Märchen aus Lappland -  - E-Book

Märchen aus Lappland E-Book

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: Der Fuchs und der Bär. Der Fuchs und der Bär. Die wilden und die gezähmten Thiere. Der Lachs und der Rothfisch. Die Heuschrecke und die Mücke. Attjis-ene. Attjis-ene und Njavvis-ene. Meerleute. Das Ulta-Mädchen. Das Mädchen aus dem Meere. "Rauga" oder das Gespenst. Das Meerweib. Der Saivo-Fisch. Kadnihak. Der Riese und die zwei Lappenkinder. Die Hexe und Jes. Gufitarak. Die Gufitarak-Mädchen. Baednag-njudne. Der Riese, dessen Leben in einem Hühnerei verborgen war. Der Riese und der kleine Junge. Der Riese und sein Knecht. Der Riese, die Katze und der Junge. Aschenputtel, Riese und Teufel. Vitra und die Pfarrersfrau. Das vertauschte Kind. Der entführte Knecht. Das Geschenk des Trolls. Der betrogene Riese. Stalo und Patto-Poadnje. Stalo und der Fischerlappe. Patto-Poadnje rächt sich an Stalo. Das Stalomädchen. Stalo und die Lappenbrüder Sodno. Der genarrte Stalo. Andras Bäive. Der furchtsame Stalo. Die Stalo-Braut. Stalo-Hochzeit. Stalo beim Biberfang. Zwei Lappenmädchen vermählen sich mit Stalo's. Das Stalo-Thal. Stalo und der reiche Paal. Vuolab. Sagen aus Jokonga in Russisch-Lappland. Sagen von karelischen Räuberhorden. Der Familienname Tschudda. Der Lappenkönig und die russischen Tschuden. Anika. Peter Beive. Der Knabe, die Meerfrau und Ritter Roth. Das alte Weib und der Teufel. Der Bauerssohn, der Königssohn und die Schwester der Sonne. Die Tochter des Beivekönigs. Der arme Bursch, der Teufel und die goldene Burg. Der Bursch, der beim König diente.

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Seitenzahl: 294

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Märchen aus Lappland

Inhalt:

Geschichte des Märchens

Märchen aus Lappland

Der Fuchs und der Bär.

Der Fuchs und der Bär.

Die wilden und die gezähmten Thiere.

Der Lachs und der Rothfisch.

Die Heuschrecke und die Mücke.

Attjis-ene.

Attjis-ene und Njavvis-ene.

Meerleute.

Das Ulta-Mädchen.

Das Mädchen aus dem Meere.

"Rauga" oder das Gespenst.

Das Meerweib.

Der Saivo-Fisch.

Kadnihak.

Der Riese und die zwei Lappenkinder.

Die Hexe und Jes.

Gufitarak.

Die Gufitarak-Mädchen.

Baednag-njudne.

Der Riese, dessen Leben in einem Hühnerei verborgen war.

Der Riese und der kleine Junge.

Der Riese und sein Knecht.

Der Riese, die Katze und der Junge.

Aschenputtel, Riese und Teufel.

Vitra und die Pfarrersfrau.

Das vertauschte Kind.

Der entführte Knecht.

Das Geschenk des Trolls.

Der betrogene Riese.

Stalo und Patto-Poadnje.

Stalo und der Fischerlappe.

Patto-Poadnje rächt sich an Stalo.

Das Stalomädchen.

Stalo und die Lappenbrüder Sodno.

Der genarrte Stalo.

Andras Bäive.

Der furchtsame Stalo.

Die Stalo-Braut.

Stalo-Hochzeit.

Stalo beim Biberfang.

Zwei Lappenmädchen vermählen sich mit Stalo's.

Das Stalo-Thal.

Stalo und der reiche Paal.

Vuolab.

Sagen aus Jokonga in Russisch-Lappland.

Sagen von karelischen Räuberhorden.

Der Familienname Tschudda.

Der Lappenkönig und die russischen Tschuden.

Anika.

Peter Beive.

Der Knabe, die Meerfrau und Ritter Roth.

Das alte Weib und der Teufel.

Der Bauerssohn, der Königssohn und die Schwester der Sonne.

Die Tochter des Beivekönigs.

Der arme Bursch, der Teufel und die goldene Burg.

Der Bursch, der beim König diente.

Iwan, Kupiska's1 Sohn.

Der Riese und der kleine Junge.

Der Riese und sein Knecht.

Märchen aus Lappland

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com

Geschichte des Märchens

Ein Märchenist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchen-forschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).

Märchen aus Lappland

Der Fuchs und der Bär.

Ein Fuchs war einmal auf der Wanderung und kam zu einem Wege, wo kurz zuvor ein Berglappe mit einer Raide (einer Reihe hintereinander festgebundener Schlitten) gefahren war. Er setzte sich an den Rand des Weges und sprach zu sich selbst:

"Wie wär's, wenn ich mich todt stellte? Was würde wohl daraus, wenn ich mich todt anstellte und hier auf dem Wege so lange liegen bliebe, bis die nächste Berglappenraide vorüberkommt?" Gesagt, gethan; der Fuchs legte sich auf den Weg, streckte die Beine aus und lag nun da, ganz so als ob er todt und steif wäre.

Es dauerte auch nicht lange, so kam wieder ein Berglappe mit seiner Raide gefahren. Da dieser einen todten Fuchs auf dem Wege liegen sah, warf er ihn ohne Zaudern auf einen Kerris (Renthierschlitten) und schob ihn unter die Stricke, womit die Ladung festgebunden war. Der Fuchs rührte sich nicht und der Lappe fuhr weiter; es dauerte aber nicht lange, so fiel der Fuchs von dem Schlitten herab und der Lappe, der ihn für mausetodt hielt, schmiß ihn auf einen andern Schlitten. Indeß auch von diesem purzelte der Fuchs herab, weshalb der Lappe ihn endlich auf den hintersten Kerris warf, dessen Ladung aus Fischen bestand. Nun war der Fuchs gekommen, wohin er wollte, und fing alsbald an, wieder aufzuleben. Demnächst schob er sich ein wenig vorwärts und biß den Zugstrang durch, daher der Schlitten mitten auf dem Wege stehen blieb.

Da es eine sehr lange Raide war, merkte der Lappe anfangs keinen Unrath; nachdem er aber eine gute Strecke gefahren, fing es heftig zu schneien an und nun erst blickte er auf die Raide zurück und sah den hintersten Kerris verschwunden. Er spannte daher ein Renthier ab und machte sich mit demselben auf den Weg, um den zurückgebliebenen Schlitten aufzusuchen; allein dieser war nicht mehr sichtbar und bei dem heftigen Schneefalle keine Möglichkeit, ihn wiederzufinden.

Der Fuchs hatte sich inzwischen mit einem Fische davongemacht und unterwegs einen Bären angetroffen. Als nun dieser bemerkte, daß der Fuchs einen Fisch trug, so fragte er ihn:

"Wo hast du den Fisch her, Fuchs?"

"Ja", sagte dieser, "ich habe meinen Schwanz in einen Brunnen gesteckt, an dem richtige Leute (im Gegensatze zu den Unterirdischen) wohnen und der Fisch hat sich daran festgehängt".

"Kannst du mir nicht rathen, wie ich die Fische dazu bringe, sich auch an meinen Schwanz zu hängen?" fragte der Bär weiter.

"Du erträgst das nicht, was ich ertragen habe", meinte der Fuchs.

"Oho!" brummte der Bär, "sollte ich das nicht ertragen können, was du, alter Bursche?"

"Nun gut, Großväterchen", erwiderte der Fuchs, "dann kannst du es versuchen und deinen Schwanz in richtiger Leute Brunnen tauchen; ich will dir den Weg weisen."

Er führte ihn also zu einem Brunnen hin und sprach:

"Schau, hier ist der Brunnen, wo ich meinen Fisch fing."

Da steckte der Bär seinen Schwanz ins Wasser und der Fuchs spazierte inzwischen eine Zeit lang dort in der Nähe umher, damit der Schwanz des Bären in dem Eise gehörig festfrieren könne. Als er dann dafür hielt, daß dies geschehen sein müsse, fieng er an laut zu rufen:

"Kommet herbei, ihr braven Leute, mit Bogen und Spießen, hier sitzt ein Bär und macht in euren Brunnen!"

Da kamen die Leute mit Bogen und Spießen herbeigelaufen und stürzten auf den Bären los; dieser aber fuhr empor und riß in der Hast seinen Schwanz glatt ab, während der Fuchs nach dem Walde lief und sich unter einer Föhrenwurzel verkroch. Dort sprach er zu seinem Fuße also:

"Was willst du thun, lieber Fuß, wenn ich verrathen werde?"

"Ich will hurtig springen!"

"Was willst du thun, liebes Ohr, wenn ich verrathen werde?"

"Ich will genau aufhorchen!"

"Was willst du thun, liebe Nase, wenn ich verrathen werde?"

"Ich will weithin wittern!"

"Was willst du thun, lieber Schwanz, wenn ich verrathen werde?"

"Ich will den Curs steuern; lauf zu! lauf zu!"

Er war aber noch nicht fort, als der Bär bereits anlangte und an der Föhrenwurzel zu reißen und zu zerren anfing. Endlich erwischte er den Schwanz des Fuchses, zog ihn daran hervor und warf ihn sich auf den Rücken, worauf er mit ihm davon trabte. Unterwegs kam er bei einem alten Baumstumpf vorüber, auf welchem ein kleiner bunter Specht in die Rinde hackte.

"Das waren bessere Zeiten", klagte der Fuchs vor sich hin, "als ich die kleinen Vögelein bunt malte".

"Was sagst du da, alter Bursche?" fragte der Bär.

"Ich! ich sage gar nichts", antwortete der Fuchs; "trage mich nur immer nach deinem Lager und friß mich auf".

Sie zogen weiter, aber es dauerte nicht lange, so kamen sie wieder bei einem Specht vorbei.

"Das waren bessere Zeiten, als ich die kleinen Vögelein bunt malte", sprach wieder der Fuchs.

"Kannst du mich nicht auch bunt malen?" fragte der Bär.

"Du erträgst die Schmerzen nicht und kannst die Arbeit alle nicht verrichten, die dazu erforderlich ist," versetzte der Fuchs; "dazu muß man eine Grube graben, Weidenbänder drehen, Pfähle einschlagen, Pech in die Grube thun und über dem allen Feuer anzünden."

"Das hilft nichts," erwiderte der Bär, "wie groß die Arbeit auch sein mag, ich will sie sammt und sonders zu Stande bringen," und alsobald machte er sich daran, die Grube zu graben.

Als er fertig war, band der Fuchs ihn am äußersten Rande derselben fest, zündete dann Feuer an und als es gehörig brannte, sprang er dem Bären auf den Rücken, worauf er die Weiden, mit denen dieser festgebunden ward, durchzubeißen anfing. Der Bär glaubte, daß der Fuchs damit beschäftigt wäre, seinen Rücken zu verherrlichen und sprach:

"Haitis, haitis rieppo gales! Heiß, Heiß, alter Junge!"

"Ich dachte mir's gleich, daß du das Bischen Schmerz nicht ertragen würdest, welches jenes kleine Vögelchen ertrug," sagte der Fuchs.

"Doch, doch!" rief der Bär; bereits aber fingen seine Haare zu sengen an und in demselben Augenblicke gab ihm der Fuchs, der eben die letzte Weide durchgebissen hatte, einen solchen Puff, daß er in die Grube hinunterstürzte, während er selbst zu Walde lief. Dort nun blieb er so lange, bis seiner Meinung nach Alles verbrannt und verloschen war; worauf er mit einem Sacke nach der Grube zurückkehrte, die verbrannten Knochen in denselben sammelte und ihn auf dem Rücken tragend davonzog.

Unterwegs begegnete er wieder einem Lappen mit einer Raide und der Fuchs schüttelte den Sack, so daß die Knochen darin klapperten und der Lappe, als er dies hörte, bei sich dachte: Klang es da nicht gerade wie Silber und Gold?

"Was hast du da?" fragte er dann den Fuchs.

"Mein elterliches Erbtheil," antwortete dieser; "wollen wir handeln?"

"Jawohl," sprach der Lappe; "doch zeige mir erst das Geld, womit du mich bezahlen willst!"

"Das kann ich nicht," versetzte der Fuchs, "denn es ist mein Erbe von Vater und Mutter; wenn du mir aber das Zugthier da geben willst und den Zweijährling da und den Dreijährling dort, dann sollst du den Sack bekommen und Alles miteinander, was darin ist."

Der Lappe ging darauf ein, nahm den Sack und der Fuchs bekam die Renthiere.

"Aber," sagte der Fuchs, "du darfst nicht eher in den Sack gucken, als bis du ein gutes Stück Weg fort bist; so über fünf oder sechs kleine Berge weg. Siehst du früher hinein, so wird alles Silber und Gold zu lauter verbrannten Knochen."

So zog denn jeder seines Weges, der Lappe mit dem Geldsack und der Fuchs mit den Renthieren. Jener aber konnte sich gleichwohl nicht enthalten, noch ehe er so über fünf oder sechs kleine Berge weg war, in den Sack zu gucken und fand bloß verbrannte Knochen darin. Er sah nun, daß der Fuchs ihn geprellt hatte, und lief ihm deshalb auf Schneeschuhen nach. Als der Fuchs merkte, daß er verfolgt wurde, so wünschte er: "Quer durch, quer durch mit des Mannes Schneeschuhen!" und in dem nämlichen Augenblicke brachen des Lappen Schneeschuhe mitten entzwei. Da nahm er ein Zugrenthier und jagte wieder dem Fuchs nach. Als nun dieser die neue Verfolgung merkte, so wünschte er: "Quer durch, quer durch mit des Renthiers Fuß!" Und sogleich knackte der eine Fuß des Renthiers mitten entzwei und der Lappe mußte die Verfolgung aufgeben.

Nun zog der Fuchs in Frieden weiter bis zu der Stelle, wo er seine Mahlzeiten zu halten pflegte. Dort suchte er sich Leute zu verschaffen, die ihm beim Schlachten der Renthiere Hilfe leisten konnten, und er rief deshalb allerlei Raubthiere zusammen: den Bären, den Wolf, den Vielfraß, das Hermelin, die Maus, den Weißfuchs, die Schlange, die Natter und den Frosch; sie sollten seine Diener sein und ihm beim Schlachten helfen. Sie machten sich also daran, jedes auf seine Weise den Renthieren das Leben zu nehmen. Der Bär schoß in die Kinnlade, deshalb findet sich in der Kinnlade des Renthieres ein Mark, welches noch heutzutage "der Bärenpfeil" heißt. Der Wolf schoß in den Hinterschenkel, deshalb findet sich da ein Zeichen wie ein Pfeil, welches "der Wolfspfeil" genannt wird; der Vielfraß schoß in den Nacken, weshalb das Renthier dort ein Zeichen von dem Pfeile des Vielfraßes behalten hat; das Hermelin schoß in die Kehle, deshalb findet sich an der Wurzel derselben ein Zeichen von diesem Pfeile; die Maus schoß in die Hufspalte, deshalb findet sich dort das Zeichen "der Mäusepfeil"; die Natter schoß in den After, wo sich deshalb das Zeichen "der Natterpfeil" findet; der Weißfuchs schoß in die Ohrwurzel, weshalb sich auf der Hinterseite des Ohres ein ganz kleines Knöchelchen befindet, das "der Weißfuchspfeil" heißt; die Schlange schoß in das Darmfett, weshalb sich zwischen diesem und dem Darm ein Zeichen, genannt "der Schlangenpfeil", findet; der Frosch schoß in das Herzfett, und deshalb befindet sich zwischen diesem und dem Herzen ein kleiner Knorpel, welcher "der Froschpfeil" heißt. Auf diese Weise brachten sie alle Renthiere um's Leben.

"Nun gehe ich zum Bache, um den Unrath aus den Renthiermägen auszuspülen," sprach der Fuchs und ging mit diesen hinter einen Stein, wo er heftig zu schreien und zu jammern anfing; gerade, als ob ihn jemand gepackt hätte und ihm den Garaus machen wollte, so daß die Raubthiere, als sie das klägliche Geschrei vernahmen, Angst bekamen und nach allen Seiten davonliefen; bloß das Hermelin und die Maus blieben zurück. Der Fuchs behielt also das ganze Fleisch für sich allein und wollte gerade zu kochen anfangen, als ein Berglappe herbeikam, und zwar eben der, welchen er so stark geprellt.

"Was machst du da?" fragte der Lappe; "warum hast du mich belogen und mir verbrannte Knochen verkauft? und warum hast du alle Renthiere geschlachtet?"

"Lieber Bruder," sprach der Fuchs mit kläglicher Stimme, "glaube ja nicht, daß ich das gewesen bin; meine Kameraden haben es gethan und die Thiere geschlachtet."

In demselben Augenblicke wurde der Lappe das Hermelin und die Maus gewahr, welche, mit Fett um das Maul beschmiert, zwischen den Steinen umherschlichen. Er ergriff daher den Haken, an dem der Kochtopf über dem Feuer hing, und schlug damit nach dem Hermelin; allein er traf es bloß an der Schwanzspitze und deshalb ist nur diese schwarz geblieben; die Maus jedoch traf er mit einem Brande dermaßen, daß sie über und über am ganzen Körper schwarz geworden ist. Inzwischen aber sprang der Fuchs zu Walde und kam an einen Fluß, wo eben ein Mann seinen Kahn ausbesserte.

"Ich wollte, ich hätte auch einen Kahn, den ich ausbessern müßte!" rief der Fuchs aus.

"Oho!" sprach der Mann, "laß' dergleichen dummes Geschwätz unterwegs, sonst schmeiß' ich dich in den Fluß".

"Ich wollte, ich hätte auch einen Kahn, den ich ausbessern müßte!" wiederholte der Fuchs. Da erwischte ihn der Mann und schleuderte ihn in den Fluß hinaus, wo er jedoch auf einen Stein hinaufkroch und zu rufen anfing:

"Kommet herbei, ihr Fische und setzet mich hinüber an's andere Ufer!"

So kamen denn die Fische herangeschwommen, und zwar zuerst der Hecht.

"Nein," sprach aber der Fuchs, "auf deinen flachen Rücken setze ich mich nicht."

Da kam die Quappe.

"Nein," sprach wiederum der Fuchs, "auf deine schleimige Haut setze ich mich nicht."

Dann kam der Barsch.

"Nein, auf deinen rauhen Rücken setze ich mich nicht."

Dann kam die Bergforelle.

"Der Tausend!" rief der Fuchs, "bist du auch hier? aber auch du taugst nicht für mich."

Dann kam der Lachs.

"Nun ja," meinte der Fuchs, "mit dir ginge es wohl; aber du mußt ein bischen näher herankommen, damit ich dir auf den Rücken steigen kann, ohne mir die Füße naß zu machen."

Als daher der Lachs ganz nahe an den Stein heranschwamm, packte ihn der Fuchs hurtig am Nacken, warf ihn an's Land und steckte ihn, nachdem er ein Feuer angezündet, an den Bratspieß. Sobald aber das Feuer sich erbrannte und die Haut des Lachses zu bersten und zu knistern anfieng, sprach der Fuchs:

"Schau, da kommen nun wieder Leute!" Denn er glaubte, es wären die dürren Zweige, welche unter den Füßen der sich nahenden Personen so knackten. Kaum jedoch hatte er dies gesagt, so fiel ihm der Lachs in's Auge und er rief nun aus:

"Das ist ja mein kleiner Fisch, der so knistert!"

Zugleich ergriff er einen Stein und schlug damit den Lachs dermaßen, daß das Fett ihm in die Augen spritzte und sie ihm tüchtig verbrannte. Er zog daher blindlings seines Weges und traf zuerst die Birke, die er fragte:

"Hast du nicht ein Paar Aeuglein übrig?"

"Nein," antwortete die Birke, "ich habe keine Augen übrig."

Dann kam er zur Föhre und versuchte, von dieser ein Paar Augen zu erhalten.

"Hast du nicht ein Paar Augen übrig?" fragte er.

"Nein, ich habe keine Augen," versetzte die Föhre.

Dann kam er zur Espe.

"Hast du nicht ein Paar Aeuglein übrig?"

"Ja, die habe ich wohl," sprach die Espe, "doch leihe ich sie nicht auf lange fort; auf kurze Zeit jedoch kannst du sie geliehen erhalten."

"Ich brauche sie nicht lange," sagte der Fuchs, "hinter dem Hügel dort habe ich ein Paar andere Augen."

Er bekam also die Augen und indem er mit ihnen fortlief, rief er aus:

"Von Geschlecht zu Geschlecht sollen die Augen der Espe mir verbleiben!"

Daher kommt es denn auch, daß die Espe wegen des eingegangenen Tausches gleichsam verbrannte Augen hat. Sie wurde darüber sehr aufgebracht und schlug nach dem Fuchs, traf aber nur die Spitze des Schwanzes, so daß bloß diese weiß geblieben ist.

Der Fuchs und der Bär.

In der alten Zeit, als die Thiere noch sprechen konnten, waren der Bär und der Fuchs sehr gute Freunde, so daß sie zusammen säeten, ernteten, droschen und aßen. Aber der Fuchs war faul und wollte nichts arbeiten, und so gelang es ihm, den Bären zu beschwatzen, daß er den Acker anbaute, den Pflug zog und das Getreide erntete. Es blieb nun noch das Dreschen übrig, an welcher Arbeit sich alle beide betheiligen sollten. Als sie eine Weile gedroschen hatten, hielt der Fuchs inne und stellte sich, als ob er horchte.

"Warum thust du das?" fragte der Bär.

"Hörst du nicht, wie es auf dem Dache der Tenne knackt?" antwortete der Fuchs.

"Nein!" entgegnete der Bär.

Sie begannen hierauf wieder zu dreschen, bis der Fuchs noch einmal seine Frage wiederholte.

"Da ist es vielleicht wohl am besten, du steigst auf das Dach hinauf und hältst es fest!" meinte der Bär.

Der Fuchs ließ sich dies nicht zweimal sagen, sondern sprang schleunigst auf das Dach, legte sich auf dem von der Sonne am meisten beschienenen Platze nieder und wärmte sich hier, bis der Bär das Getreide fertig gedroschen und geschwungen hatte. Hierauf stieg er wieder vom Dache herab und sagte, daß ihm alle Glieder wehe thäten, weil er sich so übermäßig angestrengt hätte, das Dach zu halten, während der Bär drosch.

Nun sollte das Getreide getheilt werden. Der Fuchs meinte, es wäre nur recht und billig, daß der Bär den größeren Haufen bekäme; denn er habe ja am meisten gearbeitet. Der Bär dankte und hierauf begannen sie zu essen: der Fuchs von dem Kornhaufen, der Bär aber von dem Spreuhaufen. Bald begann jedoch der Bär zu argwöhnen, daß es mit dem Edelmuthe des Fuchses nicht so weit her sei. Er sagte daher zum Fuchs:

"Wie kommt es denn, daß es in deinem Munde ›brisk, brask‹ lautet, wenn du kauest, in meinem aber nur ›slisk, slask?‹"

"Das kommt natürlich daher, daß ich so viel Sand und kleine Steinchen in meinem Haufen habe; das knirscht so, wenn ich esse," antwortete der Fuchs.

Der Bär gab sich jedoch mit dieser Antwort nicht zufrieden, sondern kostete von dem Haufen des Fuchses. Da er nun dahinter kam, daß er geprellt worden war, wurde er böse und wollte den Fuchs zerreißen. Dieser aber entwischte und versteckte sich unter einer Tanne. Der Bär eilte ihm nach, entdeckte ihn und schlug und biß nach Allem, was er sah. Wenn er in Wurzeln oder Steine biß, schrie der Fuchs: "Au! au! du beißest mich in den Fuß!" wenn er aber wirklich den Fuß des Fuchses erwischte, dann lachte dieser und sagte: "Ha! ha! du beißest ja nur in die Wurzeln!"

Nachdem der Bär so lange in Steine und Wurzeln gebissen hatte, bis er ganz ermüdet war, kehrte er wieder nach der Dreschtenne zurück, um auszuruhen. Nun kroch der Fuchs hervor und begann auf ein neues Schelmenstück zu sinnen; denn zum Bären wagte er noch nicht zu gehen. Da erblickte er in der Ferne einen Lappen, der mit seiner Renthierheerde des Weges gefahren kam. Rasch legte er sich auf dem Wege nieder und stellte sich, als ob er todt wäre. Als nun der Lappe zu dieser Stelle kam, hob er den Fuchs vom Wege auf und legte ihn in den Schlitten (lappländisch låkkek, welches einen bootartigen, ganz überdeckten Schlitten bezeichnet), in welchem sich mehrere Pfund Fische befanden. Der Fuchs war kaum in dem Schlitten drinnen, als er wieder lebendig wurde und ein Loch in die Bodenwand nagte, durch das er einen Fisch nach dem andern hinausschob und schließlich selbst entkam. Er trug nun alle Fische zu einem Haufen zusammen und suchte sodann wieder den Bären auf. Dieser war jetzt wieder ruhig geworden und fragte den Fuchs, woher er diese Menge Fische bekommen habe.

"Ich habe sie geangelt," antwortete der Fuchs; "geh nur hinab auf die See, hacke ein Loch in's Eis und stecke den Schwanz durch das Loch; es kommen dann sogleich die Fische und beißen an. Aber man muß darauf achten, daß man den Schwanz nicht zu früh herausziehe; erst wenn man keinen Schmerz mehr im Schwanze fühlt, ist es an der Zeit, denselben wieder herauszuziehen."

Der Bär befolgte genau diesen Rath; als er aber den Schwanz zurückziehen wollte, war dieser in dem Loche festgefroren und der Bär riß sich denselben ab; deshalb geht er noch heute ohne Schwanz herum.

Die wilden und die gezähmten Thiere.

Es war einmal ein Pfarrer, der wollte sich verheirathen. Er schickte deshalb nach allen Seiten Boten aus und lud zur Hochzeit alle damals noch wilden Thiere der Umgegend ein: den Bären, den Wolf, den Vielfraß, den Fuchs, den Weißfuchs, das Pferd, die Kuh, die Ziege, das Schaf und das Renthier.

Zuerst machte sich der Bär auf den Weg. Er begegnete einem Knaben.

"Wohin des Weges?" fragte der Knabe.

"Ich muß zur Hochzeit des Pfarrers!" antwortete der Bär.

"Reise nicht dahin!" sagte der Knabe; "du hast einen so ausgezeichneten Pelz, daß ihn die Leute gerne haben möchten und dich darum erschlagen und ihn dir abziehen werden."

Der Bär that, wie der Knabe ihm gerathen. Er kehrte um und ging wieder in den Wald zurück.

Dann kam der Wolf.

"Wohin des Weges?" fragte der Knabe.

"Ich muß zur Hochzeit des Pfarrers!" antwortete der Wolf.

"Reise nicht dahin!" sagte der Knabe. "Du hast ein so schönes Fell, daß du nicht mehr lebend von dort zurückkehrst!"

Der Wolf machte es wie der Bär. Er kehrte um und ging wieder in den Wald zurück.

Dann kam der Vielfraß.

"Wohin des Weges?" fragte der Knabe.

"Zur Hochzeit des Pfarrers!"

"Reise nicht dahin!" sagte der Knabe; "du hast ein so ausgezeichnetes Fell, daß sie dich, wenn du dahin gelangst, festnehmen werden und du nie wieder von dort fortkommst."

"Ach, ich bin stark genug, um wieder zu entschlüpfen, wenn ich will," meinte der Vielfraß; er wußte, daß er sich sowohl in das Haus hinein, als auch aus dem Hause heraus nagen könnte, aber er that gleichwohl, wie der Knabe ihm gerathen.

Dann kam der Fuchs.

"Wohin des Weges?" fragte der Knabe.

"Zur Hochzeit des Pfarrers!"

"Nimm dich in Acht!" sagte der Knabe; "du hast einen so kostbaren Pelz, daß dir die Leute sogleich das Leben nehmen und dir das Fell abziehen werden".

Der Fuchs säumte nicht und schlich wieder heim.

Dann kam der Weißfuchs.

"Wohin des Weges?" fragte der Knabe.

"Zur Hochzeit des Pfarrers!"

"Ach, du Armer! Was willst du dort machen? Wenn du dahin kommst, fressen dich die Hunde!"

Der Weißfuchs fürchtete sich und kehrte wieder um.

Nun aber kam das Pferd.

"Wohin des Weges!" fragte der Knabe.

"Zur Hochzeit des Pfarrers!" antwortete das Pferd.

"Reise nicht dahin!" sagte der Knabe; "wenn du dahin kommst, so nehmen sie dich, da du so stark bist, zur Arbeit und du gewinnst nie wieder die Freiheit!"

"Ach, niemand kann mich festhalten," sagte das Pferd; "ich reiße mich los, wenn ich nur will."

Hierauf ging das Pferd weiter, ohne sich darum zu kümmern, was der Knabe gesagt hatte; als es aber dahin kam, wo die Hochzeit stattfinden sollte, wurde es gebunden und zu einem Arbeitsthier gemacht.

Dann kam die Kuh.

"Wohin des Weges?" fragte der Knabe.

"Zur Hochzeit des Pfarrers!"

"Geh' nicht dahin!" sagte der Knabe; "du hast so viel Milch, eine so gute Haut und so gutes Fleisch, daß sie dich, wenn du dahin kommst, binden werden und du nie wieder die Freiheit erlangst."

Aber die Kuh achtete auch nicht auf die Warnung des Knaben und deshalb erging es ihr ebenso, wie es dem Pferde ergangen war. Sie wurden beide zu Hausthieren gemacht und erlangten nie wieder ihre Freiheit.

Dann kam die Ziege und auch sie wollte nicht auf den Rath des Knaben hören. Deshalb erging es ihr nicht besser als dem Pferde und der Kuh.

Dann kam das Schaf; aber obgleich der Knabe ihm abrieth, zur Hochzeit zu reisen, weil es nicht nur schöne Wolle, sondern auch gutes Fleisch habe, so half es doch nichts. Das Schaf war dumm genug, dahin zu gehen, und kam niemals wieder zurück.

Endlich kam auch das Renthier.

"Wohin des Weges?" fragte der Knabe.

"Ich muß zum Hochzeitsschmaus, zum Pfarrer!" antwortete das Renthier.

"O, du Thor!" sagte der Knabe; "wenn du dahin kommst, wirst du den Leuten so gut gefallen, daß sie dich behalten, da du stark und geschwinder bist als jedes andere Thier ohne Flügel!"

"Ja, ich bin stark und bin flink," antwortete das Renthier; "es geschieht mir nichts, wenn sie mich auch binden; ich mache mich schon wieder frei, wenn ich will!"

Dann setzte das Renthier seinen Marsch fort. Es erging ihm aber nicht besser als den anderen Thieren, die zur Hochzeit des Pfarrers gekommen; es wurde ebenfalls gebunden, gezähmt und zum Arbeitsthier gemacht.

So ging es zu, daß einige Thiere wild und frei geblieben, andere gezähmt worden sind. Die ersteren waren folgsam und hörten auf einen vernünftigen Rath; die letzteren waren eigenwillig und unfolgsam und deshalb erging es ihnen, wie es allen ergeht, die wohlgemeinte Rathschläge nicht befolgen wollen.

Der Lachs und der Rothfisch.

Ein Lachs schwamm einmal zeitig im Frühling den Tana-Fluß hinauf, gleich nachdem das Eis aufgegangen war. Als er weit, weit den Fluß hinaufgekommen war, blieb er endlich unter einem großen Wasserfall stehen und wählte sich einen bequemen Platz aus, wo er seinen Rogen legen könnte, wenn die Zeit dazu kam.

Als er eines Tages unter dem Wasserfall stand, kam ein Meerbarsch (Rothfisch1) zu ihm.

"Was bist denn du für ein Fisch?" fragte der Lachs.

"O, ich bin ein gar feiner Rothfisch, ich," antwortete der Seebarsch, "ein Halbbruder des Süßwasserbarsches und meine Flossen sind scharf wie Nähnadeln!"

Gleichzeitig stach er den Lachs, so daß dieser augenblicklich auf die Seite fuhr.

"Was willst du hier heroben im süßen Wasser, du, der nicht das geringste Fett am Leibe hat?" fragte der Lachs.

"Ich hab' mehr Fett in meinem Kopf," antwortete der Rothfisch, "als mancher Berglappe Vorrath in seiner Speisekammer besitzt. Willst du mit mir um die Wette schwimmen?"

Der Lachs würdigte den Rothfisch auf diese Aufforderung hin anfangs nicht einmal einer Antwort; wußte er doch sehr gut, daß er selber von allen Fischen am raschesten durch Wasserfälle hinaufschwimmen könne. Aber der Rothfisch ließ ihm keine Ruhe. Als der Lachs es am wenigsten erwartete, stach er ihn abermals mit seinen scharfen Flossen und fragte:

"Willst du mit mir um die Wette schwimmen?"

Nun ließ der Lachs sich von der Strömung etwas nach abwärts treiben, um einen guten Anlauf zu haben, und schnellte sich sodann durch den Wasserfall hinauf. Aber in diesem Augenblicke biß sich der Rothfisch fest in den Schweif des Lachses. Als der Lachs die oberste Höhe des Wasserfalles erreicht hatte und plötzlich umkehrte, um kopfüber wieder nach abwärts zu gehen, rief der Rothfisch, welcher am Schwanze hing:

"Sieh, nun bin ich höher als du; und du kommst hieher und willst mit mir um die Wette schwimmen, den die Menschen selten erhaschen können, während du hier stehst und dich von jedem alten Weibe fangen läßt?"

Fußnoten

1Sebastes norvegicus Cuv.

Die Heuschrecke und die Mücke.

Die Heuschrecke frägt die Mücke:

"Was machst Du während des Sommers?"

"Ich singe," antwortete die Mücke; "aber was machst denn Du?"

"Ich?" antwortete darauf die Heuschrecke, "ich tanze zu deiner Musik"!

Attjis-ene.

Es waren einmal zwei Waisen, ein Knabe und ein Mädchen. Sie bauten sich eine Hütte tief in einer Einöde und lebten da so gut sie konnten. So geschah es denn eines Tages, daß der Sohn eines Königs dorthin kam und als er das Mädchen erblickte, sich dermaßen in sie verliebte, daß er nicht so rasch wieder fortkonnte und deshalb einige Tage bei ihnen blieb. Endlich aber mußte er denn doch wieder zu den Seinigen zurückkehren und da erfuhr er nach einem Jahre, daß das Mädchen von ihm ein Kind geboren hatte, weshalb er ihr und ihrem Bruder den Befehl zuschickte, sie sollten zu ihm auf sein Schloß kommen. Da man, um dorthin zu gelangen, über einen großen See fahren mußte, so zimmerte der junge Bursche ein Boot und sie fuhren ab.

Als sie eine Strecke weit gerudert waren, kam Attjis-ene an den Strand hinabgesprungen, rief ihnen zu und bat flehentlich, sie als Magd begleiten zu dürfen. Die Schwester jedoch wollte das Anerbieten nicht annehmen.

"Ei," sprach der Bruder, "warum kannst du sie nicht als Magd mitnehmen?" Und so wurde ihr denn erlaubt, mitzukommen.

Da nun die Schwester auf dem Vordertheile des Bootes, der Bruder hinten und Attjis-ene in der Mitte saß, so konnte letztere sehr genau hören, was die beiden andern sagten, während diese dagegen einander nicht gut hören konnten. Als sie so eine gute Strecke gerudert waren, fingen sie endlich an, das Königsschloß in der Ferne zu erblicken.

"Zieh dir nun die besten Kleider an," sprach der Bruder zur Schwester, "denn schon können wir da unten das königliche Schloß sehen".

"Was sagt mein Bruder?" fragte die Schwester.

"Was dein Bruder sagt?" antwortete Attjis-ene, "er sagt, daß Du dir deine besten Kleider anziehen und in's Wasser springen sollst, dann wirst du zu einer Goldente".

Die Schwester hörte nun zu rudern auf und fing an, sich zu schmücken.

"Mach rasch," sagte der Bruder, "denn das Schloß ist schon ganz nahe".

"Was sagt mein Bruder?" fragte wiederum die Schwester.

"Er sagt," antwortete Attjis-ene, "daß du deine besten Kleider anlegen und in's Wasser springen sollst, dann wirst du eine Goldente und der Königssohn wird dich dann noch viel lieber haben als vorher".

Die Schwester that, wie der Bruder sagte und sprang in's Wasser. Der Bruder wollte sie wieder herausziehen, allein ehe er sie fassen konnte, war sie in eine Goldente verwandelt und schwamm fort, während Attjis-ene alsobald das Kind ergriff, es an die Brust legte und säugte. Als sie an dem Ufer anlangten, wo das Königsschloß lag, kamen ihnen Leute entgegen, welche sie in das Schloß führten, wo aber der junge Bursche nicht zu erzählen wagte, was unterwegs vorgefallen war.

Den Tag darauf jedoch nahm er das Kind und trug es an den Strand und fing an zu rufen:

Oabbatsamaj,

Boade gaddai!

Mannat tsierro,

Gussat mäkko,

Boade gaddai!

"Liebe Schwester,

Komm zum Strande!

Dein Kind weint,

Deine Kuh brüllt,

Komm zum Strande!"