Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer - Valerie Solanas - E-Book

Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer E-Book

Valerie Solanas

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Beschreibung

Das S.C.U.M. Manifesto gilt noch heute als eines der gewalttätigsten und streitbarsten Traktate. 1967 zum ersten Mal im Eigenverlag erschienen, machte das Werk in New York schnell die Runde. Die Olympia Press wurde darauf aufmerksam, die Übersetzung erschien kurze Zeit später schon bei MÄRZ und schlägt auch hierzulande große Wellen. Dass Valerie Solanas noch im selben Jahr Andy Warhol kennenlernt, dem sie eines ihrer Theaterstücke zu lesen gibt, bevor sie wenige Monate danach drei Schüsse auf ihn feuert, ist seither untrennbar mit der Rezeption dieses Buchs verbunden.

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Valerie Solanas

Manifest der Gesellschaftzur Vernichtung der MännerS. C. U. M.

Aus dem amerikanischen Englisch vonNils-Thomas Lindquist

Herausgegeben von Barbara Kalenderund mit einem Nachwort von Jörg Schröder

Inhalt

Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer S. C. U. M.

Nachwort

Valerie Solanas an Jörg Schröder: Contact Man of the Mob

Valerie Solanas an Jörg Schröder: Kontaktperson des Mobs

Faksimiles der Briefe und weiteres Material

Anmerkungen

Valerie Solanas

Manifest der Gesellschaftzur Vernichtung der MännerS. C. U. M.

Das Leben in dieser Gesellschaft ist ein einziger Stumpfsinn, kein Aspekt der Gesellschaft vermag die Frau zu interessieren, daher bleibt den aufgeklärten, verantwortungsbewussten und sensationsgierigen Frauen nichts anderes übrig, als die Regierung zu stürzen, das Geldsystem abzuschaffen, die umfassende Automation einzuführen und das männliche Geschlecht zu vernichten.

Heute ist es technisch möglich, sich ohne Hilfe der Männer (oder, in diesem Fall: Frauen) zu reproduzieren und ausschließlich Frauen zu produzieren. Wir müssen sofort damit beginnen. Der Mann ist eine biologische Katastrophe: das (männliche) y-Gen ist ein unvollständiges (weibliches) x-Gen, d. h., es hat eine unvollständige Chromosomenstruktur. Mit anderen Worten, der Mann ist eine unvollständige Frau, eine wandelnde Fehlgeburt, die schon im Genstadium verkümmert ist. Mann sein heißt, kaputt sein; Männlichkeit ist eine Mangelkrankheit, und Männer sind seelische Krüppel.

Der Mann ist völlig egozentrisch, in sich selbst eingekerkert und unfähig, sich in andere hineinzuversetzen oder sich mit ihnen zu identifizieren, unfähig zu Liebe, Freundschaft, Zuneigung oder Zärtlichkeit. Er ist ein vollkommen isoliertes Einzelwesen, unfähig zu irgendwelchen Beziehungen mit anderen. Seine Reaktionen kommen aus den Eingeweiden, nicht aus dem Gehirn; seine Intelligenz ist lediglich Werkzeug seiner Triebe und Bedürfnisse; er ist unfähig zu geistiger Leidenschaft, geistigem Kontakt. Für ihn gibt es nichts außer seinen eigenen physischen Sensationen. Er ist ein halb toter, reaktionsloser Klotz, unfähig Freude und Glück zu geben oder zu empfangen; so ist er bestenfalls ein altes Ekel, ein harmloser Tropf; denn Charme hat nur, wer auf andere einzugehen vermag. Der Mann ist irgendwo im Niemandsland zwischen Mensch und Affe stehen geblieben, wobei er schlechter dran ist als die Affen, denn im Gegensatz zu diesen verfügt er über ein großes Arsenal von negativen Gefühlen – Hass, Eifersucht, Verachtung, Ekel, Schuld, Scham, Zweifel – und was noch schlimmer ist: er ist sich dessen bewusst, was er ist und was nicht.

Obwohl er ausschließlich physisch existiert, ist der Mann nicht einmal als Zuchtbulle geeignet. Unterstellen wir wenigstens mechanisches Können, über das nur wenige Männer verfügen, so ist der Mann doch vor allem unfähig, eine lustvolle, sinnliche Nummer zu schieben; stattdessen wird er von Schuld- und Schamgefühlen, Angst und Unsicherheit aufgefressen – Gefühlen, die tief in der Natur des Mannes verankert sind und die auch die aufgeklärteste Erziehung nur abschwächen kann. Zweitens ist die körperliche Empfindung, die er aufzubringen vermag, gleich null, und drittens versetzt er sich nicht in seine Partnerin hinein, sondern ist von der Idee besessen, ob er es richtig schaffen wird, ob er einen erstklassigen Auftritt hinkriegt, ob er seinen Klempnerjob gut hinter sich bringt. Den Mann ein Tier zu nennen, heißt ihm schmeicheln. Er ist eine Maschine, ein Gummipeter auf zwei Beinen. Man behauptet, die Männer würden die Frauen benutzen. Benutzen wofür? Gewiss nicht zum Vergnügen.

Obwohl er von Schuld- und Schamgefühlen, Angst und Unsicherheit aufgefressen wird und – wenn er sich glücklich fühlt – nur ein kaum wahrnehmbares körperliches Gefühl aufbringt, ist der Mann gleichwohl wie besessen aufs Vögeln aus; er wird durch einen See voll Rotz schwimmen, meilenweit durch bis zur Nase reichende Kotze waten, wenn er nur glaubt, dass am anderen Ufer ein freundliches Vötzchen auf ihn wartet. Eine Frau, die er verachtet, wird er trotzdem vögeln, irgendeine zahnlose alte Hexe, und darüber hinaus für diesen Glücksfall noch bezahlen. Warum? Um die physische Spannung loszuwerden? – Das ist keine Antwort, denn dafür genügt die Onanie. Auch zur Stärkung des eigenen Ich dient es nicht – das würde nicht erklären, warum er Leichen und Säuglinge fickt.

Vollkommen egozentrisch, unfähig, für jemand anderen etwas zu empfinden, sich in ihn hineinzuversetzen oder sich mit anderen zu identifizieren, vollgepfropft mit einer grenzenlosen, alles beherrschenden Sexualität, ist der Mann dennoch psychisch passiv. Er hasst seine Passivität, darum projiziert er sie auf die Frauen, definiert Männlichkeit als Aktivität und versucht dann, dies sich selbst zu beweisen (»beweisen, dass er ein Mann ist«). Vor allem beim Vögeln will er’s sich beweisen (der gewaltige Mann mit dem gewaltigen Schwanz, der eine gewaltige Nummer schiebt). Da er versucht, einen Irrtum zu beweisen, muss er diesen Beweis immer und immer wieder antreten. Das Vögeln ist für ihn ein zwanghafter Versuch zu beweisen, dass er nicht passiv, dass er keine Frau ist. Aber er ist passiv, und er will eine Frau sein.

Da er eine unvollständige Frau ist, versucht der Mann sein Leben lang, sich zu vervollständigen, eine Frau zu werden. Dies versucht er, indem er dauernd hinter den Frauen her ist und mit ihnen fraternisiert, indem er durch sie zu leben und sich mit ihnen zu vermischen trachtet, und indem er alle weiblichen Charakteristika für sich selbst in Anspruch nimmt – Gefühlsstärke und Unabhängigkeit, Energie, Dynamik, Entscheidungskraft, Coolness1, Objektivität, anspruchsvolle Haltung, Mut, Integrität, Vitalität, Intensität, Charakter, Up-to-date-Sein usw.; und indem er auf die Frau alle männlichen Züge projiziert – Eitelkeit, Frivolität, Trivialität, Schwäche usw. Zugegeben, auf einem Gebiet ist der Mann der Frau haushoch überlegen: auf dem Gebiet der Public Relations. (Als er Millionen Frauen davon überzeugte, dass Männer Frauen seien, hat er ganze Arbeit geleistet.) Die männliche Behauptung, die Frau finde in Sexualität und Mutterschaft ihre Erfüllung, reflektiert nur das, was die Männer für »Erfüllung« halten würden, wenn sie Frauen wären.

Mit anderen Worten: Frauen haben keinen Penisneid, Männer haben einen Vaginaneid. Wenn der Mann seine Passivität akzeptiert, sich selbst als Frau betrachtet (Männer wie Frauen glauben, die Männer seien Frauen und die Frauen Männer), wenn er als Transvestit geht, dann hat er keine Lust mehr zum Vögeln (oder was auch immer in diesem Fall; er fühlt sich glücklich als verkleideter Homo), dann lässt er sich den Schwanz abhacken. Wenn er glaubt, er sei eine Frau, dann lebt er in einer permanenten, diffusen sexuellen Hochstimmung. Vögeln ist für den Mann ein Akt der Verdrängung gegen den Wunsch, eine Frau zu sein. Aber Sexualität ist selbst Sublimation.

Der Mann muss dauernd zwanghaft kompensieren, dass er keine Frau ist. Dadurch, und durch seine Unfähigkeit zu menschlichem Kontakt und zum Mitleid hat das männliche Geschlecht die ganze Welt in einen Scheißhaufen verwandelt. Es ist verantwortlich für:

Krieg

Die normale Methode der Männer, die Tatsache, dass sie keine Frau sind, zu kompensieren – besonders das Abschießen der »großen Kanone« – ist sehr unzulänglich, denn sie kommen ja recht selten zum Schuss; also versuchen sie es in ganz großem Stil und beweisen der ganzen Welt, dass sie »Männer« sind. Da der Mann kein Mitleid, kein Gefühl für den anderen und keine Solidarität verspürt, ist ihm der Beweis seiner Männlichkeit zahllose Menschenleben wert, einschließlich seines eigenen. Da sein Leben keinen Wert hat, möchte er sich lieber mit einem Glorienschein davonmachen als weitere fünfzig Jahre dumpf dahintrotten.