Märchen aus Spanien -  - E-Book

Märchen aus Spanien E-Book

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: Frau Fortuna und Herr Geld. Juan Holgado und Frau Tod.1 Des Teufels Schwiegermutter. Die Ritter vom Fisch. Wenn es Gott gefällt. Der Graf Lucanor Vorrede Erste Geschichte Zweite Geschichte Dritte Geschichte Vierte Geschichte Fünfte Geschichte Sechste Geschichte Siebente Geschichte Achte Geschichte Neunte Geschichte Zehnte Geschichte Elfte Geschichte Zwölfte Geschichte Dreizehnte Geschichte Vierzehnte Geschichte Fünfzehnte Geschichte Sechzehnte Geschichte Siebzehnte Geschichte Achtzehnte Geschichte Neunzehnte Geschichte Zwanzigste Geschichte Einundzwanzigste Geschichte Zweiundzwanzigste Geschichte Dreiundzwanzigste Geschichte Vierundzwanzigste Geschichte Fünfundzwanzigste Geschichte Sechsundzwanzigste Geschichte Siebenundzwanzigste Geschichte Achtundzwanzigste Geschichte Neunundzwanzigste Geschichte Dreissigste Geschichte Einunddreissigste Geschichte Zweiunddreissigste Geschichte Dreiunddreissigste Geschichte Vierunddreissigste Geschichte Fünfunddreissigste Geschichte Sechsunddreissigste Geschichte Siebenunddreissigste Geschichte Achtunddreissigste Geschichte Neununddreissigste Geschichte Vierzigste Geschichte Einundvierzigste Geschichte Zweiundvierzigste Geschichte Dreiundvierzigste Geschichte Vierundvierzigste Geschichte Fünfundvierzigste Geschichte Sechsundvierzigste Geschichte Siebenundvierzigste Geschichte Achtundvierzigste Geschichte Neunundvierzigste Geschichte Fünfzigste Geschichte Alarcos

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Märchen aus Spanien

Inhalt:

Geschichte des Märchens

Märchen aus Spanien

Frau Fortuna und Herr Geld.

Juan Holgado und Frau Tod.1

Des Teufels Schwiegermutter.

Die Ritter vom Fisch.

Wenn es Gott gefällt.

Der Graf Lucanor

Vorrede

Erste Geschichte

Zweite Geschichte

Dritte Geschichte

Vierte Geschichte

Fünfte Geschichte

Sechste Geschichte

Siebente Geschichte

Achte Geschichte

Neunte Geschichte

Zehnte Geschichte

Elfte Geschichte

Zwölfte Geschichte

Dreizehnte Geschichte

Vierzehnte Geschichte

Fünfzehnte Geschichte

Sechzehnte Geschichte

Siebzehnte Geschichte

Achtzehnte Geschichte

Neunzehnte Geschichte

Zwanzigste Geschichte

Einundzwanzigste Geschichte

Zweiundzwanzigste Geschichte

Dreiundzwanzigste Geschichte

Vierundzwanzigste Geschichte

Fünfundzwanzigste Geschichte

Sechsundzwanzigste Geschichte

Siebenundzwanzigste Geschichte

Achtundzwanzigste Geschichte

Neunundzwanzigste Geschichte

Dreissigste Geschichte

Einunddreissigste Geschichte

Zweiunddreissigste Geschichte

Dreiunddreissigste Geschichte

Vierunddreissigste Geschichte

Fünfunddreissigste Geschichte

Sechsunddreissigste Geschichte

Siebenunddreissigste Geschichte

Achtunddreissigste Geschichte

Neununddreissigste Geschichte

Vierzigste Geschichte

Einundvierzigste Geschichte

Zweiundvierzigste Geschichte

Dreiundvierzigste Geschichte

Vierundvierzigste Geschichte

Fünfundvierzigste Geschichte

Sechsundvierzigste Geschichte

Siebenundvierzigste Geschichte

Achtundvierzigste Geschichte

Neunundvierzigste Geschichte

Fünfzigste Geschichte

Alarcos

Märchen aus Spanien

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Sweet Angel - Fotolia.com

Geschichte des Märchens

Ein Märchenist diejenige Art der erzählenden Dichtung, in der sich die Überlebnisse des mythologischen Denkens in einer der Bewußtseinsstufe des Kindes angepaßten Form erhalten haben. Wenn die primitiven Vorstellungen des Dämonenglaubens und des Naturmythus einer gereiftern Anschauung haben weichen müssen, kann sich doch das menschliche Gemüt noch nicht ganz von ihnen trennen; der alte Glaube ist erloschen, aber er übt doch noch eine starke ästhetische Gefühlswirkung aus. Sie wird ausgekostet von dem erwachsenen Erzähler, der sich mit Bewußtsein in das Dunkel phantastischer Vorstellungen zurückversetzt und sich, vielfach anknüpfend an altüberlieferte Mythen, an launenhafter Übertreibung des Wunderbaren ergötzt. So ist das Volksmärchen (und dieses ist das echte und eigentliche M.) das Produkt einer bestimmten Bewußtseinsstufe, das sich anlehnt an den Mythus und von Erwachsenen für das Kindergemüt mit übertreibender Betonung des Wunderbaren gepflegt und fortgebildet wird. Es ist dabei, wie in seinem Ursprung, so in seiner Weiterbildung durchaus ein Erzeugnis des Gesamtbewußtseins und ist nicht auf einzelne Schöpfer zurückzuführen: das M. gehört dem großen Kreis einer Volksgemeinschaft an, pflanzt sich von Mund zu Munde fort, wandert auch von Volk zu Volk und erfährt dabei mannigfache Veränderungen; aber es entspringt niemals der individuellen Erfindungskraft eines Einzelnen. Dies ist dagegen der Fall bei dem Kunstmärchen, das sich aber auch zumeist eben wegen dieses Ursprungs sowohl in den konkreten Zügen der Darstellung als auch durch allerlei abstrakte Nebengedanken nicht vorteilhaft von dem Volksmärchen unterscheidet. Das Wort M. stammt von dem altdeutschen maere, das zuerst die gewöhnlichste Benennung für erzählende Poesien überhaupt war, während der Begriff unsers Märchens im Mittelalter gewöhnlich mit dem Ausdruck spel bezeichnet wurde. Als die Heimat der M. kann man den Orient ansehen; Volkscharakter und Lebensweise der Völker im Osten bringen es mit sich, daß das M. bei ihnen noch heute besonders gepflegt wird. Irrtümlich hat man lange gemeint, ins Abendland sei das M. erst durch die Kreuzzüge gelangt; vielmehr treffen wir Spuren von ihm im Okzident in weit früherer Zeit. Das klassische Altertum besaß, was sich bei dem mythologischen Ursprung des Märchens von selbst versteht, Anklänge an das M. in Hülle und Fülle, aber noch nicht das M. selbst als Kunstgattung. Dagegen taucht in der Zeit des Neuplatonismus, der als ein Übergang des antiken Bewußtseins zur Romantik bezeichnet werden kann, eine Dichtung des Altertums auf, die technisch ein M. genannt werden kann, die reizvolle Episode von »Amor und Psyche« in Apulejus' »Goldenem Esel«. Gleicherweise hat sich auch an die deutsche Heldensage frühzeitig das M. angeschlossen. Gesammelt begegnen uns M. am frühesten in den »Tredeci piacevoli notti« des Straparola (Vened. 1550), im »Pentamerone« des Giambattista Basile (gest. um 1637 in Neapel), in den »Gesta Romanorum« (Mitte des 14. Jahrh.) etc. In Frankreich beginnen die eigentlichen Märchensammlungen erst zu Ende des 17. Jahrh.; Perrault eröffnete sie mit den als echte Volksmärchen zu betrachtenden »Contes de ma mère l'Oye«; 1704 folgte Gallands gute Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht« (s. d.), jener berühmten, in der Mitte des 16. Jahrh. im Orient zusammengestellten Sammlung arabischer M. Besondern Märchenreichtum haben England, Schottland und Irland aufzuweisen, vorzüglich die dortigen Nachkommen der keltischen Urbewohner. Die M. der skandinavischen Reiche zeigen nahe Verwandtschaft mit den deutschen. Reiche Fülle von M. findet sich bei den Slawen. In Deutschland treten Sammlungen von M. seit der Mitte des 18. Jahrh. auf. Die »Volksmärchen« von Musäus (1782) und Benedikte Naubert sind allerdings nur novellistisch und romantisch verarbeitete Volkssagen. Die erste wahrhaft bedeutende, in Darstellung und Fassung vollkommen echte Sammlung deutscher M. sind die »Kinder- und Hausmärchen« der Brüder Grimm (zuerst 1812–13, 2 Bde.; ein 3. Band, 1822, enthält literarische Nachweise bezüglich der M.). Unter den sonstigen deutschen Sammlungen steht der Grimmschen am nächsten die von L. Bechstein (zuerst 1845); außerdem sind als die bessern zu nennen: die von E. M. Arndt (1818), Löhr (1818), J. W. Wolf (1845 u. 1851), Zingerle (1852–54), E. Meier (1852), H. Pröhle (1853) u. a. Mit M. des Auslandes machten uns durch Übertragungen bekannt: die Brüder Grimm (Irland, 1826), Graf Mailath (Ungarn, 1825), Vogl (Slawonien, 1837), Schott (Walachei, 1845), Asbjörnson (Norwegen), Bade (Bretagne, 1847), Iken (Persien, 1847), Gaal (Ungarn, 1858), Schleicher (Litauen, 1857), Waldau (Böhmen, 1860), Hahn (Griechenland u. Albanien, 1863), Schneller (Welschtirol, 1867), Kreutzwald (Esthland, 1869), Wenzig (Westslawen, 1869), Knortz (Indianermärchen, 1870, 1879, 1887), Gonzenbach (Sizilien, 1870), Österley (Orient, 1873), Carmen Sylva (Rumänien, 1882), Leskien und Brugman (Litauen, 1882), Goldschmidt (Rußland, 1882), Veckenstedt (Litauen, 1883), Krauß (Südslawen, 1883–84), Brauns (Japan, 1884), Poestion (Island, 1884; Lappland, 1885), Schreck (Finnland, 1887), Chalatanz (Armenien, 1887), Jannsen (Esthen, 1888), Mitsotakis (Griechenland, 1889), Kallas (Esthen, 1900) u. a. Unter den Kunstpoeten haben sich im M. mit dem meisten Glück versucht: Goethe, L. Tieck, Chamisso, E. T. A. Hoffmann, Fouqué, Kl. Brentano, der Däne Andersen, R. Leander (Volkmann) u. a. Vgl. Maaß, Das deutsche M. (Hamb. 1887); Pauls »Grundriß der germanischen Philologie«, 2. Bd., 1. Abt. (2. Aufl., Straßb. 1901); Benfey, Kleinere Schriften zu Märchen-forschung (Berl. 1890); Reinh. Köhler, Aufsätze über M. und Volkslieder (das. 1894) und Kleine Schriften, Bd. 1: Zur Märchenforschung (hrsg. von Bolte, das. 1898); R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen (das. 1900).

Märchen aus Spanien

Frau Fortuna und Herr Geld.

Nun, meine Herren, so wisset denn, daß Frau Fortuna und Herr Geld ineinander so verliebt waren und so unzertrennlich lebten, daß man nie den Einen ohne den Anderen sah. Natürlich fingen die Leute mit der Zeit an, dies Verhältniß zu tadeln, und beide beschlossen deshalb endlich, sich ehrlich zu heirathen.

Herr Geld war ein kleiner dicker Mann mit einem runden Kopfe von peruanischem Golde, einem runden Bauche von mexikanischem Silber und runden Beinen von segovianischem Kupfer, mit Papierschuhen aus der großen Fabrik von Madrid. Frau Fortuna dagegen war eine capriciöse, hirnlose, unbeständige und unverschämte, eigensinnige Frau, dabei blind wie ein Maulwurf.

Kaum hatte das neue Ehepaar die Flitterwochen verlebt, als es auch mit dem Hausfrieden vorbei war. Die Frau wollte befehlen und der stolze und aufgeblasene Herr Geld wollte sich nicht befehlen lassen. – Meine Herren, mein Vater (Gott habe ihn selig) sagte, wenn sich der Ocean verheirathen würde, würde er schon fein demüthig werden: aber Herr Geld war hoffährtiger als der Ocean und verlor seinen Hochmuth nicht.

Weil nun beide die Oberhand haben wollten, und Keiner dem Andern nachgeben mochte, so kamen sie endlich überein, daß eine Probe über die streitige Herrschaft entscheiden sollte. "Siehe," sagte die Frau zu ihrem Manne, "siehst Du dort am Fuß des Olivenbaumes jenen armen Mann, der so elend und betrübt da sitzt? Wir wollen sehen, wer ihm eine bessere Lage verschafft, Du oder ich."

Herr Geld ging darauf ein und sie machten sich auf den Weg, er rollend, sie mit einem Sprunge.

Der Mann, der immer unglücklich gewesen war und nie den einen noch den andern vor seinen Augen gehabt hatte, machte Augen, so groß wie Oliven, als er die vornehme Herrschaft vor sich sah.

"Gott grüß Euch," sagte Herr Geld.

"Euch auch," entgegnete der arme Mann.

"Kennt Ihr mich nicht?"

"Ich kenne Euer Gnaden nur, um ihr zu dienen."

"Nie hast Du mein Gesicht gesehen?"

"In meinem ganzen Leben nicht."

"Wie so? besitzst Du denn gar nichts?"

"O ja, Herr, sechs Kinder, so nackt wie Riegel, mit Kehlen so weit wie alte Strümpfe, aber was Einnahme betrifft, so habe ich nur ein ›Nimm und iß,‹ wenn ich arbeite."

"Und warum arbeitest Du nicht?"

"Nun, weil ich keine Arbeit finde, das Glück ist mir so zuwider, daß sich Alles zu meinem Schaden wendet. Seit ich mich verheirathet habe, scheint mein Weg gefroren zu sein, alles todt und trocken."

"Ich will Dir zu Hilfe kommen," sagte Herr Geld, indem er pompös einen Duro1 aus seiner Tasche zog, und ihm den gab.

Dem armen Mann schien das ein Traum und er lief schneller als der Wind gradesweges zu einem Bäckerladen, um Brot zu kaufen. Als er aber das Geldstück aus der Tasche ziehen wollte – fand er nichts! nichts als ein Loch, durch welches sich der Duro, ohne Abschied zu nehmen, davon gemacht hatte.

Der arme Mann war aber ganz außer sich und fing an zu suchen; fand aber nichts. "Das Lamm, das bestimmt ist, im Rachen des Wolfes zu sterben, kann kein Hirt dafür behüten."2 Nach dem Duro verlor er die Zeit, nach der Zeit die Geduld und er fing an, sein Schicksal zu verwünschen.

Frau Fortuna wollte sich indeß darüber fast todtlachen und dem Herrn Geld, dessen Gesicht vor Aerger noch gelber ward als es schon war, blieb nichts übrig, als die Hand noch einmal in die Tasche zu stecken und dem armen Mann eine Unze3 zu geben, worüber sich dieser so freuete, daß ihm die Freude vom Herzen zu den Augen herausstrahlte.

Er ging nun nach einem Kaufladen, um Zeug für seine Frau und Kinder zu kaufen. Als er aber mit seiner Unze bezahlen wollte, sagte der Kaufmann, die Unze sei falsch, er sei wohl selbst gar ein Falschmünzer und man werde ihn beim Gerichte angeben. Der arme Mann wurde darüber so feuerroth vor Scham und Verlegenheit, daß man an seinem Gesichte hätte Bohnen rösten können. Er lief fort und erzählte Herrn Geld, was ihm begegnet war und dabei liefen ihm immer die hellen Thränen herunter.

Frau Fortuna lachte immer mehr und lauter und Herr Geld wurde immer ärgerlicher. "Ihr habt wahrlich rechtes Unglück," sagte er zu dem armen Manne, indem er ihm zweitausend Realen gab, "aber ich werde Euch vorwärts bringen oder meine Macht für verloren geben."

Der arme Mann entfernte sich und war so außer sich vor Freude, daß er ein paar Räuber, die ihm nachstellten, erst bemerkte, als er sie vor der Nase hatte. Dieselben zogen ihn aus, nahmen ihm Alles weg, was er hatte, und ließen ihn, wie ihn einst seine Mutter zur Welt brachte.

Jetzt machte Frau Fortuna ihrem Mann eine lange Nase und dieser konnte vor Zorn und Unwillen keinen Laut herausbringen. "Nun ist die Reihe an mir," sagte sie, "und wir werden sehen, wer mehr kann, der Weiberrock oder die Hose."

Mit diesen Worten näherte sie sich dem armen Manne, der sich auf die Erde geworfen hatte und sich die Haare ausraufte. Sie pustete ihn bloß an, und in demselben Augenblick sah er neben seiner Hand den verlorenen Duro. "Etwas ist immer Etwas," sagte er zu sich selbst; "kann ich doch meinen Kindern Brot kaufen."

Als er an dem bewußten Zeugladen vorbeikam, rief ihn der Kaufmann und sagte, er möchte ihm doch verzeihen; er habe gemeint, die Unze sei falsch, als er sie aber in der Münze habe prüfen lassen, habe man ihm gesagt, daß das Gold ganz echt und das Gewicht ganz vollkommen sei; er gebe sie ihm hiermit wieder und schenke ihm das gekaufte Zeug noch obendrein. Der arme Mann war damit zufrieden und zog mit der Unze und dem Zeuge weiter. Als er über den Markt ging, begegnete er einer Abtheilung Gensdarmen, welche die Räuber eingefangen hatten. Der Richter, der ein Richter war, wie es wenige gibt, befahl, daß man dem armen Manne sein Geld zurückgebe, ohne Kosten, noch andern Abzug. Der arme Mann wollte darauf dies Geld in einer Mine anlegen und kaum hatte er drei Ellen tief gegraben, als er eine starke Goldader und eine Silberader und eine Eisenader fand. Er wurde nun bald Don genannt, darauf Ew. Gnaden, und zuletzt Excellenz. – Seitdem hat Frau Fortuna ihren Mann unter dem Pantoffel, und ist ausgelassener, unbeugsamer und capriciöser als je und fährt fort ihre Gunst wie der Blinde seine Prügel auszutheilen.

Fußnoten

1 Ein spanischer Thaler.

2 Spanisches Sprichwort.

3 Die größte spanische Goldmünze.

Juan Holgado und Frau Tod.1

Meine Herren! Ihr sollt wissen, daß es einmal einen Mann gab, der Juan Holgado hieß. Sein Name paßte ihm aber sehr schlecht,2 denn da er arm war, besaß er Morgens und Abends nur drei Pfennige Hunger und drei Pfennige Mangel.

Eines Tages sagte Juan Holgado zu seiner Frau: "Unsere Kinder sind eine Rotte Freßmäuler, und im Stande, das Brot sammt dem Ofen, wo es bäckt, zu verschlingen. Ich möchte wohl einmal einen Hasen essen, aber ohne diese Raubvögel, die mir den Bissen aus dem Munde nehmen."

Seine Frau, die herzensgut war, verkaufte ein Dutzend Eier, die ihre Hühner gelegt hatten, und kaufte einen Hasen, bereitete ihn zu, und sagte am andern Morgen zu ihrem Manne: "Dort im Topfe steht ein Hase für Dich und daneben liegt Brot: gehe auf's Feld, verzehre ihn und laß ihn Dir gut bekommen." Juan Holgado war nicht taub, er nahm den Topf und das Brot und begab sich damit fort.

Nachdem er anderthalb Meilen gegangen war, setzte er sich unter einem Olivenbaum zufriedener als ein König nieder, befahl sich der heiligen Jungfrau der Einsamkeit und begann sein Mittagsmahl. – Doch ohne zu wissen, wie und woher sie gekommen, stand plötzlich eine alte Frau mit schwarzem Kleide und so häßlich wie ein falscher Schwur vor ihm und setzte sich ihm gegenüber hin. Sie war so gelb und trocken wie ein Pergament von Simancas; die Augen lagen ihr tief im Kopf und waren erloschen wie eine Nachtlampe, der es an Oel fehlt; der Mund war groß wie eine große Tasche, und was Nase anbetrifft, hatte sie gar keine, selbst keine Spur davon.

Dieser ungerufene Gast kam Juan Holgado nicht im Geringsten angenehm, aber er konnte die Gesellschaft nun nicht vermeiden und da er kein Grobian war, so fragte er, ob sie an seiner Mahlzeit theilnehmen wolle. Die Alte, die nichts sehnlicher wünschte, antwortete, um nicht unhöflich und undankbar zu sein, nehme sie seine Einladung an, und fing an zu essen. Meine Herren! Das war aber kein Essen, sondern ein Schlingen, denn eins, zwei, drei, saß ihr der ganze Hase zwischen Rücken und Brust.

Wäre es nicht viel besser gewesen, dachte seufzend Juan Holgado, daß ich den Hasen ruhig zu Hause mit Weib und Kindern verzehrt hätte und nicht die Teufelsalte?

Als die Alte fertig war und selbst den Schwanz vom Hasen verschlungen hatte, sagte sie: "Juan Holgado, Dein Hase hat mir sehr gut geschmeckt."

"Das hab' ich wohl gemerkt!" antwortete Juan Holgado.

"Ich will Dir Deine Artigkeit vergelten."

"Lebt tausend Jahre,"3 antwortete trocken Juan Holgado.

"Das werd' ich wohl," erwiederte die Alte, "denn Du mußt wissen, daß ich der Tod in eigener Person bin."

Juan Holgado fuhr zusammen, als wenn vor seinen Ohren ein Kanonenschuß abgeschossen worden wäre.

"Erschrecke nicht," fuhr die Alte fort, "ich werde Dich nicht mitnehmen. Um Dir aber Deine Aufmerksamkeit zu vergelten, will ich Dir einen Rath geben. Werde Arzt, und ich werde dafür sorgen, daß es bald keinen andern geben wird, der mehr Ruhm und Geld gewinnen soll als Du."

"Gnädige Frau Tod, ich bin schon ganz zufrieden und werde es Ihnen danken, wenn Sie sich meiner recht lange nicht erinnern. Was das Arztwerden betrifft, so paßt das nicht für mich."

"Warum denn nicht?"

"Weil ich keine feinen Studien gemacht habe."

"Das thut nichts."

"Ich weiß weder Griechisch, noch Latein."

"Ganz gleich."

"Gnädige Frau, ich kann ja nicht einmal schreiben, weil mir der Puls zittert, und auch nicht lesen, weil mir das Schwarze auf dem Papier im Wege ist."

"Noch Eins!" rief die Frau Tod, welche über alle diese Bedenklichkeiten ärgerlich wurde. "Potztausend, Juan Holgado, Dein Kopf ist wirklich bombenfest; hörst Du denn nicht, daß ich Dir sage, das thue Alles nichts? Ich sage Dir, daß ich mir gar nichts aus der Gelehrsamkeit der Doctoren mache. Ich komme und gehe nicht nach ihrem Willen, sondern nach meinem; und ganz wie und wann es mir beliebt, kriege ich Einen von Euch beim Ohr und nehme ihn mit, ohne mich um die Doctoren zu kümmern. Als die Welt bevölkert wurde, gab es noch keine Doctoren und deshalb ging auch damals Alles schnell und gut; seitdem aber die Aerzte erfunden sind, sind keine Methusalems mehr vorhanden. Du sollst Arzt sein, auf meine Ehre, und wenn Du Dich weigerst, so nehme ich Dich mit, so wahr zwei und drei fünf sind. – Nun schweige und höre mich an: Du sollst in Deinem Leben dem Kranken nichts Anderes als klares Brunnenwasser verschreiben, hast Du gehört?"

"Ja, ich hör' es," antwortete Juan Holgado, der so ärgerlich auf die Frau Tod war, daß er ihr lieber eine Ohrfeige gegeben, als sie noch weiter angehört hätte.

"Wenn Du in's Zimmer des Kranken trittst und mich am Kopfende des Bettes sitzen siehst, so sage nur bestimmt heraus, daß er stirbt und daß er sich dazu vorbereite. Siehst Du mich aber nicht da, so versichere, der Kranke werde wieder gesund, und verschreibe ihm Wasser." Bei den letzten Worten machte die häßliche Dame eine französische Reverenz und empfahl sich.

"Gute Frau," rief ihr Juan Holgado nach, "ich möchte mich nicht von Euch mit dem gewöhnlichen ›Auf Wiedersehen‹ verabschieden und hoffe, daß Ew. Gnaden auch nicht den Wunsch hegen, mich wieder zu besuchen, denn ich habe nicht immer Hasen, um Sie zu bewirthen."

"Mach' Dir keine Sorge, Juan Holgado," – antwortete die Alte; "so lange Du nicht Deine Wohnung zusammenfallen siehest, werde ich nicht zu Dir kommen."

Juan Holgado kehrte nach Hause zurück und erzählte seiner Frau Alles, was ihm begegnet war. Seine Frau, die klüger war als er, meinte, daß er nur Alles, was ihm die Frau Tod gesagt, glauben könnte, denn nichts sei auf der Welt wahrhafter und zuverlässiger als der Tod. Darauf ging sie im ganzen Dorfe herum und kündigte an, daß ihr Mann der beste Arzt unter den Sternen sei, dergestalt, daß er gleich auf den ersten Blick erkenne, ob der Kranke leben oder sterben werde.

Eines Nachmittags stand eine Menge junger Dirnen vor der Thür eines Hauses, als Juan Holgado vorüberging.

"Seht doch Juan Holgado," sagte eine von ihnen, "der sich auf einmal noch in seinem Alter vor uns für einen Arzt ausgeben will!"

"Er ist wohl verrückt oder will uns zum Besten haben."

"Hat sich der Narr eingebildet, daß er nur eine Sache zu sagen braucht, damit man sie glaube? Es ist pure Eitelkeit, er will, daß man ihn Don nenne und der Don paßt ihm, wie dem Esel der Dreimaster."

"Wir wollen doch diesen aufgeblasenen Narren einmal anführen," sagte wieder eine Andere; "ich stelle mich krank, und was gilt's, er glaubt es?"

Gesagt, gethan. Sie ließen einen großen Korb Cactusfeigen, davon sie gegessen hatten, vor der Thür stehen und im Nu lag die, die den Spaß ausgedacht hatte, im Bett und stöhnte Ach und Weh, daß es bis zum Himmel scholl.

Die andern unterdrückten das Lachen und liefen schnell zu Juan Holgado, um ihn herbeizuholen. Er folgte ihnen sogleich und bemerkte vor dem Hause die große Menge von Cactusschalen. Im Zimmer der Kranken war das Erste, was sich seinen Augen darbot, die Frau Tod, die ganz ernst am Bett des Mädchens saß.

"Die Kranke ist sehr schwach," sagte Juan Holgado, "und stirbt."

"Was hat sie denn?" fragten die andern Mädchen, die sich des Lachens nicht enthalten konnten.

"Sie hat," erwiederte Juan Holgado, "zu viel Cactusfeigen gegessen, die sie nun nicht verdauen kann und wovon sie Keinem mehr etwas erzählen wird."

Zwei Stunden darauf stand das Mädchen vor Gott. – Nun mögt Ihr Euch selbst vorstellen, meine Herren, welchen Ruf dies Ereigniß dem Juan Holgado gab! Es gab bald in der ganzen Gegend keinen Kranken und keine ärztliche Consultation mehr, dazu man nicht Juan Holgado berufen, und so gewann er so viel Geld, daß er gar nicht wußte, was er damit anfangen sollte. Er kaufte seinen Söhnen Sterne, die man vorn, und Schlüssel, die man hinten trägt. Was ihn aber selbst anlangte, wollte er nicht solchen Flitter, sondern strebte mehr nach einem behäbigen Leben. So kam es, daß er so dick wurde und so gut aussah, daß es ein wahres Vergnügen war, ihn anzusehen. Sein Gesicht war so rund und voll wie die liebe Gottessonne, seine Beine wurden wie Säulen und sein Bauch wie die halbe Kirchkuppel. Während dessen pflegte Juan Holgado sehr eifrig sein Haus. Ritzten die Kinder etwas an der Wand, so ritzte ihnen der Vater zur Strafe in die Haut. Immer hielt er Baumeister, die das Haus in gutem Stande erhalten mußten, eingedenk der Worte der Frau Tod, daß sie ihn nicht besuchen werde, so lange sein Haus nicht baufällig sei.

Doch die Jahre, die je mehr bergunter, desto schneller laufen, brachten nichts Gutes mit sich. Juan Holgado machte ihnen schlechte Miene und um sich zu rächen, nahm ihm nun das eine die Haare, das andere die Mundwerkzeuge, ein drittes bog ihm das Rückgrat krumm, und noch ein anderes schenkte ihm ein lahmes Bein.

Eines Tages ward er bettlägerig und Frau Tod ließ ihn durch eine Fledermaus grüßen, was dem Juan Holgado gar nicht scherzhaft vorkam. Eines andern Tages bekam er den Altenhusten und Frau Tod ließ ihm durch eine Eule sagen, daß sie ihn bald besuchen werde. Juan Holgado sagte der Eule, sie solle sich fortscheeren. Am folgenden Tage hatte er eine Ohnmacht und Frau Tod ließ ihm durch das Heulen seines Hundes ankündigen, daß sie schon auf dem Wege sei. Juan Holgado warf im Aerger mit der Krücke nach dem Hunde. Aber was half es. Es wurde immer schlimmer mit ihm und Frau Tod klopfte endlich selbst an die Thür. Schnell ließ Juan Holgado die Thür verschließen und verriegeln, aber Frau Tod huschte durch das Schlüsselloch und nun war sie da.

"Frau Tod," sagte Juan Holgado mit einem sauren Gesicht, "habt Ihr mir nicht gesagt, daß Ihr nicht kommen würdet, so lange mein Haus nicht baufällig würde? Ich habe deshalb trotz Eurer Boten Ew. Gnaden gar nicht erwartet."

"Ei was," antwortete Frau Tod, "hast Du nicht Deine Kräfte verloren, sind Dir nicht Zähne und Haare ausgefallen? Dein Körper ist Dein Haus."

"Das wußte ich nicht," sagte der Kranke, "und deshalb macht mich Eure Ankunft bestürzt."

"Desto schlimmer für Dich, Juan Holgado," – entgegnete Frau Tod, "denn derjenige, der immer vorbereitet ist, erschrickt nicht, wenn ich komme. Aber Ihr Lebenden seid blind, wenn Ihr nicht einsehet, daß Ihr geboren werdet, um zu leiden, und sterbt, um zu ruhen."

Fußnoten

1La muerte (der Tod) ist im Spanischen weiblich. Anm. d. Uebers.

2Holgado bedeutet im Spanischen wohlbeleibt, gut in Stande. Anm. d. Uebers.

3 Spanische Redensart, wenn man sich für etwas bedankt. Anm. d. Uebers.

Des Teufels Schwiegermutter.

Es lebte einmal in einem Orte, Bauerndorf genannt, eine alte Wittwe, so häßlich wie der Sergeant von Utrera, der vor Häßlichkeit barst, so mager und dürr wie Spartgras, so alt wie das "zu Fuß gehen" und so gelb wie das gelbe Fieber. Dabei hatte sie einen so unerträglichen Charakter, daß selbst der geduldige Hiob es mit ihr nicht hätte aushalten können. Man hatte sie Frau Holofernes genannt, und kaum zeigte sie ihren Kopf an der Thür, so liefen alle Gassenbuben. – Die Frau Holofernes war so reinlich wie das Wasser und so thätig und häuslich wie eine Ameise und hatte deshalb viel Aerger mit ihrer Tochter Panfila,1 die so faul und träge war und dem Gevatter "Unbeweglich" so ergeben, daß kein Erdbeben im Stande gewesen wäre, sie von der Stelle zu bringen. Frau Holofernes schalt und brummte deshalb jeden Tag von dem Augenblick an, wann Gott das Licht sandte, bis zum Abend, wann er es wieder zurücknahm. "Du bist," sagte sie zu ihrer Tochter, "so schlaff und locker wie holländischer Taback, und um Dich aus dem Bette zu bringen, wären ein Paar Ochsen nöthig; Du läufst vor der Arbeit wie vor der Pest und kennst kein anderes Vergnügen, als wie der Affe am Fenster zu sitzen; und verliebt bist Du wie Cupido; aber ich werde es Dir schon beibringen, grader zu gehen als eine Spindel und schneller als der Wind!" Als Panfila das hörte, stand sie gähnend auf, reckte und streckte sich und trat, ohne daß die Mutter es bemerkte, an's Fenster.

Währenddessen kehrte Frau Holofernes emsig die Stube und begleitete das Scharren des Besens mit diesen und ähnlichen Selbstgesprächen:

"Zu meinen Zeiten arbeiteten die Mädchen wie Maulthiere." Der Besen ging risch, rasch. "Lebten eingezogen wie Nonnen." Risch, rasch. "Heutzutage sind sie wie toll und verrückt," risch, rasch; "faulenzen," risch, rasch; "denken nur an die Liebhaber," risch, rasch; "und das sind alle miteinander Taugenichtse," risch, rasch – bei den letzten Worten gewahrte sie die Tochter am Fenster und im schnellsten Nu machte der Besen ein kräftiges Halt auf dem Rücken des Mädchens, was das Wunder that, die Dirne zum Laufen zu bringen. Frau Holofernes steckte darauf ihren Kopf zum Fenster hinaus und setzte damit wie gewöhnlich Alle in Flucht, vorzüglich Panfila's Anbeter, dessen Füße Flügel zu haben schienen.

"Vermaledeite verliebte Dirne," schrie Frau Holofernes ihrer Tochter nach, "was willst Du denn eigentlich mit Deinem abscheulichen Betragen bezwecken?"

"Heirathen, Mutter."

"Was sagst Du? Heirathen? Ausgelassene Dirne, das wirst Du nicht, so lange ich lebe."

"Aber habt Ihr Euch denn nicht verheirathet und Eure Mutter und Großmutter?"

"Es hat mich auch sehr gereuet. Denn hätte ich es nicht gethan, hätte ich Dich, unverschämtes Mädchen, nicht zur Welt gebracht. Und ob auch ich und meine Mutter und meine Großmutter geheirathet haben, so will ich doch nicht, daß Du Dich verheirathest, noch meine Enkelin, noch meine Urenkelin. Verstanden?"

Mit solchen süßen Unterhaltungen brachten Mutter und Tochter ihr Leben hin, ohne andere Folge, als daß die Mutter jeden Tag sauertöpfischer und die Tochter immer übermüthiger wurde.

Eines Tages hatte Frau Holofernes Wäsche, und als die Lauge siedete, rief sie ihre Tochter zu Hilfe, um den Kessel mit der heißen Lauge über den Waschkorb auszugießen. Die Tochter hörte nur mit einem Ohr darauf, denn das andere war mit dem Liebhaber, der am Fenster sang, beschäftigt. Die Liebesgespräche boten ihr natürlich eine viel angenehmere Aussicht als der Laugenkessel und so ließ sie sich ihre Mutter heiser schreien und ging zum Fenster.

Als nun Frau Holofernes sah, daß ihre Tochter nicht kam und die Zeit mit dem Warten verging, wollte sie selbst den Kessel umwenden und die Lauge auf die Wäsche gießen. Da sie aber klein und etwas schwach war, fiel ihr der Kessel aus den Händen und verbrannte ihr den einen Fuß.

"Vermaledeite, doppelt vermaledeite Dirne," schrie sie, böse wie ein Basilisk, "die nur an den Liebhaber denkt! Wollte Gott, daß Du den Teufel zum Manne kriegtest."

Einige Zeit nachher stellte sich ein Bewerber für Panfila ein, wie es wenige gibt: jung, weiß, blond, von feinen Manieren und gutgefülltem Beutel. Es war nichts gegen ihn einzuwenden, und auch Frau Holofernes konnte in ihrem Arsenal von Verweigerungen nichts gegen ihn finden. Panfila war fast toll vor Freude. Es wurden also unter den nöthigen Brummereien der zukünftigen Schwiegermutter des Bräutigams die Anstalten für die Hochzeit gemacht. Alles ging schnell und ohne Hindernisse von Statten, als die Stimme des Volkes, die untrüglich wie das Gewissen ist, laut wurde und ein Verdammungsurtheil gegen jenen Fremden aussprach, wiewohl er sich einschmeichelnd, freigebig und freundlich zeigte, gut sprechen und noch besser singen konnte und mit seinen feinen, mit Ringen geschmückten Händen die braungebrannten, rauhen Hände der Bauern drückte. – Die Bauern glaubten sich durch Alles dies gar nicht geehrt und ließen sich durch diese Höflichkeiten nicht im Geringsten verführen. Ihr Verstand war wohl ungebildet, aber zugleich derb und kräftig wie ihre Hände.

"Das muß ich gestehen," sagte Vater Blas, "der fremde Junker nennt mich Señor Blas, als wenn ich ein hochmüthiger Narr wäre, der nur Señor genannt werden möchte."

"Und mir kommt er entgegen," sagte Vater Gil, "und gibt mir seine Pfote, als wenn wir alte Bekannte wären, und nennt mich Citoyen, mich, der ich nie aus meinem Dorfe gekommen bin."

Frau Holofernes ihrerseits sah gleichfalls den zukünftigen Schwiegersohn, je mehr sie ihn ansah, mit desto schlimmern Augen an. Es kam ihr so vor, als wenn sich unter seinen unschuldigen blonden Locken auf dem Hirnschädel gewisse Wichte von sehr übler Art befänden, und sie dachte mit Angst an den Fluch, den sie an jenem Tage (an dem sie, traurigen Angedenkens, genau erfuhr, wie sehr eine Brandwunde von siedender Lauge schmerzt) gegen die Tochter ausgesprochen hatte.

Der Hochzeitstag kam heran. Frau Holofernes hatte Kuchen und Betrachtungen gemacht: die ersten süß und die andern bitter; eine große Olla podrida2 für das Mittagsessen und ein verderbliches Project zum Abendbrot; hatte daneben eine sehr generöse Weintonne und einen durchaus nicht generösen Verhaltungsplan präparirt.

Als sich die Neuvermählten nach ihrem Zimmer begeben wollten, rief Frau Holofernes ihre Tochter und sagte ihr: "Wenn Ihr in Euerm Zimmer seid, so schließe Thüren und Fenster zu und verstopfe alle Ritzen. Darauf nimm einen geweihten Olivenzweig und prügele Deinen Mann damit, bis ich Dir sage aufzuhören. Das ist eine Ceremonie, die bei allen Heirathen üblich ist und bedeuten soll, daß in der Schlafstube die Frau das Regiment hat. Zugleich dient sie dazu, diese Herrschaft zu begründen und zu bestätigen."

Die dumme Panfila glaubte ihrer Mutter und war zum ersten Male im Leben gehorsam. Pünktlich that sie Alles, was ihr die schlaue Alte gesagt.

Kaum sah nun der neue Ehemann den Olivenzweig in der Hand seiner Frau, als er eilig die Flucht suchte. Wo sollte er aber hinaus? Thüren und Fenster waren verschlossen, jede Ritze verstopft; es blieb ihm nichts als das Schlüsselloch. Er huschte hindurch als wenn es ein Scheunthor wäre – denn meine Herren Zuhörer werden wohl gemerkt haben (so gut wie Frau Holofernes), daß der blonde, weiße, schmucke Junker, der so schön plauderte, nichts mehr und nichts weniger als der Teufel in eigener Gestalt war, nach seiner Ansicht durch den Fluch der Frau Holofernes berechtigt, die Lustbarkeiten und Leckerbissen einer Hochzeit zu genießen und sich einmal auf eigene Rechnung eine Frau zu holen, worum ihn täglich die Ehemänner mit Rücksicht auf ihren Vortheil baten.

Aber dieser Herr, wiewohl er bekannterweise sehr schlau ist, bekam es diesmal mit einer noch schlauern Schwiegermutter zu thun (und Frau Holofernes ist nicht die einzige dieser Art). Kaum war Se. Gnaden durch das Schlüsselloch geschlichen und gratulirte sich, wie gewöhnlich eine Ausflucht gefunden zu haben, als er sich in einer großen Flasche, welche seine vorsichtige Schwiegermutter am Schlüsselloche angesetzt hatte, gefangen sah. Die Alte verstopfte die Flasche luftdicht und an Entwischen war nun für's Erste nicht zu denken. Der Schwiegersohn bat mit den zärtlichsten Worten, mit den demüthigsten Bitten, mit pathetischen Geberden, sie möchte ihm die Freiheit geben. Er stellte ihr vor, wie sie ganz willkürlich und gegen alles Völkerrecht handle und durch ihren Despotismus die Constitution verletze. Frau Holofernes ließ sich aber nicht vom Teufel überlisten; Vorträge machten auf sie keinen Eindruck und Großsprechereien imponirten ihr nicht. Sie nahm die Flasche mit ihrem Inhalte, ging nach einem Berge, kletterte heftig arbeitend hinauf, setzte oben auf dem Gipfel die Flasche hin, die demselben wie dem Hahne sein Kamm stand, und entfernte sich, indem sie ihrem Schwiegersohn noch eine Faust machte.

Seine Gnaden verweilten dort zehn Jahre. Welche zehn Jahre, meine Herren! Die Welt war auf einmal so ruhig wie ein Meer von Oel. Jeder bekümmerte sich nur um das, was ihn anging, und mischte sich nicht in Dinge, über die er nichts zu sagen hatte. Niemand begehrte seines Nächsten Amt, Weib oder Eigenthum. Das Stehlen ward ein Wort ohne Bedeutung, die Waffen rosteten ein, das Pulver ward zu Feuerwerken verbraucht, die Wahnsinnigen ras'ten nie und waren stets bloß drollig, die Gefängnisse standen leer. In dieser Decade des goldenen Zeitalters fand bloß ein beklagenswerthes Ereigniß Statt: die Advocaten starben, weil sie nichts zu streiten und zu essen hatten.

Aber ach, ein so glücklicher Zustand sollte nicht dauern. Alles hat in dieser Welt ein Ende, ausgenommen die Reden einiger beredten Väter des Vaterlandes.3 Das Ende dieser glücklichen Decade war folgendes: Ein Soldat, Namens Unerschrocken, hatte Urlaub erhalten, nach seinem Dorfe zu gehen. Sein Weg führte ihn um den Berg herum, auf welchem der Schwiegersohn der Frau Holofernes verweilte, der sich die Zeit damit vertrieb, daß er alle Schwiegermütter, gegenwärtige, vergangene und zukünftige, verwünschte, diese Schlangenbrut, wenn er seine Macht wieder hätte, durch das einfache Mittel der Abschaffung des Ehestandes gänzlich zu vertilgen gelobte und Satiren auf die Erfindung der Wäsche dichtete. Als Unerschrocken unten am Berge ankam, wollte er nicht ausweichen, sondern sagte, wenn er ihm nicht aus dem Wege gehe, so werde er über ihn wegsteigen, wäre er auch so hoch, daß er sich am Himmel eine Beule stoßen sollte. Mit der Zeit langte er oben an und war ganz verwundert, die Flasche da zu sehen. Er hob sie auf, hielt sie gegen das Licht und rief, als er den Teufel darin sah, welcher in dieser langen Zeit durch Fasten, Gefangenschaft, Traurigkeit und Sonnenhitze wie eine Backpflaume ausgedörrt war: "Was für ein Ungeziefer ist das! Was für eine Mißgeburt!"

"Ich bin ein Biedermann und wohlverdienter Teufel," sprach freundlich und demüthig der Gefangene. "Die Ruchlosigkeit einer boshaften und treulosen Schwiegermutter (die in meine Krallen fallen möge!) hält mich hier gefangen. Befreie mich, tapferer Kriegsmann, und ich will Dir jede Gunst gewähren, die Du forderst."

"Ich will meinen Abschied," sagte Unerschrocken, ohne sich zu bedenken.

"Du sollst ihn haben – aber öffne schnell, damit ich frei werde, denn es ist ein Widerspruch, in diesen revolutionären Zeiten den Hauptrevolutionär gefangen zu halten."

Der Sergeant Unerschrocken zog am Pfropfen und zugleich stieg aus der Flasche ein mephitischer Dampf, der ihm bis in's Gehirn drang. Er nieste und drückte den Pfropfen eiligst wieder in die Flasche, und zwar so tief, daß er den Teufel zusammendrückte und dieser vor Schmerz schrie.

"Was machst Du, armseliger Erdenwurm, tausendmal treuloser als meine Schwiegermutter?"

"Ich will in unserm Handel eine andere Bedingung setzen: es scheint mir, daß es der Dienst, den ich Dir leisten soll, werth ist."

"Und welche, langweiliger Erlöser?" fragte der Teufel.

"Ich verlange vier Duros täglich, so lange ich lebe. Ueberlege es, es gibt keine weitere Wahl, drinnen oder draußen."

"Beim Satan, Lucifer und Belzebub!" entgegnete zornig der Teufel, "Elender, Habsüchtiger, ich habe kein Geld."

"Ei, seht doch, was für eine hübsche Einwendung für einen so mächtigen Herrn wie Ihr, eine Einwendung, wie sie wohl für einen Minister passen mag, aber nimmermehr für Euern Mund, noch für meine Ohren."

"Da Du mir nicht glauben willst, so laß mich hinaus, und ich werde Dir behilflich sein, das Geld zu erwerben, wie ich schon vielen Andern dazu behilflich gewesen bin. Da ich in den letzten zehn Jahren Bankerott gemacht, so ist das Alles, was ich für Dich thun kann. Laß mich hinaus, bei tausend Meinesgleichen, laß mich hinaus!"

"Nur gemach," erwiederte der Sergeant Unerschrocken, "Niemand hetzt uns und Du wirst gar nicht in der Welt vermißt. Ich werde Dich beim Schwanze festhalten und nicht eher loslassen, bis Du Dein Versprechen erfüllt hast."

"Traust Du mir denn nicht, Unverschämter?" rief der Teufel.

"Nein," erwiederte Unerschrocken.

"Was Du verlangst, ist gegen meine Würde," sagte der Gefangene mit allem Hochmuthe, den eine gedörrte Pflaume zeigen kann.

"Nun, so gehe ich," sagte der Sergeant.

Als der Teufel sah, daß sich Unerschrocken entfernte, wälzte er sich unbändig in der Flasche herum und schrie:

"Komm' zurück, komm' zurück, herzlieber Freund," – brummte aber zugleich für sich: "daß Dich ein vierjähriger Stier auf die Hörner nähme,4 abscheulicher Landstreicher!" und dann sprach er wieder laut: "Komm', komm', wohlthätiges Geschöpf, komm' und befrei' mich nur, fass' mich meinetwegen an den Schwanz oder an die Nase, verdienter Krieger," und für sich setzte er hinzu: "Es bleibt auf meiner Rechnung, mich an Dir zu rächen, ruchloser Soldat, und wenn ich nicht, wie ich wünsche, erreichen kann, daß Du der Schwiegersohn der Frau Holofernes wirst, so werde ich wenigstens dafür sorgen, daß Ihr Beide nebeneinander auf demselben Scheiterhaufen brennen sollt!"

Der Sergeant Unerschrocken kehrte um, machte die Flasche auf und heraussprang der Schwiegersohn der Frau Holofernes wie ein Küken aus dem Ei, erst mit dem Kopf, dann mit den andern Gliedern und zuletzt mit dem Schwanze, den Unerschrocken kräftig festhielt, ob ihn der Teufel auch noch so einzog.

Der Exgefangene, der ganz steif und lahm war, schüttelte sich, reckte und dehnte Arme und Beine und fort gings nach der Residenz, der Teufel vorauskriechend, der Sergeant hinterdrein, den Schwanz seines Vordermannes in der Hand.

Als sie in die Stadt kamen, sagte der Teufel zu Unerschrocken: "Ich fahre jetzt in den Körper der Prinzessin, welche von ihrem Vater außerordentlich geliebt wird, und werde ihr solche Schmerzen bereiten, daß kein Arzt sie heilen kann. Präsentire Dich dann und erbiete Dich, sie unter der Bedingung, daß man Dir für Lebenszeit täglich vier Duros gebe, gesund zu machen. Ich fahre dann aus, sie wird gesund und unsere Rechnung ist abgemacht."

Alles kam, wie es der Teufel angeordnet und vorhergesehen hatte. Nur hatte er nicht vorhergesehen, daß ihn, als er gehen wollte, Unerschrocken beim Schwanze festhielt und zu ihm sagte:

"Wohl bedacht, mein Herr, vier Duros sind eigentlich eine Knickerei, weder Euer noch meiner würdig. Sucht ein Mittel, Euch etwas generöser zu zeigen. Das würde Euch nebenbei in der Welt Ehre machen, wo, verzeiht meine Offenherzigkeit, man keine besonders gute Meinung von Euch hat."

"Daß ich Dich nicht mitnehmen kann!" sagte der Teufel für sich, "aber ich bin so schwach, daß ich mich selbst kaum fortbringe. Ich muß Geduld haben, Geduld, die die Menschen eine Tugend nennen. Jetzt begreife ich, warum so viele in meine Gewalt gerathen: weil sie nicht Geduld geübt haben. Geh' nur, gehe, Du Vermaledeiter, vom Galgen kommst Du in meinen Kessel. Wir wollen nach Neapel und dort das besprochene Mittel anwenden, Deine Habgier zu sättigen."