Mann mit Buch sucht Frau mit Herz - Naemi Hofer - E-Book

Mann mit Buch sucht Frau mit Herz E-Book

Naemi Hofer

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Beschreibung

Siridean (28) lebt im Jahr 2033 in Zürich, ist Junggeselle, Schriftsteller, befindet sich mitten in einer Schreibblockade und ist sich nicht so ganz sicher, ob das Leben wirklich einen tieferen Sinn hat. Den Glauben an die wahre Liebe hat er bereits mit sieben Jahren aufgegeben und die Dates, die er während der letzten Jahre hatte, bestärkten seine Ansicht, dass es so etwas wie Seelenverwandtschaft nicht gibt. Doch er will sich nicht beklagen, er hat eine liebevolle Familie, sein bester Freund Kevin ist immer für ihn da und bis jetzt kommt er finanziell immer irgendwie über die Runden. Es würde sich schon alles fügen. Trotzdem lässt ihn ein Gedanke nie ganz los: Gibt es da nicht doch noch mehr im Leben? Was er nicht ahnt: Die wahre Liebe wartet bereits auf ihn …

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Vorwort
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Epilog

Mann mit Buch sucht Frau mit Herz

Naemi Hofer

Buch

Siridean (28) lebt im Jahr 2033 in Zürich, ist Junggeselle, Schriftsteller, befindet sich mitten in einer Schreibblockade und ist sich nicht so ganz sicher, ob das Leben wirklich einen tieferen Sinn hat. Den Glauben an die wahre Liebe hat er bereits mit sieben Jahren aufgegeben und die Dates, die er während der letzten Jahre hatte, bestärkten seine Ansicht, dass es so etwas wie Seelenverwandtschaft nicht gibt. Doch er will sich nicht beklagen, er hat eine liebevolle Familie, sein bester Freund Kevin ist immer für ihn da und bis jetzt kommt er finanziell immer irgendwie über die Runden. Es würde sich schon alles fügen. Trotzdem lässt ihn ein Gedanke nie ganz los: Gibt es da nicht doch noch mehr im Leben? Was er nicht ahnt: Die wahre Liebe wartet bereits auf ihn ...

Autorin

Naemi Hofer wurde 1993 in Zürich, Schweiz, geboren. Sie arbeitet in der Buchhaltung. Ihre Freizeit verbringt sie im Garten, beim Malen, Singen, Lesen oder Schreiben. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren griechischen Landschildkröten in der Schweiz.

Mann mit Buch sucht Frau mit Herz

Roman

Naemi Hofer

1. Ausgabe, 2022

Copyright © 2022 by Naemi Hofer

Lektorat: Buchfein, Martin in der Wart

Umschlaggestaltung: Maja Malaris – Grafikdesign

Druck und Bindung: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Für Simon, meine wahre Liebe

Vorwort

Musik bedeutet mir sehr viel. Wir können uns durch Musik ausdrücken, sie löst verschiedene Emotionen aus, wir spüren eine Verbundenheit zu anderen Menschen und letztlich verarbeiten wir auch Erlebnisse und Gefühle durch Musik. Musik weckt Erinnerungen an wichtige und schöne Momente oder auch an schwierige Zeiten in unserem Leben.

Nie vergesse ich die Zeit, als mir jemand das Herz brach (3:16AM – Jhené Aiko) oder die Heimfahrt nach dem letzten Arbeitstag als ich meinen Job kündete (Still got time – Zayn feat. Partynextdoor), die wunderschöne Zeit als ich meinen Ehemann frisch kennenlernte (Mit jedem deiner Fehler – Philipp Poisel) und den Einzug in die Kirche an unserem Hochzeitstag (Welcome to Jurassic Park – John Williams) oder als wir für unsere erste gemeinsame Wohnung Möbel aussuchen gingen und am Abend den Film 2:22 sahen (Someone to stay – Vancouver Sleep Clinic).

Für immer werde ich diese Lieder im Herzen tragen und mit einem dieser traurigen, wunderschönen oder hoffnungsvollen Momente in Verbindung bringen. Dies inspirierte mich dazu, diesen Roman mit Songs zu ergänzen, die mich persönlich in meinem Leben, auf die eine oder andere Weise, berührt und begleitet haben. Gerne können Sie die Lieder in Spotify, Youtube oder sonst wo hören und sich selbst davon inspirieren lassen.

Viel Freude beim Lesen, Träumen und Genießen.

Naemi Hofer

Prolog

♪♫ Elation - Isbells

Montag, 7. Mai 2012

Es war ein Montag, als er seinen allerersten Korb bekam. Wieso er sich so genau daran erinnerte? Weil er danach für sehr, sehr lange Zeit diesen Tag verfluchte, an dem er seinen blöden Mund aufgemacht hatte.

Jenny war das beliebteste Mädchen seiner Klasse. Sie war sieben Jahre alt, schlau, witzig und spielte Fußball. Ihre braunen, schulterlangen Haare trug sie meist offen und der Pony hing ihr knapp über den Augenbrauen in die Stirn und betonte ihre blauen Augen.

Er war verknallt in sie.

Während der großen Pause nahm er seinen ganzen Mut zusammen, schritt mit zittrigen Knien tapfer auf sie zu und sprach sie an:

«Jenny, ich muss dir unbedingt was sagen.»

«Klar, was gibt’s?»

«Ich wollte dir sagen…» Sein Mund war trocken, sein Hals zugeschnürt und sein Herz pochte so schnell, dass er Angst hatte, es würde jeden Moment aus seiner Brust springen. In seinen Ohren fing es an zu rauschen und er musste sich konzentrieren um nicht zu stottern.

«Sag schon, raus damit.»

«Willst du mich heiraten, wenn wir groß sind?»

Er wartete eine gefühlte Ewigkeit auf ihre Antwort und betete, dass sie endlich irgendeine Reaktion zeigen würde, während sie ihn fassungslos anstarrte.

Er hätte nicht herkommen, sie nicht ansprechen sollen. Er würde seine Worte zurücknehmen und die Zeit zurückdrehen, wenn er nur könnte. Bildete er es sich nur ein oder waren die Blicke sämtlicher Schüler auf ihn gerichtet? Ihm brach der Schweiß aus und gleichzeitig fror er.

Jenny schien mittlerweile die Fassung wiedererlangt zu haben. Sie brach in schallendes Gelächter aus, hielt sich die eine Hand vor den Mund und mit der anderen ihren schmerzenden Bauch.

«Das ist nicht dein Ernst?»

Falls die bohrenden Blicke der Mitschüler vorher lediglich Einbildung gewesen waren, dann konnte er sich jetzt ihrer Aufmerksamkeit absolut sicher sein.

«Liebe ist bloß ein Märchen und etwas für Schwachköpfe! Und jetzt hau ab!»

Mit einer solch schroffen Antwort hatte er nicht gerechnet. Doch was hatte er erwartet. Es war einfach nur blöd gewesen, ihr diese Frage zu stellen und sich somit völlig lächerlich zu machen.

Er hätte nicht damit gerechnet, dass es noch viel schlimmer werden würde. Am nächsten Tag jedoch schien die ganze Schule über den peinlichen Vorfall Bescheid zu wissen. Jenny erzählte überall herum, dass er ein Blödmann war und ein kleines, naives Kind.

Er wusste damals nicht, dass Jennys Eltern sich gerade scheiden ließen. Sie erlebte mit, wie ihre Mutter täglich stundenlang weinte, und musste ertragen, dass ihr Vater sich nicht mehr blicken ließ, seit er mit dieser jüngeren Frau durchgebrannt war.

Ihre Mutter riet ihr in einem unbedachten Moment, dass sie sich um keinen Preis einwickeln lassen und einen Mann heiraten solle. Dies beschere ihr nur Unglück und Leid und würde sie ihre besten Jahre kosten. Ihre Mutter hatte die ausgesprochenen Worte bereits am nächsten Tag wieder vergessen. Jenny jedoch sah, wie ihre Mutter litt, und nahm es sich zu Herzen.

Und Jenny’s Reaktion wiederum hatte ihn nachhaltig geprägt. Natürlich wusste er heute, dass sein Antrag damals kindisch und unüberlegt gewesen war, so ehrlich er es gemeint haben mochte. Trotzdem hatte sich nach dieser verletzenden Zurückweisung etwas in ihm verändert. Ein kleiner Zweifel wurde an diesem Tag gesät, der über die Jahre hinweg stetig wuchs und mit jeder noch so kleinen Ablehnung einer Frau immer gefestigter wurde.

Der Zweifel, dass wahre Liebe bloß ein Märchen und etwas für Schwachköpfe war …

Kapitel 1

♪♫ WTF – Sasha Sloan

Mittwoch, 16. März 2033

Ein immer schneller und lauter werdendes, klirrendes Geräusch riss Siridean aus dem Tiefschlaf. Mühsam drehte er sich in seinem blauen Boxspringbett um, tastete genervt mit der flachen Hand nach dem Wecker und ließ mit einem Schlag das Klirren verstummen. Er rieb sich die hartnäckige Müdigkeit aus den Augen, schlug seine Daunendecke zurück und blieb erst mal eine Weile reglos liegen.

Nicht, dass er unbedingt so früh hätte aufstehen müssen. Genauso gut hätte er den ganzen Tag einfach weiterschlafen und im Bett verbringen können. Denn die Geschichte, an der er seit gut drei Monaten arbeiten sollte, hatte er noch kein Stück weiter vorantreiben können.

Sein aktuelles Projekt war ein Unterhaltungsroman, in dem sich zwei unbekannte Personen während eines Fluges kennenlernten und auf den ersten Blick unsterblich ineinander verliebten. Sie beschlossen keine Zeit zu verlieren, eine Hochzeitsfeier zu planen und ihr restliches Leben miteinander zu verbringen. Nach sehr vielen Hochs und Tiefs würden sie auf ein erfülltes, glückliches Leben zurückblicken, sich wie frisch Verliebte küssen und zufrieden miterleben, wie ihre Kinder nun ihr Glück fanden, heirateten und wiederum Kinder kriegten.

Die wahre Liebe ... Seiner Meinung nach hatte dies nur sehr wenig mit der Realität und vielmehr mit purem Kitsch zu tun, der nur in Hollywood-Filmen und Büchern vorkam. Aber solche Geschichten verkauften sich nun einmal gut, also schrieb er sie.

Jedes Mal jedoch, wenn er sich daransetzte, schien sein Kopf wie leergefegt und die Ideen in alle Winde zerstreut zu sein. Noch keine einzige vollständige Seite hatte er zu Papier gebracht.

Glücklicherweise war genau zu der Zeit, als er sich für eine berufliche Ausbildung entscheiden musste, über die Abstimmung bedingungsloses Grundeinkommen entschieden worden. Als festgelegten Betrag wurde nun jeder in der Schweiz niedergelassenen Person monatlich 2'000.- ausbezahlt. Darüber war 2016 bereits einmal abgestimmt worden, die Initiative damals allerdings abgelehnt. Die Gesellschaft hatte sich jedoch in den letzten Jahren verändert.

Arbeit war nun einmal nicht alles im Leben, was sich mit jeder neuen Generation deutlicher zeigte. Aber entgegen den Befürchtungen mancher hatte der Großteil der Bevölkerung nicht gleich den Job hingeschmissen. Es nahm nur ganz einfach den Druck und die Existenzängste, völlig unterzugehen und vom Arbeitslosenamt abhängig zu sein, wenn man den Job verlor. Viele entdeckten die Freude an ihrem Beruf wieder ganz neu für sich.

Was machte es also für einen Unterschied, ob er sich genau an diesem Morgen aufraffte und zu seinem Schreibtisch quälte oder sich einfach gehen ließ und auf einen inspirierenderen Tag hoffte?

Er gab sich einen Ruck, schob sich mit einem Seufzer und knackenden Knien von seinem Bett und stand Pokerface dabei beinahe auf den Schwanz. Pokerface war sein fünfjähriger Bengal-Kater. Er hatte ein bisschen etwas von einer Wildkatze mit seinem braun-schwarz-rötlichem Leopardenmuster und seinen grünen Augen, die fast immer pure Gleichgültigkeit und ein wenig herablassender Arroganz ausstrahlten. Wenn er wollte, konnte er sehr temperamentvoll und laut sein. Dann rannte er verspielt durch die ganze Wohnung, tobte sich aus, sprang ganz zuoberst auf das Büchergestell – sein Lieblingsplatz - und miaute dann ziemlich laut, als wäre er wirklich eine Raubkatze.

Siridean bückte sich und strich dem Kater über den Rücken, während dieser sich unbeeindruckt hinsetzte und seine Augen zusammenkniff, als wollte er sich über die Ruhestörung beschweren.

«Guten Morgen, kleiner Kumpel.»

Siridean stieg über Pokerface hinweg, ging Richtung Küche und öffnete den Schrank, in dem das Katzenfutter verstaut war. Sofort gesellte sich das Tier zu ihm, umstrich seine Beine und schnurrte wie ein verschmustes Kuscheltier. Als die Dose nicht gleich aufging, fing Pokerface an zu miauen und streifte noch etwas hektischer seine Beine.

«Es gibt ja gleich Futter, so dauert es nur länger.» Endlich löste sich der Deckel und er füllte das Futter in den Napf. Sogleich stürzte sich der Kater auf den Festschmaus und schnurrte wohlig weiter.

Nun ging Siridean auf Frühstückssuche, öffnete den Kühlschrank, wo eine Tomate, zwei Peperoni, etwas Frischkäse und ein paar Eier lagen. Er nahm sich zwei Eier und eine Peperoni, griff nach der Bratpfanne und fügte etwas von den Kräutern hinzu, die er in Töpfen auf dem Fenstersims stehen hatte.

Auf dem Display des Kühlschranks leuchtete eine Meldung auf:

Auf Ihrer Einkaufsliste stehen Eier, Milch, Orangensaft, Brot und Obst.

Einkaufsliste drucken? Ja/Nein

Er wählte auf dem Touchscreen «Nein». Um den Einkauf würde er sich ein anderes Mal kümmern.

Die angebratenen Peperoni und Kräuter verströmten ihr Aroma in der ganzen Wohnung.

Als er seinen leergegessenen Teller abräumte, saß Pokerface bereits vor dem Fenster und putzte zufrieden seine Pfoten.

Er ging ins Badezimmer, stellte sich unter den heißen Wasserstrahl und spürte, wie sich seine Muskeln langsam entspannten und gleichzeitig seine Lebensgeister geweckt wurden. Nichts ging über eine ausgedehnte Dusche, um in die Gänge zu kommen.

Als er aus der Duschkabine stieg, waren die Spiegel beschlagen. Er öffnete das Fenster und sofort kam ihm ein Windstoß entgegen. Er schloss die Augen und atmete tief den Duft nach frisch gemähtem Gras und feuchter Erde ein. Vögel zwitscherten, ein Hund bellte, eine Fahrradglocke läutete. Die Sonnenstrahlen kitzelten ihn und er musste zweimal niesen.

Mit dem Handtuch wischte er den beschlagenen Spiegel trocken und betrachtete sich einen Moment gedankenverloren. Noch knapp zwei Jahre und er würde eine Dreißig auf dem Rücken tragen. Die Zeit schien jedes Jahr noch rasender zu vergehen.

Er rieb sich mit dem Handtuch seine roten Haare trocken. Die und seine helle Hautfarbe hatte er von seinem irischen Vater geerbt. Er zog Shorts und ein rotes T-Shirt an, welches seine olivgrünen Augen betonte und setzte sich seine Brille auf.

Seit langem forschte Apple bereits an diesen SmartGlasses. Aber erst vor zirka 5 Jahren hatten sie einen solchen Durchbruch gehabt, dass praktisch jeder eine solche Brille trug. Diese Brille gab es in diversen Modellen, Formen, Farben und Größen. Sie ersetzte das Smartphone und die Computer und war einiges kompakter als die Vorgänger. Durch die Sprachsteuerung Siri konnten sämtliche Befehle wie z.B. einen Telefonanruf starten, einen Weg suchen oder im Internet surfen, ohne Tippen ausgeführt werden. Durch die eingebauten Mikrokameras konnten Aufnahmen gemacht und Dokumente, Videos und andere Dateien angeschaut werden. Heute war diese Brille nicht mehr wegzudenken.

Am oberen Rand der Brille blinkte ein kleines Licht zweimal, das anzeigte, dass mehrere SMS eingetroffen sind.

Treffen wir uns am Freitag um 19 Uhr? Kevin

Kevin war sein bester Kumpel, seit sie zusammen in die 2. Klasse gegangen waren. Jedes Wochenende trafen sie sich üblicherweise in der Fritz’ Bar.

«Siri Antwort! Bin dabei», sagte Siridean und gab somit seiner Brille den Befehl, eine SMS als Antwort an Kevin zu schicken.

Guten Morgen, mein Schatz. Wie läuft es mit deinem Buch? Kommst du uns nächsten Sonntag besuchen? Deine Schwester fährt übers Wochenende in ein Wellnesshotel mit Jimmy.

Er schrieb seiner Mutter zurück, dass er gerne vorbeikommen werde.

«Siri News!», beauftragte er nun seine Brille, die heutigen Schlagzeilen zu lesen:

Der Frühling ist da – wie Sie ihr Hochbeet richtig bepflanzen!

Sommerliche Temperaturen ab nächster Woche!

Erste Fälle von Frühlingsgrippe bekannt. Spitäler und Arztpraxen empfehlen, in Innenräumen eine Maske zu tragen.

Er verlor schnell das Interesse an den News und setzte sich stattdessen an seinen Schreibtisch, gab den Befehl «Siri Laptop!» und schon erschien virtuell vor ihm der Desktop. Ähnlich wie bei früheren Virtual-Reality-Brillen konnte man herumlaufen und der angezeigte Bildschirm wanderte mit einem mit. So konnte man, wenn man unterwegs war, einfach eine E-Mail lesen und auf der imaginären Tastatur in der Luft schreiben.

Siridean gab den Befehl, die Datei zu öffnen, an der er zuletzt gearbeitet hatte. Sein angefangener Roman wurde geöffnet. Er wechselte von Sprachsteuerung zu Tastatur und konnte so wie bei früheren Laptops einfach eine dazugehörige Tastatur bedienen, die auf dem Schreibtisch bereitlag.

Er tippte ein, zwei Wörter, um seine Finger aufzuwärmen, löschte die Zeile wieder und sah dann auf das leere Dokument. Ein tiefer Seufzer entfloh ihm, als er bemerkte, dass er bereits seit neun Minuten reglos dasaß.

Er gab den Befehl, das virtuelle Schreibprogramm wieder zu schließen und den Desktop zu deaktivieren, schob die Tastatur weg und kratzte sich an seinem stoppeligen Dreitagebart.

Die Uhr tickte übertrieben laut, als wollte sie unbedingt auf sich aufmerksam machen. Es wurde ihm zu laut. Er lief zur Haustüre, schnappte sich sein dünnes, blaues Jäckchen und trat hinaus in die frische Frühlingsluft.

Die morgendlichen Sonnenstrahlen trafen überraschend warm auf sein Gesicht und die schneeweißen Beine. Seine Jacke hätte er zu Hause lassen können, dachte er. Er sah in den strahlend blauen Himmel, kniff die Augen zusammen und nieste zweimal.

Connor, sein 80-jähriger Nachbar, kam mit seinem Hund Jack gerade um die Ecke gelaufen. Jack ist ein Pomsky, eine Mischung aus Zwergspitz und Husky. Früher hatte Connor einen Alopekis. Der ist mit stolzen 18 Jahren an Altersschwäche gestorben.

Im Vorjahr hatte Connor ihm erzählt, dass er seinen Hund geheiratet hatte. Er meinte zwar, dass er nicht eine besonders verrückte Liebe zu ihm hegte. Es war nur ganz einfach steuertechnisch günstiger, da er dann keine Hundesteuer mehr bezahlen musste, und einen Ehemenschen-Abzug von einer Monatsrente gelten machen konnte. Und da er keine Kinder hatte, würde sein Erbe eines Tages an seinen Hund gehen und somit vor seiner habgierigen Schwester in Sicherheit sein, die seiner Ansicht nach überhaupt nicht verantwortungsvoll haushalten konnte und schon immer hinter seinem Geld her war.

Die Ehe zwischen Mensch und Tier war seit einiger Zeit möglich, seit über die «Ehe für «wirklich» alle» abgestimmt und diese angenommen und eingeführt worden war. Befürworter argumentierten, dass Tiere lange genug als minderwertiger behandelt worden waren und das Recht auf Gleichstellung hätten. Und Liebe bräuchte es nach so vielen Kriegszeiten auf dieser Welt mehr denn je. Man dürfe das Recht auf Liebe keinem verwehren, die Ungleichbehandlung von Menschen, die ihr Tier liebten, gegenüber Menschen, die Menschen liebten, war sachlich schlicht unbegründet und nicht fair.

«Hi, Siri!», grüßte Connor.

«Guten Tag, Connor!»

«Was für ein herrlicher Tag heute, nicht wahr?»

«Das ist er wirklich», erwiderte Siridean.

«Bleiben Sie gesund!»

«Das wünsche ich Ihnen ebenfalls.»

Er verabschiedete sich und Jack trottete neben seinem Herrchen-Ehemann her in das Treppenhaus, wo die beiden verschwanden.

Siridean schlenderte los und spürte, wie ein kühler Windstoß ihm für einen Augenblick die Luft abschnitt. Gleich danach spürte er wieder die Wärme der Sonne auf der nackten Haut.

Er schlug den direkten Weg durch die Altstadt ein, wo reges Treiben herrschte. Berufstätige waren auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz, Hundehalter machten ihren morgendlichen Spaziergang, eine erschöpfte Mutter wiegte ihr Neugeborenes im Wagen hin und her, anscheinend in der Hoffnung es zum Schlafen bewegen zu können. Eine Taube pickte Brotkrümel vom Boden vor einem kleinen französischen Café auf.

Nach einem dreiminütigen Fußweg öffnete er die Tür zum Starbucks-Shop und trat ein. Vor ihm stand nur ein Geschäftsmann Mitte vierzig mit Glatze und eine jüngere Frau saß mit ihrer Laptop-Tastatur an einem Fensterplatz und tippte konzentriert darauf ein. Er trat an das Display gleich beim Eingang heran und hielt seinen Handrücken mit dem QR-Code an den Scanner, um zu bestellen und gleich zu bezahlen.

Vor etwa acht Jahren war der QR-Code als Zahlungsmittel eingeführt worden. Man konnte sich den Code auf den Handrücken tätowieren und darauf die Bankdaten speichern lassen. Somit musste man kein Portemonnaie mehr herumtragen, sondern nur noch die Hand hinhalten. Im Laufe der letzten Jahre waren Kreditkarten und Bargeld letztlich ganz abgeschafft worden. Unterdessen wurden auch sämtliche Krankenakten, Identitätskarten, der Führerschein, Verträge und vieles mehr auf diesem QR-Code gespeichert und konnten jederzeit bei Bedarf gescannt und abgerufen werden. Es erleichterte das Leben, nicht immer etwas mit sich tragen zu müssen, sondern bei Bedarf alles auf der Tätowierung auf der Hand dabei zu haben.

Hallo Siridean! Was dürfen wir dir zubereiten?

Er wählte einen großen Caramel Macchiato zum Mitnehmen.

Dein Gesundheitscoach rät dir, heute auf die Kalorien zu achten und fettarme Milch zu wählen.

Ja / Nein

Er wählte Nein. Heute brauchte er einen richtigenKaffee. Morgen war noch genug Zeit, um auf seine Gesundheit zu achten. Er bestätigte nochmals, dass er den Kaffee bestellen wollte, und lief einen Schritt weiter. Nebenan war eine Anrichte mit Desserts, Salaten und Sandwichs und daneben eine große Kaffeemaschine, die den bestellten Kaffee zubereitete. Der Kaffeebecher stand schon bereit zum Mitnehmen. Siridean hielt seine Hand erneut an den Scanner, um zu bestätigen, dass er derjenige war, der den Kaffee bestellt hatte, nahm den Becher und trat hinaus in die Sonne.

Er überquerte die Straße, wich einem E-Bike aus, dessen Fahrer ihm empört zurief und ging ein Stück am See entlang. Er suchte sich einen ruhigen Platz direkt am See und setzte sich hin. Ein Schwan schwamm vorbei, ohne ihm Aufmerksamkeit zu schenken. Genüsslich nahm er einen großen Schluck von seinem Lieblingsgetränk und wartete auf die Wirkung des Koffeins, spürte jedoch nichts. Die Sonne reflektierte im Wasser, deshalb gab er seiner Brille den Befehl, den Sonnenschutz einzuschalten, worauf die Brillengläser sich verdunkelten.

Das kleine Licht am oberen Rand der Brille blinkte wieder.

Schön, ich freue mich auf dich. Arbeite nicht zu viel.

Die Nachricht war von seiner Mutter. Er nahm nochmals einen Schluck von seinem Kaffee und sagte dann: «Siri Dating!»

Vor ihm öffnete sich eine Ansicht mit diversen Profilen von Frauen, die ebenfalls auf der Suche nach Dates waren. Zu Beginn hatte er sämtliche Eigenschaften, die er sich von einer Frau wünschte, eingeben können, zusammen mit einem umfangreichen Fragebogen zu seinem Charakter, seinen Interessen, Abneigungen, sowie weiteren Fragen, z.B. welche Gewürze er gern habe, ob er lieber nasses Holz oder Bärlauch rieche und vieles mehr. Er war mehrere Stunden damit beschäftigt gewesen, all diese Fragen zu beantworten, bis er dann endlich sein Profil fertig erstellt hatte. Die Entwickler warben mit dem Versprechen, den Seelenverwandten zu finden, der auf der Grundlage all dieser Fragen wirklich zu einem passte.

Nun, er blieb bei seiner Meinung, dass die wahre Liebe Wunschdenken war. Trotzdem hatte er dank dieser Plattform schon einige angenehme und aufregende Bekanntschaften gemacht.

Ein Profilbild wurde ihm etwas größer als die anderen angezeigt. Dies kam vor, wenn zwei Profile besonders gut zusammenpassten. Das Foto gefiel ihm. Zoe hieß die Frau, war Mitte zwanzig, hatte braune, wellige Haare und ein niedliches Gesicht. Er schaute sich das Profil an und las, dass sie die Natur liebte, gern schwamm und Bücher las. Er schrieb sie an.

Siridean: Hi Zoe. Ich mag dein Profil. Besonders dein Lächeln.

Zoe: Das höre ich gerne. Ich mag das Bild mit deiner Katze. Sieht süß aus.

Siridean: Was liest du denn so?

Zoe: Am liebsten romantische Liebesgeschichten. Nichts geht über ganz viel Kitsch.

Siridean: Da bin ich wohl dein Mann.

Zoe: ?

Siridean: Ich bin Schriftsteller. Genre Liebesromane.

Zoe: Bist du noch zu haben? ;-)

Siridean: Hättest du Lust, nächsten Freitag auszugehen?

Zoe: Sehr gerne.

Siridean: Treffen wir uns um 20 Uhr bei der Fritz’ Bar?

Zoe: Ich werde da sein.

Kapitel 2

♪♫ Still got time – Zayn (feat. Partynextdoor)

Freitag, 18. März 2033

Die Bar war noch ziemlich leer, als Siridean auf seinen besten Freund Kevin wartete. Erst in 2-3 Stunden würde der größere Ansturm kommen. Bis dahin konnten sie noch etwas reden und erste Drinks bestellen.

Es war üblich, dass Kevin immer etwas später dran war. Siridean war dagegen eher ein paar Minuten zu früh dran. Siridean bestellte einfach schon die Drinks für beide.

Die Tür öffnete sich und Kevin trat ein. Er schritt direkt auf ihn zu, da sie sich jedes Mal am selben Tisch trafen.

«Alles klar?», fragte Kevin.

«Danke, bei dir?»

«War eine anstrengende Woche. Aber heute lassen wir es krachen.»

«Hier dein Whiskey Sour.» Er schob seinem Freund den Drink hinüber. Er selbst hatte für sich einen Mojito bestellt, der heute nach seinem Geschmack etwas zu viel Zucker enthielt.

«Danke, den kann ich gebrauchen.»

«Ich hab für heute noch ein Date.»

Kevin musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.

«Die Blonde von der du mir erzählt hast?»

«Julia? Nein die war nichts. Hat in einer Tour nur von ihrem Jurastudium gesprochen. Ich hab versucht herauszufinden, ob sie noch andere Interessen hat, aber ich hab’s nicht geschafft sie zu unterbrechen.»

«Ist doch perfekt. Wenn sie nicht aufhören zu reden, werden sie es auch nicht bemerken, wenn du überhaupt nicht zuhörst.»

Siridean musste grinsen. Eigentlich war er nicht der Typ, der über misslungene Dates tratschte und sich über Frauen lustig machte. In letzter Zeit schien er aber generell nicht ganz er selbst zu sein. Die Schreibblockade nagte jetzt schon seit geraumer Zeit an ihm, mehr als er sich eingestehen wollte. Natürlich erhielt er sein Grundeinkommen, aber wenn er seinen gewohnten Lebensstandard halten wollte, musste er sich was dazuverdienen. Er hatte etwas gespart, doch auch das würde irgendwann aufgebraucht sein. Und er hatte Rechnungen zu zahlen, seine Miete, Einkäufe ... Das Leben in der Stadt war nicht billig. Doch heute Abend wollte er auf andere Gedanken kommen.

«Sie heißt Zoe. Sie liest gerne.»

«Was interessiert es dich, was sie gerne macht? Alles, was du brauchst, ist ein bisschen Spaß und dafür musst du nur ihre Körbchengröße kennen und ob sie lieber unten oder oben liegt.»

Auch wenn er die Illusion einer möglichen Seelenverwandtschaft bereits seit langem aufgegeben hatte, war er in dieser Sache nicht ganz einer Meinung mit Kevin. Er wünschte sich trotz allem mehr als nur bedeutungslose One-Night-Stands. Und einen respektvollen Umgang hatten ihn seine Eltern schon früh gelehrt, egal ob Mann oder Frau, Fremder oder Freund. Es war für ihn selbstverständlich, dass er seinem Date Interesse entgegenbrachte und vielleicht fand sich ja früher oder später eine Gelegenheit, eine Frau kennenzulernen, die so weit zu ihm passte, dass sie länger als eine Nacht in seinem Leben bleiben würde. Die Hoffnung starb zuletzt ...

Langsam füllte sich der Laden und der Geräuschpegel stieg allmählich. Gerade überlegte er noch kurz zur Toilette zu gehen, als die Tür aufging. Da stand eine junge Frau, die Haare halb geflochten, halb offen, in einem knielangen, schwarzen Kleid aus Seide, welches ihrer schlanken Figur sehr schmeichelte.

«Sie sieht besser aus als auf den Fotos», war sein erster Gedanke. Im nächsten Moment drehte sie sich in seine Richtung um und erfasste seinen Blick. Es war Zoe. Kevin bemerkte seinen faszinierten Blick und drehte sich ebenfalls um.

«Die sieht nicht schlecht aus, mein Freund, gute Wahl», sagte Kevin.

Zoe straffte selbstbewusst ihre Schultern und kam mit leichten, langen Schritten auf sie beide zu.

«Hi, du musst Siridean sein?»

Diesem schien es kurz die Sprache verschlagen zu haben.

«Ich bin Kevin. Ein Freund von diesem begehrenswerten Junggesellen.»

Zoe zog die Lippen zu einem sanften Lächeln hoch, schien aber etwas irritiert von seinem Verhalten zu sein.

«Hi Zoe. Darf ich dir einen Drink bestellen?», erlangte er seine Fassung wieder.

«Einen Tequila Sunrise für mich, bitte.»

Er wollte den Drink bestellen, jedoch war kein Kellner frei im Moment.

«Möchtest du dich setzen?», fragte er stattdessen.

«Gerne.»

Gerade eilte ein Kellner an ihnen vorbei. Er stoppte ihn und bestellte seinem Date das Getränk.

«Du bist also auch auf der Suche nach einem Partner?»

«Sieht so aus. Ich glaube, dass irgendwo da draußen der Richtige auf mich wartet.»

«Der Prinz, der auf einem weißen Pferd mit dir in den Sonnenuntergang reitet.»

«So in etwa. Du klingst etwas abschätzig.»

«Entschuldige bitte. Ich wünsche mir auch einen Partner, der zu mir passt. Nur sind meine Erwartungen zwangsläufig etwas gesunken nach all meinen Erfahrungen, die ich gemacht habe.»

«Das klingt, als wäre dir dein herz schon mal gebrochen worden.»

«Ich meine nur, all die romantischen Fantasien, die von den Hollywoodfilmen geschürt werden, dass wir nur lange genug warten müssen, um das perfekte Gegenstück unseres Herzens zu finden, müssen unweigerlich zu einer Enttäuschung führen. Wir sind schließlich alle nur Menschen und haben unsere Macken.»

«Ich weiß nicht. Ich glaube schon, dass es einen ganz speziellen Menschen für jeden gibt, der perfekt für ihn ist.» Sie blickte zur Decke und schien einen Moment zu überlegen, wie sie ihre Worte formulieren sollte. «Hoffnungen und Träume sind so wichtig im Leben. Ich hoffe zum Beispiel, dass ich vielleicht heute schon diesen Menschen finden werde. Wer weiß, ob er möglicherweise direkt vor meiner Nase ist.»

Ihre kindliche Vorstellung von einer perfekten Beziehung fand er irgendwie süß. Es machte sie menschlich und sympathisch.

«Ihr scheint euch ja prächtig zu verstehen, ich werde mich mal unter die Leute mischen», verabschiedete sich Kevin.

Zoe nahm einen Schluck von ihrem Drink, während Siridean sich mit einem Handdruck von seinem Freund verabschiedete.

«Was machst du beruflich?», fragte er.

«Ich arbeite als Make-up-Artist. Ich war schon immer sehr kontaktfreudig und Schminken hat mich schon als kleines Mädchen fasziniert.»

Er hörte ihr aufmerksam zu und betrachtete ihre makellose Haut und ihre langen, getuschten Wimpern.

«Ich mag deine Augen», schmeichelte er ihr.

«Vielen Dank. Das ist wohl die Wirkung der Wimperntusche.»

«Ich wette, du siehst auch ohne Make-up fantastisch aus.»

«Nett von dir. Und du bist also Autor?»

«Ich schreibe Liebesromane. Sie trifft lauter Arschlöcher, bis sie eines Tages genug hat und sich den Männern abschreibt. Kurz darauf begegnet sie dem perfekten Mann, sie erleben Hochs und Tiefs, bis sie schließlich bis an ihr Lebensende glücklich zusammenbleiben.»

«Das ist witzig.»

«Was ist witzig?»

«Naja, du schreibst Geschichten über zwei Menschen, die sich finden und glaubst selbst nicht daran.»

«Mann muss nicht unbedingt an etwas glauben, um es verkaufen zu können.»

«Das klingt sehr deprimierend.»

«Keineswegs. Ich habe meine Familie und Freunde, die mich glücklich machen. Und meine Katze.»

«Erzähl mir von deiner Katze.»

«Ein richtiger kleiner Löwe.»

«Ältere, einsame Damen haben Katzen.»

«Wird bloß nicht gemein!», sagte er gespielt beleidigt.

Sie zwinkerte ihm scherzhaft zu.

«Magst du keine Tiere?»

«Machst du Witze? Ich bin praktisch auf einem Bauernhof aufgewachsen. Wir hatten während meiner Kindheit eine Hauskatze, eine Schlange und zwei Hasen. Und heute hab ich einen Vogel.»

«Na, der Vogel erklärt so einiges», zog er sie auf. Ihr aufrichtiges, offenes Lachen erwärmte sein Herz. Er glaubte zwar nicht daran, jemals die Richtige zu finden. Er musste aber zugeben, dass dieser Abend ihn seit langem zum ersten Mal wieder einmal richtig Vergnügen bereitete. Er fühlte sich unbeschwert und wohl in ihrer Gegenwart. Vielleicht gab es ja einen Mittelweg zwischen dem Märchen der wahren Liebe und dem einsamen Sterben.

Kevin winkte ihm zu, die andere Hand auf dem Rücken einer blonden, schlanken Frau, die er nicht kannte. Er gab ihm mit der Hand ein Zeichen, dass er gehen würde. Es schien, als hätte er Gesellschaft für die restliche Nacht gefunden. Er winkte Kevin zurück.

Die beiden hatten auch schon öfters Gespräche darüber geführt und waren beide mit unterschiedlichen Argumenten zu dem gleichen Entschluss gekommen. Liebe zwischen Mann und Frau konnte nicht auf Dauer halten und war reine Illusion.

Während er jedoch trotz allem den Wunsch nach echter Verbundenheit und tiefen Freundschaften hegte, war Kevin da eher genügsamer. Ihm reichte es vollkommen aus, eine Frau für eine Nacht abzuschleppen, ohne auch nur mehr als zwei Sätze mit ihr zu reden. Nämlich: «Hast du einen Freund?» und «Gehen wir zu mir oder zu dir?»

«Alles in Ordnung?»

Erst jetzt merkte er, dass er in seinem Tagtraum versunken war. «Sorry, ich war kurz weggetreten.»

Sie sah ihn eindringlich an.

«Ist ziemlich laut hier. Ich glaube, ich sollte wohl langsam gehen.» Zoe schenkte ihm einen geheimnisvollen Blick.

«Wohnst du in der Nähe?», fragte er.

«Nicht sehr weit von hier.»

«Darf ich dich noch nach Hause begleiten?», erwiderte er.

«Nichts lieber als das.»

Er musterte sie einen Moment lang nachdenklich und fragte sich, ob sie irgendwelche Hintergedanken hegte.

«Na dann. Nach dir.» Er hielt ihr die Tür auf, nachdem er die Drinks bezahlt hatte, und folgte ihr nach draußen in die kühle Nachtluft.

Sie fröstelte und rieb sich die Arme, um sich aufzuwärmen.

«Hier, bitte, meine Jacke», sagte er und legte die Jacke über ihre Schulter. Sie lächelte ihm dankbar zu.

Sie liefen los und spazierten schweigend am See entlang. Der asphaltierte Gehweg, der in regelmäßigem Abstand von Bäumen gesäumt war, war fast menschenleer. Die Stille war angenehm nach dem ganzen Trubel in der Bar, sie schien die Ruhe auch zu genießen. Nach einer Weile bogen sie ab, überquerten die Straße und spazierten durch eine Gasse, die von kleinen Läden gesäumt war. Er lief neben ihr her, atmete zufrieden die frische Luft ein und spürte, wie sein Kopf freier wurde. Sie bog erneut ab und er folgte ihr. Unvermittelt blieb sie stehen und er brauchte einen Moment, um wieder in die Gegenwart zurückzukehren.

«Da wären wir.» Sie drehte sich zu ihm um und blickte ihm in die Augen.

Er sah sich um und erlangte langsam wieder seine Orientierung.

«Wir sind wieder beim Club», bemerkte er irritiert.

«Hier wohne ich», sagte sie amüsiert.

«Du wohnst beim Club?»

«Ich wohne direkt neben dem Club.»

Er schmunzelte und fragte sich gleichzeitig, ob sie gewisse Absichten hegte oder ihn nur hochnehmen wollte.

«Darf ich dich noch für einen Drink in meine Wohnung einladen?», fragte sie ihn jetzt.

«Sehr gerne. Solltest du nicht zuerst eine Freundin informieren, dass ein fremder Mann …»

«Schsch …», Zoe legte einen Finger auf seinen Mund, um ihm zu verstehen zu geben, dass er aufhören solle zu reden. Sie nahm seine Hand sanft, aber bestimmt in ihre und er folgte ihr durch die Tür und die Treppe hinauf in ihre Wohnung.

Ein Sonnenstrahl schien direkt auf sein Gesicht und kitzelte ihn wach. Es roch angenehm nach frischer Bettwäsche, doch der Geruch war ihm fremd. Er öffnete verschlafen die Augen und fühlte sich kurz orientierungslos, als ihm klar wurde, dass er nicht in seinem eigenen Bett aufwachte. Er setzte sich auf, kniff die Augen bei dem grellen Licht zusammen und musste zweimal niesen.

«Guten Morgen.» Zoe drehte sich neben ihm um und schaute ihn schläfrig an. «Hast du gut geschlafen?»

«Wie ein Murmeltier.»

Sie lächelte.

«Wie hast du geschlafen?»

«Wie ein Stein.»

Er betrachtete sie. Letzte Nacht hatte sie noch ihr Make-up entfernt, als er bereits tief eingeschlafen war. Ihre Wimpern waren unfassbar schön und schienen noch länger zu sein als gestern Abend. Ihre vollen Lippen hatten sich letzte Nacht wunderbar angefühlt und ihr geheimnisvoller Blick jagte ihm schon wieder einen warmen Schauer über den Rücken.

«Worüber denkst du nach?», fragte sie ehrlich interessiert.

«Über dein Gesicht.»

«Mein Gesicht? Was ist damit?»

«Du hast dich abgeschminkt.»

«Und? Findest du mich auch ohne Make-up fantastisch?»

«Hmm. Ja du bist ganz ansehnlich», neckte er sie und fing sich gleich einen empörten Schlag mit dem Kissen ein.

«Du Trottel!», lachte sie ausgelassen und verpasste ihm gleich noch eins mit dem Kissen. Er packte sie an den Hüften und zog sie an sich, während sie gespielt schockiert wild mit den Beinen um sich schlug und kreischte. Er drehte sie auf den Rücken, setzte sich auf sie und hielt ihre Handgelenke über ihrem Kopf fest. Sie prustete los, als er mit den Lippen über ihre Rippen fuhr, sie küsste und sich langsam Richtung Achseln hocharbeitete.

«Nicht … Bitte nicht … kitzeln!», sie versuchte, sich zu befreien, kam gegen seine Muskeln aber nicht an. Sie lachte vergnügt, rang nach Luft und wand sich unter ihm, bis er innehielt und das Küssen unterbrach. Er sah sie grinsend an und kostete den Moment des unbeschwerten Glücks voll aus.

«Wie hast du mich eben genannt?», fragte er sie schmunzelnd.

«Ich nehme jedes Wort zurück», sagte sie unterwürfig.

«Du gibst also zu, dass ich im Recht bin?»

«Ja … du … du bist immer im Recht.» Sie wand sich erneut und lachte laut auf, als er ihr erneut einen Kuss auf die Rippe drückte.

«Vielen Dank. Das von einer Frau zu hören, bedeutet mir sehr viel», erwiderte er neckisch.

«Pass bloß auf!», lehnte sie sich spielerisch auf.

«Na, dann reden wir doch nochmals darüber», sagte er, fixierte erneut ihre Handgelenke über ihrem Kopf und küsste sie auf die Rippen und arbeitete sich langsam Richtung Hals vor.

Sie lachte Tränen und flehte ihn an aufzuhören, worauf er in ihr sympathisches Lachen miteinfiel und ihre Handgelenke losließ. Sie wischte sich die Tränen weg, grinste ihn an und legte ihre Arme um seinen Nacken. Er blickte ihr in die Augen, suchte darin eine Antwort oder irgendeine Weisheit, von der er selbst nicht so genau wusste, was genau er zu finden hoffte.

Er beugte sich über sie, neigte sich näher zu ihr hin, öffnete seine Lippen und versank tief in den warmen, tröstlichen Kuss. Es war schön zur Abwechslung von seinem eintönigen Leben, eine so attraktive Zerstreuung gefunden zu haben.

Kapitel 3

♪♫ Bed Peace – Jhené Aiko, Childish Gambino

Sonntag, 20. März 2033

Die Sonnenstrahlen schienen auf Sirideans Gesicht und kitzelten ihn sanft wach. Seit die Vorhänge weg waren, fühlte er sich morgens viel fitter. Als würde sich sein Körper der Sonne anpassen und parallel zu dem langsam zunehmenden Licht ebenfalls stetig mehr Energie gewinnen und wacher werden. Bis jetzt hatte er noch keine neuen Vorhänge gekauft, dies konnte er auch zu einem späteren Zeitpunkt noch erledigen. Die letzten Vorhänge hatten dank Pokerface, der regelmäßig seine Krallen daran gewetzt hatte, nicht überlebt.

Ausgeruht drehte er sich zur Seite, gähnte ausgiebig, öffnete die Augen und blinzelte, bis sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten. Als seine Nase anfing zu kitzeln, kniff er die Augen zusammen und nieste zweimal.

Er stand auf, wunderte sich, dass Pokerface nicht wie üblich um seine Beine streifte und suchte nach ihm. Für gewöhnlich verhieß es nichts Gutes, wenn der Kater allzu ruhig war. Dann nämlich hatte er meistens etwas angestellt. Jetzt lag er aber gemütlich ausgestreckt auf dem Fenstersims und schien die wärmenden Sonnenstrahlen zu genießen.

Als das Futter für Pokerface bereitstand, nahm Siridean seine morgendliche Dusche. Er spürte, wie er langsam in Gang kam, und fühlte sich bereit für den anbrechenden Tag. Er rieb seine Haare trocken, schlüpfte in frische Shorts und ein grünes T-Shirt und setzte seine Brille auf.

Das rote Licht am oberen Rand blinkte mehrmals. Er gab den Befehl, die Nachrichten zu öffnen.

Guten Morgen, mein Schatz. Dein Vater liegt mit einer Erkältung im Bett. Kommst du uns stattdessen nächsten Sonntag besuchen?

Siridean besuchte seine Eltern immer gerne und bedauerte, dass es heute nicht klappen würde. Er schrieb eine Nachricht zurück, dass er sich auf einen Besuch kommenden Sonntag freue und seinem Vater gute Besserung wünsche. Nun lag also ein langer, freier Tag vor ihm, ganz ohne Pläne. Was sollte er bloß mit der vielen Zeit anfangen?

Er öffnete die restlichen Nachrichten. Kevin berichtete von seiner neuen Date-Errungenschaft von letzter Nacht und fragte, ob sie nächsten Freitag sein Date und ihre zwei Jahre jüngere Schwester auf einen Drink treffen wollten. Darauf würde er später antworten.

Die nächste Nachricht war von Zoe. Er hatte nicht damit gerechnet, gleich am nächsten Tag etwas von ihr zu hören. Neugierig ließ er die Nachricht öffnen.

Zoe: Hey, Siridean. Unser Date war wirklich schön. Das sollten wir bald wiederholen.

Er erwischte sich dabei, wie seine Mundwinkel sich zu einem breiten Grinsen verzogen. Die Nacht mit ihr hatte auch er sehr genossen. Sie hatte ihn aus seinen Alltagssorgen und Gedanken gezogen und ihm eine sehr angenehme Ablenkung geboten. Er antwortete ihr:

Hi Zoe. Mir geht es ebenso. Wäre schön, wenn wir uns wiedersehen.

Zoe: Wie wäre es heute? :-)

Damit hatte er nicht gerechnet. Ihm war aufgefallen, dass Zoe unverblümt und direkt sein konnte, dass sie aber um ein so baldiges Treffen bat, zeugte wohl von großem Interesse. Eigentlich mochte er Frauen nicht, die zu anhänglich und fordernd waren. Zoe schätzte er jedoch nicht als anhänglich, sondern als eigenständige Frau ein, die einfach heute Lust hatte ihn zu treffen und danach handelte.

Zoe: Hast du was anderes vor?

Er merkte, dass er wieder einmal in Gedanken versunken war. Rasch schrieb er zurück:

Siridean: Heute klingt perfekt. :-) Darf ich dich zum Abendessen ausführen?

Zoe: Mir wäre eher nach einem gemütlichen Filmnachmittag.

Siridean: Klingt gut. Ins Kino?

Zoe: Wie wär’s bei dir zu Hause?

Siridean: Bist du denn bereit, auf eine Raubkatze zu treffen?

Zoe: Meinst du damit dich oder dein Haustier?

Siridean: ;-)

Zoe: Bin in einer Stunde bei dir. :-)