Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Inhalt: Bärensohn. Das Luftschloß. Die Thiersprache. Der goldene Apfelbaum und die neun Pfauinnen. Stojscha und Mladen. Der Teufel und sein Lehrjunge. Gerecht Erworbenes kann nicht verloren gehen. Der Drache und der Kaisersohn. Der Schlangenbräutigam. Wieder vom Schlangenbräutigam. Wem Gott hilft, dem kann Niemand schaden. Der goldwollige Widder. Das Schicksal. Wer wenig verlangt, dem wird am Meisten gegeben. Die barmherzige Schnur und die unbarmherzige Schwiegermutter. Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Des Vaters letzter Wille. Warum ist des Menschen Fußsohle nicht eben? Das höllische Blendwerk und die göttliche Macht. Die Verbrüderungsgeschenke. Der Mönch und die vier Sünder. Das Schatzgraben. Schöne Kleider vermögen sehr viel. Von dem Mädchen das behender als das Pferd ist. Von dem Mädchen das an Weisheit den Kaiser übertraf. Der wunderbare Vogel. Das schwarze Lamm. Wie sich die Tochter eines Kaisers in ein Lamm verwandelte. Die drei Aalfische. Das wunderthätige Messer. Das wunderbare Haar. Aschenzuttel. Die böse Stiefmutter. Die Stiefmutter und ihr Stiefkind. Die Stiefkinder. Wie sie es verdient haben so ist es ihnen auch ergangen. Ein böses Weib. Der Riese. Kaiser Trojan hat Ziegenohren. Kaiser Dukljan. Das Mädchen, die Wittwe und die von ihrem Mann Geschiedene. Während das Eine in den Koth sinkt, erhebt sich das Andere. Salomon von seiner Mutter verwünscht. Die Lüge und die Wette. Der König und der Hirte. Der's versteht dem trägt's das Doppelte. Die zwei Pfennige. Handwerk geht über Alles.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 340
Veröffentlichungsjahr: 2012
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Märchen aus Serbien
Inhalt:
Geschichte des Märchens
Märchen aus Serbien
Bärensohn.
Das Luftschloß.
Die Thiersprache.
Der goldene Apfelbaum und die neun Pfauinnen.
Stojscha und Mladen.
Der Teufel und sein Lehrjunge.
Gerecht Erworbenes kann nicht verloren gehen.
Der Drache und der Kaisersohn.
Der Schlangenbräutigam.
Wieder vom Schlangenbräutigam.
Wem Gott hilft, dem kann Niemand schaden.
Der goldwollige Widder.
Das Schicksal.
Wer wenig verlangt, dem wird am Meisten gegeben.
Die barmherzige Schnur und die unbarmherzige Schwiegermutter.
Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit.
Des Vaters letzter Wille.
Warum ist des Menschen Fußsohle nicht eben?
Das höllische Blendwerk und die göttliche Macht.
Die Verbrüderungsgeschenke.
Der Mönch und die vier Sünder.
Das Schatzgraben.
Schöne Kleider vermögen sehr viel.
Von dem Mädchen das behender als das Pferd ist.
Von dem Mädchen das an Weisheit den Kaiser übertraf.
Der wunderbare Vogel.
Das schwarze Lamm.
Wie sich die Tochter eines Kaisers in ein Lamm verwandelte.
Die drei Aalfische.
Das wunderthätige Messer.
Das wunderbare Haar.
Aschenzuttel.
Die böse Stiefmutter.
Die Stiefmutter und ihr Stiefkind.
Die Stiefkinder.
Wie sie es verdient haben so ist es ihnen auch ergangen.
Ein böses Weib.
Der Riese.
Kaiser Trojan hat Ziegenohren.
Kaiser Dukljan.
Das Mädchen, die Wittwe und die von ihrem Mann Geschiedene.
Während das Eine in den Koth sinkt, erhebt sich das Andere.
Salomon von seiner Mutter verwünscht.
Die Lüge und die Wette.
Der König und der Hirte.
Der's versteht dem trägt's das Doppelte.
Die zwei Pfennige.
Handwerk geht über Alles.
Der Bär, das Schwein und der Fuchs.
Wie sich der Fuchs am Wolfe gerächt hat.
Märchen aus Serbien
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
www.jazzybee-verlag.de
Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com
Ein Märchenist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchen-forschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).
Frauen eines Dorfes gingen einmal in den Wald um wilde Färberröthe zu suchen, und wie sie so den Wald durchstrichen, da geschah es, daß Eine von ihnen sich verirrend plötzlich vor eine Höhle kam, aus der augenblicklich ein Bär hervortrat, der sie packte und hineinschleppte. Nachdem sie nun längere Zeit mit dem Bären gelebt hatte, ward sie guter Hoffnung und gebar einen Sohn. Als das Kind ein wenig aufgewachsen war, gelang es dem Weibe zu entfliehen und nach seinem Dorfe zurückzukehren; der Bär aber trug fortan Sorge für die Erhaltung des Kindes, brachte ihm Nahrung und pflegte sein wie früher die Mutter.
Als der Knabe ein Jüngling ward, sehnte er sich die Höhle zu verlassen und in die Welt zu gehen. Der Bär aber bemühte sich ihn davon abzubringen, indem er zu ihm sprach: "Du bist noch jung und schwach und in der Welt draußen giebt es böse Geschöpfe, die sich Menschen nennen und dich umbringen werden." Und so beschwichtigte er ein wenig die Sehnsucht des Jünglings, daß dieser noch in der Höhle blieb. Nach einiger Zeit jedoch überkam ihn wieder die Sehnsucht in die Welt zu gehen, und als es ihm der Bär auf keine Weise mehr aus dem Sinne zu schlagen vermochte, führte er ihn vor die Höhle hinaus unter eine Buche, indem er zu ihm sprach: "Wenn du diese Buche aus der Erde zu reißen im Stande bist, will ich dich in die Welt ziehen lassen, wo nicht, so mußt du noch bei mir bleiben." Der Jüngling faßte den Baum, zog hin, zog her, aber vergeblich, er vermochte ihn nicht zu entwurzeln und kehrte daher mit dem Vater in die Höhle zurück. – Als nun wieder einige Zeit verstrichen war, und es den Knaben abermals drängte in die Welt zu ziehen, da führte ihn der Bär nochmals vor die Höhle, und hieß ihn es mit der Buche von neuem versuchen. Diesmal packte er kräftig und riß den Baum aus der Erde. Da sagte ihm der Bär, streife alle Zweige davon ab, nimm den Stamm als Keule auf die Achsel und ziehe fort in die Welt. Der Knabe befolgte den Rath des Vaters, und wie er so durch die Welt zog, gelangte er auf eine Ebene, wo mit vielen hundert Pflügen herrschaftliche Aecker gepflügt wurden. Als er den Ackersleuten nahe war, fragte er, ob sie ihm wohl etwas zu essen geben könnten. Sie erwiderten, er möge sich nur ein wenig gedulden, man werde ihnen bald das Mittagmahl bringen, und wo so viele essen, da könne er wohl auch satt werden. Während sie noch so sprachen, wurden schon die Wagen, Pferde, Maulthiere und Esel sichtbar, die sämmtlich mit dem Mittagessen belastet sich heranbewegten. Als nun aber das Essen aufgetischt wurde, da sprach Bärensohn: "Das werde ich Alles allein verzehren." Die Ackersleute darüber höchlich verwundert, meinten, es sei wohl kaum möglich, daß Einer das aufesse, was für so viel hundert Menschen bereitet worden sei! Bärensohn aber blieb dabei und wettete mit ihnen, wenn er nicht Alles aufesse, wolle er ihnen seine Keule, bleibe aber von all dem Essen nichts übrig, dann müßten sie ihm alles Eisen geben, was an ihren Pflügen sei. Hierauf ward das Mahl aufgetischt, Bärensohn griff zu, aß Alles rein auf, und wäre nur noch mehr da gewesen! Da sammelten die Ackersleute Alles was von Eisen an ihren Pflügen war auf einen Haufen, Bärensohn aber drehte einige Birken zusammen, band damit das Eisen in ein großes Bündel, steckte es an das Ende seiner Keule, schwang diese auf die Achsel und ging damit geraden Wegs zu einem Schmiede, dem er sagte, er möge ihm aus all dem Eisen einen Kolben für seine Keule schmieden. Der Schmied übernahm die Arbeit, da ihm aber des Eisens viel zu viel schien, so verbarg er davon beinahe die Hälfte und machte aus dem Uebrigen einen leichten, schlecht gearbeiteten Kolben. Dem Bärensohne kam der Kolben auf den ersten Blick im Vergleich mit dem vielen Eisen, das er hergegeben, zu klein vor, und abgesehen davon, nicht so tüchtig gearbeitet, wie er hätte sein sollen. Als er ihn daher prüfend an seine Keule steckte, schleuderte er ihn mächtig gegen die Wolken, und ließ sich schnell bückend, um sich zu überzeugen ob er wohl etwas tauge, ihn auf seine Schultern niederfallen. Da barst der Kolben, dem Schmiede zum Verderben, denn nun holte Bärensohn ergrimmt mit seiner Keule aus und schlug ihn todt. Hierauf ging er in die Schmiede, suchte und fand daselbst das zurück behaltene Eisen, welches er sammt den Bruchstücken des geborstenen Kolbens zu einem anderen Schmiede trug und diesen für seine Keule einen Kolben schmieden hieß. "Ich rathe dir aber keinen Scherz zu treiben, und redlich alles Eisen, was ich dir bringe, darauf zu verwenden, wenn du nicht willst, daß es dir so ergehe wie Jenem, der mir den ersten Kolben schmiedete." Der Schmied, welcher schon vernommen hatte, wie es dem Andern ergangen war, rief alle seine Gesellen herbei, sammelte das Eisen, schweißte es zusammen und verfertigte daraus einen Kolben, so gut wie man ihn nur irgend haben kann. Als der Bärensohn den Kolben auf die Keule steckte, schleuderte er ihn abermals gegen die Wolken, und ließ ihn auf seine Schultern niederfallen, aber diesmal zersprang der Kolben nicht, sondern prallte unversehrt zurück in die Höhe. Da sprach er: "Nun ist der Kolben gut," nahm ihn auf die Achsel und setzte seinen Weg fort. Und wie er so dahin wanderte, traf er auf dem Felde einen Mann, der zwei Ochsen vor einen Pflug gespannt hatte und pflügte; und als er ganz nahe zu ihm herangekommen war, fragte er diesen, ob er nicht Etwas für ihn zu essen habe. Und der Mann antwortete ihm: "Meine Tochter wird mir gleich das Mittagbrod bringen, und da will ich mit dir theilen was Gott gegeben hat." Da hub Bärensohn zu erzählen an, wie er Alles aufgegessen habe, was für viele hundert Ackersleute bestimmt gewesen war, "was wird bei einem einzelnen Mahle für mich, was für dich sein?" Während er so sprach, kam das Mädchen und brachte Essen getragen; und wie es noch damit beschäftigt war es aufzutischen, wollte der Bärensohn schon mit beiden Händen zugreifen, der Mann aber wehrte ihm, indem er sprach: "Nichts da! erst bekreuze dich, so wie ich." – Bärensohn, hungrig wie er war und weil er nicht anders konnte, bekreuzte sich; dann erst fingen sie zu essen an, aßen sich beide satt, und von dem Essen blieb noch übrig. Nun erst betrachtete Bärensohn das Mädchen, welches das Mahl gebracht hatte, kräftig, gesund und schön war, es gefiel ihm gar wohl und er sprach zu dem Vater: "Willst du mir deine Tochter zum Weibe geben?" "Gerne," antwortete der Mann, "würde ich sie Dir geben, hätt' ich sie nicht schon dem Brko1 versprochen." Worauf ihm Bärensohn entgegnete: "Ei was kümmert mich Brko, dem will ich es mit meinem Kolben geben." Doch der Mann sprach: "Ja Brko ist auch ein Kämpe, das sollst du gleich sehen." Mit einem Male ward aus den Bergen her ein Geräusch und Getöse hörbar und in der Richtung von wo es sich vernehmen ließ, bewegte sich die Hälfte eines Schnurrbartes hervor, auf der drei Hundert und fünf und sechzig Vogelnester zu sehen waren; in einer Weile erschien auch die andre Hälfte, und der gewaltige Brko stand da. Er schritt zu ihnen heran, streckte sich nach seiner ganzen Länge auf den Bauch hin, und legte sein Haupt in den Schooß des Mädchens, indem er sprach, es möge ihn ein wenig krauen, und das Mädchen fing in der That ihn zu krauen an. Da erhebt sich leise der Bärensohn und versetzt dem Schnurrbart mit seiner Keule einen Schlag über den Kopf; doch Brko deutet bloß mit dem Finger nach der Stelle und spricht zu dem Mädchen: "Hier beißt es mich;" da holt Bärensohn mit seiner Keule aus und schlägt ihn damit auf eine andere Stelle; doch Brko deutet abermals nur mit den Worten dahin: "Sieh! hier juckt mich wieder etwas." Als ihn aber Bärensohn das dritte Mal schlägt, da fährt er ergrimmt mit der Hand nach der geschlagenen Stelle, und ruft aus: "Bist Du etwa blind? Hier beißt mich ja etwas!" Da spricht das Mädchen: "Ach, dich beißt gar nichts, sondern sieh der Mann da schlägt dich." Wie dies Brko vernimmt, da schüttelt er sich und springt vom Boden auf, aber schon hatte Bärensohn seine Keule weggeworfen, eiligen Fußes über das Feld fliehend, und Brko hinter ihm her. Der Bärensohn als der behendere, gewann zwar bald den Vorsprung, aber Brko folgte ihm auf dem Fuße nach und wollte durchaus nicht von der Verfolgung abstehen. Und immer weiter rennend gelangte Bärensohn an einen Fluß, bei welchem Männer in einer Tenne Waizen ausdraschen, und diesen rief er zu: "Brüder! helfet mir um Gottes Willen! Der Schnurrbart verfolgt mich! Was werde ich beginnen? Wie über diesen Fluß kommen?" Da reichte ihm einer von den Männern eine Schaufel hin und sprach: "Setze dich auf meine Schaufel, so will ich dich hinüber schleudern." Flugs setzt sich Bärensohn auf die Schaufel, der Mann schwingt sie, schleudert ihn auf die andre Seite des Flusses und er eilt weiter. Bald darauf kommt auch Brko dahergerannt und frägt die Männer: "Ist nicht hier ein Mann von solch und solchem Aussehen vorbeigekommen?" Und sie bejahen es. "Aber wie ist er denn über den Fluß gekommen?" frägt Brko weiter. "Er hat ihn übersprungen," antworten ihm die Männer. Da nimmt sich Brko einen Anlauf und hopp! ist er mit gewaltigem Sprunge am jenseitigen Ufer und setzt dem Bärensohn nach. Dieser aber, als er immer weiter fliehend einen Berg hinan gerannt war, fühlte sich mit einem Male ermüdet, und oben angelangt, traf er auf frisch gepflügtem Acker einen Mann, der eine Tasche um den Hals gehangen trug, aus der er abwechselnd eine Hand voll Samen säte, eine Hand voll aber in den Mund steckte und aß. Diesem Manne rief er zu: "Bruder, hilf mir um Gottes Willen! Was soll ich beginnen? Brko verfolgt mich und ist mir schon auf der Ferse! Ach verbirg mich irgendwo!" Und der Mann entgegnet: "Bei Gott, Bruder, mit dem Schnurrbart ist nicht viel Scherz zu machen; und wenn du nicht hier in meine Tasche unter den Samen kriechen willst, so wüßt' ich nicht, wo ich dich sonst verstecken sollte." Mit diesen Worten schob er ihn in seine Tasche; und als in einer Weile Brko nachkam und nach Bärensohn frug, da sagte ihm der Mann, er ist schon lange lange da vorüber gegangen, und muß nun schon Gott weiß wie weit sein. Da gab der Schnurrbart jede weitere Verfolgung auf und ging zurück.
Der Mann aber, welcher zu säen fortfuhr und des Bärensohnes in seiner Tasche vergessen hatte, packte ihn plötzlich mit einer Hand voll Getreide und schob ihn damit in seinen Mund. Erschrocken und in Angst zermalmt zu werden, läuft Bärensohn im Munde des Mannes hin und her, bis er zu seinem Glücke einen hohlen Zahn entdeckt, in den er eilends hineinschlüpft und sich darin ganz stille verhält. Als der Sämann am Abend nach Hause kömmt, ruft er seinen Schwiegertöchtern: "Kinder! gebt mir meine Zahnstocher, mich drückt etwas in meinem verdorbenen Zahn." Da bringen die Schwiegertöchter zwei große eiserne Bratspieße herbei, welche sie, nachdem der Sämann den Mund geöffnet hatte, zu beiden Seiten in die Höhlung des Zahnes stemmten, bis Bärensohn heraussprang. Nun erst erinnerte sich der Sämann seiner, und sprach zu ihm: "Dich hab' ich schlecht verborgen! Wie wenig fehlte, so hätt' ich dich verschluckt." – Hierauf aßen sie miteinander zu Abend, und nachdem sie sich schon über Mancherlei besprochen hatten, da frug denn auch Bärensohn seinen Wirth, was ihm wohl mit jenem Zahne geschehen, daß er mitten unter den Uebrigen gesunden so ganz verdorben sei. Da hub der Wirth ihm Folgendes zu erzählen an: "Einst gingen unser Zehn mit dreißig Pferden nach Ragusa um Salz. Unterwegs trafen wir eine Dirne, welche die Schaafe hütete und uns frug, wo wir hingingen?" wir sagten ihr nach Ragusa um Salz, da sprach sie: "Was wollt ihr euch plagen und so weit gehen? Ich habe hier in meiner Handtasche noch etwas Salz, das mir von dem übrig geblieben ist, welches ich meinen Schafen zu lecken gab, und das, denke ich, wird euch allen genug sein." Nachdem wir mit ihr über den Preis einig geworden, nahm sie ihre Tasche vom Arme, und wir stiegen von unseren Pferden nahmen die Säcke, und nun ging es an ein Messen und Füllen bis die Säcke aller dreißig Pferde gefüllt waren. Es war dies im Herbst und das Wetter ziemlich schön; eines Tages aber, als schon die Sonne sank und wir uns eben auf dem Gipfel des Tschemerno befanden, umwölkte es sich mit einem Male, dichter Schnee fiel und ein rauher Nordwind drohte uns zu verwehen. Zu unserem noch größeren Unglücke ward es mit einem Male stockfinster und trostlos irrten wir hin und her, bis zuletzt Einer von uns glücklicher Weise eine Höhle entdeckte und ausrief: "Hier her Brüder, hier ist es trocken." Da gingen wir denn Einer nach dem Andern alle Zehn mit unseren dreißig Pferden hinein, entlasteten diese daselbst, zündeten Feuer an, kurz, machten es uns bequem und übernachteten wie in einem Hause. Als aber der Morgen anbrach, da hättest du was sehen können! wir befanden uns alle in einem Menschenschädel, der zwischen Weinbergen da lag. Während wir uns noch darob verwunderten und unsere Pferde belasteten, da kam unseliger Weise der Wächter jener Weinberge dahergeschritten, ergriff den Schädel, in dem wir uns noch alle befanden, legte diesen in seine Schleuder und sie ein paar Male mächtig über seinem Haupte schwingend, schleuderte er ihn weit über die Weinberge hinaus, um eine Schaar Staare damit zu verscheuchen, und als der Schädel auf einen Berg niederfiel, da beschädigte ich mir diesen Zahn. – Und euch zu Ehren diese Lüge.
Fußnoten
1 Brko wird im Serbischen ein Mensch mit großem Schnurrbarte genannt.
Einst lebte ein Kaiser, der hatte drei Söhne und ein Töchterlein, das er hinter Schloß und Riegel erzog und hütete wie seiner Augen Licht. Als das Mädchen herangewachsen war, bat es eines Abends den Vater, ihm doch zu erlauben, daß es mit seinen Brüdern sich ein wenig vor dem Schloße ergehe, und der Vater gab es zu. Doch kaum waren die Geschwister vor das Schloß getreten, siehe, da kam ein Drache geflogen, der das Mädchen ergriff und aus der Mitte seiner Brüder in die Wolken hinauftrug. Die Brüder eilten so schnell sie konnten zum Vater, erzählten ihm was vorgefallen war, und erklärten sich bereit auszugehen und ihre Schwester zu suchen. Der Kaiser billigte diesen Vorschlag, gab jedem ein Pferd und dazu Alles was sonst noch für die Reise nöthig ist, und so zogen sie denn fort. Nach langem Reisen gelangten sie zu einem Schlosse, das weder am Himmel noch auf der Erde, sondern in der Luft erbaut war. Als sie näher kamen, da dachten sie, ob nicht dort vielleicht ihre Schwester sei und fingen an sich zu berathen, wie sie zu ihr hinaufkommen könnten. Nach langem Nachdenken, Ueberlegen und Besprechen faßten sie den Beschluß, eines ihrer Pferde zu schlachten, aus der Haut des Pferdes einen Riemen zu schneiden, an dessen äußerstem Ende einen Pfeil zu befestigen, diesen auf das Schloß abzuschießen und wenn er oben stecken bleibe, am Riemen empor zu klimmen. Die beiden jüngern Brüder forderten den Aeltesten auf, sein Pferd zu schlachten, aber dieser wollte es nicht thun, und als auch der Zweite sich weigerte, da tödtete der Jüngste sein Pferd, schnitt aus der Haut einen Riemen, befestigte an dessen äußerstem Ende einen Pfeil und schoß diesen nach dem Schlosse ab. Nun sollte einer an dem Riemen emporklimmen, aber wieder weigerten sich die beiden älteren Brüder und nur der Jüngste war dazu bereit. Oben angekommen, fing er an der Reihe nach durch alle Gemächer zu gehen, bis er zuletzt in ein Gemach trat, in welchem er seine Schwester erblickte. Die saß da, und der Drache hatte seinen Kopf in ihren Schooß gelegt und schlief. Wie sie ihren Bruder erblickte, erschrack sie sehr, und bat ihn flehentlich zu fliehen, ehe noch der Drache erwacht sei, doch er achtete nicht darauf, sondern nahm seine Keule, schwang sie und versetzte dem Drachen einen Schlag auf den Kopf. Der Drache aber fährt schlaftrunken mit der Hand nach der Stelle und sagt zu dem Mädchen: Hier an dieser Stelle beißt mich etwas. So wie er dieß gesprochen, versetzt ihm der Prinz einen zweiten Schlag, aber wieder sagt der Drache nur, hier beißt mich etwas. Als aber der Prinz das dritte Mal ausholt ihn zu schlagen, da zeigt ihm die Schwester mit der Hand die Stelle, wo er ihn tödtlich treffen könne, und so wie er mit seiner Keule die Stelle trifft, da ist auch der Drache augenblicklich todt, und die Prinzessin schleudert ihn vom Schooße, springt auf und eilt dem Bruder in die Arme, küßt ihn und dankt ihm für ihre Befreiung. Dann faßt sie ihn bei der Hand, um ihm der Reihe nach alle Zimmer des Schlosses zu zeigen. Zuerst führte sie ihn in ein Zimmer, in welchem ein schwarzes Pferd an eine Krippe gebunden stand, dessen ganzes Geschirr von reinem Silber war. Dann führte sie ihn in ein zweites Zimmer, in welchem an die Krippe gebunden ein weißes Pferd stand, das hatte ein Geschirr von lauterem Golde. Zuletzt führte sie ihn in ein drittes Zimmer, da stand an der Krippe ein mausfarbiges Pferd, dessen Geschirr mit Edelsteinen ausgeschmückt war. Aus diesem Zimmer führte sie ihn weiter in ein Gemach, in welchem ein Mädchen saß, das an einem goldenen Stickrahmen mit goldenen Fäden stickte. Aus diesem Gemach führte sie ihn sodann in ein Zweites, wo wieder ein Mädchen saß, die goldene Fäden spann; zum Schlusse führte sie ihn in ein Gemach, in welchem ein drittes Mädchen edle Perlen faßte, und vor dem in einen goldenen Becken eine goldene Henne mit ihren Küchlein Perlen pickte. Nachdem sie in dieser Weise überall herumgegangen, und Alles besichtigt hatten, kehrte das Mädchen noch einmal zurück in jenes Zimmer, wo der Drache todt hingestreckt lag, zog ihn heraus und warf ihn hinunter auf die Erde und die Brüder unten bekamen beinahe das Fieber, so gräulich war dessen Anblick. Hierauf ließ ihnen der jüngste Bruder zuerst die Schwester hinab, dann die drei Mädchen eines nach dem andern, ein Jedes mit seiner Arbeit. Und wie er so die Mädchen hinabließ, dachte er bei sich selbst, wessen ein Jedes sein werde, als aber an das dritte, an das mit der Henne und den Küchlein die Reihe kam, da dachte er: "Das wird mein sein!"
Die Brüder aber ihn beneidend, daß er solch ein Held gewesen war, der die Schwester aufgefunden und befreit hatte, schnitten den Riemen entzwei, damit er nicht herunter könnte, verkleideten einen Hirten, den sie auf dem Felde bei seinen Schafen antrafen und führten ihn statt des Bruders zum Vater heim, indem sie den Mädchen auf das strengste verboten, irgend Jemanden etwas von dem zu sagen, was vorgegangen war.
Nach einiger Zeit erfuhr der jüngste Bruder, der in dem Luftschlosse geblieben war, daß seine Brüder und jener Hirt Anstalten träfen sich mit den durch ihn befreiten Mädchen zu vermählen. An dem Tage, als der älteste Bruder sich trauen ließ, bestieg er den Rappen, und in dem Augenblicke, als die Hochzeitgäste aus der Kirche traten, kam er mitten unter sie geflogen, schlug seinen Bruder, den Bräutigam, mit der Keule ein wenig über den Rücken, daß er vom Pferde stürzte, worauf er wieder in das Schloß zurückflog. Als er erfuhr, daß der zweite Bruder sich verheirathen wolle, da kam er in dem Augenblicke, als die Hochzeitgäste aus der Kirche traten, auf dem Schimmel herangeflogen, schlug wieder den Bräutigam ein wenig über die Schulter, daß er gleich vom Pferde fiel und jagte dann abermals aus der Mitte der Hochzeitgäste hinweg. Als er aber zuletzt vernahm, daß der Hirt sich mit seinem Mädchen vermählen wolle, da bestieg er den Falben, kam herangeflogen eben als die Hochzeitgäste aus der Kirche gingen, und schlug den Bräutigam mit seiner Keule so über den Kopf, daß er todt zur Erde fiel. Nun sprangen die Hochzeitgäste herbei ihn zu fangen, er aber dachte diesmal gar nicht daran zu entfliehen, sondern blieb unter ihnen, indem er ihnen entdeckte, daß er und nicht jener Hirte des Kaisers jüngster Sohn sei und ihnen erzählte, wie die Brüder ihn aus Neid in jenem Schlosse verlassen hatten, in welchem er die Schwester gefunden und den Drachen, der sie geraubt, getödtet hatte, was auch die Schwester und die drei Mädchen bezeugten. Als dieß der Kaiser vernahm, ergrimmte er so über seine zwei älteren Söhne, daß er sie von sich jagte, den Jüngsten aber mit seiner auserwählten Braut verheirathete, und ihm nach seinem Tode das Reich hinterließ.
Einst hatte ein Mann einen Hirten, der ihm viele Jahre treu und redlich diente. Als dieser eines Tages seine Schaafe weidete, hörte er vom Walde her ein Gezische, ohne zu wissen, was es wäre. Er ging deshalb dem Laute in den Wald nach, um die Ursache davon zu erkunden. Als er hinkam, fand er, daß sich das dürre Gras und Laub entzündet hatte, und auf einer von den Flammen umkreisten Stelle zischte eine Schlange. Der Hirte blieb stehen um zu sehen, was die Schlange endlich beginnen würde, denn rings um sie stand Alles in Flammen und der Brand näherte sich ihr immer mehr und mehr.
Da rief die Schlange plötzlich dem Hirten zu: O Hirte! Um Gottes Willen rette mich aus diesem Feuer. Und der Hirte reichte ihr seinen Stock über die Flamme hin, an dem sie sich emporwand, und ihm auf die Hand kam, von der Hand nach dem Halse kroch und sich um denselben ringelte. Als dieß der Hirte sah, gerieth er darüber in Verwunderung und sprach zur Schlange: "Was soll dies zur unseligen Stunde! Befreite ich dich mir zum Verderben?" Aber die Schlange erwiederte ihm: "Fürchte nichts, sondern trage mich heim zu meinem Vater, welcher Schlangenkönig ist." Der Hirte aber fing an zu bitten und sich damit zu entschuldigen, daß er doch seine Schafe nicht allein lassen könne, aber die Schlange sprach: "Um deine Schafe sollst du dich nicht im Geringsten kümmern, ihnen soll kein Leid geschehen, geh nur so schnell als möglich." Da ging denn der Hirte mit der Schlange fort durch den Wald, bis er zuletzt an ein Thor kam, das ganz von ineinander geschlungenen Schlangen gebildet war. Da that die Schlange, welche der Hirte trug, einen Pfiff und alsbald lösten sich die Schlangen von einander und da sprach die Schlange zum Hirten: "Wenn wir in das Schloß zu meinem Vater kommen, wird er dir Alles geben, was du nur fordern magst, Silber, Gold, Edelsteine oder was es sonst Köstliches auf Erden giebt, du aber nimm von All dem Nichts, sondern begehre nur die Sprache der Thiere zu verstehen. Das wird er dir zwar lange verweigern, aber zuletzt doch bewilligen." Während dem kamen sie ins Schloß zum Vater, der weinend die Schlange frug: "Um Gottes Willen, Töchterlein, wo warst du?" Und sie hub der Reihe nach zu erzählen an, wie sie von einem Waldbrande umschlossen gewesen sei, und wie der Hirte sie befreit habe. Der Schlangenkönig wendete sich nun zum Hirten und frug ihn: "Was willst du, daß ich dir für die Befreiung meines Kindes gebe?" "Gieb mir die Thiersprache, sonst begehre ich weiter nichts," antwortete der Hirte. Da sagte ihm der König: "Das taugt nicht für dich, denn wenn ich dir auch die Gabe verleihe, die Sprache der Thiere zu verstehen, und du es Jemanden sagst, so müßtest du gleich sterben, verlange daher lieber, was dir sonst zu besitzen lieb wäre und ich will es dir geben." Der Hirte aber antwortete hierauf: "Wenn du mir irgend Etwas geben willst, so gewähre mir die Sprache der Thiere, wo nicht, so lebe wohl und Gott behüte dich! ich brauche nichts Anderes," und schickte sich hiemit an zu gehen. Da rief ihn der König zurück und sprach: "Halt ein! und komm her, wenn du durchaus es willst. Mache den Mund auf." Der Hirte öffnete den Mund und der Schlangenkönig spuckte ihm in denselben und sagte: "Jetzt spucke du mir in den Mund." Der Hirte that wie ihm geheißen war, worauf der Schlangenkönig ihm abermals in den Mund spuckte. Und nachdem sie so drei Mal nach einander sich gegenseitig in den Mund gespuckt hatten, da sagte ihm der König: "Nun verstehst du die Sprache der Thiere, geh mit Gott! und hüte dich, wenn dir dein Leben theuer ist, einem Menschen etwas davon zu verrathen, denn sagst du Jemanden nur ein Wort davon, so wirst du augenblicklich sterben."
Der Hirte kehrte zurück, und wie er durch den Wald ging, hörte und verstand er Alles, was die Vögel sprachen und das Gras und Alles was sonst auf der Erde ist. Als er zu seinen Schafen kam und sie alle vollzählig und in Ordnung fand, legte er sich ein wenig nieder um auszuruhen. Kaum hatte er sich hingelegt, da kamen zwei Raben herbeigeflogen, die sich auf einen Baum setzten und in ihrer Sprache zu sprechen anfingen: "Wenn jener Hirte wüßte, daß an der Stelle, wo jenes schwarze Schäfchen liegt, unter der Erde ein ganzer Keller voll Gold und Silber sich befindet!" Wie dieß der Hirte hörte, ging er hin zu seinem Herrn und sagte es ihm, und der Herr nahm einen Wagen mit sich und sie gruben die Thür eines Kellers auf und führten den Schatz heim.
Der Herr war aber ein redlicher Mann und gab den ganzen Schatz dem Hirten, indem er zu ihm sprach: "Mein Söhnchen, der ganze Schatz hier ist dein, den hat dir Gott gegeben."
Der Hirte nahm den Schatz, erbaute sich ein Haus, und nachdem er sich verheirathet hatte, lebte er froh und zufrieden, und ward gar bald als der reichste Mann nicht nur jenes Dorfes, wo er lebte, bekannt, sondern auch in der ganzen Umgebung war kein Zweiter zu finden, der sich mit ihm hätte vergleichen können. Er hatte seine Schaf-, Rinder- und Pferdehirten, viel Hab und Gut und großen Reichthum. Eines Tages gerade vor Weihnachten sprach er zu seinem Weibe: "Bereite Wein und Branntwein und was man sonst braucht, morgen wollen wir hinaus in den Maierhof und es den Hirten bringen, damit auch sie sich erlustigen mögen." Die Frau befolgte sein Geheiß, und bereitete Alles so wie er ihr befohlen hatte. Als sie des andern Tages in den Maierhof kamen, sprach der Hausherr am Abende zu allen Hirten: "Nun versammelt euch und esset, trinket und seid guter Dinge, ich aber will diese Nacht für euch bei den Herden bleiben." Und er ging wirklich und blieb bei den Herden. Als Mitternacht herankam, da heulten die Wölfe und die Hunde bellten, und die Wölfe sprachen in ihrer Sprache: "Dürfen wir kommen und Schaden anrichten? so sollt auch ihr Fleisch haben." Und die Hunde antworteten in ihrer Sprache: "Kommt immerhin, damit auch wir uns einmal satt essen." Aber unter diesen Hunden war auch ein alter Hund, der nicht mehr als zwei Zähne im Maule hatte, und dieser sprach zu den Wölfen:
"So lange ich noch diese meine zwei Zähne im Maule habe, werdet ihr meinem Herrn keinen Schaden thun."
Alles dies hatte aber der Hausvater mit angehört und verstanden, und so wie der Morgen graute, befahl er alle Hunde todt zu schlagen, und nur jenen alten Hund am Leben zu lassen. Die Knechte wunderten sich und sprachen: "Aber bei Gott, das ist ja Schade, Herr!" Doch der Hausvater befahl: "Was ich sage, soll geschehen." Darauf bereitete er sich mit seinem Weibe zur Heimkehr, und Beide bestiegen die Pferde; er ritt einen Hengst, das Weib aber saß auf einer Stute. Und wie sie so ihres Weges ritten, da geschah es, daß der Mann etwas vorangeritten war, und das Weib zurückblieb. Da wieherte des Mannes Pferd und sprach zur Stute: "Vorwärts, schneller! was bleibst du so zurück?" Und die Stute antwortete ihm: "Ja, dir ist leicht, du trägst nur den einen Herrn, ich aber trage Dreie; ich trage die Herrin, mit ihr das Kind zu dem sie gute Hoffnung hat, und in mir ein Füllen." Da sah der Mann sich um und lachte, und die Frau dies bemerkend, trieb ihre Stute an, holte den Mann ein und frug ihn weshalb er gelacht habe. "Ach, wegen gar nichts, es kam mir gerade in den Sinn," antwortete ihr der Mann. Doch der Frau war diese Antwort nicht genügend und sie drang fort und fort in ihn, ihr zu sagen weshalb er gelacht hatte. Aber er wehrte sich und sagte: "Laß mich in Frieden, Weib, was fällt dir bei? Gott mit dir! ich weiß selbst nicht warum ich gelacht habe." Aber je mehr er auswich, desto mehr bestürmte sie ihn ihr die Ursache seines Lachens mitzutheilen. Zuletzt sagte ihr der Mann: "So wisse denn, daß, wenn ich es dir sage, ich augenblicklich sterben muß." Doch selbst dies beachtete sie nicht, sondern quälte ihn fortwährend, er müsse es ihr sagen.
Mittlerweile kamen sie heim. Vom Pferde absitzend, bestellte der Mann sogleich einen Sarg, und als dieser fertig war, stellte er ihn vor das Haus und sprach zum Weibe: "Sieh, jetzt werde ich mich in diesen Sarg legen und dir dann sagen, weshalb ich gelacht habe, aber so wie ich es ausspreche, werde ich sterben." Und hierauf legte er sich wirklich in den Sarg, und wie er noch einmal um sich blickte, da kam jener alte Hund aus dem Maierhof, setzte sich ihm zu Haupte und weinte. Wie der Mann dies bemerkte, rief er dem Weibe: "Bringe ein Stück Brot heraus und gieb es diesem Hunde." Das Weib bringt ein Stück und wirft es dem Hunde vor, der aber sieht es gar nicht an. Da kommt der Haushahn herbei gelaufen und pickt nach dem Brote, da sagte der Hund zu ihm: "Elender Nimmersatt! du kannst noch essen, wenn du siehst, daß der Hausvater sterben will?" Und der Hahn erwiederte ihm darauf: "mag er sterben, wenn er so dumm ist. Ich habe Hundert Weiber, die rufe ich alle zusammen, wenn ich irgendwo ein Körnlein finde, und sobald sie kommen, verschlucke ichs selbst, und wollte sich eins darüber ärgern, das würde ich mit meinem Schnabel belehren, und er hat nur Ein Weib und das ist er nicht im Stande zur Ruhe zu bringen."
Sobald dies der Mann vernimmt, steigt er schnell aus dem Sarge, ergreift einen Stock und ruft sein Weib ins Zimmer: "Komm, nun will ich dir sagen, was du so gern wissen möchtest." Und indem er ihr mit dem Stocke Eines um das Andere aufmaß, sprach er: "Das ist es, Weib, das ist es!" auf diese Art aber wurde er mit ihr fertig, und nie mehr fragte sie ihn wieder, warum er gelacht hatte.
Es war einmal ein Kaiser, der hatte drei Söhne und vor seinem Palaste einen goldenen Apfelbaum, der jede Nacht blühte und Früchte trug, die aber immer gleich gepflückt wurden, ohne daß man je hätte erfahren können, von wem.
Einst hub nun der Kaiser sich mit seinen Söhnen in folgender Weise zu besprechen an: "Wo nur die Frucht unseres Baumes hinkommen mag!" worauf der älteste Sohn sagte: "Ich will den Baum diese Nacht hüten, um zu sehen, wer sie pflückt." Und als es dunkel ward, ging er hin und legte sich unter den Apfelbaum, um ihn zu hüten, aber als die Aepfel schon anfingen zu reifen, schlief er ein, und als er mit dem Morgenroth erwachte, waren die Aepfel gepflückt. Da ging er hin zum Vater und sagte ihm Alles getreulich. Nun erbot sich der zweite Sohn den Apfelbaum zu hüten, aber auch ihm erging es wie dem Ersten, auch er schlief unter dem Baum ein, und als er mit dem Frühroth erwachte, waren die Aepfel weg. Nun kam die Reihe den Baum zu hüten an den jüngsten der Söhne, der schon darauf vorbereitet war und gleich zu dem Baum hinab ging, sich unter demselben ein Lager zurecht machte und sich schlafen legte. Gegen Mitternacht erwachte er, schaute zum Baume auf, und sieh! da begannen die Aepfel eben zu reifen und das ganze Schloß erglänzte von ihrer Pracht. In dem Augenblicke kamen neun goldene Pfauinnen durch die Luft geflogen, acht ließen sich auf dem Baume nieder, die Neunte aber auf des Prinzen Lager, wo sie sich alsbald in ein Mädchen verwandelte, wie kein schöneres im ganzen Kaiserthume zu sehen war. Auch ihm gefiel sie über alle Maßen, und sie küßten sich und koseten zusammen bis nach Mitternacht, dann aber erhob sich das Mädchen, dem Prinzen dankend für die Aepfel, die ihre Schwestern indessen gepflückt; er aber bittet es, ihm doch wenigstens Einen zu lassen. Da gab das Mädchen ihm deren Zwei, einen möge er für sich behalten, und den zweiten seinem Vater bringen, worauf es sich wieder in eine Pfauin verwandelte und mit den Andern entschwebte.