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Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: In des Wolfes Bau und Adlers Klau'. Fiddiwau. Des Königs Kapital. Zauberers Töchterlein. Die weiße Taube. Peter Ochs. Die lustigen Weiber. Der Schatz. Einer, der's faustdick hinter dem Ohr hat. Hans und Grethe. Die Träume. Das Siebengestirn. Die Wünsche. Der grüne Ritter. Die Prinzessin im Sarge. Wunder. Ritter Grünhut. Der Waldmensch. Wolf Königssohn. Die Zwillingsbrüder. Meiner Treu. Jungfer Lene von Söndervand. Die Wunschdose. Hans Meernixensohn. Der filzige Lars. Die Rehprinzessin. Prinz Irregang und Jungfer Miseri. Drei rothe Ferkelchen. Die stumme Königin. Die kluge Königin. Für drei Schillinge. Der Schusterjunge. Der Salbyer Rabe. Die folgsamste Frau. Der Lohn guter Thaten. Der treue Svend. Sünde und Gnade. In Hülle und Fülle. Die schwarze Schule. Die kleine Wildente Peter Rothut Klein Mette Die Mühle auf dem Meeresgrund Das Mädchen, das nicht schweigen konnte Das gestohlene Schwein Der faule Lars, der die Prinzessin bekam Der ungehobelte Bauer Der Gang in die Mühle Die klugen Studenten Die Schwalbe.
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Seitenzahl: 748
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Märchen aus Dänemark
Inhalt:
Geschichte des Märchens
Märchen aus Dänemark
In des Wolfes Bau und Adlers Klau'.
Fiddiwau.
Des Königs Kapital.
Zauberers Töchterlein.
Die weiße Taube.
Peter Ochs.
Die lustigen Weiber.
Der Schatz.
Einer, der's faustdick hinter dem Ohr hat.
Hans und Grethe.
Die Träume.
Das Siebengestirn.
Die Wünsche.
Der grüne Ritter.
Die Prinzessin im Sarge.
Wunder.
Ritter Grünhut.
Der Waldmensch.
Wolf Königssohn.
Die Zwillingsbrüder.
Meiner Treu.
Jungfer Lene von Söndervand.
Die Wunschdose.
Hans Meernixensohn.
Der filzige Lars.
Die Rehprinzessin.
Prinz Irregang und Jungfer Miseri.
Drei rothe Ferkelchen.
Die stumme Königin.
Die kluge Königin.
Für drei Schillinge.
Der Schusterjunge.
Der Salbyer Rabe.
Die folgsamste Frau.
Der Lohn guter Thaten.
Der treue Svend.
Sünde und Gnade.
In Hülle und Fülle.
Die schwarze Schule.
Die kleine Wildente
Peter Rothut
Klein Mette
Die Mühle auf dem Meeresgrund
Das Mädchen, das nicht schweigen konnte
Das gestohlene Schwein
Der faule Lars, der die Prinzessin bekam
Der ungehobelte Bauer
Der Gang in die Mühle
Die klugen Studenten
Die Schwalbe.
Märchen aus Dänemark
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
www.jazzybee-verlag.de
Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com
Ein Märchenist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchen-forschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).
Es war einmal ein König und eine Königin, die hatten einen kleinen Sohn. Eines Tages wollten der König und die Königin miteinander ausfahren, aber ihren Sohn nicht mitnehmen. Aber er wollte dennoch mitgenommen werden, darum lief er hinter dem Wagen drein; und da er durch nichts davon abzubringen war, ließ der König halten und sagte zu dem Prinzen, wenn er dieses silberne Messer und diese Gabel, die er ihm jetzt gab, nehmen und zu seiner Amme heimbringen wolle, so dürfte er wiederkommen und mitfahren, sie würden unterdeß auf ihn warten bis er zurückkomme.
Der Prinz nahm das silberne Besteck und lief dem Schlosse zu. Aber, daß ihn der König mit diesem Auftrag ins Schloß schickte, war nur ein Vorwand um ihn los zu bekommen. Als der Knabe ein Stück weit gelaufen war und sich einmal umschaute, sah er, daß der Wagen davonfuhr. Da kehrte der Prinz sogleich um und lief dem Wagen wieder nach, konnte ihn aber nicht erreichen. Als er in einen Wald kam, wollte er ihm deßhalb von einer andern Seite entgegenlaufen, aber er verirrte sich und lief schnurstracks in eine Wolfshöhle hinein. Der Wolf war zwar zu Hause, aber er war gerade nicht hungrig, denn er war soeben mit einer guten Mahlzeit fertig geworden, drum that er dem Knaben nichts zu Leide, sondern begann wie ein Hund mit ihm zu spielen.
Während sie aber so spielend vor der Wolfshöhle herumsprangen, flog ein Adler über ihre Häupter hin, sah den Knaben, senkte sich pfeilgeschwind nieder, ergriff ihn mit seinen Klauen und flog mit ihm davon. Er wollte ihn in sein Nest; das auf einer Insel draußen im Meere lag, schleppen; unterwegs aber wurde ihm der Knabe zu schwer und er ließ ihn fallen. Er fiel ins Meer, und sogleich kam ein Wallfisch daher geschwommen und verschluckte ihn.
Als der Prinz kurze Zeit im Bauche des Wallfisches gelegen hatte, kam es ihm sehr langweilig darin vor. Er zog daher das silberne Messer und die Gabel heraus und fing an, im Bauch herumzuschneiden. Das konnte der Fisch nicht aushalten; er starb und trieb ans Land.
Der Knabe konnte sich doch nicht allein herausfinden. Als es aber im Lande ruchbar wurde, daß ein Wallfisch ans Ufer getrieben sei, kamen viele Leute zum Strande herunter, um ihn zu besehen und anzustaunen. Unter diesen war auch ein Gutsherr mit seinem Sohn, einem Knaben von des Prinzen Alter. Während diese beiden um den Fisch herumgingen und ihn betrachteten, hörten sie etwas in demselben schreien und rufen. Und als sie ihn aufschnitten, kam der Prinz so munter und frisch wieder heraus, als er verschluckt worden war.
Der Gutsherr nahm dann den Prinzen mit sich nach Hause und ließ ihn mit seinem Sohne erziehen. Die beiden Knaben wurden bald gute Freunde, und der Prinz hatte es recht gut in seinem neuen Heim. Da geschah es eines Tages, als die beiden miteinander Ball spielten, daß der Prinz den Ball aus Unvorsichtigkeit so schleuderte, daß er den Sohn des Gutsbesitzers gerade an die Schläfe traf, und zwar so unglücklich, daß der Knabe todt umfiel. Darüber wurde der Gutsherr so zornig, daß er den Prinzen verurtheilte, lebendig zugleich mit dem Todten begraben zu werden, denn er meinte, er könne mit ihm thun, was er wolle, weil er ihn aus dem Wallfisch herausschneiden ließ.
Das war zu der Zeit, als die Leute noch Heiden waren und in großen Hügeln draußen auf dem Feld begraben wurden. Und der lebende Königssohn wurde zugleich mit seinem todten Spielkameraden in einem Hügel beigesetzt, und mit großen, schweren Steinen wurde der Hügel verschlossen. So saß der arme Prinz da unten in finsterer Grabesluft. Plötzlich merkte er etwas Lebendiges, das im Innern des Hügels herumkrabbelte. Er griff nach demselben so gut es in der Dunkelheit ging und fühlte, daß es etwas Haariges war. Er hielt es fest und wurde weiter gezogen und durch die Erde geschleppt. Es war nämlich ein Fuchs, der sich eine Höhle unter dem Hügel gegraben, den der Prinz am Schweif erwischte, und der ihn nun durch einen seiner geheimen Gänge in seinen Fuchsgraben und von da weiter ins Freie hinaus zog; denn er war ganz erschrocken und suchte blos seine Bürde los zu werden.
Als sich der Königssohn wieder unter freiem Himmel befand, machte er sich auf die Beine und schaute, daß er in den Wald kam, denn auf den Gutshof, dessen Herr ihn begraben ließ, durfte er ja um keinen Preis der Welt mehr zurückkommen. Er wanderte nun mehrere Tage durch die dunkelsten Wälder, die er nur finden konnte, bis er von einem Dieb und Räuber angetroffen ward, der hier in den wilden Wäldern hauste. Er nahm den Knaben mit sich in seine Räuberhöhle, gab ihm zu essen und zu trinken, und war überhaupt recht freundlich mit ihm, denn so ein einzeln wild herumstreichender Knabe konnte ihm ja nicht gefährlich sein, sondern im Gegentheil Gesellschaft leisten und ihm nützlich werden.
Der Dieb nahm den Knaben jede Nacht mit sich fort, und der Königssohn mußte sich darein finden, ihm sowohl bei Bauern als bei Herren stehlen zu helfen.
In einer Nacht kamen sie einmal zu einem großen Schlosse und gingen zum Stall hin. Der Dieb sagte zu dem Knaben, daß er dort oben durch ein kleines Stallfenster, das offen stand, hindurchkriechen solle. Ganz vorne im Stall stand ein Grauschimmel mit vier goldenen Hufen, und den wollte der Dieb haben, deßhalb sollte ihn der Knabe losmachen, durch den Stall ziehen, die Thüre sodann von innen öffnen und den Grauschimmel herausführen. Der Dieb selbst wollte außen warten und das Pferd dann in Empfang nehmen.
Der Knabe that wie ihm geheißen: er kroch durch das kleine Fenster und kam glücklich in den Stall, in dem er vorne das Pferd fand und von der Krippe losmachte und mit diesem wieder zurück durch den Stall schleichen wollte. Als aber die goldenen Hufe auf das Steinpflaster klappernd aufschlugen, erwachte zuerst ein Stallknecht und der rief nach den andern, und im Nu kamen alle mit Lichtern in den Stall herunter und ergriffen den Knaben auf frischer That.
Dies wurde dem König gleich am Morgen gemeldet, – denn es war der König, welchem das Pferd gehörte – und er sagte, daß man den Dieb noch am selben Vormittag aufhenken solle. Er wolle dann selbst kommen und zusehen, daß es auch richtig geschehe.
Als der Knabe den Strick schon um den Hals hatte und aufgeknüpft werden sollte, bat er, noch einige Worte reden und seine Geschichte erzählen zu dürfen. Es wurde ihm erlaubt und er sprach:
"Ich war zuerst in des Wolfes Bau,
Und kam alsdann in des Adlers Klau',
Im Wallfischbauch hab' ich zugebracht,
Lebendig lag ich in Grabesnacht,
Dem Räuber diente ich so zum Schluß,
Daß ich mein Leben verlieren muß.
Das Silbermesser mit Gabel doch
Von meinem Vater, das hab' ich noch,
Das ich der Amme einst bringen sollt',
Als er im Wagen davongerollt."
Als der König, der der Hinrichtung zuschauen wollte, dies hörte, sprang er auf und umarmte den kleinen Dieb, welcher gerade aufgehängt hätte werden sollen, denn es war ja niemand anders als sein eigener Sohn.
Und Freude herrschte im ganzen Land
Weil seinen Erben der König fand.
Als Prinz nun reitet er aus dem Schloß
Auf goldbehuftem und stolzem Roß.
Es war einmal ein fauler Mann und eine faule Frau, und die hatten einen Sohn, der ein solcher Faulpelz war, daß er auch nicht die allerkleinste Arbeit verrichten mochte.
Dem Vater und der Mutter war es so wie so recht, ob er nun zu etwas nütze war oder nicht; wenn er nur gut gedieh, denn beide Eltern hielten ganz unbändig viel auf ihren Sohn.
Und er gedieh auch recht gut, er wurde groß und stark und dick und fett, und war allezeit lustig und guter Dinge; aber niemals mochte er etwas Nützliches anfangen.
Als er erwachsen war, besprachen sich seine Eltern, auf was er sich jetzt verlegen und was er werden sollte. Etwas mußte es wohl sein, damit er doch sein tägliches Brod hatte, denn zu Hause ging es nur sehr knapp her. Aber es wäre Sünde und Schande gewesen, von ihm zu verlangen, daß er irgend etwas arbeiten sollte. Dazu hatte er ja nie Lust gehabt, – und nur die Lust fördert das Werk. So wurde denn schließlich bestimmt, daß er hinausziehen und betteln solle. Das war der Lebensweg, der, wie es ihnen schien, am besten paßte für den lieben Jungen.
Er bekam denn eine Tasche über den Rücken, einen Stock in die Hand und so trabte er gemächlich fort. Er ließ sich gute Weile, denn er hatte ja keine Eile, und mit Hast mochte er auch nichts thun, – denn mit Hast wird's zur Last. Als er eine kurze Strecke gegangen war, wurde er hungrig, drum setzte er sich ins Gras nieder und verzehrte, was er von zu Hause mitbekommen; und nachdem er gespeist hatte, wurde er schläfrig und drum legte er sich unter einen Baum, um zu schlafen. Als er wieder erwachte, neigte sich der Tag schon dem Abend zu, und er meinte wohl noch eine kleine Strecke gehen zu können, ehe er irgendwo hineinging, um sich ein Nachtquartier zu erbetteln.
Wie er so den Weg entlang schlenderte, begegnete ihm ein altes Weib. "Guten Abend!" sagte sie, "wo willst du denn hin?" – "Ich will ausziehen und betteln gehn," antwortete er, "und das soll jetzt mein Lebensweg sein, denn zur Arbeit tauge ich nichts. Vor allem muß ich jetzt schauen, daß ich an einen guten Ort komme, wo man für ein gutes Wort ein Nachtlager bekommen kann."
"Ja, so einen Ort kann ich dir schon weisen," sagte das Weib. "Gehe nur in das erste Anwesen linker Hand, zu dem du hinkommst, hinein. Dort wird man dich schon übernachten lassen, wenn du nur genau thust, was ich dir sage. Bevor du zur Thüre hineingehst, hebe einen kleinen Stein auf, der davor liegt, und stecke ihn zu dir. Und wenn du hineinkommst, sage Dank zu allem, was man zu dir sagt, und was es auch sein möge. Und wenn alle andern schlafen, dann lege den kleinen Stein auf den Herd unter die Asche, wo das Feuer gemacht wird."
"Schönsten Dank!" sagte der Bursche und schlenderte langsam weiter, bis er zu dem ersten Anwesen linker Hand kam. Er hob den kleinen Stein, der vor der Thüre lag, auf und ging dann hinein. Er traf drinnen eine Frau, welcher er einen guten Abend wünschte und bat, da über Nacht bleiben zu dürfen. "Nein!" sagte die Frau, "das geht nicht an." – "Schönsten Dank!" erwiderte er. "Ich sage ja, daß es nicht angehen kann," wiederholte die Frau, "wir können keine fremden Leute beherbergen." – "Schönsten Dank!" sagte er abermals und setzte sich auf eine Bank nieder. Da ließ ihn die Frau sitzen, weil sie ihn doch nicht geradezu hinausjagen wollte.
Bald darauf kam der Mann nach Hause. "Wer ist denn das, der dort sitzt?" fragte er. "Ich weiß es wahrhaftiger Gott nicht," antwortete die Frau; "entweder ist er taub, oder er ist ein Tölpel, denn ich habe ihm gesagt, daß er nicht dableiben könne; und trotzdem sagt er in einemfort Dank zu allem." Der Mann sagte nichts dazu, sondern setzte sich an den Tisch; und die Frau ging hin und schöpfte ihm sowohl Suppe als Zuspeise aus dem Topf und stellte es vor ihren Mann hin und sagte zugleich, daß er nun davon essen könne, soviel ihm schmecke, und was übrig bleibe, würde sie dann aufheben. Aber an den fremden Burschen dachte sie nicht und blickte auch gar nicht hin zu ihm.
"Vergelt's Gott, tausend Dank!" sagte der Bursche und rückte zur Schüssel hin und aß tüchtig Suppe und Zuspeise, so daß dem Manne nicht das geringste übrig blieb. Sowohl der Mann als die Frau wunderten sich sehr über diesen Kerl; aber sie sagten nichts.
Dann ging die Frau hin und machte ihrem Mann das Bett und sagte zu ihm, daß er sich jetzt niederlegen könne, wenn er wolle. "Schönsten Dank!" sagte der Gast, warf seine Kleider vom Leibe und sprang ins Bett. Und ehe sich die Leute noch von ihrem Staunen erholt hatten, hörten sie ihn schon süß schlafen. Da konnten sie es doch nicht mehr übers Herz bringen, ihn aufzuwecken und wieder aus dem Bett herauszujagen; und so ließen sie ihn denn liegen und machten es sich auf dem bloßen Fußboden bequem. Als dann alle in festem Schlafe ruhten, schlich sich der Bursche aus dem Bett, ging zum Feuerherd hin und verbarg den kleinen Stein in der Asche; und dann legte er sich wieder schlafen.
Die Leute da im Hause hatten auch eine Tochter, ein großes, hübsches Mädchen, das noch nicht lange erwachsen war; und dieses stand nach dem Brauch des Hauses immer zuerst auf, um das Feuer am Herde anzumachen. Und das sollte sie auch an diesem Morgen thun. Sie nahm den Feuerhaken, stierte die Asche auf und legte neues Brennholz darauf; aber sie konnte es doch nicht zum Brennen bringen; da bückte sie sich nieder um zu blasen, als sie aber den Mund spitzte, fuhr ihr heraus: "Fff ... f ... f ... iddiwau, Fiddiwau, Fiddiwau-wau-wau." Und sie konnte nicht mehr aufhören dieses Wort auszusprechen und brachte auch das Feuer nicht zum Brennen; da fing sie an zu weinen und Fiddiwau zu rufen!
Da erwachte ihre Mutter und fragte, was los sei? – "O, Fiddiwau!" antwortete das Mädchen, "es will nicht – Fiddiwau-wau-wau!" – "Nun, du kannst halt das Feuer nicht zum Brennen bringen," sagte die Mutter; "aber ist denn das auch etwas, um so ein Aufhebens davon zu machen!" Und damit sprang sie vom Boden auf und zum Herd hin, stierte die Asche auseinander und wollte zu blasen anfangen: – "Fiddiwau, Fiddiwau!" sagte sie jetzt ebenfalls und konnte nicht mehr aufhören es zu sagen, und brachte das Feuer nicht zum Brennen.
Da heulte sie mit der Tochter um die Wette, bis der Mann davon aufgeweckt wurde und fragte, ob sie beide verrückt geworden seien, weil sie sich so benähmen. "O Fiddiwau, Fiddiwau!" riefen beide wie aus einem Mund und heulten gerade in die Luft hinaus. Der Mann machte sich auf die Beine und sah, daß sie das Feuer am Herd nicht zum Brennen bringen konnten, und daß es das gewesen sein mußte, womit sie beschäftigt waren. Und da sagte er: "Ja, ja, die Weibsleute haben eben keinen besseren Verstand, drum machen sie wegen gar nichts gleich ein solches Aufhebens." Und dabei hatte er die Feuerzange genommen und störte in der Asche herum und wollte blasen: "Fiddiwau, Fiddiwau, Fiddiwau-wau-wau!" sagte er unaufhörlich wie die andern.
Da beschlossen sie sogleich, daß die Tochter zum Küster laufen solle, damit er komme und Gebete über das Feuer spreche, weil es verhext sein müsse. Das Mädchen lief so sehr es nur konnte gerade aus zum Küster hinein und brachte nur mit genauer Noth hervor, daß sie ihn vom Vater schön grüßen solle – Fiddiwau! – und von der Mutter – Fiddiwau! und daß sie ihn bitten ließen, daß er sogleich kommen und über das Feuer beten möchte – Fiddiwau-wau-wau! Der Küster glaubte, es könne mit dem Mädchen nicht recht richtig sein, aber er ging doch mit; und als er auch die andern sah und hörte, schien es ihm selbst, daß es hier nicht mit rechten Dingen zugehen könne und daß etwas Böses sein Spiel treiben müsse; – und das mußte ausgetrieben werden. Er nahm den Feuerhaken, um ein Kreuz über die Asche zu schlagen, und dann spitzte er den Mund zum Beten. Aber, ob er nun beten oder blasen wollte: – es ging ihm auch nicht besser als den andern, und er konnte nichts anderes sagen als "Fiddiwau, Fiddiwau!" und dabei blieb er auch.
Da mußte das Mädchen noch einmal fort und hinüber zum Herrn Pfarrer, zu dem es ganz athemlos gelaufen kam und sagte, daß der Teufel – Fiddiwau! – zu Hause los sei – Fiddiwau! – und daß er den Küster schon überwunden – Fiddiwau! und den Vater und die Mutter – Fiddiwau! – und der Herr Pfarrer möchte doch kommen, ihnen zu helfen und den Teufel bannen – Fiddiwau-wau-wau!
Der Pfarrer zog rasch seinen Rock an, setzte die Brille auf und nahm das Buch unter den Arm und ging mit dem Mädchen hinüber. Er fand alle um den Herd versammelt, und das war der Herd des Bösen. Das Feuer wollte nicht brennen, und alle riefen wie aus einem Mund: "Fiddiwau-wau-wau!" Der Pfarrer schlug das Buch auf und nahm den Feuerhaken in die Hand und schlug damit in die Asche, und wollte zu lesen anfangen, um das Böse auszutreiben. Aber das erste Wort, das er sagte, war: "Fiddiwau, Fiddiwau, Fiddiwau-wau-wau!"
Jetzt war guter Rath theuer; und der Mann begann stotternd zu beten und versprach demjenigen, der ihm das Böse aus dem Hause schaffen könnte, augenblicklich seine einzige Tochter zu geben und nach seinem Tode auch all' sein Hab und Gut.
Der Gast, der dort im Bett schlief, lag eine Weile da und sah und hörte die ganze Verwirrung und dieses Fiddiwau. Aber es währte geraume Zeit, bis ihm ein Licht aufging, wie das alles zusammenhing. Als er jedoch des Mannes letzte Worte gehört hatte, sprang er aus dem Bett und sagte: "Schönsten Dank!" Dann wühlte er den kleinen Stein aus der Asche heraus und schleuderte ihn zur Thüre hinaus, und darauf nahm er das Mädchen um den Hals und küßte es. Jetzt loderte das Feuer hell empor und alle waren von der Verhexung erlöst und befreit; und darüber waren alle so froh, daß jedes einzelne den Gast küßte; und nun war es an diesen "Schönsten Dank!" zu sagen, und das thaten sie auch. Darauf wurde die Hochzeit abgehalten; und der Pfarrer traute das Paar umsonst und der Küster sang umsonst dazu. Und dann lebten sie froh und glücklich miteinander. Und so hatte es der Faulpelz doch noch zu etwas Rechtem gebracht!
Es waren einmal ein Mann und eine Frau, und die hatten einen Sohn. Sonst hatten sie aber auch nichts; – nicht einmal ihr trockenes Brod. Als der Knabe so groß geworden war, daß die Eltern meinten, er könne sich jetzt selbst erhalten, gaben sie ihm eine Brodrinde, setzten ihn vor die Thüre und sagten, daß er nun in die weite Welt hinaus ziehen müsse, um sein Glück zu versuchen.
Der Knabe zog geradenwegs an den Hof des Königs und ging hinein und fragte, ob er hier keinen Dienst bekommen könnte. Er wollte alles thun, was man von ihm verlangte, wenn es nur eine ehrliche Arbeit wäre, und er verlangte keinen andern Lohn dafür, als nur das Essen. Der König konnte ihn aber zu nichts anderem brauchen, als höchstens zu seinem Laufburschen, der allerlei Gänge zu machen und verschiedenes auszurichten hatte, wenn er einen Auftrag bekam und irgendwo hingeschickt wurde. Der Knabe meinte, daß dies gerade etwas recht Passendes für ihn sei, denn er konnte ja noch keine so schweren Arbeiten wie die Knechte verrichten, aber er war rasch und leicht auf den Füßen und das Herumlaufen freute ihn, weil er sich bei der Gelegenheit gleich ein wenig umschauen konnte. Er wurde hier aufgenommen und bekam viel zu thun, und verrichtete alles, was man ihm auftrug, zur größten Zufriedenheit. Einmal bekam er auch einen sehr wichtigen Auftrag. Der König war nämlich Wittwer und wollte sich wieder verheiraten; und zwar wollte er eine hübsche, steinreiche Königin, die ihm sehr gut gefiel, freien. Aber es war sehr schwer Zugang bei ihr zu finden. Deshalb wurde auch der Bursche mit diesem Auftrag betraut, und er war so glücklich und verrichtete alles wieder so gut, daß er seinem Herrn ein "Ja" bringen konnte, der sich dann mit der reichen und schönen Königin verheiratete. Seit dieser Zeit stieg der Bursche in der Gunst des Königs und bekam sowohl hübsche Kleider, als auch einen guten Lohn.
Darüber ärgerte sich Ritter Roth, der Haushofmeister oder so etwas bei diesem König war, und er dachte nur darauf, wie er den Burschen aus dem Weg räumen könnte, bevor er ihm in den Weg käme. Da erzählte er eines Tags dem König in dieser Absicht, daß sich der Bursche gerühmt habe, jeden Auftrag vollführen zu können, und wenn ihn der König geradeaus in die Hölle schicken wollte, um die Zinsen für sein Kapital, die er schon so lange ausstehen hatte, aber noch nie bekommen konnte, zu holen – er sei Manns genug dazu, um das zu können!
Das hatte der Bursche allerdings nie gesagt, denn er hatte ja noch nicht einmal etwas von den ausstehenden Forderungen gehört, und das sagte er auch dem König, der ihn zu sich rufen ließ. Aber alles half dem Burschen nichts, rein gar nichts! Der König befahl ihm einfach, daß er diesen Auftrag ausführen müsse; und da er einen sehr weiten Weg zu machen hatte, sollte der Laufbursche diesmal reiten, und dazu gab ihm der König einen eigenen Ziegenbock.
Der Laufbursche bekam noch einen Sack mit Lebensmitteln gefüllt, setzte sich dann auf den Geisbock und ritt mit ihm hinaus in die weite Welt, wohin der Bock wollte. – Der Geisbock trug ihn zu einem großen Wald, und als er ein gutes Stück hineingekommen war, wurde er von einem Raben angesprochen, der ihn fragte, wohin er wolle. "Ich muß in die Hölle, Zinsen für meinen König abzuholen," antwortete der Bursche. "Das ist eine weite Reise und noch dazu eine gefährliche," sagte der Rabe wieder; "und wenn du meinem Rath folgen willst, dann grabe hier bei der Wurzel dieses Baumes, auf dem ich sitze, nach und da wirst du ein Schwert finden; und alles, das du mit diesem schlagen wirst, muß in Stücke gehn. Und dann möchte ich dir noch den Rath geben, nie von der geraden Landstraße abzuweichen."
Der Bursche grub bei der Wurzel des Baumes nach und fand wirklich ein Schwert. "Das wird schon das rechte sein," dachte er bei sich und dankte dann dem Raben für seine guten Rathschläge und ritt geradeaus auf der Landstraße weiter. Als er ein gutes Stück weit vorwärts geritten, kam ein altes Weib hinter ihm drein, welches auf einer Ziege saß, und das war des Teufels Großmutter. Sie ritt an seine Seite und fragte ihn, ob er sein "Roß" nicht mit ihr tauschen wollte. "Nein," sagte der Bursche, er wolle das behalten, das er habe und das ihm sein Gebieter zum Reiten gegeben. Dann versuchte sie ihn vom rechten geraden Weg, den er eingeschlagen, wegzulocken und sagte, daß sie einen sehr guten Seitenweg wisse, der noch dazu viel näher wäre. Aber der Bursche sagte, daß er schon lieber auf der geraden Landstraße bleibe. Da bog sie ihren Seitenweg ein und auch der Bursche ritt seiner Wege.
Als er wieder ein Stück weiter vorwärts geritten war, kam er zu einem Hügel, auf dem zwölf Jungfrauen standen und weinten. Der Bursche fragte sie, warum sie so traurig wären? "Ach!" erwiderten sie, "wir müssen wohl jammern und weinen, denn es haust ein schreckliches Ungeheuer in unserer Gegend, und von dem sollen wir alle als Weihnachts-Abendmahl verzehrt werden." Eine von den Jungfrauen hatte eine Hirtenpfeife in der Hand, die nahm ihr der Bursche geschwind weg und fragte, wozu sie gehöre. Da riefen und schrien alle zu gleicher Zeit, daß er ja nicht hineinblasen dürfe, denn sonst käme sogleich das Ungeheuer daher. Aber der Bursche setzte die Pfeife an den Mund und blies hinein, daß sie einen weithin über Berge und Thäler gellenden Ton von sich gab. Und augenblicklich kam das Ungeheuer dahergestürzt und hatte nicht weniger als zwölf Köpfe. Es war scheußlich anzusehen, aber sobald es der Bursche nur berührte mit seinem Schwert, zersprang es wie in tausend Kieselsteine. Damit waren die Jungfrauen gerettet und beeilten sich nun, wieder nach Hause zu kommen, während der Bursche weiter ritt. Da kam des Teufels Großmutter wieder zu ihm und wollte ihn abermals vom geraden Weg ablocken, aber er blieb standhaft auf seiner Straße und wollte nichts wissen von einem Seitenweg; und so mußte des Teufels Großmutter noch einmal unverrichteter Dinge weiter ziehen.
Als er wieder ein gutes Stück weiter geritten war, kam er zu einem andern Hügel, auf dem vierundzwanzig Jungfrauen standen und weinten. Er fragte sie, was ihnen fehle, und sie antworteten, daß ein Ungeheuer in ihrer Gegend hause, das sie alle zum Neujahrs-Abendmahl verzehren werde. Eine von ihnen hatte eine Hirtenpfeife, die riß ihr der Bursche aus der Hand und blies fest hinein, ohne sich darum zu kümmern wie sehr die Jungfrauen auch schrien und ihn baten, es nicht zu thun. Augenblicklich kam das Ungeheuer daher, und das hatte vierundzwanzig Köpfe; aber alle mußten in Stücke zerspringen, sobald sie von dem Schwert nur berührt wurden. So waren auch diese Jungfrauen gerettet und der Bursche ritt weiter. Jetzt kam des Teufels Großmutter zum drittenmal zu ihm auf ihrer Geis geritten und wollte ihn vom geraden Weg abbringen; aber der Bursche blieb fest und befolgte den Rath des Raben, – und sie mußte abermals ihrer Wege ziehen.
Der Bursche ritt geradeaus auf der Landstraße weiter, bis er zu einem dritten Hügel kam, auf welchem sechsunddreißig Jungfrauen standen und jämmerlich weinten. Und zwar deshalb, weil sie von einem schrecklichen Ungeheuer zum heil. Dreikönigs-Nachtmahl verzehrt werden sollten. Eine derselben hatte wieder eine Hirtenpfeife, die riß ihr der Bursche aus der Hand und blies hinein, und das Ungeheuer, das sechsunddreißig Köpfe hatte, kam daher. Aber die flogen alle herunter und das ganze Unthier zersprang in unzählbare Kieselsteine, sobald es der Bursche mit seinem guten Schwert berührte. Auf diese Weise hatte er alle zweiundsiebenzig Jungfrauen vor den drei Ungeheuern mit den zweiundsiebenzig Köpfen errettet und zog dann seiner Wege, wie auch die Jungfrauen die ihrigen.
Jetzt ging es aber rasch vorwärts und es kam ihm auch kein Hinderniß mehr in den Weg, so daß er von nun an unaufgehalten zum Höllenthor kam. Vor demselben lag aber eine entsetzliche Drachenschlange, der man es wohl ansehen konnte, daß nicht gut Kirschen mit ihr zu essen war. Aber der Rabe hatte ihm mehr gesagt, als wir vorher gehört haben und hatte ihm für alles, was vorkommen konnte, Rathschläge gegeben. Er sprach daher sogleich mit der Drachenschlange und grüßte sie von ihrem Bruder im Walde, und sie verstand es, denn das war ja der Rabe; und sie ließ ihn unbeschadet zum Höllenthor hinein.
Als er hineinkam, fuhr sogleich der Teufel auf ihn los und fragte, was er wollte. Der Bursche grüßte ihn vom König und sagte, daß er gekommen sei, um die Zinsen zu holen, welche der Teufel für das Kapital schuldig war und mit deren Bezahlung er schon so lange säumte. Davon wollte der Teufel aber anfangs gar nichts wissen, bis seine Großmutter kam und ihm ins Ohr flüsterte, daß er schauen müsse den Burschen loszubekommen, denn er sei ein sehr gefährlicher Patron, der schon seine drei Söhne, die Ungeheuer mit den zwölf, vierundzwanzig und sechsunddreißig Köpfen umgebracht habe. Es bleibe also nichts andres übrig, als ihm zu geben, was er verlangte.
Da wurde der Teufel sogleich sehr höflich und gab dem Burschen alle die ausständigen Zinsen in einem großen Sack. Als der Bursche wieder zum Höllenthor hinausging und auf seinem Geisbock fortreiten wollte, rief ihn die Drachenschlange zu sich und sagte, daß er sie nehmen und ihr die Haut herunterziehen solle. Das war zwar ein schweres Stück Arbeit, aber mit Geschick und gutem Willen geht ja alles, und so gelang es auch ihm schließlich. Und als er die Drachenhaut ganz heruntergezogen hatte, stand die lieblichste Prinzessin, die je ein Sterblicher gesehen, vor ihm. Diese setzte er dann auf seinen Geisbock hinauf, der jetzt sowohl sie und ihn, als auch den Sack mit den Zinsen tragen mußte; er trabte aber dennoch ganz rasch und munter davon, geradenwegs zurück an den Hof des Königs.
Als sie so eine kurze Strecke weit geritten waren, sagte die Prinzessin, daß er zurückschauen solle. Da sah er, daß der Teufel mit seiner Großmutter, auf einer Ziege reitend, so schnell sie nur konnten, hinter ihnen drein kamen. Diese mußten irgend eine neue List im Schilde führen, die sie ermuthigte dem Burschen nachzueilen, um ihn einzuholen.
Da drehte sich die Prinzessin einmal um und spuckte hinter sich auf den Weg aus, und daraus entstand ein großer See, über den der Teufel sammt seiner Großmutter mit der Ziege nicht kommen konnte; die zwei aus der Hölle legten sich aber nieder und begannen einfach den See auszutrinken, und sie brauchten auch gar nicht allzulange, so hatten sie den See schon ganz ausgetrunken.
Währenddem aber hatten der Bursche und die Prinzessin einen Vorsprung gewonnen. Da sagte die Prinzessin zu ihm, daß er abermals zurückschauen möchte. Und wirklich kamen der Teufel und seine Großmutter auf der Ziege in vollem Galopp hinter ihnen drein geritten. Da warf die Prinzessin eine Glasperle hinter sich, aus der sogleich ein riesiger Glasberg wurde. Nun mußte der Teufel wieder nach Hause, um der Ziege scharfe Schuhe anzuziehen, mit denen sie über den Glasberg kommen konnte.
Das nahm aber viel Zeit in Anspruch und die Flüchtigen gewannen wieder einen bedeutenden Vorsprung. Als aber die Prinzessin den Burschen zum drittenmal bat, zurückzuschauen, war ihnen der Teufel mit seiner Großmutter doch schon wieder auf den Fersen. Da rief die Prinzessin: "Hellicht vorne, stockfinster hinten! Hellicht vorne, stockfinster hinten!" Da entstand eine schreckliche Finsterniß und ein dichter Nebel hinter ihnen, während es vor ihnen hellichter Tag war. Sie ritten nun die gerade Landstraße weiter, bis sie in den Wald hinein und zu der Stelle hinkamen, an welcher damals der Rabe auf dem Baume gesessen und dem Burschen den guten Rath und das gute Schwert gegeben. Und richtig saß der Rabe wieder dort und hieß sie willkommen.
Da sagte denn der Rabe zu dem Burschen: "Jetzt nimm mich, haue mir den Kopf ab und setze ihn mir wieder verkehrt auf." Und als der Bursche gethan, wie ihm befohlen, stand an Stelle des Raben ein wunderschöner junger Prinz vor ihm, und das war der Bruder der Prinzessin, die als Drachenschlange verzaubert gewesen war.
Wohlbehalten kamen dann alle drei zur Nachtzeit am Hof des Königs an. Weil sie aber keine Störung oder Unruhe verursachen wollten, führte der Bursche den Ziegenbock gleich in den Stall, an seinen alten Platz, und geleitete den Prinzen und die Prinzessin in seine Kammer hinauf und gab ihnen sein Bett, um darin zu ruhen, während er sich auf den Boden legte. Und alle drei schliefen süß ein.
In derselben Nacht erwachte die Königin und weckte den König auf und sagte, daß sie geträumt habe, daß sein Laufbursche zurückgekommen sei und ihre zwei Kinder, die ihnen vor vielen Jahren gestohlen wurden, mitgebracht habe. "Ach, das ist ja nur ein Traum," sagte der König, "laß mich schlafen!" Es währte aber nicht lange, da wurde die Königin von demselben Traum aufgeweckt; und als das zum drittenmale geschah, standen beide auf, um vorerst im Stall nach dem Geisbock zu sehen: – und wirklich! da stand er auf seinem alten Platz. Dann gingen sie zur Kammer des Burschen: – da lag er und schlief felsenfest am Boden und dort in seinem Bett lagen die beiden Kinder des Königs, die je wiederzusehen er schon längst die Hoffnung aufgegeben hatte.
Da herrschte eine unbeschreibliche, grenzenlose Freude am Hof des Königs. Der arme Bursche wurde mit der Prinzessin, die er befreit und erlöst, verheiratet und kam mit ihr zu großem Reichthum. Ritter Roth aber wurde zum Lande hinausgejagt und der Prinz half seinem Vater bei der Regierung, bis er selbst das ganze Reich nach dem Tode desselben erbte.
Es war einmal ein Knabe, der auszog, um einen Dienst zu suchen; und als er so wanderte, begegnete er einem Manne, der ihn fragte, wohin er wollte. "Ja," antwortete er, "ich gehe hinaus in die weite Welt, um mir einen Dienst zu suchen." – "Da kannst du ja gleich mit mir gehen und bei mir dienen," sagte der Mann; "ich brauche just einen solchen Knaben, wie du einer bist. Und du sollst auch einen recht guten Lohn bei mir bekommen: das erste Jahr einen Scheffel Geld, und zwei im zweiten, und drei im dritten; denn du mußt mir drei Jahre lang dienen und mir in allem und jedem gehorchen, und wenn es dir auch noch so sonderbar vorkommt. Aber du brauchst dich nie vor den Dingen, die ich dir befehle, zu fürchten, denn es ist nie eine Gefahr dabei, wenn du nur zu folgen verstehst."
Damit war die Sache abgemacht und der Knabe folgte dem Manne, bei dem er sich verdingt hatte, in dessen Wohnung. Und das war eine sonderbare Wohnung, denn er wohnte in einem Hügel mitten im wilden Wald; und der Knabe sah da keinen andern Menschen, als seinen Herrn; und der war ein gewaltiger Zauberer, der eine so große Macht über Menschen und Thiere hatte, daß es ganz entsetzlich war.
Am darauffolgenden Tag sollte der Knabe seinen Dienst antreten. Fürs erste trug ihm der Zauberer auf, alle wilden Thiere des Waldes, die er gebunden hatte, zu füttern. Es waren sowohl Wölfe und Bären als Hirsche und Hasen, die der Zauberer in Herden und Hürden zusammengesammelt und in seinen Stall, der unter der Erde lag und wohl eine Meile lang und breit war, gebracht. Der Knabe verrichtete trotzdem seine Arbeit in einem Tage und der Zauberer lobte ihn und sagte, daß er seine Sache recht brav gemacht habe.
Am nächsten Morgen sagte der Zauberer zu ihm: "Ja, heute brauchen die Thiere nicht gefüttert zu werden, denn sie bekommen nicht alle Tage etwas zu fressen. Jetzt will ich dir erlauben so lange zu spielen, bis sie wieder gefüttert werden müssen." Darauf sagte der Zauberer noch einige Worte zu ihm, die er nicht verstand, und im selben Augenblick war aus dem Knaben ein Hase geworden, der in den Wald hinaussprang.
Da konnte er freilich gut springen, aber das war auch nothwendig, und er mußte genug laufen; denn wer ihn nur immer erblickte, wollte auf ihn schießen, und die Hunde hetzten und setzten ihm bellend nach, sobald sie nur seine Fährte fanden. Jetzt war er ja das einzige Thier im Walde, denn der Zauberer hatte alle anderen unten in seinem Stall eingeschlossen, so daß alle Jäger des ganzen Landes große Lust hatten, dem Hasen einmal einen Treffer auf den Pelz zu geben. Sie hatten aber kein Glück dabei, denn es gab keinen Hund, der ihn einholen, und keinen Schützen, der ihn treffen konnte. Sie schossen immer und alleweil daneben, und der Hase lief und sprang immer weiter fort. Das war zwar ein sehr unruhiges Leben, aber endlich gewöhnte er sich daran, als er merkte, daß keine Gefahr für ihn dabei war; und schließlich machte es ihm sogar Spaß, alle die vielen Jäger sammt ihren Hunden, die so sehr auf ihn versessen waren, zum Narren zu halten.
So ging es ein ganzes Jahr, und als dieses um war, rief ihn der Zauberer heim, denn er stand ja jetzt auch in seiner Macht, wie alle anderen Thiere. Dann sagte der Zauberer abermals einige Worte zu ihm, die er nicht verstand, und augenblicklich war aus dem Hasen wieder ein Mensch geworden. "Nun, wie gefällt dir dein Dienst bei mir?" fragte der Zauberer, "und wie gefällt es dir, ein Hase zu sein?" – "Oh, es gefällt mir recht gut," erwiderte der Knabe, "nie konnte ich früher so schnell über Grund und Boden dahin laufen." Darauf zeigte ihm der Zauberer den Scheffel Geld, den er schon verdient hatte, und der Knabe war es wohl zufrieden, ihm auch das nächste Jahr zu dienen.
Am ersten Tag des neuen Dienstjahres hatte er dieselbe Arbeit zu verrichten, wie im vorigen Jahr: er mußte wieder alle Thiere im Stalle des Zauberers füttern. Und als er das gethan, sagte der Zauberer abermals einige Worte zu ihm, und da flog er als Rabe verwandelt hoch in die Luft empor. Das gefiel dem Knaben recht gut, denn jetzt konnte er ja noch viel schneller weiter kommen, als da er als Hase herumlief, und hier konnten ihn auch keine Hunde hetzen, so daß er rein zum Vergnügen herumfliegen konnte. Aber gar bald merkte er, daß er auch hier keinen Frieden hatte, wenn auch keine Gefahr für ihn vorhanden war; denn alle Schützen und Jäger, die ihn erblickten, nahmen ihn auf's Korn und knallten los, denn es war weit und breit kein anderer Vogel als der Rabe zu sehen, weil der Zauberer alle eingefangen hatte.
Aber er gewöhnte sich auch daran, als er merkte, daß ihn niemand treffen konnte; und so flog er das ganze Jahr herum, bis ihn der Zauberer wieder heim rief und dann einige Worte zu ihm sagte, die ihm seine menschliche Gestalt zurückgaben. "Nun, wie gefiel es dir, als Rabe herumzufliegen?" fragte ihn der Zauberer. "Oh, es gefiel mir recht gut, denn alle meine Lebtage konnte ich früher nicht so hoch in die Luft hinaufkommen." Darauf zeigte ihm der Zauberer die zwei Scheffel Geld, die er sich in diesem Jahre verdient hatte und die an der Seite des einen Scheffels vom vorigen Jahr standen. Und der Knabe blieb gerne noch das dritte Jahr in des Zauberers Diensten.
Am nächsten Tag bekam der Knabe seine alte Arbeit: nämlich alle wilden Thiere zu füttern. Und als es geschehen war, sagte der Zauberer wieder einige Worte zu ihm, und aus dem Knaben war dabei ein Fisch geworden, der hinaus in den Waldbach sprang. Er schwamm darin auf und nieder und es unterhielt ihn ausgezeichnet, sich so mit dem Strome treiben zu lassen; und schließlich schwamm er bis ins Meer hinaus, und da schwamm er immer weiter und weiter, bis er einmal zu einem gläsernen Schloß kam, das auf dem Grunde des Meeres stand. Er konnte in alle Zimmer und Säle hineinschauen, und da sah es prächtig darin aus: alles Hausgeräthe war aus weißem Wallfischbein gemacht und mit Gold und Perlen eingelegt und mit den weichsten Kissen in allen Regenbogenfarben gepolstert, und ringsum lagen Teppiche, die wie das feinste Moos aussahen; und auch Blumen und Bäume waren da mit wunderlich gekrümmten Zweigen und Aesten, die sowohl grün und gelb, als roth und weiß waren. Und kleine Springbrunnen quellten aus den kunstreichsten Schneckenhäusern empor und ließen ihr Wasser in klare Muschelschalen niederfallen und machten damit die lieblichste Musik, die das ganze Schloß erfüllte. Aber das allerschönste von allem war doch ein kleines junges Mädchen, das da ganz allein herumging. Das Mädchen ging von einem Zimmer ins andere, aber man konnte nichts davon sehen, daß es auch eine Freude an all' der Pracht, die es umgab, gehabt hätte. Es ging so traurig in seiner Einsamkeit umher, und es fiel ihm nicht einmal ein, sich in den blanken Glaswänden, die sich ringsumher befanden, zu spiegeln, wiewohl es doch das Schönste und Niedlichste war, das man nur sehen konnte. Und dasselbe meinte auch der Knabe, während er rund um das Schloß herumschwamm und von allen Seiten hineinguckte.
"Da möchte ich doch zehnmal lieber ein Mensch sein, als so ein armer, stummer Fisch, wie ich jetzt einer sein muß," sagte der Knabe zu sich selbst. "Wer nur darauf kommen könnte, was für Worte der Zauberer immer spricht, wenn er mich verwandelt." Er schwamm und grübelte und dachte nach, bis es ihm endlich einfiel, wie die Formel lautete, die der Zauberer sprach. Und da probirte er es sogleich, sie vor sich hin zu sagen: – und im selben Augenblick stand er auch schon als Mensch unten auf dem Grunde des Meeres.
Da beeilte er sich in das gläserne Schloß hinein zu kommen und ging zu dem jungen Mädchen hin und sprach es an, das darüber beinahe auf den Tod erschrak. Aber er redete dem Mädchen so freundlich zu und erklärte ihr, wie er da herunter gekommen, so daß es sich bald wieder von seinem Schrecken erholte und dann recht froh war über die Gesellschaft, die es in seiner greulichen Einsamkeit, in der es seine Tage verbringen mußte, gefunden. Die Zeit verging nun den beiden so rasch, daß der Bursche, – denn jetzt war er ja schon ein vollkommener Bursche geworden und längst kein Knabe mehr – ganz und gar vergaß, wie lange er da gewesen war.
Eines Tages sagte das Mädchen zu ihm, daß es nun an der Zeit sei, daß er sich wieder in einen Fisch verwandle, denn der Zauberer werde ihn jetzt bald heimrufen und er müsse dann fort. Aber noch vorher müsse er seine Fischgestalt haben, sonst könne er nicht lebend durchs Meer kommen. Jedoch schon früher, als er so da unten war, hatte es ihm gesagt, daß es eine Tochter desselben Zauberers sei, bei dem der Bursche diente, und der hatte sie hier unten eingeschlossen, damit er ruhig sein konnte, daß sie hier vollkommen sicher wäre. Des Zauberers Tochter hatte nun einen Rath ausfindig gemacht, wie sie es vielleicht ermöglichen könnten, sich wiederzusehen und sich dann zu bekommen und die Erlaubniß zu erhalten, bei einander bleiben zu dürfen. Aber dazu waren viele Dinge zu beobachten, und er mußte sehr genau Acht auf alles geben, was sie ihm sagte.
Sie erzählte ihm, daß alle Könige in den Ländern rings umher dem Zauberer, ihrem Vater Geld schuldig seien; und der König in jenem Königreiche, dessen Namen sie ihm jetzt nannte, komme zunächst an die Reihe, seine Schuld bezahlen zu müssen; und konnte er zur rechten Zeit nicht bezahlen, so sollte er enthauptet werden. "Und er kann nicht bezahlen," sagte sie, "das weiß ich ganz bestimmt." – "Nun mußt du vor allem deinen Dienst bei meinem Vater kündigen, denn jetzt sind die ausbedungenen drei Jahre um und du kannst wieder weiter ziehen. Drum nimm deine sechs Scheffel Geld und wandere in das Königreich, das ich dir vorher bezeichnete, und tritt bei dem König desselben in Dienste. Wenn es nun gegen die Zeit geht, da, wie ich dir gesagt habe, die Schuld fällig ist, dann wirst du leicht bemerken, daß der König schlecht aufgelegt sein wird. Da mußt du ihm sagen, daß du wohl wüßtest, was ihn bedrücke, und daß es das Geld sei, das er dem Zauberer schulde, aber nicht bezahlen könne – denn ich weiß, daß er es nicht hat –. Aber du kannst es ihm leihen, denn es sind gerade sechs Scheffel, die du ja hast. Du darfst ihm jedoch das Geld nur unter der Bedingung leihen, daß er dich mitnimmt, wenn er zu meinem Vater geht, um zu bezahlen, und dir erlaubt, als Hofnarr vorauszulaufen. Kommst du dann zu dem Zauberer, so mußt du allerlei Narrenstreiche vollführen und schauen, daß du ihm eine Anzahl Fenster einschlagen kannst, wie überhaupt alle möglichen und erdenklichen Unglücke dieser Art anrichten. Darüber wird mein Vater schrecklich zornig werden; und weil der König verantworten muß, was sein Narr thut, so wird er ihn, trotzdem er seine Schuld bezahlt hat, verurtheilen, entweder drei Fragen richtig zu beantworten oder das Leben verlieren zu müssen. Die erste Frage, die mein Vater stellen wird, wird lauten: "Wo ist meine Tochter?" Da mußt du vortreten und sagen: "Sie ist auf des Meeres Grund." Dann wird er dich fragen, ob du sie erkennen kannst, und darauf mußt du "Ja" antworten. Da wird er mit einer Menge Frauenzimmern hervorkommen und diese an dir vorbeiführen, damit du dir die aussuchen kannst, welche du für seine Tochter hältst. Aber du wirst mich auf keinen Fall erkennen können und deshalb werde ich dich, wenn ich an dir vorbeigehe, so zupfen, daß du es spüren kannst, und da mußt du mich augenblicklich packen und festhalten. Und damit hast du die erste Frage gelöst. Seine nächste Frage wird lauten: "Wo ist mein Herz?" Und da mußt du wieder vortreten und sagen: "Es ist in einem Fisch." – "Kennst du diesen Fisch?" wird er dann fragen, und du mußt abermals "Ja" darauf antworten. Da wird er alle Arten von Fischen herkommen lassen und du mußt dann unter ihnen den rechten auswählen. Aber da werde ich schon Obacht geben, daß ich mich an deiner Seite aufhalten kann, und wenn der rechte Fisch kommt, werde ich dir einen schwachen Puff geben und da mußt du ihn schnell ergreifen und dich beeilen ihn aufzuschneiden. Dann ist es aus mit dem Zauberer und er wird keine weiteren Fragen mehr stellen."
Als der Bursche diesen guten Rath und Bescheid, was er alles zu thun, wenn er wieder auf festes Land komme, vernommen hatte, galt es nur noch sich zu erinnern, was es war, was der Zauberer immer sagte, wenn er ihn aus einem Menschen in ein Thier verwandelte. Aber das hatte er vergessen und des Zauberers Töchterlein wußte es auch nicht. Er ging den ganzen Tag wie verzweifelt herum und dachte und dachte, und sann und grübelte; – aber es fiel ihm doch nicht ein, wie die Formel lautete. Er konnte die ganze Nacht nicht schlafen und erst gegen die Morgenstunde fiel er in einen leisen Schlummer und da ging ihm plötzlich ein Licht auf und es fiel ihm ein, wie der Zauberer zu sagen pflegte. Er sagte es so schnell als möglich nach und augenblicklich war er wieder ein Fisch und huschte ins Meer hinaus. Gleich darauf wurde ihm gerufen und er schwamm im Nu durchs Meer und hinein in den Waldbach, an dessen Ufer der Zauberer stand und dieselben Worte wie sonst sprach und ihn wieder in einen Menschen verwandelte.
"Nun, wie gefiel es dir als Fisch herumzuschwimmen?" fragte der Zauberer. "Ja, das hat mir noch am allerbesten gefallen," antwortete der Bursche, und das war gewiß keine Lüge, wie jeder wissen kann. Darauf zeigte ihm der Zauberer die drei Scheffel Geld, die er sich im letzten Jahre verdient hatte und die neben den andern dreien standen, – und alle sechs gehörten jetzt ihm. "So wirst du mir wohl noch ein Jahr dienen wollen?" fragte ihn der Zauberer, "und dann bekommst du dafür sechs Scheffel, macht zusammen zwölf, und das ist gewiß ein schöner Lohn." – "Nein," erwiderte der Bursche, jetzt habe er genug und danke dem Himmel, daß diese Zeit um wäre, denn er sehne sich jetzt auch wo anders zu dienen und andere Leute und andere Bräuche zu sehen. Aber später wolle er vielleicht wieder einmal zu ihm zurückkommen. "Ja," sagte der Zauberer, "dann wirst du mir jederzeit willkommen sein." Der Bursche hatte ihm, wie sie miteinander ausgemacht hatten, durch drei Jahre treu gedient, sodaß er nichts dagegen einwenden konnte, daß der Bursche weiterziehen wollte.
Er bekam jetzt seine sechs Scheffel Geld und machte sich auf den Weg geradeaus in das Königreich, das ihm seine Liebste damals genannt hatte. Er vergrub sein Geld auf einem heimlichen Orte in der Nähe des königlichen Hofes, und ging dann ins Schloß und bat, daß man ihn hier in Dienst nehme. Das geschah auch und er wurde da Stallknecht und mußte die Pferde des Königs warten und pflegen. So verging eine kurze Zeit und er richtete ein scharfes Augenmerk darauf, wie sich der König härmte und niemals ruhig oder fröhlich gewesen. So kam er eines Tages wieder in den Stall hinunter und da war niemand anderes zur Stelle als unser Stallknecht, der jetzt geradeheraus zum König sagte, daß er mit "Seiner Majestät allergnädigster Erlaubniß" ihn fragen wollte, warum er denn immer gar so traurig sei und sich so abhärme. "Was hilft es darüber zu sprechen," entgegnete der König, "du kannst mir ja doch nicht helfen." – "Ja, das könne Seine Majestät doch nicht wissen," sagte der Knecht darauf, "denn ich weiß es ja doch ganz genau, was dem König so schwer auf dem Herzen liegt; und ich weiß sogar Rath, wie das Geld bezahlt werden kann." Ja, das war eine andere Sache und der König ließ sich weiter in ein Gespräch mit diesem Stallknecht ein, der sagte, daß er ihm die sechs Scheffel Geld wohl leihen könnte, es aber nur unter der Bedingung thue, daß er ihn mitnehme und ihn als Hofnarren gekleidet vorauslaufen lasse, wenn er zu dem Zauberer reise, um seine Schuld zu bezahlen. Er wolle zwar einige Tollheiten begehen, für die der König strenge zur Rechenschaft gezogen würde, aber er werde schon selbst alles so verantworten, daß dem Könige nicht das geringste Leid zugefügt werden könnte. Der König ging mit Freuden auf alles ein, was sein Stallknecht verlangte; und es war jetzt auch schon die höchste Zeit, daß sie sich auf die Strümpfe machten.
Als sie endlich zur Wohnung des Zauberers kamen, befand sich diese nicht innerhalb des Hügels, sondern oben auf demselben stand ein großes Schloß, das der Bursche früher noch nie gesehen hatte – denn der Zauberer konnte es ja ganz nach seinem Belieben sichtbar oder unsichtbar machen. Und nach allem, was der Bursche von des Zauberers Künsten schon kannte, wunderte er sich auch gar nicht darüber. Als sie ganz in die Nähe des Schlosses kamen, das aussah, als wäre es nur aus reinstem Glas, da lief der Bursche voraus als der Hofnarr des Königs Er sprang vorwärts und rückwärts und stand bald auf dem Kopf, bald auf den Beinen und schlug dabei so viele große Glasscheiben und Glasthüren des Zauberers zusammen, daß es ganz entsetzlich war, und warf um was er nur irgend konnte, und richtete eine gefährliche Zerstörung an.
Der Zauberer stürzte ganz wüthend vor Zorn heraus und schimpfte den König wie einen alten Schuhlappen herunter, weil er einen solchen unbändigen Narren mit sich führte, und sagte: daß ihm der König nicht den geringsten Schaden, den ihm der Narr zugefügt hatte, ersetzen könnte, nachdem er nicht einmal im Stande sei, seine alte Schuld auszugleichen. Aber da ergriff der Hofnarr das Wort und sagte: "O ja, er ist es schon im Stande!" Und der König rückte mit den sechs Scheffeln Geld heraus, die ihm der Bursche geliehen hatte. Die wurden dann abgemessen, und alles stimmte genau. Darauf hatte der Zauberer freilich nicht gerechnet, aber er konnte nichts dagegen einwenden. Die alte Schuld war also richtig bei Heller und Pfennig bezahlt und der König erhielt seine Schuldverschreibung wieder zurück. Aber damit war der Schaden, der dem Zauberer heute zugefügt worden, noch nicht ersetzt und der König hatte auch nichts, um ihn zu bezahlen. Da sprach der Zauberer das Urtheil über ihn aus, daß er entweder drei Fragen, die er ihm aufgeben werde, richtig beantworten müsse, oder doch enthauptet werden solle, wie es im Contract der alten Schuld stand.
Da blieb nichts anderes übrig, als zu versuchen, des Zauberers Räthsel aufzulösen. Der Narr stellte sich knapp an die Seite des Königs, während der Zauberer mit seinen Fragen herausrückte. Und zuerst fragte er: "Wo ist meine Tochter?" Da ergriff der Narr das Wort und sagte: "Sie ist unten auf des Meeres Grund." – "Woher weißt du das?" fragte darauf der Zauberer. "Das hat der kleine Fisch gesehen," antwortete der Narr. "Würdest du sie erkennen?" fragte der Zauberer weiter. "O ja, komme nur her mit ihr," erwiderte der Hofnarr. Da ließ der Zauberer eine ganze Reihe von Mädchen an ihm vorbeigehen, eins hinter dem andern; aber das waren nichts als Schatten, Schein und Blendwerk. Beinahe zu allerletzt kam wirklich des Zauberers Töchterlein. Das zupfte den Narren im Vorbeigehen, daß er es spüren konnte, denn es zwickte ihn so in den Arm, daß er beinahe laut aufgeschrien hätte. Aber er that es doch lieber nicht, sondern faßte sie rasch um den Leib und hielt sie fest. Jetzt sah der Bursche schon selbst, daß er das rechte Mädchen getroffen, und der Zauberer mußte zugestehen, daß sein erstes Räthsel gelöst war.
Jetzt fragte er weiter: "Aber wo ist mein Herz?" – "Das ist in einem Fisch," antwortete der Hofnarr. "Kennst du diesen Fisch auch?" fragte der Zauberer. "Ja, lasse ihn nur herkommen!" war die Antwort des Narren. Da kamen alle Fische vorbeigeschwommen, und währenddem stand seine Liebste, des Zauberers Töchterlein an seiner Seite. Als ganz zuletzt der Rechte kam, gab sie ihm einen leisen Puff und er ergriff so rasch als möglich den Fisch, stieß ihm das Messer in den Leib, schlitzte ihn auf, riß ihm das Herz heraus und schnitt dieses mitten entzwei.
Da fiel im selben Augenblick der böse Zauberer todt um und in lauter Kieselsteine auseinander. Und alle Fesseln, die der Zauberer gelegt hatte, sprangen zu gleicher Zeit; und alle die wilden Thiere und Vögel, die er zusammengefangen und unter der Erde eingeschlossen hielt, kamen jetzt hervor und zerstreuten sich im Walde und in der Luft. Und der Bursche ging mit seiner Liebsten in das Schloß, das nun ihnen gehörte, und da hielten sie ihre Hochzeit, und alle Könige, die ringsumher regierten und sämmtlich Schuldner des Zauberers, jetzt aber von allen Schulden befreit waren, kamen zur Hochzeitsfeier und erwählten den Burschen zu ihrem Kaiser, und er regierte sie in Frieden miteinander und lebte mit seiner schönen Frau Kaiserin in Herrlichkeit und Freuden auf seinem Schlosse. Und wenn sie seitdem noch nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.
Es war einmal ein König und der hatte zwei Söhne. Das waren ein paar recht verwegene Burschen, denen alle Augenblicke eine andere Tollheit im Kopfe steckte. So ruderten sie eines Tags in einem kleinen Nachen allein ins weite Meer hinaus. Anfangs hatten sie das schönste Wetter, als sie hinausruderten; kaum waren sie aber eine Strecke weit vom Land entfernt, erhob sich ein furchtbarer Sturm. Die Ruder wurden ihnen gleich weggerissen und das kleine Boot schaukelte wie ein Nußschälchen auf den wilden Wogen auf und nieder, und wurde so hin- und hergeschleudert, daß die Prinzen nichts anderes thun konnten, als sich so fest als möglich an den Ruderbänken anzuhalten, um nicht über Bord geworfen zu werden.