dezent zurückzuhalten?«

So, wie er es sagte, klang es irgendwie nicht richtig. Es hörte sich an, als wäre ich daran gewöhnt, das Mäuschen im Hintergrund zu sein. Dabei war mein Leben so viel mehr gewesen als das!

Ich wollte schon aggressiv auf Blondie losgehen, ihm erklären, dass ich durchaus auch vieles für mich selbst getan hatte, vielen Dank auch, als er etwas sagte, das mir komplett den Wind aus den Segeln nahm. »Klingt, als wärst du genau die, die ich suche. Willst du für mich arbeiten? Als meine persönliche Assistentin?«

Die Kellnerin brachte ihm eine Waffel und Tee.

Einige Sekunden lang konnte ich ihn nur anstarren. Glücklicherweise fiel das nicht weiter auf, er rückte gemeinsam mit der Kellnerin die Gegenstände auf dem Tisch herum, damit seine Bestellung ihren Platz fand. Die Gedanken wirbelten in meinem Kopf herum. Hatte mir da gerade ein völlig Fremder einen Job angeboten? Einfach so? Ohne Hosenanzug und Hochsteckfrisur? Und wollte ich für diesen selbstverliebten Fatzke überhaupt arbeiten? Der vielleicht sogar ein Drogenproblem hatte? Schließlich war er erst Bus gefahren und jetzt behauptete er, er bräuchte eine persönliche Assistentin. Das konnte nicht koscher sein. Womöglich war er ein Dealer oder so.

»Warum bist du mit dem Bus gefahren?« Das war meine erste Frage an ihn. Er runzelte die Stirn und sah dabei, wie ich widerwillig registrierte, vielleicht sogar noch besser aus, als wenn er lächelte. Meine Frage irritierte ihn. Kein Wunder, für ihn kam sie aus dem Nichts. »Äh – weil ich ohne Auto in der Stadt bin und direkt vor meinem Hotel ein Bus in die Stadt fuhr, gerade, als ich auf die Straße gegangen bin. Warum hätte ich da ein Taxi nehmen sollen?«

Hm. Ich musste zugeben, dass das eine sehr einfache, logische Erklärung war, die nicht nach Drogenkonsum oder -handel klang. Irgendwie ließ mich seine Antwort dumm dastehen, schließlich war ich die versnobte Kuh, die annahm, dass man nur dann die öffentlichen Verkehrsmittel nutzte, wenn einem keine andere Wahl blieb.

»Ich hab mich nur gewundert, weil du irgendwie nicht aussiehst wie jemand, der regelmäßig Bus fährt. Und wenn du sogar eine persönliche Assistentin brauchst … Na, da hätte ich eher schicke Autos als Busfahrkarten erwartet.«

Er lachte amüsiert. »Glaub mir, die Nobelkutschen habe ich auch – zu Hause. Aber ich sehe schon – das ging hier alles ein bisschen zu schnell! Vielleicht stellen wir uns erst mal vor, bevor ich dich einstelle.«

»Das ist keine schlechte Idee.« Ich blieb reserviert. »Ich heiße Victoria Wode, zumindest werde ich mich ab jetzt wieder so nennen. Offiziell erhalte ich den Namen allerdings erst nach der Scheidung zurück. Ich bin 30 Jahre alt. Keine eigenen Kinder. Alles, was sonst noch relevant ist, habe ich dir gerade erzählt. Und du?«

»Ich bin Florian Steinbach.« Selbstbewusst streckte er sich und funkelte mich an. Lange Pause. Moment mal, erwartete er, dass ich ihn kannte? Was sonst sollte diese Pause bedeuten? Steinbach, Steinbach … Nein, da machte gar nichts »klick«. Andererseits sah ich nie fern. Möglicherweise hatte er eine dieser Castingshows gewonnen – DSDS oder Let’s Dance oder Dschungelcamp … Von dieser Materie hatte ich keine Ahnung.

Als er sah, wie ich mir den Kopf zerbrach, lachte er laut. »Nein? Klingelt nichts? Na, du bist auch wirklich nicht Teil unserer Zielgruppe. Soulcatcher? SB-Pictures?«

»Äh – das ist ein Computerspiel, oder?«, fragte ich unsicher.

Ich erntete ein Grübchengrinsen. »Süß«, fand er.

Er lehnte sich vor. Seine blauen Augen leuchteten noch intensiver. »Ja, in der Tat, das ist ein Computerspiel. Soulcatcher war in seinem Erscheinungsjahr der Megaseller des Jahres! Sogar in den USA war das Spiel in den Top 20!«

»Und es stammt wahrscheinlich aus dem Hause SB-Pictures?«

»Kluges Mädchen. Und jetzt die 100-Euro-Frage: Wofür steht das Kürzel SB in SB-Pictures?« Seine Augen waren jetzt wie Scheinwerfer, reiner Triumph lag in seinem Blick.

»Für Steinbach, nehme ich an?« War das etwas so Tolles? Wie bedeutsam konnten ein, zwei erfolgreiche Computerspiele schon sein?

Er griff nach seiner Lederjacke, nahm ein Portemonnaie aus der Jacke und kramte einen 100-Euro-Schein daraus hervor.

»Bitte schön. Die Kandidatin hat gewonnen!«

Er wollte mir ernsthaft die 100 Euro geben. Also waren erfolgreiche Computerspiele vielleicht doch bedeutsam. So bedeutsam zumindest, dass für ihren Erfinder 100 Euro Peanuts waren.

Und so bedeutsam, dass sich ihr Erfinder eine persönliche Assistentin leisten konnte.

Ich schluckte. Auf einmal sah ich mein Gegenüber mit ganz neuem Respekt an. Von wegen Castingkandidat. Vor mir saß ein Firmeninhaber, ein erfolgreicher noch dazu. Dumm war der bestimmt nicht! Und er hielt mir immer noch die 100 Euro hin. Sollte ich jetzt zugreifen?

»Das ist doch nicht dein Ernst!« Ich lachte unsicher.

»Klar, warum nicht?« Blondie – Florian – amüsierte sich prächtig über meine Verwirrung. »Wenn du willst, sieh es als deine erste Prämie. Ich belohne fähige Mitarbeiter oft und gerne – das steigert den Spaß an der Arbeit, schätze ich!«

»Noch bin ich nicht deine Mitarbeiterin und ich nehme sicher keine 100 Euro von dir an!«

»Wie du willst.« Florian zuckte mit den Schultern und steckte den Schein einfach in seine Hosentasche. »Also – so, wie ich das sehe, wäre es für dich genau das Richtige, wenn du für mich arbeiten würdest. Du kannst deine Fähigkeiten optimal einsetzen, das Gehalt ist gut, der Chef ist spitze« – selbstzufriedenes Grinsen – »und du kämst raus aus allem, was nach einer Trennung immer eine gute Idee ist.«

»Raus aus allem? Wie meinst du das?«

»Oh, hab ich das noch gar nicht erzählt? Wir arbeiten in meiner Villa auf Mallorca.«

Kapitel 3

Mallorca – das gab den Ausschlag.

Wenn einem die Lösung aller Probleme auf dem Silbertablett serviert wird, lehnt man nicht ab. Eine gute Fee hätte nicht mehr für mich tun können als dieser selbstzufriedene Womanizer, der mich im »Wohnzimmer« mit seinem Jobangebot überfallen hatte. Sogar ein möbliertes Appartement in der Villa war Teil meines neuen Jobs, es war, als hätten sich alle meine Sorgen mit einem Schlag in Luft aufgelöst.

Weit weg von zu Hause – ich empfand Gisberts Haus leider immer noch als mein Zuhause – würde ich die Trennung wohl am besten verdauen. Es war so verlockend! Auf Mallorca gab es keine Nachbarinnen und Bekannten, deren Mienen zwischen Mitleid und Schadenfreude schwankten und denen sämtlich ins Gesicht geschrieben stand: »Das hast du nun davon, dass du nach dem Studium einfach zu Hause geblieben bist!« Auch meine Mutter wäre weit weg. Ich hatte ihr wohlweislich noch nichts von Gisberts und meiner Trennung erzählt, war mir aber sicher, dass sie vor Kummer und Sorge zusammenbrechen würde, wenn sie davon erfuhr. Und dann würde ich mich wie immer schuldig fühlen.

Florian und ich hatten noch lange im »Wohnzimmer« gesessen und über meine neue Arbeitsstelle gesprochen. Es war geradezu lächerlich, wie sehr mein neuer Job meiner Tätigkeit als Victoria Berger, Gisberts Ehefrau, ähnelte. Im Grunde war nur mein Status ein anderer.

Ich würde mich um Florians gesamtes Privatleben kümmern. Zudem wäre ich für das Hauspersonal zuständig und würde dafür sorgen, dass Haus, Garten und Autos jederzeit tadellos in Schuss waren. Ich würde Einkäufe planen, die Korrespondenz erledigen, private Anrufe entgegennehmen, Termine, Reisen und Partys planen. Kurz: Ich sollte ihm bei all seinen Aktivitäten den Rücken freihalten.

Ich würde dabei eng mit Florians Teamassistenten zusammenarbeiten, der Uwe hieß und mein Pendant auf der geschäftlichen Seite war. »Privat und geschäftlich ist in meinem Leben nicht immer zu trennen«, hatte Florian gesagt. »Ich arbeite mit Leuten aus ganz Europa zusammen. Meistens funktioniert der Kontakt zwar online, aber immer wieder werden Geschäftspartner oder Mitarbeiter bei uns im Haus untergebracht sein, auch über längere Zeiträume. Ich erwarte, dass du mit Uwe absprichst, wer sich dann um was kümmert. Und zwar ganz unkompliziert – für Zickereien ist in den nächsten Monaten keine Zeit!«

Gearbeitet wurde grundsätzlich zu »deutschen« Zeiten, also keine stundenlange Siesta in der Mittagszeit, keine Arbeit bis in den späten Abend. Ich würde regulär nur 35 Wochenstunden arbeiten, aber immer – also sieben Tage die Woche je 24 Stunden – auf Abruf zur Verfügung stehen. Jeder Einsatz außerhalb der regulären Arbeitszeit würde extra vergütet werden.

Für mich war diese Regelung kein Problem. Ich ging allein nach Mallorca, allzu viel Freizeit würde ich nicht benötigen. Zum Lesen, Telefonieren, Tennis spielen und für eine Wanderung von Zeit zu Zeit würde es schon reichen. Zumal die Villa angeblich recht einsam lag und ein Pool und ein Privatstrand dazugehörten – an einem solchen Ort war schon der schiere Aufenthalt ein Freizeitvergnügen, fand ich.

Schon nächste Woche sollte es losgehen, alle weiteren Infos würde Uwe mir per Mail schicken.

Als Florian das »Wohnzimmer« verließ, um zum Flughafen zu fahren, blieb ich wie in Trance zurück. »Dann sehen wir uns nächste Woche bei mir!«, hatte er sich verabschiedet und mir die Hand hingestreckt.

Zu Hause setzte ich mich als Erstes an den PC und informierte mich gründlich über SB-Pictures und Florian Steinbach – immerhin war mir danach klar, dass der Teure tatsächlich der war, als der er sich vorgestellt hatte, und dass der Job, den er mir anbot, wohl wirklich existierte. Unklar war mir allerdings, wie ich Florian Steinbach bislang hatte übersehen können! Er war nicht nur ein Wunderkind der IT-Branche, er war auch in der deutschen Klatschpresse recht präsent. Die meisten Bilder, die Google zu seinem Namen ausspuckte, zeigten Florian an der Seite von jungen Frauen, die wie Models aussahen. Es waren viele verschiedene Frauen, er schien die Freundinnen zu wechseln wie andere ihre Unterhosen. Ein paar von den abgebildeten Grazien kannte ich sogar dem Namen nach.

Auf allen Fotos sah Florian grandios aus, groß, breitschultrig und braun gebrannt. Sein Styling war immer gepflegt, aber lässig. Nie wirkte er konservativ oder aalglatt. Die verwuschelten Haare, der Dreitagebart, die aufgeknöpften Hemdkragen und aufgerollten Ärmel sorgten stets für einen Hauch von Bad Boy.

Sein Grübchenlächeln strotzte vor Selbstbewusstsein und schrie dem Betrachter fast schon krampfhaft entgegen: »Seht her! Ich hab’s geschafft!« Ich musste zugeben, dass ich Florian verdammt attraktiv gefunden hätte, wenn er eine Figur in einem Hollywoodstreifen gewesen wäre. Was ich allerdings davon hielt, für so einen Typen zu arbeiten …

Am nächsten Tag schon traf mein Arbeitsvertrag ein. Jetzt wurde die ganze Sache allmählich real. Bis dahin hatte sich alles so abstrakt angefühlt: Ein Job als Promiassistentin auf Mallorca, klar, hahaha. Ein typischer Stoff für Tagträume. Aber als ich den Arbeitsvertrag unterschrieb und ihn in den Briefumschlag steckte, wurde mir ganz plötzlich klar: Ich hatte wirklich nur noch fünf Tage, dann würde ich auf unbestimmte Zeit das Land verlassen! Und es gab noch so viel zu tun!

Ich musste meine Sachen packen und einlagern, unzählige Gespräche mit Freundinnen und Bekannten führen, Papierkram erledigen. Und ich musste dringend mit Gisbert reden, er sollte vor allen anderen erfahren, dass ich wegging.

An diesem Abend kochte ich ein letztes Mal für uns beide.

Coq au Vin, Gisberts Lieblingsgericht. »Unser Abschiedsessen«, hatte ich angekündigt, denn Gisbert war ab morgen unterwegs und vor meiner Abreise würde er nicht zurückkommen. Schon bei der Zubereitung des Hähnchens verdrückte ich ein paar Tränen. Nicht, weil ich die Richtigkeit unserer Entscheidung anzweifelte, sondern weil eine kleine Ära zu Ende ging.