Märchen aus Bosnien -  - E-Book

Märchen aus Bosnien E-Book

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: Der Vampyr. Die drei guten Dinge. Der Dumme und seine Brüder. Die Gaben des Schlangenkaisers. Der Flucher in der Johannisnacht. Die zwei Groschen. Das Füchslein. Die Stieftochter. Die klugen Brüder. Der Zigeuner und die Riesen. Die Bärenprinzessin. Die Pest im Sacke. Die Goldkinder. Die Pferde der Wilen. Der Jüngling und das Mädchen.

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Seitenzahl: 153

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Märchen aus Bosnien

Inhalt:

Geschichte des Märchens

Märchen aus Bosnien

Der Vampyr.

Die drei guten Dinge.

Der Dumme und seine Brüder.

Die Gaben des Schlangenkaisers.

Der Flucher in der Johannisnacht.

Die zwei Groschen.

Das Füchslein.

Die Stieftochter.

Die klugen Brüder.

Der Zigeuner und die Riesen.

Die Bärenprinzessin.

Die Pest im Sacke.

Die Goldkinder.

Die Pferde der Wilen.

Der Jüngling und das Mädchen.

Märchen aus Bosnien

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com

Geschichte des Märchens

Ein Märchenist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchen-forschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).

Märchen aus Bosnien

Vorwort

An Frau Milena Preindlsberger-Mrazović in Sarajevo.

Hochverehrte Frau!

Sie teilten mir Ihren Wunsch mit, daß ich Ihrer Ausgabe der "Bosnischen Volksmärchen" einige Worte der Begleitung auf den Weg mitgeben soll. So schmeichelhaft dieser Wunsch auch ist, ich finde ihn eigentlich überflüssig. Sie sind ja dem deutschen Lesepublikum, soweit es sich um das Land und die Leute, denen Sie Ihre Feder leihen, interessiert, schon längst bekannt. Also einer Empfehlung nach dieser Richtung bedarf es nicht. Das Bändchen Märchen aber, das Sie aus einer großen Zahl des Ihnen zu Gebote stehenden Materials ausgewählt und den vielen Freunden dieser Art Volksliteratur in die Hand geben, sollte, um nach seinem inneren Wert gewürdigt zu werden, einem Fachmanne in der Märchenkunde, wie es deren in jeder Literatur mehrere gibt, vorgelegt werden. Ein solcher – ich nenne beispielsweise meinen Freund, Prof. Polivka in Prag – würde zu jedem der fünfzehn Märchen dieses Büchleins eine Unzahl von Parallelen aus allen möglichen Volksliteraturen zitieren können, um zu zeigen, daß die kleinen Geschöpfe überall in der weiten Welt ihre Verwandten haben und es eigentlich bloß auf einen geringeren oder größeren Grad der Befähigung und Gewandtheit ankommt, wie sie bei einzelnen Völkern in mündlicher Überlieferung leben.

Ich will hoffen, daß es Ihnen bei der Wiedergabe dieser Märchen in deutscher Sprache gelungen ist, die lokale Couleur der bosnischen Erzähler oder Erzählerinnen treu zu bewahren, auf die gerade die Folkloristik den größten Wert legen muß. Denn wer dieses Büchlein nicht bloß als angenehme Lektüre, nicht bloß wegen der vortrefflichen ethnographisch getreuen Illustrationen liebgewinnt, wer es unter einem andern Gesichtspunkt, als einen neuen Beitrag zur Bereicherung unserer Kenntnisse der serbokroatischen Märchen einer vergleichenden Prüfung unterziehen wollte, wird vor allem bestrebt sein, nach dem spezifisch Bosnischen darin zu fragen. In der Tat glaube ich behaupten zu dürfen, daß auch auf dem Gebiet der Märchen sich einige Stoffe ebenso ausscheiden lassen, die den Bekennern des Islams besonders behagen, wie wir betreffs der epischen Volksdichtung jetzt schon sehr gut wissen, daß auf dem gemeinsamen Kanevas der Serben und Kroaten die Bekenner des Islams einen eigenen Inhalt gestickt haben. So vermute ich, daß einige von diesen Märchen (z.B. unter Nummer 3, 4, 13, 14) hauptsächlich in dem Munde der Moslims zirkulieren, während andere einen christlichen Einschlag verraten. Nun sind wir darüber zunächst noch sehr wenig orientiert, weil uns Märchen aus Bosnien und Herzegowina noch nicht in sehr großer Anzahl zugänglich sind. Und auch das schon Gedruckte ist sehr weit zerstreut, zumeist in periodischen Zeitschriften. Es ist außerdem der Umstand in Betracht zu ziehen, daß das vor den letzten Dezennien gesammelte Material fast ausschließlich von den katholischen und orthodoxen Bewohnern des Landes herrührte. Erst in neuerer Zeit sind uns auch die Anhänger Islams zugänglich geworden. Jetzt ließe sich also vielleicht auch auf dem Gebiete der Märchen ebenso ein moslemitischer Typus erkennen, wie er uns in der Epik durch die Publikationen namentlich Konstantin Hörmanns klargelegt worden ist.

Wenn Sie, meine Gnädige, mit diesem Büchlein und weiteren, demselben Gegenstand gewidmeten Sammlungen uns dazu verhelfen, diesen Typus zu erkennen, wird im Bereich der serbokroatischen Folkloristik Ihr Name ebenso mit Anerkennung genannt werden, wie schon jetzt Ihre Verdienste um die Schilderung des geistigen und materiellen Lebens der diese zwei schönen Länder bewohnenden Bevölkerung allgemein anerkannt sind.

Ich verbleibe mit größter Verehrung

Ihr ganz ergebener

V. Jagić.

Abbazia, 15. September 1904.

Die kritisch anregenden Worte des berühmten Slavisten, des Herrn Hofrates Professor Dr. Vatroslav Jagić, dessen offenes Sendschreiben die ersten Seiten dieses Büchleins schmückt, sein Hinweis auf die scharf und bestimmt auftretenden Eigentümlichkeiten des Stoffes und auf den wissenschaftlichen Maßstab, der an derartige Publikationen gelegt wird, eröffneten auch mir neue Gesichtspunkte, und ungesäumt ging ich daran, mein Märchenmaterial, das sich im Laufe der Jahre angehäuft, aufs neue zu sichten. Nochmals prüfte ich die aus allen Teilen des Landes und von individuell sehr verschiedenen Erzählern herrührenden Varianten ein und desselben Themas, summierte sie und verglich sie dann mit dem, was sie in meiner Hand geworden. Und mit dem Forschungseifer kam einen Augenblick lang auch die Versuchung über mich, das, was ich auf den folgenden Blättern in feiertäglichen Stunden niedergeschrieben, wieder zurückzunehmen und meinen ganzen Märchenbesitz unverkürzt herauszugeben in ursprünglicher Lesart und wörtlich genauer Übersetzung, gewissenhaft und peinlich.

Das Gefühl meiner Unzulänglichkeit einer solchen wohldisziplinierten Aufgabe gegenüber, ließ mich diese Idee rasch wieder aufgeben. Was dem großen Gelehrten so naheliegend däucht, mir ist es nicht erreichbar. Indem ich mir dies eingestand, empfand ich es drückend, daß es nunmehr einer Rechtfertigung für das Erscheinen dieses Büchleins bedürfe, und verzagt irrten meine Gedanken umher.

Da traten zwei Freunde bei mir ein. Vollblutgermanen. Sie hatten von Nord nach Süd die dunklen Täler Bosniens durchwandert, hatten auf den lichten herzegowinischen Almen gelagert und die Herrlichkeit des Durmitor geschaut, all dies jetzt, "von einem jungen Mond zum andern". Noch haftete an ihnen der frische Hauch des Hochgebirgs, und auf ihren braunrotgebrannten Gesichtern strahlte die Freude über das Erlebte.

"Erzählet, meine Freunde, erzählet!" Und sie taten es:

*

"Das Feuer erlischt. Das letzte Holzscheit sinkt raschelnd in sich zusammen, und irre Funken tanzen zum Nachthimmel, der sternbesät über den schwarzen Felsenwänden in der Runde ruht. Um die weißgrau und rot verglühenden Aschenreste hocken im Kreise buntgegürtete Männergestalten, die ums Haupt den weißen Turban tragen. Wenn sie den Kopf leicht zueinander wenden, zeichnen sich große, starke Profile vom dunklen Hintergrunde ab, mit flatterndem Schnurrbart und hartem Kinn. Im aufflackernden Scheine des letzten Scheites schimmert aus dem Dunkel drüben unser weißes Zelt.

Das ist die Nacht. Der Gesang der Männer, der eben noch rauh und melancholisch ums Feuer klang, ist verstummt, das Lied von der schönen Hirtin,

Die einen Andern nehmen sollt,

Ihr Vater hat es gewollt. –

es ist zu Ende und verschwebt zu sternbeschienenen Höhen. In starrem Reigen stehen die schwarzen Berge, großmächtig und still. In wilder Pracht liegt schweigend die Natur. Und auch wir Menschlein schweigen ehrfurchtsvoll und ahndevoll. Das Reich der Träume und der Märchen ist gekommen.

Doch hört! Klirrte da nicht ein Stein? – Wechseln die Gemsen oben und senden freundlichen Nachtgruß zutal? – Noch einmal rollt es. Aus finstrer Nacht hallt ein langgezogener Hirtenruf, halb wild halb klagend. Wir antworten und warten. Es ruft zum zweitenmale, näher. Schritte im nahen Geröll, und aus dem Dunkel taucht plötzlich ein weißer Riese auf.

Bist du es, Wujko? Der seine Schafe auf der hellsten Höhe droben weidet? Lockte Dich der Feuerschein? Stieg der Duft des Lammes hinauf zu Dir, das wir am Spieße hatten?

Setze Dich, Wujko! Ein Stück Lende verblieb Dir noch. Und Du, Halil, saumseliger Treiber der Rosse, und Du, Mato, der uns Wasser gebracht, tummelt Euch! Schichtet trockne Stämme und Reiser des Urwaldes und laßt das Nachtfeuer heller lodern.

Sahet Ihr es schon einmal, wie mit blendenden Zähnen und lachendem Munde, schweigend, Wujko das Lendenstück zerreißt?

Das Feuer lodert. Die Flammen steigen. Der rote Schein beleuchtet hoch hinauf das nackte Gefels, und unruhige Schatten flattern durch den nahen Tann.

Höre, Wujko, später Hirte! Sie sagen, Du weißt die besten Märchen im Tal?

Er lächelt nur. Noch einen Trunk Wasser. Enger und enger schließt sich der Kreis und Wujko, tiefsinnig hockend, ins Feuer blickend, rot beschienen, hebt an."

*

Wissen wollt Ihr nun von mir, Ihr Fremdlinge, was Wujko, der Hirte wohl erzählt haben mag? Habt Dank für dies Begehren! Nie spracht Ihr eines aus, das gelegener kam. Weiß ich doch nun, wozu dies Büchlein dienen soll.

Auch ich sah jene Berge, wo die Wässer klarer laufen, wo mit schwerem Flügelschlag der Adler um die roterglühenden Felsen streicht. Wildwässer stürzen zutal, nieder in blumiges Gefild, und ihr Donner erstirbt in Urwaldrauschen. An den Hirtenfeuern saß ich in flimmernden Vollmondnächten, gleichwie an den Herdstellen ärmlicher Hütten in dunklen Schluchten, an deren Wänden der Herbstregen niederprasselte. Stunden- und stundenlang. Und was mir von all dem, was ich damals erlauscht, in Herz und Sinn verblieb, davon sei unseren deutschen Freunden hier einiges wiedererzählt. Vielleicht merkt auch der eine oder andere Kenner mein redlich Bemühen, die Eigenart des Einzelnen im Ganzen wiederzugeben, vielleicht entdeckt er mit verständnisvollem Lächeln die fremdartigen Lichter, die am Leben zu erhalten mir etwa gelungen sein sollte. Im Übrigen will ich schon dankbar und zufrieden sein, wenn von dem besonderen Ton unserer weltfernen bosnischen Berge unterstützt, der alte Zauber wundersamer Märe den unbefangenen, nur lebensuchenden Leser in seinen Bann zieht.

Sarajevo,im Oktober 1904.

Die Verfasserin.

Der Vampyr.

Unter den vielen Armen, die es immer auf der Welt gibt, gab es einmal auch einen Mann und ein Weib, die ganz besonders arm waren, denn sie hatten nicht einmal ein Kind. Gar nichts hatten sie auf der Welt, als eine kleine Hütte, und das ist wahrlich wenig genug. Eines tags sprachen sie miteinander über ihre Armut. Da sagte der Mann: "Wir haben gar niemanden, der uns, wenn wir dahin sind, in sein Gebet einschließen und an unserem Sterbetag für unsere armen Seelen einen Löffel Panahija1 verzehren wird. Und was wird wohl aus uns werden, wenn uns das Alter erreicht, so ohne Verwandtschaft und Schwägerschaft und ohne Nachkommen! Ich will es versuchen in die Welt zu ziehen, um etwas zu erwerben, damit wir in späteren Jahren wenigstens nicht Hungers sterben müssen."

Das Weib war einverstanden, und er zog in die weite Welt. Er durchwanderte viele Dörfer und Städte, fand aber nirgends einen Verdienst. So zog er immer weiter und weiter und kam auch in einen dichten Wald, in dem er die Wegspur verlor und mehrere Tage umherirrte, ohne auch nur auf eine Lichtung gelangen zu können. Er war schon ganz entkräftet und mutlos, als er einem Jäger begegnete, der ihn verwundert fragte: "Mensch, wie kommst du in diese Wildnis?" Der Mann sagte ihm, daß er einen Verdienst suche und sich verirrt habe. "Da ist dir leicht zu helfen," meinte der Jäger; "am Ende dieses Waldes habe ich ein Jägerhaus; in diesem müßtest du wohnen und den Namen jedes Reisenden, der dort vorüber zieht, aufschreiben. Das wäre deine Arbeit." – "Und was wäre mein Lohn, o Herr?" fragte der Arme, "denn du weißt doch, daß für die Nahrung allein nur der Hund dient."

"Du wirst schon zufrieden sein", sagte der Jäger.

Der Arme willigte nun mit Freuden ein, und nachdem der Jäger ihm den richtigen Weg gewiesen, stieß er auch bald auf das Jägerhaus. Er fand darin etwas Maisbrei in einer Holzschüssel, die nie leer wurde, wie oft er auch daraus aß, und ein Buch mit leeren Blättern. Und da er den guten Mönchen des Klosters in seinem Heimatsdorfe die Kunst des Schreibens etwas abgelauscht hatte, so schrieb er fein säuberlich auf die weißen Blätter die Namen aller, die an dem Walde vorbei zogen. Nach einem Jahre war das Buch voll. Jetzt kam auch der Jäger, und da er mit dem Geschriebenen sehr zufrieden war, gab er dem Armen einen Beutel Dukaten und entließ ihn. Wer war nun glücklicher, wer war fröhlicher, als er? In seiner Herzensfreude sagte er dem Jäger, daß er für die empfangene Wohltat ihm alles zu Liebe tun und ihm das Liebste, was er habe, schenken würde. Der Jäger verlangte nun, daß der Arme das, was er soeben gesagt, schriftlich geben möge. Er tat es ohne Arg und zog singend seines Weges.

Zu Hause harrte seiner noch eine Freude: während seiner Abwesenheit hatte sein Weib einen Knaben geboren.

Da sie jetzt auch genug Geld hatten und der Mann es durch seinen Fleiß immer noch vermehrte, so hätten sie sehr glücklich leben können. Der Mann war jedoch immer bekümmert, da er des Versprechens gedachte, das er dem Jäger gegeben, und er fürchtete, daß ihm dieser eines tags sein einziges Kind abfordern werde.

Die Zeit kam und ging, das Kindchen gedieh, und die besorgten Eltern gedachten immer seltener des Jägers und jenes Versprechens. Da geschah etwas Seltsames, Schreckliches. In einer finsteren Nacht, als ein eisiger Nord wehte, heulte plötzlich der Hund laut auf, so, als hätte man ihm etwas zuleide getan. Dann hörte man ein unheimliches Geräusch vor der Haustüre: diese sprang auf, und über die Schwelle wälzte sich ein blutgefüllter Menschenbalg, ein Vampyr.

"Nun mußt du dein Versprechen einlösen", klang es dumpf. Das entsetzte Ehepaar beschwor das Schreckgespenst im Namen Gottes und des heiligen Johannes sich zu entfernen, sprengte Weihwasser aus, und so mußte es zurückweichen. Bevor der Unhold aber die Schwelle verließ, sagte er: "Möge das Kind immerhin noch dableiben; nach fünfundzwanzig Jahren ist es in jedem Falle mein."