MANILAS SHORTS - Olaf Clasen - E-Book

MANILAS SHORTS E-Book

Olaf Clasen

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Beschreibung

Eine wilde, skurille Geschichte. Manila ist zugleich überall auf der Welt. In Paris, Nizza, Hollywood, New York, Petersplatz, Wüste, Neuseeland, Philippinen. Überall erlebt sie die verrücktesten Abenteuer. Sie kämpft mit Kampfjets, Indianern und Cowboys, Motorradgangs, Feldmäusen, finsteren Mächten, gegen Establishment und für Revolutionen. Sie trifft die Queen, den Papst, Joe Biden, Putin, Salvador Dali, Che Gevara und alle, die etwas zu sagen haben oder auch nicht. Manila ist Geheimagentin, Terroristin, Spionin, Außerirdische. Wer weiss das schon?

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Seitenzahl: 170

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VORBEMERKUNG

ausgeliehen von Boris Vian (1920-1959)

Dies ist eine absolut wahre Geschichte. Ich habe sie von Anfang bis Ende selbst erfunden.

Im Juli 2021 Olaf Clasen

Inhaltsverzeichnis

VORBEMERKUNG

1/ Eine Bar irgendwo

2/ zu viel Kino

3/ Manila

4/ Hovercraft

5/ Tower Bridge

6/ Jubel

7/ Neuseeland

8/ Wassereinöde

9/ Kriegsschiffe

10/ Revolution

11/ Musik unter Deck

12/ Ohne Shorts

13/ Champs -Élysée

14/ Vive la France

15/ Kreuzigung

16/ Abhören

17/ Geldströme

18/ Kämpfe

19/ Einhorn

20/ kompromisslos

21/ Rüstungsindustrie

22/ Champions League

23/ Geheimnis des Vatikans

24/ Pandemie Becken

25/ Seekranke Elefanten

26/ Alles dreht sich

27/ Hybride

28/ Grenzkonflikt

29/ Volksfest

30/ Oase

31/ Rock n‘Roll

32/ Sudan

33/ Matriarchat

34/ Entspannung

35/ alle sind da

36/ Janine & Monique

37/ Barrutti

38/ roter Knopf

39/ Ronjaa

40/ Kommunikation

41/ Cowboys

42/ New York City

43/ Startrampe

44/ Star Wars

45/ California

46/ Rückblick

47/ Meerenge

48/ Historia

49/ Neutralität

50/ Kommune

51/ dies und das

52/ Weltuntergang

53/ Bekanntschaften

54/ Silicon Valley

55/ Terroristen

56/ Gaius Julius Caesar

57/ Olympus

58/ Chaos

59/ WPO

60/ Paradies

61/ Waffenhandel

62/ CIA

63/ Nice

64/ Geneve

65/ Graffito

66/ Empire State Building

67/ Datteln

68/ Coronavictus

69/ wessen Lisa?

70/ Petersplatz

71/ Taucher

72/ Matera

73/ Epilog

DAS AUTORENPORTRAIT

DANKSAGUNG

HAFTUNGSAUSSCHLUSS

1/ Eine Bar irgendwo

Sie war blond, hatte hohe Wangenknochen und grüne Augen.

Sie sah aus, als würde sie mit einem slawischen Akzent sprechen. Aber sie sprach nicht.

Der Barmann hatte unsere Martinis zubereitet, gerührt nicht geschüttelt.

Sie bohrte einen spitzen Daumennagel in die Hand des Barmanns. Ein rotes Rinnsal trat aus. Sie beugte sich zu mir, weit nach vorn, so dass ich in ihr Dekolleté sehen musste. Kein BH, zwei freie, fröhliche Brüste.

Sie drehte sich auf einem hohen Absatz um:

„Folge mir.“ Ganz ohne Akzent. Bei jedem Schritt hob sich eine Hüfte, die andere senkte sich.

Zur Kellertreppe. Viele Stufen hinunter. Unten waren die Toiletten und ein Telefon.

„Gib mir Münzen.“ Was ich in der Sakkotasche fand, war eine kleine Handvoll. „Ist gut.“

Sie sprach ins Telefon in einer Sprache, die ich nirgends einordnen konnte. Nicht Englischähnlich, auch nicht Lateinisch stämmig Italienisch-Französisch- Spanisch, Rumänisch. So wenig wie Slawisch. Asiatisch? Finnisch, Skandinavisch? Unmöglich in diesen Sprachrhythmus einzudringen. Auch kein Arabisch. Als Professor für Linguistik habe ich einige Erfahrungen. Aber diese Sprache war mir ein Rätsel.

Sie sprach gleichmäßig, monoton, ohne Leidenschaft, als würde sie ein langes vorgefertigtes Communiqué vorlesen. Teilnahmslos. Gelangweilt?

„Mehr Münzen. Danke.“ Ohne jeden Akzent. Sie redete weiter. Hörte nicht zu, wenn die andere Seite antwortete. Sie lieferte ihren Text; in der unbekannten Sprache, ab. Gab sie einem Kindermädchen Anweisungen für das Babyessen? Gab sie Befehle für ein Attentat, eine Revolution? Oder wars die Einkaufsliste für den Baumarkt? Sollte ihr Mann renovieren, während sie weg. war?

Immer noch sprach sie monoton in das Telefon. Gleichmäßig, fast schläfrig. Immer noch kein slawischer Akzent. Und immer noch nicht zu erkennen, wo ein Satz aufhörte oder begann. Niemals wurde ein Wort oder eine Silbe betont, irgendwie herausgehoben. Plötzlich, völlig unerwartet hörte sie auf zu sprechen. Mitten im Satz oder war ein Absatz beendet? Kein Gruß, keine Formel. Einfach Schluss.

Sie drehte sich zu mir:

„Danke.“ Sie sah mir schweigend in die Augen. Sehr lange, sehr tief. Ich sah in ihre slawischen Augen. Keine Antwort. Kein Ausdruck.

Absolute Stille. Intensiver Blick.

Entschied sich in diesem endlosen Moment mein Schicksal?

2/ zu viel Kino

„Diesmal gehst du voran,“ brach sie das Schweigen. Keine schaukelnde Hüfte vor mir die Treppe hinauf. Kurzer Gruß für den Barmann. Kopfnicken. Der Türknauf aus Messing glänzte.

Vor der Tür, auf dem Trottoir, zwei Figuren in Kostümen. Ein Osterhase. Ein Weihnachtsmann. Der Weihnachtsmann versetzte mir einen Schlag in den Nacken. Aus dem Augenwinkel sah ich, im Fallen, wie der Osterhase meine Begleiterin in einen grünen Märzedäz zerrte.

Eine leere Fabrikhalle. Betonwände ohne Anstrich. Von der Decke hingen Eisenketten mit wuchtigen Haken. Sie schaukelten leicht,- wie im Kino.

Ich saß, gefesselt, auf einem Holzstuhl, wie im Kino. Der Osterhase und der Weihnachtsmann tuschelten. Der Weihnachtsmann: „Du musst uns ALLES sagen. JETZT! Sonst müssten wir dir sehr wehtun“.

Wie im Kino.

„Ist OK. Ich sage alles.“ Die Angst diktierte mir die Worte. Keine Ahnung, was diese Witzfiguren wissen wollten.

„Wo soll ich anfangen?“

„Bei deiner Geburt.“

„Kann mich nicht erinnern.“

„Du warst dabei. Erzähl uns alles.“

Der Osterhase öffnete langsam den Koffer mit den

chirurgischen Instrumenten. Wie im Kino.

„OK, ok, ok. Ich spreche.“

„Na also, geht doch.“

Ich kramte in meiner Erinnerung:

„Erst war es dunkel und feucht. Eng. Immer enger.

Dann plötzlich hell und trocken.“

„Weiter!“

„Ich hörte ein Baby schreien. Das war ich.“

„Genügt nicht. Weiter.“

Er nahm ein blitzendes Skalpell aus dem Koffer.

Hielt es ins Licht. Wie im Kino.

Probeschnitt. Knapp über dem Handgelenk. Ich schrie auf. Ich spürte fast nichts. Es war die Angst.

Hatte zu viele Filme gesehen.

Der Weihnachtsmann baute sich vor mir auf:

„Das Mädchen, ihr Plan?“

„Weiß nix.“

Der Osterhase reichte ihm eine Zange mit scharfem spitzem Schnabel.

Der Weihnachtsmann:

„Falls du es nicht begriffen hast: wir meinen es ernst.

Wir sind Symbole des christlichen Fundamentalismus. Haben schon Schlimmeres erlebt. 100.000 unschuldige Hexen bei lebendigem Leib verbrannt.

Wie das stinkt. Dir ein paar Liter Blut abzuzapfen ist ein Spielchen dagegen. Also, das Mädchen: hast du sie gefickt?“

Ich nickte aus Verzweiflung.

„LAUTER!“

„JAAA!“

„Wie oft?“

„3-mal“. Nur um etwas zu sagen.

„Hase hast du notiert?“

„Uhumm“ mummelte das Tier.

Weihnachtsmann:

„Genügt nicht. Wir brauchen den Plan. Den ganzen Plan.“

„Hab keinen Plan. Kenne keinen Plan.“

„Na dann!“

Er zog sich Gummihandschuhe über und zog ein gezacktes Messer aus dem Koffer. Habe wohl zu viele Filme gesehen.

„Stopp, OK. Jetzt gebe ich auf.“ Was braucht ihr genau?“

„Die exakten GPS-Daten der Startrampe und das Datum plus die genaue Uhrzeit, wann die Rakete abhebt, auf die Sekunde genau.“

Ich tat als ob ich grübelte. Dann:

„GPS: 153 Grad Ost/ 27 Grad Süd Nordwest.“

Weihnachtsmann: “Hase hast Du es?“

Osterhase: „Der Kerl verarscht uns. Das ist die Theresienwiese in München, wo das Oktoberfest tobt“

Weihnachtsmann: „Das wars. Jetzt schneide ich Dir die Eier ab.“

Er hielt die größte der glänzenden Scheren ins Licht und trat nah an mich heran. Wie im Kino.

Großes Getöse von oben. Das Deckenglas zerbarst in tausend Scherben. Mitten in dem Scherbengewitter das Mädchen mit den slawischen Augen.

Wilde Haare und vollkommen nackt. Sie stürzte. Sie rollte auf dem Betonboden ab.

Ihre Augen blitzten. Sie schossen je einen roten Lichtstrahl auf den Weihnachtsmann und auf den Osterhasen. Die beiden verglühten im Stehen und fielen dann zu schwarzen Aschehäufchen zusammen.

3/ Manila

„Das war knapp“ sagte ich.

„Ich komme immer pünktlich,“ antwortete sie.

Sie nahm mich bei der Hand, stieß sich am Boden ab und zerrte mich mit Lichtgeschwindigkeit durch die kaputte Glas Luke in der Decke.

„Danke für die frische Luft“. Ich umarmte sie und versuchte sie zu küssen. Sie drehte den Kopf weg.

Ihre Wange war gleichzeitig weich und metallisch hart.

Wer war diese Frau?

Eine Revolutionärin?

Eine Terroristin?

Eine Außerirdische?

Ich konnte das, mit meinen einfachen Mitteln, nicht beurteilen. Und sie sagte nichts. Weder in slawischer Sprache, noch in einer anderen die ich verstand.

Ich wollte vorankommen:

„Ich bin Pierre. Wer bist du?“

„Manila.“

„Ist das nicht eine Stadt?“

„Ja, die Hauptstadt der Philippinen. Gehört mir.“

„Waaas, die Hauptstadt der Philippinen gehört dir?

Die Immobilien, die Straßen?“

„Ja, auch die Stadtwerke und die Kanalisation. Die Stadtbücherei und alles andere. Ich darf nicht zu lange wegbleiben, sonst geht alles drunter und drüber. Die Ampeln bleiben auf Rot. Die Sozialleistungen werden nicht ausgezahlt. Die Leute bringen ihre geliehenen Bücher nicht zurück.

„Jetzt komm!“

4/Hovercraft

Manila zog mich schwebend über die Stadt zum Hafen. Wir flogen knapp über den Hausgiebeln. Sie sprengte das Vorhängeschloss eines verrosteten Schuppens:

Alte Laster, Kräne, Autos. Alles uralt, verrottet.

„Das passt, ein Hovercraft. Sieht OK aus. Ölstand geht. Treibstoff knapp. Müssen bald tanken. Bis dahin muss es reichen.

Manila kippte Schalter, zog an Hebeln, drückte den roten Knopf. Ein Höllenlärm. Schwarzer Qualm aus den vier Auspuffrohren... Das Gefährt erhob sich über die anderen. Wir donnerten über die Rostlauben, streiften das Tor und waren im Freien. Manila war Kapitänin und Steuerfrau in einem. Wir sprangen über ein paar Häuserblocks, landeten auf einem größeren Platz. Manila führte mich ins Kaufhaus. Sie war immer noch nackt. Sie nahm eine karierte Boxer Short aus einem Regal.

„Passt perfekt.“

Wieder an ihrem Kommandostand donnerten wir los. Hinaus aus der Stadt. Vorgärten, kleine Häuser, Wiesen, Felder. Zäune, Stromleitungen nahmen wir im Sprung. Ein Wasserarm, ein paar Seemeilenbreit: wir rauschten gleichmäßig, ruhig. Auf der anderen Seite Strand und ein Steilufer.

5/ Tower Bridge

„Mist.“ Schimpfte Manila. Wir rasten nach rechts auf dem Strand entlang. Eine Flussmündung. Unser Eingangstor fürs Hinterland. Geradeaus, geradeaus. Immer auf dem Fluss. Wir huschten unter der Tower Bridge hindurch. Big Ben schlug VII Uhr. Manila schnappte sich einen vorbeischwimmenden Schwan:

„Zeit für einen kleinen Snack“. Ich half beim Rupfen. Die Dampfturbine war heiß genug. Wir legten das zerteilte Tier auf den kochenden Stahl.

Ohne Gewürze und Beilagen wars eine karge Mahlzeit. Traniges, zähes Fleisch. Kein Vergleich zur Weihnachtsgans bei Mutti. Aber der gröbste Hunger war gestillt. Wir hatten kein Licht. Manilas Augen schienen die Dunkelheit zu durchdringen. Wir wichen aus, wo es nötig war. Wir übersprangen Hindernisse, bogen ab, mal links, mal rechts. Wir kamen an einen Hafen mit Raffinerie:

„Hier tanken wir,“ sagte Manila. Sie stoppte am Fuß des hohen Rohrs. Auf dem wurde überflüssiges Gas abgefackelt. Fast so hell wie Tageslicht. Manila fand einen Schlauch, der in unseren Stutzen passte. Sie bediente die Pumpe. Der Treibstoff füllte die Tanks, einen nach dem anderen.

„Manila, du überrascht mich. Wer bist du? Du hast für alles eine Lösung. Wo hast du das gelernt?“

„Einfach, mein Lieber. Ich hatte eine schwere Kindheit. War schon mit vier Waise. Meine Eltern traten auf eine Mine. Musste mich durchbeißen. Also, keine andere Wahl. Mir wurde niemals etwas geschenkt. Ich lernte zu nehmen, um zu überleben. Jetzt kann ich dir zeigen, wie diese Welt funktioniert. Mit deiner Hilflosigkeit stammst du sicher aus einem guten Elternhaus.“

Sie hatte richtig geraten: Mein Elternhaus war ein Schlösschen im Badischen, Eliteinternat in der Schweiz, Business School in London. Taschengeld so viel ich wollte. Doktortitel gekauft für 500.000 Dollar, wie von Gutenberg. Alles zusammen: „Gutes Elternhaus.“

Das Hovercraft hüpfte über Zäune und Stromleitungen. Manila stand breitbeinig am Steuer und lenkte. Weite Kurven wie beim Abfahrtslauf, enge Kurven wie Slalom. Sie beherrschte diese Maschine vollkommen, so wie sie alles beherrschte. Wir kamen wieder an eine Küste, wechselten vom Land zum Wasser. Inzwischen war es dunkel geworden. Wir fühlten den Wellengang unter den Füssen. Woran Manila sich orientierte? Ich habe keine Ahnung. Sie machte es einfach, ohne sich Fragen zu stellen. Plötzlich vor uns die graue Wand eines Schiffrumpfes. Riesen Containerfrachter. Manila riss das Steuer hart nach backbord herum. Wir legten eine scharfe schäumende Kurve hin, wie ein Riva- Schnellboot. Danach rasten wir ein paar hundert Meter an dem langen grauen Rumpf entlang. Die Heckwelle schleuderte uns gegeneinander. Trotz der abendlichen Kühle fühle Manila sich warm an.

Wir ließen das Hindernis hinter uns.

„Nochmal gut gegangen.“ Sagte Manila lapidar. Sie hatte immer noch keinen slawischen Akzent.

„Ich muss besser aufpassen“, fügte sie hinzu. „Du könntest mich warnen.“

„Ich sehe nix,“ in dieser schwarzen Nacht, außer deiner weißen Haut.“

„Lass dich nicht verführen. Ich habe andere Pläne.“

Wellengang, mehr oder weniger. Wir kamen gut voran.

6/ Jubel

Irgendwo, auf den Weltmeeren erwischte uns ein wilder Taifun. Was so ein Hovercraft aushält, hätte ich niemals erraten. Hauptsache, dass wir an Bord blieben. Mann oder schlimmer „Frau über Bord“ wäre die definitive Katastrophe gewesen.

Als wir uns der Hauptstadt Manila näherten, hatte sich das wilde Meer beruhigt, die Sonne strahlte. Die Bevölkerung erwartete ihre Heldin am Ufer. Die Kais waren gerammelt voll. Die großen hatten Fahnen, die kleinen Wimpel. Schrecklich fröhliche Musik dröhnte. Das Militär hatte neue Uniformen bekommen in einem schicken Hellviolett, dazu rosa Helme. Die Soldaten paradierten stolz rund um das Hafenbecken.

Tosender Jubel brach aus, als Manila sich hochaufgereckt auf dem Oberdeck zeigte. Karierte Boxershorts und die Arme hoch in die Luft gereckt. Sämtliche Ampeln in der Stadt sprangen auf Grün. Die Leseratten schleppten ihre Leihbücher zum Hafen.

Ich tauchte in der Menge unter. Habe niemals erfahren, warum Manila nicht mit slawischem Akzent sprach. Auch was sie ihrem Premier Minister am Telefon erklärt hatte, blieb ein Staatsgeheimnis.

Wir waren im Trubel des Empfangs getrennt worden. Dutzende junger Männer hatten sich darum gestritten, die nur mit Boxershorts bekleidete Manila auf ihren Schultern im Triumphzug durch die Stadt tragen zu dürfen.

Ich hatte mich in einem übervölkerten Stadtviertel in eine laute Bar verkrümelt. Draußen und drinnen waren Riesen Graffitis an den Wänden: „FUCK UNCLE SAM“ „MANILA WILL MANILA“ und Ähnliches.

Die Männer an der Theke diskutierten die Heimkehr ihrer Heldin: „Ein Superweib“, „eine Göttin“, “Nee, ‚‘ne Hure“. „Das sagst du nur weil Du sie nicht kriegen kannst.“

„Willst Du meinen Kontoauszug sehen? Du Schwachkopf!

Derweil wurde Manila auf den Schultern der Menge zum Main Sqare geschleppt. Der Balkon des Rathauses war mit Blumengirlanden geschmückt, mit Wimpeln und Fahnen.

5 Mikrofone warteten auf Manila. Alle Sender des Landes würden ihre Rede übertragen. Die 3 staatlichen und die beiden Privatsender, der regierungsfreundliche und der der Opposition.

Wieder verstand ich ihre Rede nicht. Diesmal war klar, dass Manila mit slawischem Akzent sprach. Ich hatte mich also nicht getäuscht. Sie hielt eine leidenschaftlich flammende Rede. Ganz anders, als das lange monotone Telefongespräch. Sehr deutlich hörte ich heraus, wie Manila meinen Namen laut hinausposaunte. Dabei riss sie wieder ihre Arme in die Luft, so dass ihr Bauchnabel aus den Boxershorts heraussprang. Ihr Volk war begeistert. Ich wars auch. Die Menge jubelte, die Frauen kreischten hochtönig. Ich applaudierte von meinem Platz an der Theke. Befremdliche Blicke aus allen Ecken des Raumes.

Wir trafen uns morgens um 3:00, rein zufällig auf einem Hausboot wieder. Das war im Becken 7 des weit verzweigten Hafens. Ich hätte eher mit 5 / 6 oder 8 / 9 gerechnet. Aber nein, es sollte 7 sein. Dort hatte auch unser Hovercraft angedockt. Wir hatten die Schrammen und Risse an seinem Rumpf übersehen. Aber dieses Gefährt brachte uns sicher von der heimischen Normandie ins sichere Hafenbecken von Manila unter einer nackten Kapitänin in karierten Boxer Shorts.

7/ Neuseeland

Wir begannen um 3:00 morgens eine heiße Nacht. Manila hing die Shorts an einen rostigen Nagel. Meine Kleidung war irgendwo zwischen Rathaus, Bar und Hafenbecken 7 verloren gegangen. Als wir verschwitzt aufwachten, war die erste Frage:

„Ist die Revolution in Neuseeland noch irgendwie aufzuhalten?“

Nein, klar, das war sie nicht.

Also karierte Shorts überziehen, Hovercraft auftanken, Startknopf pressen und los ging die wilde Fahrt. Auf dem Unterdeck entdeckten wir, zusammen gekuschelt, den Osterhasen und den Weihnachtsmann. Zwei traurige Gestalten, ohne ihre Folterinstrumente. Wir gaben ihnen Wasser und Tannenzapfen.

8/ Wassereinöde

Berghohe Wellen türmten sich vor uns. Die Gischt Gipfel umsprühten uns. Nass im Gesicht, nass am Körper. Manila hängte ihre Shorts unter Deck zum Trocknen auf. Sie war der erfreulichste Anblick auf dem tosenden Meer. Was sollten wir mit einem Osterhasen und einem Weihnachtsmann in Neuseeland. Würde es die „Hasenrevolution“ werden?

Ich kann nicht in die Zukunft blicken. Nur Lügner behaupten das, wie bereits Albert Camus feststellte: „Jeder Mensch, der einem anderen irgendetwas über den Tod hinaus verspricht (er meinte damit die Priester) ist ein Lügner.

Wir waren nicht philosophisch gestimmt, weder auf Deck noch unter Deck. Wir fütterten die beiden Tiere weiter mit Tannenzapfen. Zwischendurch gabs ein Bierchen aus dem Kühlaggregat.

Eine riesige Monsterwelle baute sich vor uns auf. Fast senkrecht, wie eine Felswand. Ich beobachtete, wie Manila die Beine weiter spreizte, sie suchte festen Halt für ihre Füße. Dann presste sie den XX Power Button. Alle 4 Turbinen heulten auf. Das Hovercraft machte einen Satz vorwärts, dann raste es die steile Wasserwand hinauf. Auf dem Gipfel der Monster Welle gab es einen Überhang. Wir rasten hinein und überschlugen uns rückwärts

Der Weihnachtsmann verlor seine Mütze und seinen Bart. Der Osterhase ein Ohr. Sie sahen beide wie schlechte Karikaturen ihrer selbst aus.

Jetzt hatten wir, anstatt eines Weihnachtsmanns und eines Osterhasen, zwei gerupfte Hühner an Bord. Wir erwarteten jeden Moment, dass sie gackern und Eier legen würden. Doch zuvor geschah Wichtigeres:

Nach der Monsterwelle knallten wir rückwärts auf ein hölzernes Fischerboot. Was machte das hier draußen in der Wassereinöde?

Waren diese „Seeleute“ Spione der Revolutionäre in Neuseeland und wollten sie unsere Position per Satellitenfunk nach Wellington schicken?

Wir hatten ihnen einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Das kleine Holzboot zersplitterte unter der Wucht des Hovercrafts.

Es versank samt seinen technischen Gerätschaften und den zwei Mann Besatzung im tobenden Meer.

Manila wippte zweimal in den Knien, um die Stöße des Unfalls abzufangen. Dann war für sie die Sache erledigt. Ich wusste längst, dass diese fast unbekleidete Frau überall mitmischte, wo Umstürze im Gange waren. Mich wunderte nix.

9/ Kriegsschiffe

Ich hatte schon am Kai 7 in Manila bemerkt, dass unser Fahrzeug mit einer neuen Antenne ausgerüstet worden war. Ein merkwürdiges Ding: Mischung aus runder Satellitenschüssel und zackiger Dornenkrone, wie die Christen sie vom Kreuzweg her kennen. Kabel in bunten Farben führten von dieser Antenne zu einem verdunkelten Raum im zweiten Unterdeck. Hier flimmerten 27 Bildschirme, hier liefen zuckende Laufbänder mit Nachrichten aus aller Welt: die britische Königin wurde zum Start der Neuseeland Revolution in Wellington erwartet. Manila schaltete mehrmals täglich den Radar Equalizer ein und kontrollierte das Meer bis zur Biegung des Horizonts. War sie zufrieden, dann zog sie sich für ein paar Stunden in ihr Kommunikation Büro zurück. Hase und Weihnachtsmann kuschelten sich auf der Fußmatte zusammen. Manila empfing Nachrichten aus der ganzen Welt. Sie schickte Befehle nach überall.

Das Hovercraft war zur schwimmenden Kommando Zentrale geworden. Die USA schickten ihre komplette Atlantikflotte, plus alle Kriegsschiffe, die sie im Pazifik hatten, um der Bedrohung aus dem Hovercraft Herr zu werden. Das Zielwasser der amerikanischen Marine taugte nix. Um uns herum zischten Wassersäulen in den fragenden Himmel. Der größte Bomben- und Raketenteppich landete im Meer und zerstörte die Fauna. Japan drohte mit Krieg, wenn die Amis weiter ihre Tunfisch-Jagdgründe zerstörten. Die EU und Großbritannien stritten sich ebenfalls um die verbleibenden Fischgründe. Die Volksrepublik schickte als Drohgebärde 16 Kriegsschiffe.

10/ Revolution

Der Panzerkreuzer Potemkin zeigte seine mächtige Silhouette am Horizont. Eine US-Rakete versenkte ihn. Ob er je wieder auftauchen würde, könnte nur Sergej Eisenstein entscheiden

Die Revolution in Neuseeland brodelte schon seit ca. 17 Monaten, war aber erst ausgebrochen, als Manila ihr Signal gesendet hatte. In den Straßen von Wellington tobte ein Bürgerkrieg. Der Polizei wars egal, wer demonstrierte: die Ureinwohner Neuseelands, die Nachkommen früherer britischer Sträflinge oder religiöse Fanatiker. Die Polizei interessierte nur, dass sie jemanden hatte, auf den sie einprügeln konnte. Köpfe blutig schlagen, am Boden liegende treten, mit Gas Augen verbrennen. Das war richtige Männerarbeit. In den schwarzen Uniformen mit Schild und Helm waren die Ordnungshüter gut geschützt gegen das Volk. Außerdem waren sie der Staat.

Wer revolutionierte hier gegen wen? Das interessierte niemanden. Es war ein notwendiger Aufruhr, wie ein jeder Staat ihn alle paar Jahrzehnte braucht.

Die Staatsjacht der britischen Königin lag im Hafen. Die kleine Frau mit dem ulkigen Hut war begeistert bejubelt worden. Von den Konservativen? Von den Revolutionären? Wen scherts? So lange das Fernsehen Jubelbilder zeigen kann.

Während draußen die Straßenschlacht tobte, trank die Dame im Gouverneurspalast Tee mit abgespreiztem kleinem Finger. Sie würde, wie es sich für die Königin gehörte, nicht Partei ergreifen. Was da draußen kämpfte, war der Plebs, der machte immer nur Ärger, hatte keine Manieren. Wie sollte er auch? Die Leute waren einfacher Herkunft- ohne jeden Adelstitel.

Wir stürmten immer noch mit Höchstgeschwindigkeit durch die Wellen.