Marco Lino und die Kunst des Träumens - Marco Alexander Wüst - E-Book

Marco Lino und die Kunst des Träumens E-Book

Marco Alexander Wüst

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Beschreibung

Marco Lino hat eigentlich ein ganz normales Leben geführt, bis er eines Nachts erfährt, dass er eine besondere Traumbegabung besitzt. Zusammen mit anderen Kindern erhält er das Angebot, an einer Traumschule ausgebildet zu werden. Gemeinsam müssen sie sich einer Aufnahmeprüfung stellen, die ihnen alles abverlangt und sie bereits mit unzähligen Gefahren der Traumwelt konfrontiert, dabei entdecken Marco Lino und seine Klassenkameraden das bewusste Träumen und tauchen dabei in die luzide Traumwelt ein, eine völlig neue mysteriöse Welt, die ihre kühnsten Vorstellungen sprengt. Ein düsteres Abenteuer beginnt, in einer bezaubernden Welt und einer legendären Schule, über die sich allmählich ein dunkler Schatten legt. 

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Seitenzahl: 1102

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Marco Alexander Wüst

Verfasser von Bild und Text

Marco Lino

und die Kunst des Träumens

1

Impressum

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

Für den Inhalt und die Korrektur zeichnet der Autor verantwortlich.

© 2024 united p. c. Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-7103-5791-6

ISBN e-book: 978-3-7103-5892-0

Lektorat: Falk-Michael Elbers

Umschlagfoto: Marco Alexander Wüst

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: united p. c. Verlag Innenabbildungen: Marco Alexander Wüst

www.united-pc.eu

2

Intro ..............................................................................................8

1. Villa Lauterbach ........................................................................10

2. Grundschule und Mittelschule ..................................................12

3. Eine seltsame Begegnung........................................................14

4. Baum der Erleuchtung..............................................................19

5. Heavensfort – Schule des Träumens und der Bildung .............24

6. Schulleiter Gerd Heavensfort ...................................................31

7. Die Lehrerschaft .......................................................................33

8. Die Neuzugänge.......................................................................41

9. Die Schulregeln ........................................................................48

10. Luzides Träumen ....................................................................49

11. Die Aufnahmeprüfung .............................................................54

12. Wald der wandelnden Träume................................................63

13. Urzeitliche Feldstudie .............................................................77

14. Das Büro des Schulleiters ......................................................87

15. In den Fängen der Titanoboa .................................................92

16. Ein schleimiges Rendezvous..................................................97

17. Silhouette im Nebel ................................................................109

18. Der Teufelsbach......................................................................117

19. Die Prüfung der Teufelsgeschwister .......................................125

20. Mangrovenwald-Dilemma.......................................................130

21. In der Höhle des Bären...........................................................138

22. Jacks altes Versteck ...............................................................144

24. Wie man einen Bären reitet ....................................................162

25. Verhängnisvolle Fäden ...........................................................165

26. Die mysteriöse Villa ................................................................180

27. Stein der Morgenröte..............................................................186

28. Die Legende des schwarzen Segelschwanzdrachen .............212

29. Das Geheimnis des Teufelsbach ............................................240

30. Der See der tanzenden Feen .................................................249

31. Leila, der schwarze Panther ...................................................253

32. Legendäres Ei des Archiel......................................................270

33. Auf Wiedersehen, Wald der wandelnden Träume ..................277

34. Schuljahresanfangszeremonie ...............................................282

35. Die vier Schülervereinigungen................................................288

36. Der erste Schultag..................................................................310

37. Das Haus des Blitzes .............................................................325

38. Dreamgear und Dreamport.....................................................333

39. Das Rasurschwert ..................................................................343

40. Das Haus des Wassers ..........................................................350

3

41. Arktischer Meeresdrache........................................................370

42. Das Palmenhaus ....................................................................381

43. Die Welt der Traumbotanik .....................................................389

44. Das Haus des Mondes ...........................................................399

45. Die Kunst der Traumdeutung..................................................406

46. Die Geschichte von José Heavensfort ...................................409

47. Dämonologie ..........................................................................422

48. Pausenhof ..............................................................................432

49. Übungskampf Sydney Heavensfort vs. Kajo Vatani ...............435

50. Das Haus der Sonne ..............................................................445

51. Die Heiligen Artefakte .............................................................468

52. Das Haus der Kampfkünste....................................................483

53. Das Haus der Magie...............................................................507

54. Das Haus der Aeronautik........................................................524

55. Nur Fliegen ist schöner...........................................................549

56. Die geheimen Wasserfälle von Caraçau ................................569

57. Ein Wochenende in der Traumwelt.........................................612

58. Übungskampf Sandra West vs. Daniela Jardim .....................627

59. Dreamonkampf Nero der schwarze Tiger vs. Louis der Weißhornpavian ...........................................................................635

61. Ein Tag am See ......................................................................656

62. Tauchgang ..............................................................................664

63. Einzelkampf – Stefan Reiser vs. Oscar Wieland ....................671

64. Die Ruderregatta ....................................................................676

65. Die Jahresabschlussprüfung der ersten Jahrgangsstufe .......679

66. Das Rätselhaus ......................................................................693

67. Das Gewächszimmer .............................................................697

68. Madige Maden........................................................................701

69. Das Spielzimmer ....................................................................705

70. Das goldene Heavensgate .....................................................726

71. Die Schuljahresabschlusszeremonie......................................748

72. Hellsgard – Schule der dämonischen Künste und Methoden 754

4

5

Marco Lino Band 1

Marco Lino und die Kunst des Träumens

Intro

Hatten Sie schon mal einen Traum, der sich so angefühlt hat, als wäre er real?

Denken Sie nicht auch jede Nacht vor dem Einschlafen »Was werde ich wohl heute Nacht träumen? Wird es ein erfreulicher Traum oder werde ich einen unangenehmen Albtraum haben?

Hoffentlich werde ich bald einschlafen und gut erholt morgen aufwachen«?

Viele Menschen flüchten sich, während sie träumen, bewusst oder unbewusst in ihre Traumwelt, um dem Stress aus dem Alltag zu entkommen.

Unsere Träume dienen oft als Rückzugsort, den wir besuchen, um Erlebnisse aus dem Alltag und der Vergangenheit zu verarbeiten.

Allgemein ist bekannt, dass wir, wenn wir träumen, das Erlebte vom Tag verarbeiten und unser gegenwärtiger Geisteszustand das beeinflusst, was wir im Traum erleben.

Unsere Gefühle und Emotionen bestimmen unsere Laune im Alltag und auch nachts beim

Träumen.

Eines steht fest: Die Welt der Träume hat uns Menschen schon immer fasziniert.

Schon seit der Antike wird dem Träumen eine tiefere Bedeutung zugemessen und so gab es viele Herrscher, die sich durch ihre Träume beeinflussen ließen. Es existierten sogar ganze Berufszweige, die sich auf das Deuten von Träumen spezialisiert haben, um unter anderem Krankheiten zu heilen, Naturkatastrophen vorherzusehen oder um die ideale Zeit für eine gute Ernte zu bestimmen. Außerdem wurden von Traumdeutern gute Gelegenheiten für Feldzüge und Schlachten prognostiziert und diese wurden dann auch umgesetzt.

Es gibt zahlreiche Geschichten über Heldentaten, die im Traum vorhergesehen und dann realisiert wurden.

6

Die antiken Erkenntnisse über Träume wurden später wissenschaftlich infrage gestellt und haben heutzutage nur noch wenig Bedeutung, außer man besucht traditionelle Traumdeuter, die vereinzelt noch zu finden sind.

In der heutigen Zeit gibt es immer wieder Geschichten über Träume und deren Auswirkungen auf das Leben der Träumenden, auch haben wissenschaftliche Erfindungen in der Vergangenheit ihren Weg durch die Träume ihres Schöpfers zu uns gefunden.

Die Ursachen und die Bedeutung von Träumen sind bis heute ungeklärt. Insbesondere stellt sich die Frage, inwiefern Träume mit der Realität zusammenhängen.

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1. Villa Lauterbach

Meine Geschichte beginnt vor genau 30 Jahren, am 27.04.1992, als ein Junge namens Marco das Licht der Welt erblickte.

Marco hat braunes, lockiges Haar, braune Augen und braune Haut.

Seine temperamentvolle brasilianische Mutter Maria sorgt sich liebevoll um ihn und seine große Schwester Sandra.

Wie ihr Sohn hat Maria lockiges braunes Haar, braune Augen, braune Haut, volle Lippen und ein hübsches Gesicht.

Sandra, die Schwester von Marco, ist groß, schlank, hat kirschbraunes, lockiges Haar und honigfarbene Augen. Sie hat als einziges Mitglied des Trios helle Haut. Der Vater von Sandra und Marco heißt Dieter. Er ist ein großer, stattlicher Mann mit blonden Haaren und blauen Augen.

Kurz nach seinem dritten Geburtstag hatte Marco einen Unfall, bei dem er mit einem Stift in der Hand über ein Kabel stürzte und eine mondsichelförmige Narbe unter dem Auge davontrug.

Während dieser Zeit stritten sich Marcos und Sandras Eltern oft.

Da Dieter beruflich häufig im Ausland tätig war, hatte sein Sohn Marco kaum Gelegenheit, ihn kennenzulernen. Die häufigen Streitigkeiten zwischen den Eltern führten letztendlich zur Trennung und so wuchsen Sandra und Marco den Großteil ihrer Kindheit ohne Vater auf. Das Einzige, was ihr Vater zurückließ, war ein kleiner, weißer Hund namens Bobby den Sandra von ihrem Vater zu ihrem siebten Geburtstag geschenkt bekommen hatte.

Bobby war ein Westhighlandterrier, der einen sehr eigensinnigen Charakter hatte und oft allein im nahegelegenen Wald spazieren ging, weshalb er stundenlang nicht nach Hause kam. Als alleinerziehende Mutter war Maria gezwungen, viel zu arbeiten, und daher kümmerte sich Marcos Schwester Sandra liebevoll um ihren kleinen Bruder. Als Maria eines Tages in einen Waschsalon ging, um die Wäsche ihrer Kinder zu waschen, wurde sie dort von einem sympathischen Mann angesprochen.

Der Mann war groß, schlank, hatte ein markantes Gesicht, gepflegtes blondes Haar, Augen so blau wie die eines Huskys und trug elegante Kleidung. Sie verstanden sich auf Anhieb gut und unterhielten sich. Bald darauf bemerkte der Mann, in welchen Schwierigkeiten Maria steckte. Sie lebte mit ihren zwei 8

Kindern und ihrem kleinen Hund Bobby in einer Tagespension und hatte durch die Trennung keine richtige Arbeit.

Der Mann stellte sich vor als Gerd Beck, Geschäftsmann und Besitzer eines großen Sportartikel- und

Sportbekleidungsgeschäfts.

Er vermittelte ihr einen Job und kurze Zeit später verschaffte er der kleinen Familie auch eine Unterkunft in einem alten Haus mit riesigem Garten mitten im Wald unmittelbar in seiner Nachbarschaft.

Maria fand in Gerd einen wahrhaftig aufrichtigen Freund.

Darüber hinaus hatte Gerd auch noch eine Familie: seine Frau Sina und seinen Sohn Sydney, mit dem sich Marco und Sandra schnell anfreundeten.

Die kleine Familie bezog ein 100 Jahre altes alleinstehendes Haus im Wald, das unter Denkmalschutz stand. Der Garten des Hauses hatte über 50 Apfelbäume und eine Vielzahl an Pflanzen und Blumen und bot genügend Platz, um sich darin zu verstecken oder mit Freunden aus der Nachbarschaft und aus dem Kindergarten Fußball zu spielen.

Sydney und Marco wurden allmählich enge Freunde, fast schon wie Brüder und verbrachten viel Zeit miteinander.

Da Sydney älter als Marco war, eiferte Marco ihm nach und sah in ihm ein Vorbild. Gerd organisierte immer große Geburtstagsfeiern auf seinem riesigen Anwesen. Er lud die gesamte Nachbarschaft und viele Kinder aus Sydneys Schule ein.

Alle Kinder durften sich eine Wasserpistole aussuchen und so verwandelte sich die gesamte Gartenanlage in ein Schlachtfeld für halbwüchsige Wasserpistolenschützen.

Die Kinder hatten immer großen Spaß und sprachen noch Wochen danach von den Erlebnissen der Geburtstage.

Marcos Kindergartenfreund Burak Kaplan war auch regelmäßig zu Besuch. Die zwei wurden von ihren Müttern Chennai und Maria am selben Tag zusammen in den Kindergarten gebracht.

Die beiden Kinder hatten zunächst keine Lust, in den Kindergarten zu gehen. Als sie jedoch merkten, dass sie nicht allein sein würden, freuten sie sich und entwickelten eine innige Freundschaft. Die Zeit in der Lauterbachstraße war für die Kinder eine Zeit voller Spaß und Abenteuer und die Kinder fühlten sich dort sehr wohl.

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2. Grundschule und Mittelschule Als die Grundschule anfing, wurde es lauter und hektischer, es gab oft Streit und viele neue Gesichter traten in das Leben der kleinen Familie.

Marco hatte fast vergessen, dass er einen Vater hatte und seine Mutter hatte auch alles versucht, um ihn die Abwesenheit seines Vaters nicht spüren zu lassen, doch als Marco in der Schule die vielen Kinder mit ihren Eltern sah, fragte er sich immer öfter, wo eigentlich sein Vater geblieben war.

Sandra, Marcos sieben Jahre ältere Schwester, war häufig für ihn da, wenn Maria arbeiten ging, und kümmerte sich liebevoll um ihn.

Mit seinem Wechsel zur Mittelschule wurde Marco zum Außenseiter. Als einziger Dunkelhäutiger auf der Schule wurde er oft von seinen Mitschülern ausgegrenzt, gehänselt und geschlagen. Seine Schulklasse 5a bestand nur aus pubertierenden, halbstarken Jungen. Er suchte verzweifelt den Anschluss und fand nach einer Weile unter seinen Klassenkameraden auch ein paar wenige Freunde: Florian »Flo«

Valentine, ein junger, aufgeweckter, beliebter Junge, den er schon aus der Grundschule kannte. Sein Haar war aschblond, seine Augen waren braun und sein Körper war für sein Alter überdurchschnittlich athletisch. Zusammen mit seinem Bruder und seinen Eltern lebte er in einem großen Haus mit Schwimmbad in Marcos Nachbarschaft.

Sein Vater Helmut war ein begnadeter Elektronikermeister und baute die verschiedensten elektronischen Spielzeuge für seine beiden Söhne David und Florian.

Dann gab es noch Benjamin »Benni« Reager, der an einem See am Stadtrand wohnte. Bennys Eltern besaßen ein riesiges Grundstück mit eigenem Fußballplatz. Benny und Marco verstanden sich auf Anhieb gut, da sie beide Außenseiter waren.

Marco machte sich oft absichtlich zum Klassenclown, um seine Mitschüler zum Lachen zu bringen, außerdem machte er seinen Freunden in der Schule Geschenke, um ihre Anerkennung zu bekommen und um Freundschaft zu schließen. Schon damals waren seine Freunde das Wichtigste für ihn, nur war ihm nicht klar, dass seine vermeintlichen Freunde ihm wichtiger waren als er ihnen. Er wollte unbedingt dazugehören und deshalb riskierte 12

er oft Ärger mit seinen Lehrern, um andere zum Lachen zu bringen. Seinen Lehrern fiel dies negativ auf und so litt er häufig unter der Willkür der Lehrer, die ihn für sämtliches Fehlverhalten innerhalb der Klasse zur Rechenschaft zogen.

Es gab noch einen weiteren Klassenkameraden namens Thomas Lockmann, der wie Marco häufig aus der Reihe tanzte. Thomas musste die Klasse wiederholen, war somit der Älteste in der Klasse und eckte ständig mit seinen Lehrern an.

Die Schwestern der beiden Jungen, Alexandra und Sandra, waren ebenfalls in derselben Klasse und wurden Freundinnen.

Diese Freundschaft der Schwestern verband auch die beiden Jungen.

Marco wurde nicht nur in der Schule, sondern auch in seiner Freizeit, beim Fußballtraining und auf den Spielplätzen oft gehänselt und ausgegrenzt.

Selbst seine wenigen Freunde machten es sich zur Gewohnheit, ihn wegen seiner Hautfarbe und seiner ungewöhnlich gutmütigen Art zu beleidigen, ihn auszugrenzen oder zu verprügeln.

Als er wiederholt von seinen Mitschülern angegriffen wurde, entschied er sich zu handeln. Er wollte stärker werden, um sich verteidigen zu können.

Marco fuhr oft nach der Schule mit dem Bus an einer Karateschule vorbei, also entschied er sich eines Tages dazu, Karate zu lernen.

In Allach, einem westlichen Stadtteil von München, besuchte er die Judo- und Karateschule »Kanji Karate«. Nach all den Sportarten, die er zuvor ausprobiert hatte, war er hier das erste Mal glücklich und keiner diskriminierte ihn wegen seiner Hautfarbe.

Er nahm zweimal in der Woche von 18:00 bis 20:00 Uhr an einem Training teil und fuhr abends mit dem Bus zum Training und danach wieder nach Hause.

Sein Trainer war ein groß gewachsener, korpulenter Mann mit einer großen Nase und dunklem Haar. Marco hatte in der Karateschule viel Spaß und machte schnell große Fortschritte.

Er erreichte nach kurzer Zeit eine höhere Kyu-Stufe und erhielt später einen Dan-Gürtel nach dem anderen.

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3. Eine seltsame Begegnung

Der Sommer neigte sich langsam seinem Ende zu, die Nächte wurden länger, während es draußen allmählich etwas kühler wurde.

Als Marco eines Abends nach dem Training den Bus nahm, stieg er wie immer bei der Bushaltestelle Riederstraße aus und trat wie gewohnt den Heimweg an, der ihn an einem Feld vorbeiführte.

Doch dieses Mal war etwas anders: Er hörte plötzlich ein Rascheln in einem Gebüsch gegenüber der Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite, das sich hinter einem großen grünen Stromverteilerkasten befand. Da er aber müde vom Training war, schenkte er dem Rascheln keine weitere Beachtung und ging nach Hause.

Nach dem nächsten Training nahm er wieder den gleichen Bus.

Draußen war es bereits stockdunkel und der Wind heulte laut.

Marco stieg wieder aus dem Bus und achtete dieses Mal auf den großen grünen Stromverteilerkasten auf der anderen Straßenseite.

Plötzlich raschelte es wieder in dem Gebüsch und wie aus dem Nichts erschien hinter dem Stromverteilerkasten eine hell gekleidete Gestalt mit rundem Gesicht.

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Die Gestalt entpuppte sich als korpulente Frau im weißen Nachthemd, die Marco ansah, langsam auf ihn zuging und den verwunderten Jungen aus heiterem Himmel ansprach.

»Na, willst du mit mir spielen?«

Marco sah die mysteriöse Frau und bemerkte, dass etwas nicht mit ihr stimmte: Die Pupillen der Frau waren geweitet und die Farbe ihrer Augen schien fast farblos. Allgemein wirkte ihr ganzes Erscheinungsbild etwas verwirrt.

»Ich möchte nicht mit Ihnen spielen! Ich befinde mich auf dem Heimweg«, antwortete Marco, wandte sich von der Frau ab und ging seinen gewohnten Weg nach Hause, während die Frau ihn mit einem entgeisterten Blick musterte.

»Komm schon, spiel mit mir«, rief die seltsame Frau über die Straße.

Aus heiterem Himmel fing die Frau an zu laufen und verfolgte Marco, der plötzlich ein Kribbeln in den Beinen spürte und selbst zu rennen begann. Die ominöse Frau verfolgte Marco eine Weile, als er bemerkte, dass sie ihm dicht auf den Fersen war.

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Die Frau erreichte trotz ihrer Masse ein sehr hohes Tempo, und so musste Marco so schnell rennen, wie er konnte. Nach einem anstrengenden Sprint befand sich Marco in unmittelbarer Nähe seines Hauses. Er lief die lange Einfahrt hinab und rannte auf das Garagentor zu. Dieses Mal jedoch, statt wie gewohnt den Türöffner zu benutzen, sprang er über das Tor und eilte zur Haustür. Dort betätigte er den Klingelknopf mit Nachdruck.

»Wann macht denn endlich jemand auf?«, dachte sich Marco, während sein Herz raste. Seine Mutter Maria ging gemächlich den Flur entlang zum Hauseingang, bis sie Marco sah, der panisch gegen die Tür klopfte.

Marco blickte mehrfach nach hinten und suchte nach seiner Verfolgerin, doch sie war verschwunden. Seine Beine fühlten sich an wie Pudding und sein Herz schlug schneller als eine Nähmaschine. Als seine Mutter ihm endlich die Tür öffnete, sprang er in ihre Arme und erzählte ihr unter großer Aufregung, was passiert war.

Sie nahm ihn in den Arm und redete ihm beruhigend zu: »Jetzt ist alles gut.«

Marco ging in sein Zimmer, das sich im ersten Stock befand, und verstaute dort seinen Rucksack mit seinem Karateanzug.

Als das Abendessen fertig war, rief seine Mutter:

»Marco, Sandra, das Essen ist fertig!«

Die Kinder gingen ins Wohnzimmer und setzten sich an den Esstisch.

Der Tisch war reichlich gedeckt und es gab Spaghetti Bolognese mit einem gemischten Blattsalat als Beilage.

Marco, der immer noch bleich im Gesicht war und ein Kribbeln in den Beinen verspürte, bekam kaum einen Bissen herunter.

Sandra bemerkte, dass mit ihm etwas nicht stimmte, und fragte ihn:

»Marco, was ist denn los mit dir? Wieso isst du denn nicht?« Marco sah sie mit angsterfüllten Augen an.

»Wenn du wüsstest, was mir gerade passiert ist.«

»Wieso? Was ist denn passiert?« Marco atmete tief ein und berichtete seiner Schwester, was ihm eben widerfahren war.

»Ich wurde gerade von einer durchgeknallten Frau verfolgt, sie hätte mich fast erwischt. Sie faselte permanent davon, mit mir unbedingt spielen zu wollen.«

»Haha.« Als Sandra dies hörte, kugelte sie sich vor Lachen.

Marcos Augen verengten sich und er sah Sandra grimmig an.

16

»Wie kannst du nur so grausam sein und mich in so einer Situation auslachen? Ich bin eben um mein Leben gerannt und diese komische Frau hätte mich fast erwischt. Mama!«

Marco warf seiner Mutter einen vorwurfsvollen Blick zu.

»Sag Sandra, sie soll aufhören zu lachen.«

Sandra hatte ihn bereits oft aufgezogen und sich ständig über ihn lustig gemacht. Sie spielte ihm gelegentlich Streiche, ließ in gern die sieben Jahre spüren, die beide auseinander waren, und wies ihn häufig in seine Schranken.

»Sandra! Es reicht jetzt!«, mahnte Maria.

Marco sah seine Schwester an und erwartete, dass sie sich bei ihm entschuldigen würde, nachdem sie von ihrer Mutter zurechtgewiesen worden war.

»Ach Mama, es ist doch superlustig, unseren kleinen Marco so ängstlich zu sehen. Du hast doch vorhin auch gelacht.«

»Stimmt das, Mama? Hast du mich ebenso ausgelacht? Ihr findet das alle wohl komisch. Was ist, wenn wirklich was passiert wäre? Die Frau hätte mich entführen oder umbringen können.«

»Mach dir keine Sorgen, Marco«, sagte Maria mit einer ruhigen Stimme. »Schlaf dich erst einmal aus und träum etwas Schönes heute Nacht, morgen ist ein neuer Tag.«

Marco war sauer und erzürnt. Keiner nahm ihn ernst. Er stand auf und verließ das Wohnzimmer, ohne einen Bissen gegessen zu haben.

Marco stürmte wutentbrannt in sein Kinderzimmer, verschloss die Tür, machte ein Hörspiel an und versuchte einzuschlafen.

Er schlüpfte in seinen Dinosaurier-Schlafanzug, hüpfte in sein Bett und ließ den Tag Revue passieren, angefangen beim gewohnt langweiligen Schulunterricht, bei seinen nervenden Mitschülern, die ihn ausgrenzten und ihm den Schultag unerträglich machten, anschließend das Karatetraining, in welchem er immer größere Fortschritte machte und daher von seinem rotnasigen Lehrer viel Lob erhielt.

Danach fiel ihm die seltsame Begegnung mit der unheimlichen Frau ein, die ihm sehr unter die Haut gefahren war und einige Fragen offen ließ.

»Was wollte diese Frau von mir? Was wäre wohl passiert, wenn sie mich erwischt hätte? Keiner nimmt mich Zuhause ernst!

Meine fiese Schwester lacht mich aus und sogar meine Mutter glaubt mir nicht! Wie können die alle so gelassen sein?«

17

Fragen über Fragen stellten sich ihm, doch allmählich überfiel ihn die Müdigkeit. Die Augenlider wurden schwerer, sein Herz beruhigte sich und wenige Augenblicke später schlief Marco ein.

Ihm wurde warm und er fühlte sich geborgen, sein Körper entspannte sich und er fing an zu träumen. Marco hatte eine rege Fantasie und flüchtete oft in seine Traumwelt, um den tristen Alltag zu vergessen. Meistens träumte er davon, ein Superheld zu sein, und flog durch die Lüfte und kämpfte gegen seine Peiniger.

Er baute sich in seiner Fantasie ein riesiges Haus, in dem er mit all seinen Freunden und seiner Familie wohnte.

Dieses Haus hatte einen riesigen botanischen Garten. Im Inneren des Hauses waren Spielzimmer und in jedem Raum wohnte jemand anderes aus seinem Bekanntenkreis, der sich ihm gegenüber von seiner besten Seite zeigte.

Diese Nacht jedoch war besonders. Durch den Schock, den Marco am Abend erlitten hatte, war sein Schlaf gestört.

Marco schlief nur mühsam ein, und als er dann wie gewohnt versuchte, in seine Traumwelt zu flüchten, öffnete sich stattdessen eine helle Lichtung vor seinem inneren Auge.

Marco war ganz allein, der Ort kam ihm jedoch vertraut vor.

Er ging ein paar Schritte und spürte das feuchte Moos, in welchem seine blanken Füße versanken.

Marco sah seine Kleidung an und fragte sich, warum er denn im Schlafanzug im Wald unterwegs war.

Es lag der Geruch von frischem Regen in der Luft und er hörte ein paar Vögel zwitschern und das Rauschen des Windes, der durch die Blätter der riesigen Bäume wehte, die um ihn herumstanden.

Auf der anderen Seite der Lichtung führte ein schmaler Weg in den Wald, durch dessen dichtes Blattwerk sich etwas Sonnenlicht drängte.

Marco ging, ohne zu zögern, auf den schmalen Weg zu und marschierte ihn einige Meter in den Wald hinein.

Mitten im Wald sah er einen riesigen weißen, markanten Baum, der sich von anderen Bäumen unterschied. Durch seine Blätter schien das Sonnenlicht gleißend hell.

18

4. Baum der Erleuchtung

19

Der Baum war doppelt so breit wie die anderen Bäume und in seinem Stamm war eine Tür mit einem goldenen kreisförmigen Kreuzsymbol zu erkennen. Ein solches Symbol hatte Marco noch nie gesehen.

Das Symbol war teilweise von Schlingpflanzen verdeckt und reflektierte in der Sonne. Marco näherte sich zaghaft und berührte vorsichtig das goldene Symbol, als ihm plötzlich eine mysteriöse helle weibliche Stimme durch den Kopf hallte.

»Hallo Auserwählter, wie schön dich willkommen zu heißen.«

»Wie? Auserwählter? Ich? Wozu soll ich denn auserwählt sein?«, dachte sich Marco. Nach einer kurzen Stille sprach die Stimme wieder zu ihm. »Du wurdest auserwählt, dich einer Prüfung zu stellen. Diese Prüfung testet dich und lässt dich tiefer in dein inneres Ich blicken«, sagte die Stimme, während sich die Schlingpflanzen langsam um Marcos Hand schlängelten.

Marco war sich nicht sicher, was er davon halten sollte.

»Etwas stimmt doch hier nicht, bestimmt wach ich gleich auf«, dachte sich Marco.

»Nein! Du wirst erst in ein paar Stunden aufwachen«, erklärte die Stimme.

»Du kannst meine Gedanken lesen? Wer bist du?«

»Ja, das kann ich! Mein Name ist Liro. Ich bin die Wächterin dieser Tür und spreche zu denjenigen, die auserkoren wurden, diese Tür passieren zu dürfen. Wenn du mir vertraust, führe ich dich in eine Welt, die du dir in deinen kühnsten Träumen nicht vorstellen kannst.

Gehe durch diese Tür und ich werde dich in die Wirklichkeit dieser Welt einführen.«

Marco überlegte kurz und dachte sich: »Einerseits würde ich echt gerne wieder aus diesem komischen Traum aufwachen, doch dann werde ich niemals herausfinden, was sich hinter dieser Tür verbirgt.

Außerdem werde ich ohnehin in ein paar Stunden aufwachen. Was soll’s, ich bin dabei.«

»Gute Entscheidung! Nun schreite voran und gehe durch die Tür.«

Marco, dessen Hand inzwischen von Schlingpflanzen vollständig umschlossen war, suchte vergeblich nach einem Türknauf. Er ging einen Schritt auf den Baum zu und tastete ihn ab.

»Liro, ich kann die Tür nicht öffnen! Ich finde den Türgriff nicht.«

»Es ist nicht nötig, dass du die Tür öffnest. Vertrau mir und schreite voran.«

»Die ist ja lustig, wie soll das denn …« Marco ging einen weiteren 20

Schritt Richtung Baum, als ihn der Baum an den Armen in sich hineinsog und die Schlingpflanzen anfingen, Marcos Körper zu umschlingen.

»Ah, Hilfe! Was passiert hier?«, schrie Marco.

Seine Arme waren bereits komplett in der Tür verschwunden, die Kletterpflanzen fingen an, seinen Oberkörper zu umwickeln.

»Entspann dich, wehre dich nicht und lass dich vom Baum führen«, sagte Liro mit ruhiger Stimme.

»Du hast gut reden«, sagte Marco.

»Was ist das nur für ein merkwürdiger Albtraum?«, dachte sich Marco. »Frisst der Baum mich jetzt auf?«

»Vertrau mir, es wird dir nichts passieren«, hörte er in seinen Gedanken. Marcos Körper war nun fast komplett von Schlingpflanzen eingehüllt.

»Du hast es gleich geschafft.«

»Ja, hoffentlich«, sagte Marco.

Marco, der inzwischen komplett in der Tür verschwunden war, fühlte die vielen Schlingpflanzen, die seinen ganzen Körper einwickelten.

Das Innere des Baumes war kalt und roch nach Moos. Überall war es feucht und sein Körper hatte nahezu keine Bewegungsfreiheit mehr.

Er konnte außerdem kaum etwas sehen, da seine Augen vollständig von Schlingpflanzen bedeckt waren.

Liro hatte auch schon eine Weile nicht mehr zu ihm gesprochen.

Unter seinen Füßen verlor Marco plötzlich den Halt.

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Er fiel wie aus dem Nichts durch den Baum, schrie um sein Leben und dachte sich: »Was ist das nur für ein Traum? Erst werde ich von einem Baum gefressen und jetzt fall ich auch noch durch ihn hindurch. Was wird wohl als Nächstes geschehen?

22

Wahrscheinlich lande ich gleich in einem Becken voller Haie.

Hoffentlich wach ich bald auf.«

Nach einer gefühlten Ewigkeit des freien Falls sah er nach unten und erkannte ein paar helle Lichtstrahlen, während sich seine Fallgeschwindigkeit verlangsamte.

Er fiel in das Licht, als plötzlich unter ihm eine grüne Wiese erschien, auf der er sanft auf seinen Füßen landete. Man hörte Vogelgezwitscher und einige farbenfrohe Vögel flogen umher, außerdem lag der Duft von roten Rosen in der Luft, während ein angenehmer warmer Wind wehte.

Marco stand wie verzaubert vor einem wunderschönen Rosengarten, der von einem kleinen Bach umgeben war.

23

5. Heavensfort – Schule des Träumens und der Bildung Ein rosaroter Rosentunnel führte durch den Garten, an dessen Ende die Silhouette eines Schlosses zu sehen war. Marco folgte dem Rosentunnel, und als er am Ende des Tunnels angelangt war, traute er seinen Augen nicht: Das Schloss entpuppte sich als imposantes weißes Schloss mit einem prunkvollen goldenen Tor, das mit regenbogenfarbenen Fenstern ausgestattet war und verschiedene Abbildungen darstellte, darunter zwei Engel, einen weißen Wolf, zwei Jaguare, einen Löwen, einen Tiger und zwei Papageien. Im Zentrum des Tores befand sich das goldene, kreisförmige Kreuzsymbol, das Marco bereits auf dem weißen Baum im Wald gesehen hatte. Das Schlosstor war zudem mit einem goldenen Schriftzug versehen: 24

»Heavensfort- Schule des Träumens und der Bildung«

25

Marco ging auf das Tor zu, das sich daraufhin von selbst öffnete.

Hinter dem Tor kam ihm sofort eine junge dunkelhäutige Frau entgegen.

26

Die Frau hatte ein wunderschönes Gesicht und strahlte eine unglaubliche Lebensfreude aus. Sie hatte langes volles lockiges Haar, tiefbraune Augen und einen sehr athletischen Körperbau. Auf dem Jackett ihrer schwarzen Uniform war ebenfalls das kreisrunde Kreuzsymbol des Eingangsbereiches zu erkennen und auf der gegenüberliegenden Seite ein auffälliges Sonnensymbol. Marco war von der Erscheinung der Frau beeindruckt, zudem war diese von einem Meer bunter Blumen umgeben. Sie sprach ihn direkt an:

»Guten Tag, Marco. Es freut mich, dass du es hierher geschafft hast.«

»Diese Stimme, die kenne ich doch, das ist doch die Stimme von der Frau, die ich gerade gehört habe«, dachte sich Marco, als die Frau wieder zu ihm sprach.

»Ah, wie ich sehe, ist es dir sofort aufgefallen. Mein Name ist Liro, und das sind meine beiden Papageien Lola und Lolo.«

Liro deutete auf die beiden grünen Vögel auf ihrer Schulter, die Marco neugierig musterten.

»Guten Tag, Marco«, sagte Lola.

»Willkommen in Heavensfort«, sagte Lolo.

Marco näherte sich Liro und ihren Papageien, als ihm etwas Merkwürdiges an ihr auffiel.

»Diese Frau, sie sieht aus wie meine Mutter, aber wie kann das sein?«

»Hallo, Marco, ich bin die Portalwächterin, stellvertretende Schulleiterin und Lehrerin der

Heavensfort-Schule.«

»Bitte, was? Portalwächterin? Heavensfort-Schule? Wo bin ich hier gelandet? Was ist das für ein Ort?«

»Du bist hier in der Traumdimension der ›Heavensfort-Schule des Träumens und der Bildung‹. Diese Traumdimension und die Heavensfort-Schule können nur mit Einladung betreten werden.

Diejenigen, die auserwählt wurden, werden die Grundkenntnisse des bewussten Träumens erlernen. Die Ausbildung wird dich mit deinen Stärken und Schwächen vertraut machen und dich darin unterrichten, wie du mit diesen umgehen kannst. Außerdem wird sich während der Ausbildung zeigen, ob du die Eigenschaften eines Dämonenjägers mitbringst.« Als Marco das Wort »Dämonenjäger« hörte, musste er an die seltsame Frau von gestern Nacht denken.

»Bewusstes Träumen? Dämonenjäger? Gibt es Dämonen etwa wirklich?«

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»Ja, gibt es! Hör aufmerksam zu, ich werde dir alles nacheinander erklären.«

»Kann es sein …? Die Frau von gestern? Das war doch nicht etwa ein Dämon?«, dachte sich Marco, aber wieder fiel Liro ihm mitten in seinen Gedanken ins Wort.

»HAHA.« Liro lachte laut. »Das gestern war ich!«, prahlte sie.

»Wie? Das warst du?«, fragte Marco.

»Du siehst der Frau von gestern nicht im Geringsten ähnlich«, sagte Marco.

»Die Frau von gestern heißt Sigrid, sie ist eine harmlose Frau aus deiner Nachbarschaft«, erklärte Liro.

»Ich habe die Frau noch nie gesehen, sie hatte eine unheimliche Ausstrahlung und ihre Augen sahen Furcht einflößend aus«, sagte Marco.

»Sigrid lebt mit ihren Katzen in der Nähe des Waldes sehr zurückgezogen und verlässt ihr Haus nur selten. Sie eignet sich daher optimal für die Zwecke unserer Schule. Ich infiltriere gelegentlich ihren Geist und rekrutiere in ihrem Körper neue Schüler für unsere Schule.«

»Wie bitte, Schüler rekrutieren?«, fragte Marco. »Gibt es etwa noch andere Schüler außer mir?«

»Beruhige dich! Ich erkläre dir alles, eins nach dem anderen«, mahnte Liro.

»Wir finden immer wieder neue potenzielle Mitglieder für unsere Schule, daher bist du nicht der Einzige. Durch ein einschneidendes Erlebnis, das Todesangst auslöst, können wir eine starke telepathische Verbindung zu einem neuen Auserwählten aufbauen. Diese telepathische Verbindung ist notwendig, um dich in unsere Traumdimension zu befördern, um dir somit den Einlass nach Heavensfort zu gewähren.«

»Wahnsinn, das war also alles nötig, um mich hierherzubringen.

Bekommt Sigrid denn gar nicht mit, was mit ihr passiert?«, fragte Marco.

»Nein, sie bekommt nichts mit. Wenn Sigrid schläft, kann ich ihren Körper mithilfe der Gedankenkörperverbindung komplett unter meine Kontrolle bringen und sie schlafwandeln lassen, ohne dass sie es merkt«, erklärte Liro.

»Vor dir muss man ja richtig Angst haben. Die arme Sigrid weiß nicht, wie ihr geschieht. Das tut mir leid für sie«, sagte Marco.

»Vor mir brauchst du wirklich keine Angst haben«, sagte Liro und lachte laut.

»Ich bin dir wohlgesonnen und unsere liebe Sigrid braucht dir nicht 28

leidtun. Sie hat sich bereiterklärt uns zu helfen, da sie den Großteil ihrer Zeit ohnehin in der Traumwelt verbringt und wir daher ihren Körper nutzen können. Als Gegenleistung muss ich nur ihre Katzen gelegentlich füttern. Die nächtlichen Spaziergänge sind außerdem gut für ihre Gesundheit«, sagte Liro kichernd.

»Durch die Rekrutierung neuer Schüler tragen wir zur notwendigen Verstärkung der Verteidigung gegen Dämonen und andere Anhänger der Unterwelt bei und verhindern somit deren Übergriffe auf unschuldige Menschen, die unbewusst träumen und daher ein leichtes Opfer für Dämonen und dergleichen sind«, erklärte Liro.

»Hüte dich vor den Dämonen!«, krächzte Lolo, der Papagei.

»Ist ja gut, Lolo«, sagte Liro zu Lolo und streichelte ihm den Kopf.

»Sind Dämonen wirklich so gefährlich? Wie sehen sie denn aus? Wie schütze ich mich vor einem Angriff und wer sind die anderen Schüler? Wann lerne ich sie kennen? Und was ist das für ein kreisförmiges Kreuzsymbol, das du auf deiner Kleidung trägst, es sieht genauso aus wie das auf dem Baum im Wald.« Marco stellte Frage über Frage.

»Marco! Eins nach dem anderen«, mahnte Liro.

»Zu den Dämonen und den anderen Geschöpfen der dunklen Traumdimension kommen wir später. Deine Mitschüler wirst du in wenigen Augenblicken kennenlernen. Sie warten bereits in der Empfangshalle auf dich, du bist der letzte in der Runde. Das Symbol, das du gesehen hast, ist das Wappen unserer Schule«, erklärte Liro, während die beiden durch den imposanten Innenhof gingen, der von weißen steinernen Tribünen umgeben war, vorbei an prächtigen Blumen und farbenfrohen Pflanzen, die den gesamten Innenhof zierten. Marco staunte, als er die Farbenpracht sah, und fühlte sich auf Anhieb sehr wohl.

»Wunderschön, diese Blumen überall. Was für eine Farbenpracht«, sagte Marco.

»Gefallen sie dir? Sie sind mein Werk. Ich liebe Blumen über alles«, sagte Liro stolz.

»Sieh nur, es sind meine Lieblingsblumen: Rosen, Orchideen und Hibiskus, allesamt aus den verschiedensten Regionen der Welt vereint an einem Ort«, schwärmte Liro. »Einige von ihnen sind meine eigene Kreation und die Blüten verändern ihre Farbe, je nachdem wie ich gelaunt bin.«

»Rote Rosen und weiße Orchideen, das sind doch die Lieblingsblumen von Mama«, dachte sich Marco. Doch bevor er 29

seinen Gedanken zu Ende denken konnte, wurde er wieder von Liro unterbrochen.

»Weiß ist die Farbe des Neuanfangs und Rot ist die Farbe der …«, sagte Liro. »Liebe«, ergänzte Marco. »Exakt«, sagte Liro.

»Bist du etwa verliebt?«, fragte Marco forsch.

»Meine Liebe gilt all den neuen Schülern, die wir dieses Jahr willkommen heißen«, schwärmte Liro fröhlich.

»Übrigens, bevor ich es vergesse, vor den anderen Schülern sprichst du mich bitte mit ›Frau De Sol‹ an.«

»Alles klar, Frau De Sol«, sagte Marco grinsend.

Am Ende des Innenhofs angelangt standen Marco und Frau De Sol vor einem imposanten weißen Gebäude, in das eine riesige hölzerne Tür führte, die sich in diesem Moment öffnete, als plötzlich eine zarte weibliche Stimme erklang: »Ah, das muss der letzte Neuzugang sein . Bitte treten Sie ein.«

Als Liro und Marco die Tür passierten, bemerkte Marco, dass er statt seines Dinosaurierschlafanzugs nun eine schwarze Schuluniform und bequeme Sneaker trug. Er gelangte in einen prachtvollen Raum, der mit einem aufwendig gestalteten Mosaikparkettboden und dutzenden alten Gemälden und Vitrinen mit antiken Gegenständen an den Wänden ausgestattet war. Die Decke war mit einer riesigen Deckenmalerei verziert. Prächtige goldene Kerzenhalter, die frei im Raum zu schweben schienen, verbreiteten ein angenehm warmes Licht. An den Seiten konnte man rote Sitzbänke sehen, auf denen einige Jungen und Mädchen in der gleichen Uniform, wie Marco sie trug, saßen. Doch bevor Marco die Gesichter genauer betrachten konnte, erklang wieder die zarte weibliche Stimme und seine Aufmerksamkeit wandte sich ihr zu.

»Willkommen in Heavensfort.«

Vor Marco befand sich eine zierliche Frau mit blasser Haut, schwarzen lockigen Haaren, mit großen freundlichen braunen Augen.

Sie trug dieselbe Uniform wie Liro De Sol, nur hatte sie auf ihrer Uniform statt der Sonne ein Mondsymbol aufgenäht.

»Ich heiße Sina Deluna und unterrichte die Fächer Traumdeutung, Geschichte und Dämonologie.«

»Sina? Seit wann hältst du denn die Begrüßungsrede, wo ist denn

…?«, fragte Liro. »Ich weiß nicht, dabei hatte ich ihn noch darauf hingewiesen, pünktlich zu Bett zu gehen«, klagte Sina, als plötzlich die Tür aufging und ein eisiger Wind hereinwehte.

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6. Schulleiter Gerd Heavensfort

Im Eingangsbereich des Saals wurde es plötzlich still, während eine gewaltige Schneelawine zur Tür hereinrollte.

Auf der Lawine liefen sechs Huskys, die einen Hundeschlitten zogen.

Darauf befand sich ein älterer Mann, der einen bronzefarbenen Schneeanzug trug, während auf seinem Gesicht ein breites Grinsen zu sehen war.

Alle im Raum waren erstarrt. Ein paar der Neuzugänge froren und schlangen sich die Arme um ihren Körper, denn der Raum wurde eiskalt.

»WILLKOMMEN IN HEAVENSFORT!«, brüllte der Mann auf dem Schlitten.

Der Schnee, der Schlitten und die Hunde verschwanden, der bronzefarbene Schneeanzug verwandelte sich in einen schwarzen Smoking. Zu seinem eleganten Auftreten wirkte der Mann äußerst charismatisch und strahlte eine ungeheure Präsenz aus.

»Guten Tag, mein Name ist Gerd Heavensfort, Schulleiter der 31

Heavensfort-Schule des Träumens und der Bildung.

Ich freue mich, euch Neuzugänge in der heutigen Nacht des 12 September 2002 hier begrüßen zu dürfen. Ihr habt bestimmt einige Fragen an uns. Die Fragen, die sich unsere Neuzugänge erfahrungsgemäß als Erstes stellen, beantworte ich vorab.

Zunächst einmal werdet ihr euch fragen: ›Was ist das für ein Ort?‹ Wir befinden uns hier in der Heavensfort-Schule des Träumens und der Bildung. Unsere Schule liegt in einer eigenen, speziell für die Schule erschaffenen 2000 Jahre alten Traumdimension, die nur durch Einladung erreicht werden kann.

›Wieso bin ich eigentlich hier?‹

Ihr bringt alle die idealen Voraussetzungen mit, um euch unserer Aufnahmeprüfung zu stellen. Die Aufnahmeprüfung ist ein wichtiger Schritt zur Erlangung der Fähigkeit der bewussten Traumwahrnehmung.

Falls ihr die Aufnahmeprüfung erfolgreich absolviert, werden wir euch in die Kunst des Träumens einführen, damit ihr anschließend die Grundlagen des bewussten Träumens erlernt. Falls nicht, dazu kommen wir später … 

›Wann wach ich wohl aus diesem Traum auf ?‹

Ihr werdet erst nach Ende der Einweihungszeremonie wieder erwachen.«

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7. Die Lehrerschaft

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»Als Nächstes möchte ich euch unser erlesenes Lehrerteam vorstellen.

Frau Liro De Sol kennt ihr bereits, da sie euch alle hierhergeführt hat. Sie ist meine Stellvertreterin und zudem eine äußerst talentierte Lehrerin. Ihr Fachgebiet sind Beschwörungszauber, Transformationsmagie und das Training der Traumwesen, der sogenannten Dreammonster kurz Dreamon.

Daher werdet ihr in ihrem Unterricht alles Notwendige über die verschiedenen Dreamonarten der Traumwelt lernen. Lasst euch gesagt sein, dass es sinnlos ist, in ihrem Unterricht Unfug anzustellen: Ihre Augen und Ohren sind wirklich überall, das werdet ihr noch früh genug merken.«

»Gerd! Ähm, ich meine natürlich Herr Heavensfort! Sie übertreiben!

Die Kinder bekommen noch Angst vor mir«, sagte Frau De Sol.

Herr Heavensfort lachte und setzte seine Rede fort

»Als Nächstes stelle ich euch ebenfalls eine ganz besondere Lehrerin vor. Ich bitte um Applaus für Frau Sina Deluna . Frau Deluna unterrichtet Traumdeutung, Traumpsychologie, Kriminologie, Geschichte und Dämonologie. Lasst euch von ihrem zierlichen Äußeren nicht täuschen. Sie verfügt über außergewöhnliche Fähigkeiten und ihr Wissen ist schier grenzenlos.

Ihr werdet mit ihr einen tiefen Einblick in eure Psyche erhalten und eure Stärken und Schwächen kennenlernen.«

»Vielen Dank für die netten Worte! Ich freue mich schon sehr darauf, euch unterrichten zu dürfen«, sagte Frau Deluna.

»Liebe Neuzugänge, ich bitte um eure Aufmerksamkeit. Herr Horisen, bitte kommen Sie doch zu mir«, sagte Herr Heavensfort.

Herr Horisen war ein großer, korpulenter Mann mit zotteligen, fettigen, dunkelbraunen, schulterlangen Haaren und dunkelbraunen Augen, dessen Gesichtszüge freundlich und warm wirkten.

Er trug einen eleganten, etwas verstaubten Anzug mit Heavensfort-Wappen und Martial-Arts-Symbol auf der gegenüberliegenden Seite sowie ein weißes Hemd, bei dem ein paar Knöpfe offen waren. An seinem Handgelenk befand sich eine außergewöhnliche Stahlarmbanduhr mit dunklem Zifferblatt, auf dem ebenfalls das Symbol der Heavensfort-Schule zu sehen war. Als Marco den Mann sah, fiel ihm sofort die Ähnlichkeit zu einem Bekannten seiner Mutter namens Hubert Hovarth auf, der gelegentlich bei den Sommerfesten zu Besuch war, die seine Mutter veranstaltete, und der zudem Besitzer eines Antiquitätengeschäfts war.

»Darf ich vorstellen, eines unserer treuesten und längsten Mitglieder der Lehrerschaft: Ich bitte um Aufmerksamkeit für Herrn Hubert Horisen. Herr Horisen arbeitet bereits seit mehreren Jahren als Dämonenjäger und ist daher immer abrufbereit und ständig in 34

Kontakt mit der Gesellschaft der internationalen Dämonenbekämpfung, kurz G. I. D. Nun übergebe ich Ihnen das Wort, Herr Horisen.«

»Guten Tag, werte Neuzugänge! Ich bin sehr erfreut, euch alle kennenzulernen und euch mein Wissen weitergeben zu dürfen«, sagte Herr Horisen, der Marco dabei einen freundlichen Blick zuwarf.

»Mein Spezialgebiet ist die Analyse von schweren Verbrechen, die Verfolgung und Bekämpfung von Geschöpfen der Unterwelt, der Umgang mit jeglicher Art von Waffen und die Beherrschung einer Vielfalt von Kampfkünsten.

Die meisten schweren Verbrechen heutzutage, die von Menschen ausgeführt wurden, lassen sich darauf zurückführen, dass der Mensch vorher in der Traumwelt Kontakt mit einem Dämon hatte. Menschen, die eigentlich friedlicher Natur sind, werden nachts, während sie träumen, von Dämonen heimgesucht, die sich ihre Opfer in der Traumwelt aussuchen. Sie beobachten ihr Opfer eine Weile und manipulieren es so weit, dass es seinen negativen Emotionen verfällt. Der Dämon ernährt sich dann anschließend von der negativen Energie, die von der Seele des Menschen freigesetzt wird. Dabei werden Dämonen besonders von sensiblen Personen angezogen, da diese leicht manipulierbar sind.

Um diese Verbrechen aufzuklären, werden Dämonenjäger eingesetzt, die über das nötige Wissen und trainierte Fähigkeiten verfügen, um Dämonen zu finden und zu bekämpfen. Das Studium der Kampfkünste und der Athletik ist von hoher Bedeutung, vor allem wenn man sich später als Dämonenjäger betätigen möchte. Ihr lernt sowohl euch selbst als auch andere in gefährlichen Situationen zu schützen, was euch für euer Leben von großem Nutzen sein wird, denn da draußen warten viele Gefahren und Abenteuer, die zu bewältigen sind«, erklärte Herr Horisen in enthusiastischem Tonfall. Die Kinder waren von Herrn Horisen und seiner Rede nachhaltig beeindruckt.

»Vielen Dank für Ihre Worte! Als Nächstes kommen wir zu einer ganz besonderen, bezaubernden Dame, die ich euch gerne vorstellen würde: unserer werten Frau Linda Jardim«, sagte der Schulleiter.

»Frau Jardim, kommen Sie doch bitte kurz vor zu mir.«

Frau Jardim war eine attraktive Frau mittleren Alters, von schlanker Statur, mit hellbraunem gelockten Haar, leichtem Teint, Sommersprossen und dunklen Rehaugen, die eine offenherzige Aura ausstrahlte. Wie die anderen Lehrerinnen trug sie einen schwarzen Rock zur Heavensfort-Uniform. Sie war jedoch die Einzige, die ein florales Oberteil trug, während auf ihrer Brust gegenüber dem 35

Heavensfort-Wappen ein Symbol mit einem Pflanzensteckling zu sehen war und ein goldener Medaillonanhänger mit dem gleichen Symbol ihr Dekolleté zierte.

»Unsere werte Frau Jardim wird euch in die Pflanzenwelt der Traumwelt einführen und wird dabei stets auf eure Sicherheit achten«, sagte der Schulleiter.

»Guten Tag, liebe Neuzugänge! Mein Name ist Linda Jardim und ich freue mich, euch bald unterrichten zu dürfen. In meinem Unterricht werde ich euch in die Welt der Traumbotanik und der Zaubertränke einführen«, sagte Frau Jardim mit einem Lächeln.

»Vielen Dank Frau Jardim, als Nächstes kommen wir zu einem unserer längsten und treuesten Mitglieder im Lehrerstab, unserem guten Herrn Gianni Volero.«

Herr Volero war ein mittelgroßer Mann mit schwarzen und grau melierten Haaren und dunkelbraunen, geheimnisvollen Augen. Er hatte einen blassen Teint und markante Gesichtszüge und trug einen schwarzen Anzug, auf dem neben dem Heavensfort-Wappen ein weiteres silbernes Symbol aufgenäht war, das zwei ineinander hängende Flügel darstellte. Sein Erscheinungsbild war insgesamt sehr düster und deshalb wirkt er auf viele der anwesenden Neuzugänge einschüchternd.

»Guten Tag, mein Name ist Herr Volero. Ich bin euer Lehrer für die anspruchsvollsten Fächer in Heavensfort: Aerodynamik und Fluglehre«, sagte Herr Volero mit ernster Miene.

Die Menge verstummte plötzlich und hörte Herrn Volero aufmerksam und gespannt zu.

»In meinem Unterricht werdet ihr die Disziplin des Fliegens erlernen, welche die schwierigste Disziplin des Träumens darstellt. Mein Unterricht ist sicher nichts für schwache Nerven. Bei der kleinsten Unaufmerksamkeit werdet ihr sofort aufwachen und das war es dann mit dem Unterricht für die Nacht. Nur diejenigen, die ihre Ängste überwinden, werden das Fliegen vollständig erlernen und beherrschen«, sagte Herr Volero.

»Vielen Dank, mein lieber Gianni. Von ihm werdet ihr sicher noch viel lernen, also passt gut auf in seinem Unterricht. Er ist ein wahrer Meister seines Handwerks.

Als Nächstes kommen wir zu einer weiteren bezaubernden Dame: Frau Santos, kommen Sie doch bitte kurz zu mir.«

Frau Santos, eine zierliche Frau mit schwarzen Haaren und schönen dunkelbraunen Augen, näherte sich Herrn Heavensfort. Ihre 36

Bewegungen waren anmutig und fast schon schwebend, was ihrer sympathischen warmen Erscheinung eine passende Note verlieh.

Wie die anderen Lehrerinnen trug sie eine schwarze Heavensfort-Uniform, bestehend aus eleganter Bluse und elegantem Rock. Ihre Nase war mit einer schwarzen eleganten Brille bedeckt, und ihre langen schwarzen Haare waren zu einem Zopf zusammengeflochten.

In ihrer rechten Hand befand sich ein Lederhandbuch, auf dem ein Handsymbol zu sehen war, das Frau Santos ebenfalls auf ihrer Uniform trug.

»Frau Santos ist eine außerordentlich kompetente und begabte Lehrkraft. Sie hat an der portugiesischen Traumschule ›Escolha Saint Fatima‹ promoviert, welche unsere Partnerschule auf der portugiesischen Insel Madeira ist. Aus dieser Schule sind in Vergangenheit erstklassige Dämonenjäger hervorgegangen.

Frau Santos unterrichtet außerdem bereits seit einigen Jahren hier an Heavensfort mit großem Erfolg. Wer es also weit bringen möchte, passt gut auf in ihrem Unterricht. Und nun überlasse ich Ihnen das Wort, Frau Santos.«

Frau Santos begrüßte die Anwesenden mit einem warmen Lächeln.

»Guten Tag, mein Name ist Angela Santos. Ich freue mich, eure Bekanntschaft zu machen«, sagte Frau Santos, mit einer rauen, dunklen, aber dennoch melodischen Stimme, die so gar nicht zu ihrem äußeren Erscheinungsbild passte. Dabei sprach sie in einem derartig schnellen Tempo, dass ein paar der Anwesenden genau hinhören mussten, um sie zu verstehen.

»Meine Aufgabe wird es sein, euch in den Künsten der Angriffs- und Verteidigungsmagie zu unterrichten. Ihr werdet lernen, euch selbst und andere mit elementarer Magie gegen feindliche Angriffe zu schützen.

Meine Leidenschaft für die Magie begleitet mich schon, seit ich angefangen habe, bewusst zu träumen, und sie lässt mich seitdem auch nicht mehr los. Ich verbringe viel Zeit in der großen Heavensfort-Bibliothek, lerne ständig neue Zaubersprüche und freue mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich einen neuen Zauber meistere.

Feuerschrift entfache!«, sagte Frau Santos. Daraufhin erschien vor den Kindern in flammenden Schriftzeichen eine Nachricht:

»Ich freue mich auf den Unterricht mit euch!«

Die Kinder machten riesige Augen und zeigten allesamt Begeisterung in ihren Gesichtern.

Der Zauber brannte noch eine Weile, bis die Flammen langsam erloschen.

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»Vielen Dank für die nette Ansprache und die Darbietung Ihrer Fähigkeiten. Was anderes hätte ich von Ihnen auch nicht erwartet, Frau Santos.

Frau De Mer, als Nächstes sind Sie an der Reihe, kommen Sie doch bitte zu mir.«

Eine junge Frau mit offenen, dunkelbraunen Haaren, strahlend blauen Augen und kirschblütenfarbenen Wangen machte sich auf den Weg zu Herrn Heavensfort. Sie war überdurchschnittlich groß, athletisch gebaut und trug als einzige eine königsblaue Heavensfort-Uniform mit Meeresmotiv, auf der zudem ein blaues tropfenförmiges Symbol aufgenäht war, während an ihrem Hals ein markanter meeresblauer Aquamarintropfenanhänger zu sehen war.

»Frau De Mer ist seit diesem Jahr meine Assistenz im Haus des Wassers.

Sie ist eine hochbegabte und äußerst engagierte junge Lehrerin, die eine glänzende Zukunft vor sich hat. Frau De Mer! Bitte erzählen Sie doch kurz etwas zu Ihrer Person.«

»Guten Tag, mein Name ist Margit De Mer. Ich habe letztes Jahr meinen Abschluss an der Heavensfort-Schule absolviert. Meine Themengebiete sind die Hydrologie und die Meeresbiologie. Ich freue mich, dass ich dieses Jahr Herrn Heavensfort assistieren darf, und es ist mir eine Ehre, euch unterrichten zu dürfen.«

»Vielen Dank, Frau De Mer. Als Nächstes möchte ich euch nun unser ältestes und am längsten aktives Mitglied des Lehrstuhls vorstellen: Professor Theodor Schattenstein. Professor Theodor Schattenstein?«, rief Herr Heavensfort wiederholt und sah sich im Saal um.

»Herr Heavensfort! Müssen Sie schon wieder über mein Alter herziehen«, grummelte eine dunkle, kratzige Stimme am anderen Ende des Saals.

»Ah, Professor Schattenstein, da stecken Sie also.«

Der Schulleiter blickte in die Richtung, aus der die kratzige Stimme erklang.

»Natürlich! Eine solche besondere Nacht lasse ich mir doch nicht entgehen!«

Aus einer dunklen Ecke des Saals trat eine elegant gekleidete Person mit einem auffälligen silbrig weissen Lockenkopf und freundlichen walnussbraunen Augen hervor, die sich als Professor Schattenstein entpuppte.

Die äußere Erscheinung von Professor Schattenstein war sehr gepflegt und entsprach der eines älteren Gentlemans. Er war in einen 38

edlen schwarzen Anzug gekleidet, der das Wappen der Heavensfort-Schule sowie ein Blitzsymbol aufgenäht hatte. Darunter trug er ein weißes Hemd mit edler silberner Seidenkrawatte, die mit einem auffälligen Blitzmuster bestickt war. Es waren goldene Manschettenknöpfe an seinen Manschetten und an seinem Frack goldene Frackknöpfe angebracht, an denen eine goldene Kette befestigt war, die in seine rechte Fracktasche verlief.

Professor Schattenstein betrachtete die Neuzugänge genau, und als sich sein Blick auf Marco richtete, hielt er kurz inne, während sich auf seinem grimmigen Gesicht ein dezentes Lächeln zeigte.

»Welch fabelhaftes Bild unsere diesjährigen Neuzugänge darbieten. Mein Name ist Professor Dr. Theodor Schattenstein. Es freut mich, eure Bekanntschaft zu machen. Euch allen muss wahrscheinlich schon Hören und Sehen vergehen«, sagte der Professor und lachte herzhaft.

»Ich erinnere mich gerne an meine erste Nacht in Heavensfort. Als wäre es gestern gewesen, weiß ich noch genau, wie ich das erste Mal einen Schritt in dieses imposante Schloss gesetzt habe und wie mich diese faszinierende Traumwelt direkt in ihren Bann gezogen hat.«

»Professor Schattenstein, diese alten Kamellen sind inzwischen ein Fall für das Museum. Erzählen Sie den Kindern zur Abwechslung mal etwas Spannendes während der Einweihungszeremonie. Jedes Jahr dieselbe Leier«, hörte man den Schulleiter sagen.

»Herr Heavensfort, ich darf doch sehr bitten!«, entgegnete Professor Schattenstein.

»Also Kinder, meine erste Nacht in Heavensfort war eine unvergesslich schöne Nacht«, fuhr der Professor fort.

»Wir waren damals kaum grüner hinter den Ohren als ihr heute. Mein erster Blick auf das Schloss hat sich bis heute in mein Erinnerungsvermögen gebrannt. Der damalige Portalwächter«, überlegte der Professor, »wie war noch gleich sein Name?«

»Herr Heavensfort! Wie ich mich recht erinnere, wurden Sie doch auch vom vorherigen Portalwächter hierhergeführt, als Sie ein junger Knabe waren.

Sein Name war Albert Humphrey«, sagte der Schulleiter.

»Ach ja, stimmt, der gute, alte Albert …«, murmelte Professor Schattenstein.

»Er sah zwar nicht ganz so bezaubernd aus wie unsere liebe Liro, ähm, ich meine natürliche Frau De Sol, aber er hat seine Aufgabe in jeder Hinsicht erfüllt und meine erste Nacht hier unvergesslich werden lassen.

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Ihr werdet dieses Schloss kennen und lieben lernen, so wie ich damals. Es erwarten euch Prüfungen und Aufgaben, die euch an eure mentalen und physischen Grenzen bringen werden. Unsere Welt steckt voller Mysterien, die es zu entdecken und zu erforschen gilt. Meine Aufgabe als euer Professor ist es, euch mit den notwendigen Fertigkeiten auszustatten, um euch so gut wie möglich auf das bewusste Träumen vorzubereiten.

Meine Themengebiete sind die allgemeinen Prinzipien der Traummechanik, die Elektrizitätslehre und das Herstellen von Trauminstrumenten.

Es ist anfangs sicherlich keine leichte Aufgabe, da es für den menschlichen Verstand nur schwer vorstellbar ist, in zwei Welten gleichzeitig zu koexistieren«, sagte Professor Schattenstein, während die Menge plötzlich ganz still wurde und die Köpfe einiger Kinder buchstäblich anfingen zu rauchen.

»Es wird euch viel abverlangt und ihr werdet viel lernen müssen.

Eines kann ich euch versprechen, dass dies kein Zuckerschlecken sein wird«, sagte der Professor mit ernster Miene, während die Kinder anfingen, herzhaft zu lachen.

»Was finden Sie daran bitte so amüsant?«, fragte Professor Schattenstein. Vor den Kindern waren plötzlich Berge von Zuckerwatte aufgetaucht. Die Kindern fingen sie mit ihren Händen ein und begannen nun damit, sie zu verschlingen. »Ah, wie ich sehe, war das bestimmt Ihr Werk, Frau Jardim«, sagte Professor Schattenstein, der Frau Jardim einen scharfen Blick zuwarf. »Ach, Herr Professor«, antwortete Frau Jardim mit gelassener Stimme. »Seien Sie doch nicht immer so ein Griesgram. Die Kleinen haben heute ihre erste Nacht bei uns und Sie verderben ihnen den ganzen Spaß mit Ihrer ernsten Willkommensrede.«

»Wenn Sie meinen«, grummelte Professor Schattenstein.

»Nun gut, mehr zu dem Thema erfahrt ihr dann ausführlich in meinem Unterricht«, fügte der Professor seiner Rede abschließend hinzu.Die Kinder schienen die Zuckerwatte geradezu zu verschlingen und einige von ihnen hatten die Gesichter voll mit Zuckerwatteresten. Als plötzlich Gerd Heavensforts Stimme erklang, verschwand die Zuckerwatte und die Aufmerksamkeit aller richtete sich auf den Schulleiter.

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8. Die Neuzugänge

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»Liebe Neuzugänge, die Lehrerschaft wurde nun vollständig vorgestellt.

Hier in Heavensfort erwartet euch in den folgenden fünf Jahren eine Grundausbildung, die euch auf das bewusste Träumen vorbereiten wird. Ihr werdet einige Prüfungen bestehen müssen.

Es erwartet euch gleich zu Beginn eine Aufnahmeprüfung, in der wir euer Können auf die Probe stellen werden. Diese Aufnahmeprüfung ist wichtig, um zu erkennen, ob ihr auch wirklich dafür geeignet seid, für das, was euch in den kommenden fünf Jahren erwartet. Es ist möglich, dass einige von euch diese Aufnahmeprüfung nicht erfolgreich abschließen werden. Falls ihr nicht besteht, werdet ihr euch in der darauffolgenden Nacht an nichts erinnern können und euer Leben wird weiterhin wie gewohnt ablaufen. Es steht euch frei, zu entscheiden, ob ihr mehr über das bewusste Träumen erlernen oder ob ihr lieber weiter wie bisher leben wollt. Falls ihr euch unsicher seid, ob ihr die Anforderungen der Heavensfort-Schule erfüllen könnt, dann teilt dies morgen bei eurer Rückkehr in die Traumwelt vor eurer Aufnahmeprüfung unserer Portalwächterin Frau De Sol mit und ihr werdet alles, was ihr über die Schule wisst, vergessen.«

»Was für eine Art von Aufnahmeprüfung ist das denn?«, fragte ein Junge mit blonden Haaren und Brille.

»Ich werde auf eure Fragen sofort eingehen, aber bevor ich das tue

… oh, wie ich sehe, habt ihr alle noch keine Namensschilder!«

»Einen Augenblick, das haben wir gleich«, sagte Frau Deluna.

»Appare Namensschilder!« Die Kinder standen alle in einer Reihe vor Herrn Heavensfort. Auf ihren Heavensfort-Schuluniformen erschienen plötzlich parallel zu dem Heavensfort-Wappen goldene Namensschilder mit den jeweiligen Namen.

»Ich bitte euch, der Reihe nach eure Namen vorzulesen«, sagte Herr Heavensfort.

Der Junge, der an erster Stelle stand, hatte mittellange blonde Haare und trug eine markante Brille. Er betrachtete sein Namensschild und las es laut vor: »Anton Solveig!«

Neben Anton stand ein Junge mit schwarzem Topfhaarschnitt und grünen Augen, der als Nächster dran war, sein Namensschild laut vorzulesen.

»Benjamin Reager!«, sagte der Junge mit dem Topfhaarschnitt.

Danach trat ein Junge mit kastanienbraunen Augen und aschblonden mittellangen Haaren vor und las sein Namensschild vor.

»Florian Valentine!«, sagte der Junge.

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Florian war ein wenig größer als Benjamin und hatte eine sehr athletische Erscheinung. Als Marco die zwei Namen hörte, sah er sich verwundert um.

»Moment mal, die beiden kenne ich doch«, dachte sich Marco, der in diesem Moment auf seine beiden vermeintlichen Bekannten zugehen wollte. Da wurde er direkt vom Schulleiter angesprochen. »Nun bist du dran! Lies deinen Namen laut vor«, sagte Gerd Heavensfort.

»Marco Lino! – Marco Lino? Dieser Name, so nannte mich doch immer …«

Marco erinnerte sich an den alten Freund seiner Mutter, der dem Schulleiter zum Verwechseln ähnlich war und der ihn bis heute immer wieder Marco Lino nannte, wenn er ihn sah.

Der Grund war ihm zuerst nicht bekannt. Als er seine Mutter eines Tages fragte, antwortete sie ihm: »›Marco Lino‹ heißt auf Deutsch ›kleiner Marco‹.«

»Warum nennt mich Gerd so?«, fragte er seine Mutter.

Sie lachte und antwortete ihm: »So ist er einfach. Wenn er jemanden mag, dann zeigt er es mit einem besonderen Spitznamen. Dich hat er besonders in sein Herz geschlossen. Außerdem ist sein Spitzname ›Gerdtolino‹, ihr tragt also beide den gleichen Spitznamen.«

Marco erinnerte sich an die Gemeinsamkeit zurück und freute sich, diesen Namen zu lesen, woraufhin auf seiner rechten Brust das Schild anfing, kräftig zu leuchten.

»Abgefahren! Warum leuchtet dein Schild plötzlich?«, fragte ein Junge mit dunkelbraunen glatten Haaren und dunklen mandelförmigen Augen.

Auch die Lehrer und der Schulleiter blickten auf das hell leuchtende Namensschild auf Marcos Brust.

»Keine Ahnung, wieso das auf einmal leuchtet. Ich kann es mir offen gesagt nicht erklären. Was es damit wohl auf sich hat?«, fragte sich Marco, während er seine Hand vorsichtig an sein Namensschild heranführte, als plötzlich Frau Jardims Stimme ertönte:

»Marco! Vorsicht! Dein Schild könnte heiß sein und du könntest dich daran verbrennen.«

»Lass ihn ruhig«, sagte Gerd Heavensfort.

Die Lehrer und die Schüler schauten gespannt, wie Marco das leuchtende Namensschild berührte. Doch als er es mit seinen Fingerspitzen erreichte, spürte er, dass es sich nicht heiß, sondern angenehm warm anfühlte.

»Alles gut, es ist nicht heiß«, antwortete Marco.

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»Unser Neuzugang hat anscheinend soeben seinen ersten Zauber vollbracht«, sagte der Schulleiter.

Die Kinder waren von dem leuchtenden Namensschild so fasziniert, dass sie es sich aus der Nähe ansahen.

»Nun gut, fahren wir mit den restlichen Namensschildern fort«, sagte der Schulleiter.

Einer der Neuankömmlinge, die gerade das Namensschild von Marco bewunderten, las von seinem Namensschild ab: »Oliver Vatani.«

Oliver Vatani hatte mittellanges, schwarzes glattes Haar und dunkelbraune, mandelförmige Augen. Er war von mittlerer Statur und hatte einen athletischen Körperbau. Außerdem wirkte er etwas zurückhaltender als die anderen Jungen, strahlte jedoch eine mysteriöse Selbstsicherheit aus.

Als Marco den Jungen sah, fiel ihm auf, dass er ihn schon einmal gesehen hatte. Er konnte sich jedoch nicht erinnern, wo das war.

Neben Oliver stand ein Junge mit leichtem Teint, dunkelbraunem Topfhaarschnitt, dunkelbraunen freundlichen Augen und breitem Grinsen. Sein Erscheinungsbild strotze vor Energie und er strahlte eine enorme Gelassenheit aus, und da er der Kleinste in der Runde war, war auch seine Statur etwas schmaler als die der anderen Jungen.

Auch er las sein Namensschild vor: »Burak Kaplan.«

Als Marco den Namen des Jungen hörte, sah er den Jungen verblüfft an und dachte: »Wahnsinn, das sind fast alles meine Freunde aus der Vergangenheit, etwas stimmt hier doch nicht.«

»Hey Burak!«, rief Marco.

Burak wandte sich nach rechts zu Marco und antwortete mit fröhlicher Stimme: »Hey Marco! Ich dachte doch gleich, dass mir deine Stimme bekannt vorkommt.«

»Ich bitte um Ruhe und Aufmerksamkeit, ihr habt nachher genug Zeit, um euch auszutauschen. Wir müssen mit unserem Terminplan fortfahren, sonst wacht ihr auf, bevor wir euch erklären können, was euch morgen Nacht bei der Aufnahmeprüfung erwartet«, mahnte der Schulleiter.

»Schon morgen?«, jammerte eine Jungenstimme.

»Die zweite Nacht ist traditionell die Nacht der Aufnahmeprüfung in Heavensfort«, erklärte der Schulleiter.

»Wir sind fast durch mit dem männlichen Teil der Neuzugänge, zwei fehlen noch, dann kommt der weibliche Teil und anschließend werde 44

ich euch alles genau erklären. So, lies du doch bitte dein Namensschild vor!«, sagte der Schulleiter zu dem Jungen, der eben noch gejammert hatte.

»Lukas Wolf .«

Lukas war größer als die anderen Jungen vor ihm, seine Statur jedoch war etwas schmaler. Sein mittellanges blondes zotteliges Haar fiel über sein linkes Auge, sodass man nur in seinem rechten Auge seine intensiv blauen Augen sehen konnte. Er hatte sich bis jetzt im Hintergrund gehalten und wirkte daher eher zurückhaltend.

Marco zögerte, als er Luke sah, da Luke oft Sticheleien gegenüber Marco gemacht und oft die Klasse gegen ihn aufgehetzt hatte, obwohl die beiden Jungen viele gemeinsame Interessen hatten wie Biologie als Lieblingsfach und Basketball und Fußball spielen. Doch gerade weil die beiden sich im Biologieunterricht so gut auskannten, wollte jeder von ihnen sich gegenüber dem anderen beweisen und keiner von ihnen gönnte dem anderen einen Erfolg, da sie insgeheim Rivalen waren.

Gerade als Benny, Flo und Marco ihren Klassenkameraden begrüßen wollten, erklang auch schon die Stimme des Schulleiters.

Ein schüchtern wirkender Junge mit dunkelblonden kurzen Haaren, hagerem Gesicht und auffallend schönen dunkelgrünen Augen trat hervor.

»Marcel Redley«, sagte er mit ruhiger Stimme.

Marcel war etwa so groß wie Florian, doch war er deutlich schlanker.

Sein Erscheinungsbild wirkte gepflegt und er hatte schöne markante Gesichtszüge. Als Burak Marcels Namen hörte, sah er zu ihm und nickte ihm zu, da die beiden Klassenkameraden waren, auch Marco, Flo und Benny erkannten Marcel, da sie ihn öfter auf dem Pausenhof gesehen hatten. Dort war er als zurückhaltender Einzelgänger bekannt, der lieber für sich blieb.

Als Nächstes war ein gut aussehender hochgewachsener Junge mit schönen Gesichtszügen an der Reihe, der Größte in der Runde.

Sein Erscheinungsbild wirkte sehr gepflegt, seine hellbraunen Haare waren mit Gel gestylt und seine Körperhaltung wirkte sehr selbstbewusst, während er sein Namensschild vorlas.

»Maximilian Leo«, sagte der Junge.

»Zu guter Letzt kommen wir zu dir«, sagte der Schulleiter und zeigte mit seiner Hand auf einen hageren Jungen mit grinsender Miene, auffallend großen, geheimnisvollen dunkelgrünen Augen und fast schwarzen, etwas zerzausten Haaren, der nun sein Schild vorlas.

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»Thomas Lockmann.«

Thomas war etwas kleiner als Max und Luke und hatte einen schmalen Körperbau. Sein selbstbewusstes, reifes Auftreten wirkte auf die anderen Neuankömmlinge etwas einschüchternd.

Als Marco, Flo, Benny und Luke den Namen hörten, warfen sie sich ein paar fragende Blicke zu, während allen der gleiche Gedanke durch den Kopf ging, und zwar dass es sich bei Thomas um den Jungen handelte, der vor ein paar Wochen zu ihnen in die Klasse gekommen war, da er das Schuljahr wiederholen musste, und ständig für Unruhe sorgte. Auch Marcel Redley erkannte Thomas, da die beiden Nachbarn und Freunde waren, doch blieb er ruhig und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Schulleiter, der nun wieder die Stimme erhob. »Vielen Dank, das war es dann wohl mit den männlichen Kandidaten. Kommen wir nun zu unseren bezaubernden weiblichen Neuzugängen«, sagte Herr Heavensfort und wandte sich zu den Mädchen, die in einer Reihe neben den Jungen standen und aufmerksam dem Schulleiter lauschten.

»Fangen wir doch gleich mit dir an, junges Fräulein«, sagte Herr Heavensfort, während er seinen Blick und seine Hand auf ein schüchtern wirkendes blondes Mädchen richtete.

»Helena Weinberg«, sagte sie mit ruhiger Stimme.

Helena hatte ein sportliches Erscheinungsbild. Sie hatte schöne, strahlend blaue Augen, auffallend dichte Augenbrauen und ihr blondes Haar war als Pony frisiert.

»Helena Weinberg?«, dachte sich Marco, während er sich an seine Freundin aus dem Kindergarten erinnerte. Sie war damals weggezogen, und er hatte nie wieder etwas von ihr gehört. Marco sah Burak an und sagte zu ihm: »Hey, die kennen wir doch.«

»Stimmt, sie ist doch damals in eine andere Stadt gezogen«, antwortete Burak.

»Ihr beide schon wieder, ich bitte um Ruhe«, mahnte der Schulleiter erneut.

»Herr Heavensfort, wir müssen uns etwas beeilen. Der nächste Tag steht bereits vor der Tür«, sagte Professor Schattenstein, der einen Blick auf seine goldene Taschenuhr geworfen hatte.

»Ich bin mir diesbezüglich bewusst, also gut, wir müssen uns etwas beeilen«, sagte Gerd Heavensfort. »Als Nächstes kommen wir zu dir. Lies du doch bitte dein Namensschild vor.«

»Elia Vatani.« Elia hatte auffallend schöne, offene, dunkelbraune, lange Haare, mandelförmige dunkelbraune Augen und ein hübsches Gesicht. Ihre Haut war blass und sie wirkte zierlich und klein im 46

Vergleich zu Helena.

»Damit sind wohl alle Vatani-Geschwister vollzählig«, sagte der Schulleiter.

»Alle Vatani-Geschwister? Geht unser großer Bruder Kajo auch hier zur Schule?«, fragte Elia.

»Stimmt, ist Kajo auch hier?«, fragte Oli.

»Euer großer Bruder ist auch hier und absolviert bereits sein drittes Jahr hier in Heavensfort.«

»Er hat uns nie davon erzählt«, sagte Oliver.

»Das konnte er auch aufgrund der Wachbewusstseinshemmung nicht. Genauere Details werden wir gleich im Anschluss erläutern«, sagte Gerd Heavensfort.

»Nun kommen wir zu dir. Lies doch bitte dein Namensschild vor.«

»Jessica Forster.«