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Marketingstrategien effektiv entwickeln Sie wollen in die dynamische Welt des Marketings und der marktorientierten Unternehmensführung eintauchen – dann ist dieses Buch ideal für Sie. Es bietet Praxiseinblicke und lässt Neues, wie Künstliche Intelligenz, Chatbots, Metaverse und Virtual Reality, nicht außer Acht. Es führt in die Grundlagen der Marketingtheorie und des Nachfragerverhaltens ein. Zudem stellt es das Informationsmanagement vor und zeigt so die Möglichkeiten der Analyse von Nachfragetrends und Konkurrenzbedingungen auf. Es beleuchtet außerdem die Produktpolitik, Preisgestaltung, Vertriebs- und Distributionsstrategien sowie Kommunikationspolitik wissenschaftlich. Die 9. Auflage ist weit mehr als ein Lehrbuch, denn es bereitet Studierende und Führungskräfte optimal auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vor. Das sagt Alexander Burger, Head of Marketing & Brand von RECUP – Deutschlands größtem Mehrwegsystem, zu diesem Buch: Die digitale Transformation schafft gerade für die Bereiche Marketing und Vertrieb kontinuierlich und auf Höchsttouren neue Chancen. Diese gilt es systematisch zu erkennen, zu prüfen und zu bewerten. Ein wissenschaftlich fundiertes Vorgehen ist dabei unabdingbar. Die neunte Auflage von „Marketing – strategisch analysieren und marktorientiert umsetzen“ vermittelt sehr anschaulich wichtige Herangehensweisen, wie Unternehmen die aktuellen Fragestellungen beantworten können. Aufgrund der geschickten Verknüpfung von theoretisch fundierten Inhalten mit praktischen Beispielen bietet das Lehrbuch von Roland Helm und Herbert Endres dem Leser einen sehr großen Mehrwert und aktuelle Einblicke in die Entwicklungen des Marketings und Vertriebs.
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Seitenzahl: 633
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Roland Helm / Herbert Endres
Marketing
strategisch analysieren und marktorientiert umsetzen
UVK Verlag · München
Univ.-Prof. Dr. Roland Helm, Dipl.-Kfm., EMBS, ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaft, insb. Strategisches Industriegütermarketing an der Universität Regensburg.
PD Dr. Herbert Endres, Dipl.-Kfm., MBA (USA), ist Privatdozent am Institut für Betriebswirtschaft der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Regensburg.
Umschlagabbildung: © Bussarin Rinchumrus · iStock
Autorenbild Helm: © privat
Autorenbild Endres: © privat
9., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2024
8., völlig neu bearbeitete Auflage 2009
7., völlig überarbeitete Auflage 2003
6., überarbeitete Auflage 1996
5., überarbeitete Auflage 1994
4., durchgesehene Auflage 1991
3., überarbeitete Auflage 1990
2., überarbeitete und stark erweiterte Auflage 1987
1. Auflage 1980
DOI: https://doi.org/10.36198/9783838558660
© UVK Verlag 2024— ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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Internet: www.narr.deeMail: [email protected]
Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung
utb-Nr. 919
ISBN 978-3-8252-5866-5 (Print)
ISBN 978-3-8463-5866-5 (ePub)
Die digitale Transformation schafft gerade für die Bereiche Marketing und Vertrieb kontinuierlich und auf Höchsttouren neue Chancen. Diese gilt es systematisch zu erkennen, zu prüfen und zu bewerten. Ein wissenschaftlich fundiertes Vorgehen ist dabei unabdingbar. Die neunte Auflage von Marketing – strategisch analysieren und marktorientiert umsetzen vermittelt sehr anschaulich wichtige Herangehensweisen, wie Unternehmen die aktuellen Fragestellungen beantworten können. Aufgrund der geschickten Verknüpfung von theoretisch fundierten Inhalten mit praktischen Beispielen bietet das Lehrbuch von Roland Helm und Herbert Endres dem Leser einen sehr großen Mehrwert und aktuelle Einblicke in die Entwicklungen des Marketings und Vertriebs.
Alexander Burger
Head of Marketing & Brand von RECUPRECUP
– Deutschlands größtem Mehrwegsystem
Das Buch führt in die Analyse- und Planungsprobleme des Marketings ein, weswegen es nicht auf einen spezifischen Wirtschaftsbereich fokussiert, sondern eine allgemeine Sicht anstrebt. Die Verhältnisse von Konsumgüterherstellern stehen zwar im Vordergrund, dies ist letztlich allein dadurch bedingt, dass diese Unternehmen – insbesondere die großen Markenartikelhersteller – auch heute noch über das am weitesten entwickelte Instrumentarium des Marketings verfügen. Weiterhin tangieren diese Unternehmen die Lebensbereiche jedes Lesers, was die Nachvollziehbarkeit erleichtert.
Jedoch haben Investitionsgüter- und Handelsunternehmen in den vergangenen Jahren das moderne Marketing und seine Möglichkeiten entdeckt, doch wurde in diesen Branchen bis heute noch nicht überall derselbe Entwicklungsstand wie im Ursprungsgebiet des Marketings erreicht. Es stellt somit keine Missachtung der teils anders gelagerten Verhältnisse vor allem des Investitionsgüter- oder Handelsbereichs dar, wenn bei den Betrachtungen bisweilen die Verhältnisse der Produktionsunternehmen von Konsumgütern unterstellt werden; wichtige Besonderheiten anderer Wirtschaftsbereiche werden zumeist aufgezeigt.
Der erste Autor dieses Buches war Franz Böcker, der bis 1991 Inhaber des Lehrstuhls für Marketing an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Regensburg war. Als sein Alumnus hat Roland Helm vor etlichen Jahren sein Buch übernehmen dürfen, was nun mit einem weiteren Koautor fortgesetzt wird. Die bedeutendsten Veränderungen wurden in der vorliegenden neunten Auflage vorgenommen, indem noch stringentere Verbindungen zwischen Analyse, strategischer Planung und operativer Umsetzung hergestellt sowie einige aktuelle Erweiterungen im (erweiterten) Marketing-Mix hinzugefügt wurden.
Zudem wurden die Fortschritte, die die Forschung gemacht hat, in diese Auflage integriert. Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen haben wir auch die Beispiele aus der Praxis aktualisiert. Außerdem wurden in die aktualisierte Auflage zahlreiche neue Aspekte aufgenommen. Darunter fallen: Künstliche Intelligenz, Chatbot-Marketing, Predictive Analytics, Marketing Analytics, Marketing-Intelligence-Systeme, Customer-Experience-Management, Customer Journey, Microtargeting, Dynamic Capabilities, Marketing Automation, E-Commerce, Mobile-Marketing, Innovation-Marketing, Digital Innovation Champions, Neuromarketing, E-Mail-Newsletter-Marketing, Website-Marketing, Suchmaschinenoptimierung (SEO), Content-Marketing, Inbound-Marketing, Onlinewerbung, Suchmaschinenwerbung, Buzz-Marketing, Affiliate-Marketing, Social-Media-Marketing, Influencer-Marketing und Metaverse sowie Virtual-Reality-Marketing.
Die Kombination des Lehrbuchs mit dem Arbeitsbuch bietet Studierenden wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge eine kompakte Lehr- und Lerneinheit, die eine Kontrolle des erworbenen Wissens ermöglicht und Einblick in mögliche praktische Anwendungen gibt. Außerdem sind die wissenschaftlich fundierten Strategien, Methoden und Instrumente dieses Buches für alle Manager relevant, die ihr Unternehmen marktorientiert ausrichten möchten.
Zu danken ist an dieser Stelle allen Wissenschaftlichen Mitarbeitern des Lehrstuhls für Strategisches Industriegütermarketing, da sie mit ihren Verbesserungsvorschlägen eine wirkliche Hilfe geleistet haben.
Regensburg, im Februar 2024
Roland Helm, Herbert Endres
Genderhinweis | Die Autoren verzichten auf verkürzte Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinneren und verwenden in der Regel das generische Maskulinum.
Im Verlauf des ersten Kapitels wird die Notwendigkeit einer adäquaten Systematik sowie einer wissenschaftlichen informationsbasierten Fundierung von absatzorientierten Entscheidungen ersichtlich. Dies fördert die Transparenz der letztendlich gewählten Vorgehensweise. Systematik und adäquate Fundierung der Entscheidungsfindung im Marketing bilden jedoch den Ausgangspunkt eines weiteren Problems: das Problem der Zeit!
Diejenigen, die im Bereich Marketing tätig sind, stellen mitunter fest, dass derjenige, der über fundiertes Wissen und entsprechende Methodenkenntnisse verfügt, gegenüber einem Anderen, der ein Gespür für den Markt hat und mit Engagement bei der Sache ist, nicht grundsätzlich im Vorteil ist. Dies ist vor allem dann zu beobachten, wenn Ersterer zu lange analysiert und zu spät entscheidet.
Dabei fehlt es – auch im Marketing – vielfach nicht an Gebieten, auf denen man mittels seiner „Intuition“ relativ schnell an seine Grenzen stößt. Nicht nur deswegen ist es natürlich schwierig, den Beitrag eines systematischen Vorgehens zu quantifizieren.
Allerdings muss auch vor der beliebten Nachahmung von erfolgreichen „Vollblutunternehmern“ gewarnt werden, denn deren Erfolgsrezept ist in den allermeisten Fällen erstens nicht vollständig bekannt und zweitens aufgrund anderer Rahmenbedingungen nicht multiplizierbar. Vor allem fehlt es bei der Bewertung der eigenen Situation an den Beispielen derer, denen ihre Sache zum selben Zeitpunkt nicht gelang, die deshalb unbekannt geblieben sind. Es dürfte somit nachvollziehbar sein, dass „Erfolgsstories“ mit der notwendigen Vorsicht zu interpretieren sind. Das wiederum spricht für eine wissenschaftlich fundierte systematische Vorgehensweise im Marketing. Wo liegen aber die Grenzen einer systematischen Vorgehensweise? Die Problematik soll nachfolgend an einem Beispiel illustriert werden.
Das Dilemma beginnt schon bei der Frage, ob ein Problem vorliegt. Wie bewertet jemand starke und schwache Signale des Marktes oder aus dem eigenen Unternehmen? Wann besteht Veranlassung, zu handeln? Und ist das, was für den Kern der Sache gehalten wird, wirklich das Problem? Ein Beispiel dazu:
Beispiel | Von der Marktforschungsabteilung erfahren wir, dass unsere Produkte von den Kunden zwar als ganz gut, aber überteuert eingestuft werden. Wo liegt das Problem? Denkbar sind folgende Möglichkeiten:
Die Marktforschung irrt sich. Ihre Befunde sind nicht valide. Wir verfügen über kein zutreffendes Bild der Lage. Es muss eine neue Studie erstellt werden.
Unsere Produkte sind tatsächlich teurer als andere, aber nicht ohne Grund. Wir bieten mehr Qualität, Extras, Informationen, Service, Garantie usw., was der Öffentlichkeit in geeigneter Form zu vermitteln wäre.
Unser Angebot ist wirklich zu teuer, weil unsere (Stück-)Gewinne zu hoch sind.
Unsere Preise liegen über denen der Wettbewerber, aber wir erwirtschaften kaum noch unsere Kosten, so dass wir unsere Preise nicht senken können, ohne in beträchtlichem Ausmaß Leistungen abzubauen oder die Produktivität zu erhöhen.
Oft wäre es erfreulich, wenn wir nur genau wüssten, was wir wollen. Es liegt uns daran, unsere Umsätze zu erhöhen, die Marktposition auszubauen, ein erstklassiges Image in der Öffentlichkeit zu genießen, am Jahresende in der Bilanz stolze Gewinne auszuweisen usw. Aber leider können wir nicht alles auf einmal erlangen. Manche Ziele stehen im Widerstreit miteinander. Beispielsweise kann man oftmals kurzfristig Marktanteile hinzugewinnen, wenn man Wettbewerber unterbietet, doch beeinträchtigt dies fast immer den Gewinn. Oder: Hohe Lieferbereitschaft erfreut die Kunden, doch geht diese zu Lasten der Logistikkosten.
Sobald wir das Problem erkannt und die komplexe Zielsetzung auf ein ganz bestimmtes Anliegen reduziert haben, beginnt die eigentliche Analysephase. Dazu Modellbenötigt man ein Modell als Planungsgrundlage. Dies ist ein gedankliches, graphisches oder mathematisches vereinfachtes Abbild jenes Ausschnitts der Realität, für den wir uns interessieren. Verdeutlichen wir wiederum an einem Exempel, worum es geht:
Beispiel | Unser Unternehmen verliert bei einem Produkt kontinuierlich an Marktanteil, ohne dass wir eine Erklärung dafür haben. Wüssten wir warum, könnten wir die Bestimmungsgrößen des Marktanteils unter Umständen zu unseren Gunsten beeinflussen. Was aber sind die (wichtigen) Determinanten? Liegt es an den Kunden, den Konkurrenten, an der unzulänglichen Weise, wie wir Marketing betreiben? Haben wir an alles Wichtige gedacht? Wie viele Einflussfaktoren können wir in diesem Modell verarbeiten? Zu wie vielen lassen sich aus finanziellen oder aus praktischen Gründen überhaupt Informationen beschaffen?
Um diese Fragen auf fundierte Weise auch nur annähernd beantworten zu können, benötigen wir Informationen, deren Beschaffung mit finanziellem und zeitlichem Aufwand verbunden ist. Dass dieser Aufgabe auch praktische Grenzen gesetzt sind, verdeutlicht folgende Variante unseres Exempels:
Beispiel | Die Vermutung scheint begründet, dass unsere Marketingkonzeption nicht mehr passt, was das Absinken des Marktanteils erklären würde. Wir könnten nun unser Produkt selbst, den Preis, den Vertriebsweg und die Schwerpunkte in der Kommunikation in jeweils bis zu zehn Details verändern. Allein in diesem, noch viel zu klein angelegten Fall gäbe es 10.000 theoretische Möglichkeiten, die einzelnen Optionen miteinander zu verknüpfen. Welche davon ist aber die beste?
Da wir Vergleichbares in der Vergangenheit nicht versucht haben, müssen wir, um dies herauszufinden, einen Markttest durchführen. Auch wenn die mathematische Statistik vielfältige Tricks entwickelt hat, um die Testsituation zu vereinfachen und die Anzahl der zu prüfenden Konstellationen auf drastische Weise zu verringern, lässt sich nur ein Bruchteil der Möglichkeiten durchspielen.
Die meisten der im Marketing verwendeten Variablen müssen erst operationalisiert, d.h. messbar gemacht werden. Wenn wir wissen wollen, wie viele Fahrzeuge eine Straße an einer bestimmten Stelle in einem genau definierten Zeitraum passieren, gibt es nicht viel zu „messen“, zählen genügt. Ungleich schwieriger ist es, so genannte theoretische Konstrukte wie „Zufriedenheit mit dem Produkt“, „Image des Produkts“ oder „Wertewandel der Konsumenten“ und deren Einfluss auf das Kaufverhalten methodisch in den Griff zu bekommen und korrekt zu messen. Ein großer Teil der Marketingforschung ist deshalb im Grunde Messtheorie, d. h. unter anderem auch die Bestimmung Indikatorgeeigneter Indikatoren.
Sind diese Teilaspekte einer Klärung zugeführt, stellt sich die nächste Frage, in welcher Weise die abhängige (endogene) Variable „Marktanteil“ mit den zu ihrer Erklärung herangezogenen, als unabhängig (exogen) verstandenen Faktoren verknüpft werden soll. Die Beziehung könnte linear oder nichtlinear, additiv oder multiplikativ, statisch oder dynamisch, einfach oder komplex verzögert sein usw. Dabei sind die als unabhängig deklarierten Bestimmungsgrößen, was eigentlich unabdingbar ist, keineswegs unabhängig voneinander, vielmehr hat man mit dem Phänomen der Interkorrelation zu kämpfen.
Vollends verfangen in der Interdependenz ist unser Fall, wenn wir realistischerweise davon ausgehen, dass nicht nur Qualität, Preis, Werbung usw. den Marktanteil beeinflussen, sondern dieser umgekehrt auch das Preisgebaren prägt: Je höher der erreichte Marktanteil ist, desto mehr nähern wir uns der Position eines Monopolisten. Dieser kann bekanntlich seinen Preis autonom festlegen, wobei in der Praxis aus vielen Gründen vermieden wird, den Bogen zu überspannen. Damit sind wir, methodisch gesprochen, bei zirkulären Beziehungen und Mehrgleichungssystemen angelangt, die rechentechnisch nicht so ohne Weiteres zu bewältigen sind.
Haben wir trotz all dieser Teilprobleme das Modell in einer bestimmten Weise spezifiziert, sind wir immer noch nicht am Ziel. Ein solches Gebilde enthält auch eine Reihe von Koeffizienten, die, wie es in der Sprache der Statistik heißt, geschätzt werden müssen. Dabei sollten diese ebenso wie das Gesamtergebnis statistisch signifikant, d. h. über fast jeden Zweifel erhaben sein.
Bei weitem nicht alle Funktionen können analytisch bewältigt werden, was zwangsläufig zu Vereinfachungen führt oder zur (Computer-)Simulation greifen lässt. Und was schließlich als Ergebnis herauskommt, unterliegt, was der nächste Abschnitt zeigt, einem zweifachen Vorbehalt, der Angemessenheit eines doppelten induktiven Schlusses.
In Forschung und Praxis des Marketings werden zumeist Daten verarbeitet, die auf Stichprobenbasis gewonnen wurden. Insofern hängt die Qualität eines Befundes erstens davon ab, dass es gelungen ist, eine unverzerrte, d. h. für die Grundgesamtheit repräsentative Stichprobe zu ziehen. Dies ist in der Praxis fast nie zu schaffen.
Zweitens verkörpern Daten bei ihrer Verarbeitung bereits Geschichte. Damit kommt das Prognoseproblem zum Tragen. Wenn also unseren Erkenntnissen irgendwelche Aussagekraft für die Zukunft zukommen soll, müssen wir nicht nur mit vielerlei Prognosetechniken vertraut und zu ihrem Einsatz bereit sein, sondern auch davon ausgehen können, dass sich die Verhältnisse, die unser Modell widerspiegelt, und die Bedingungen, unter denen sie gewonnen wurden, einstweilen nicht ändern.
Haben MarketingImplementierungwir nach all den aufgezeigten Schwierigkeiten doch noch eine Lösung für unser Problem gefunden, d. h. wir wissen, wie wir unseren Marktanteil stabilisieren oder sogar steigern können, und wollen wir nunmehr die nötigen Maßnahmen ergreifen, stellt sich die so genannte Implementierungsproblematik. Dies bedeutet, dass die Verwirklichung der als richtig oder sogar als optimal erachteten, analytisch gewonnenen Lösung mit vielfältigen Schwierigkeiten verbunden ist. Wenn damit größere Veränderungen gegenüber dem Gewohnten oder dem Althergebrachten verbunden sind, kommt Widerstand von allen Seiten. Dieses Problem der Umsetzung einer Strategie wird vielfach in der Literatur und in der Praxis betont (vgl. Kreikebaum et al., 2018).
Dem Wandel im Wege stehende, lange andauernde Bindungen lassen sich nicht leicht lösen – culture eats strategy for breakfast. Viele Betroffene, insbesondere Mitarbeiter, stellen sich quer. Es kommt zu Störungen bei der technischen Umsetzung. Man entdeckt, dass man bedeutsame Aspekte außer Acht gelassen hat, und ist zur Modifikation des Konzepts oft bis hin zu seiner Verwässerung gezwungen. Weiterhin kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Betroffenen an einem Strang und gar noch in dieselbe Richtung ziehen.
Markterfolg bedingt Intransparenz und asymmetrischen Informationsstand. Würde jeder über dasselbe Wissen verfügen, könnte keiner mehr einen Vorsprung vor dem Anderen erlangen. Die zentrale Antriebsfeder, nämlich der Anreiz, der darin liegt, den Konkurrenten einen Schritt voraus zu sein und dadurch Vorteile für sich selbst zu erlangen, wäre dahin. Aber auch wenn Wissen jedermann zugänglich ist, bedeutet dies noch lange nicht, dass sich jeder bemüht, daran teilzuhaben, und, wenn schon, den darin für ihn liegenden Nutzen angemessen zu würdigen weiß.
Es scheint also, dass der auf diesem Gebiet tätige Forscher den Marketingmanager immer nur einen Teil des Weges begleiten kann, ganz abgesehen davon, dass er für ihn nicht neue Produkte entwickeln, allenfalls den Anstoß dazu geben kann, danach zu suchen.
Der Marketingmanager muss demnach einen branchenbezogenen Informationsvorsprung („Intuition“) haben, der letztendlich Zeit spart. Nichtsdestotrotz müssen Methoden und Instrumente für einzelne zu klärende Fragen – trotz Marktgespür – bei im Marketing Tätigen vorhanden sein, um die Lücken zu schließen, die trotz Intuition offengeblieben sind. Gleichzeitig ist damit auch einsichtig, dass die Kenntnisse, die in diesem Buch vermittelt werden, mit weiterem branchen- oder unternehmensspezifischem Wissen zur Entfaltung kommen müssen, um eine sinnvolle Anwendung zu erfahren.
In folgender Fallstudie werden vor diesem Hintergrund mehr erzählerisch und unter Rückgriff auf noch nicht definierte Termini typische Probleme im Marketingbereich eines Unternehmens – unabhängig davon, ob es sich um sog. B2B- oder B2C-Unternehmen handelt, dargestellt und Lösungswege diskutiert.
Fallstudie | Vor etlichen Jahren wurde in Passau die Jado GmbH von dem Chemiker Dr. Rudi Dohm und dem Betriebswirt Harald Jaus gegründet und bald darauf ebenfalls in Passau die Produktion aufgenommen. Das Produktionsprogramm bestand vorwiegend aus einfachen kosmetischen Präparaten wie Badezusätzen, Hautcremes, Lidschattenstiften, Lippenstiften und verschiedenen Arten von Eau de Toilette bzw. Rasierwasser. Die Belegschaft wuchs bereits in kurzer Zeit auf 16 Mitarbeiter an. Die Produkte der Jado GmbH gehen zum größten Teil über die Handelskette und einige freie Großhändler an Drogerien im Stuttgarter Raum und im Rhein-Ruhr-Gebiet. Die Jado-Erzeugnisse wurden vorwiegend als Handelsmarken verkauft und rundeten in den meisten Einzelhandelsgeschäften das Sortiment hinsichtlich des Preises und der Qualität nach unten ab.
Zu Beginn des Jahres waren langwierige Laborversuche mit einem neuen Produkt aus dem Bereich Rasierwasser abgeschlossen worden, deren Ergebnisse ein nach Meinung der Unternehmensleitung hochwertiges neues Aftershave-Rasierwasser war. Bei einer Reihe vergleichender Tests, bei denen Proben unterschiedlicher Rasierwasser getestet wurden, bestätigten Fachleute dem neuen Jado-Produkt hervorragende Eigenschaften, wie etwa Hautschonung, aseptische Wirkung und einen angenehm herben, nachhaltigen Duft. Angesichts der günstigen Kostensituation des Unternehmens wäre man in der Lage, das Produkt im Vergleich zu anderen Marken des Produktbereichs relativ preiswert anzubieten. Dem Produkt wurde der Name Flair gegeben und man ließ umgehend einige Musterpackungen für Präsentationszwecke erstellen.
Da man sich von dem neuen Produkt einen spürbaren Umsatzanstieg erhoffte, bemühte sich Herr Jaus selbst um den Absatz des Produktes und suchte daher zunächst die bisherigen Hauptabnehmer auf. Sowohl bei einer Drogeriekette als auch bei den freien Großhändlern zeigte man sich nur wenig interessiert, da man die Sortimente in dem ehedem überbesetzten Markt hochpreisiger Rasierwassermarken nicht noch weiter aufblähen wollte und im Übrigen kaum an den Erfolg von Flair glaubte.
Mit gedämpftem Optimismus nahm Herr Jaus Mitte des Jahres Kontakt mit der Verbrauchermarktgruppe KupaKupa auf. Anders als im Drogeriemarktbereich zeigte man sich hier dem Angebot gegenüber sehr aufgeschlossen und orderte zunächst einige Proben für Testzwecke. Bei günstigem Verlauf der Tests und ausreichender Abverkaufsunterstützung durch die Jado GmbH wollte man die Abnahme einer größeren Menge ins Auge fassen und gegebenenfalls das neue Rasierwasser auch in die Orderliste aufnehmen. Die Produkttests verliefen äußerst positiv und auch hinsichtlich der Modalitäten der Abnahme zeichnete sich ein für Jado vergleichsweise günstiges Ergebnis ab. Für den ersten Liefervertrag war ein Volumen von 80.000 Flaschen vorgesehen, das in vier Lieferungen an ausgewählte Verbrauchermärkte der Kupa-Gruppe geliefert werden sollte.
Bald nach Beginn der Verhandlungen mit der Verbrauchermarktgruppe hatte Herr Jaus auch Kontakte zu einem renommierten Spezialversandhaus für Geschenkartikel aufgenommen, das eine Ausweitung seines Angebotes in den Bereich der Kosmetika hinein erwog. Die mit dem Spezialversandhaus diskutierten Konditionen erschienen der Geschäftsleitung der Jado GmbH akzeptabel, eine Aufnahme in den Sommerkatalog des Versandhauses des nächsten Jahres lag damit im Bereich des Möglichen. Bei einer Aufnahme in den Sommerkatalog wäre mit einem Auftragsvolumen von zunächst ca. 30.000 Flaschen zu rechnen. Würde Flair im kommenden Sommer eine vom Auftraggeber fest vorgegebene Umsatzschwelle überschreiten, was Herr Jaus für realisierbar hielt, würde man Flair auch in die folgenden Kataloge aufnehmen. Sollte die Umsatzschwelle nicht erreicht werden, müssten die bis Oktober des Folgejahres verbliebenen Restbestände von Jado zum Einkaufspreis zurückgenommen werden.
Herr Jaus und Herr Dr. Dohm standen damit vor der Aufgabe, relativ zügig Entscheidungen über die künftige Gestaltung des Absatzbereichs des Unternehmens zu fällen, wobei sie insofern vergleichsweise wenig Beschränkungen zu berücksichtigen hatten, als seitens der Produktion die diskutierten Mengen ohne Investitionen zur Verfügung gestellt werden konnten und die solide finanzielle Grundlage der Jado GmbH sowohl eine Aufnahme der Produktion und des Vertriebs als auch deren Unterlassung zuließ. Die Entscheidung war für die Jado GmbH allerdings insofern von weit reichender Bedeutung, als man mit Hilfe von Flair in die oberen Preis- und Qualitätsstufen eindringen wollte. Zugleich wollte man aber auch die freien Kapazitäten sinnvoll auslasten.
Der Fall Jado GmbH ist geeignet, einige typische Probleme von Unternehmen im Konsumgüterbereich zu beleuchten, die jedoch abstrakt betrachtet ebenso in Unternehmen des Industriegüterbereichs anzutreffen sind. Es wird im Folgenden allerdings keine vollständige Problemanalyse im Sinne eines typischen Marketing-Audit (vgl. dazu Kapitel 3; McDonald, 2008, S. 113ff.) angestrebt.
Die Ausgangssituation ist insbesondere durch folgende Tatbestände charakterisiert:
Jado ist ein mittelständisches Unternehmen mit Produkten der mittleren und unteren Preisklassen. Die finanziellen Ressourcen sind dementsprechend begrenzt.
Die Produkte werden an eine relativ geringe Zahl von Wiederverkäufern veräußert.
Auf dem Markt der Endabnehmer, d. h. der Konsumenten, ist Jado nicht aktiv.
Jado tritt am Endabnehmermarkt nur schwach in Erscheinung, da ihre Produkte zum großen Teil unter anderem Namen als dem Firmennamen Jado verkauft werden.
Hinsichtlich des neuen Produktes existieren bisher lediglich Laborerfahrungen.
Im Einzelnen sind folgende Aspekte der bisherigen Vorgehensweise und Planungen zu diskutieren:
Bereits hinsichtlich der Beurteilung des Produktes selbst sind Zweifel an der Richtigkeit der Vorgehensweise der Verantwortlichen der Jado GmbH berechtigt. Zu sehr gehen diese offensichtlich davon aus, dass von günstigen Ergebnissen der Laborversuche auf eine entsprechende Akzeptanz bei den Konsumenten geschlossen werden kann. Maßgeblich für die Entscheidungen der Konsumenten sind aber nicht die objektiven Messwerte aus Laborversuchen, sondern allein das, was sie von den einzelnen Produkten halten. Die objektiven Gegebenheiten und das subjektiv geformte AbbildPerzeptiondavon können in mehrfacher Hinsicht voneinander abweichen:
Realität und subjektives Abbild können darin abweichen, dass die Einstufungen der Objekte hinsichtlich wichtiger Merkmale nicht übereinstimmen. So ist etwa keineswegs sicher, dass das labormäßig als herb eingestufte Produkt auch von den Konsumenten als herb beurteilt wird.
Realität und subjektives Abbild können auch darin, abweichen, dass die Beurteilungsdimensionen variieren. So wird in Laborversuchen in keiner Weise der Herkunftsort oder der Produktname berücksichtigt. Es ist aber wohl einsichtig, dass ein Rasierwasser, versehen mit dem Namen DIOR und der Firmensitzangabe Paris, der vermuteten Hauptstadt des Parfüms, anders eingestuft wird als ein solches mit dem Namen Flair und der Herkunftsbezeichnung Passau.
Es ist offensichtlich, dass die Unternehmensleitung bei dieser, im Unternehmen vermuteten Konstellation an Merkmalsbedeutungen, ohne eine adäquate Informationsgrundlage durch Marktforschung kaum eine sinnvolle Marketingkonzeption (→ Kapitel 3) implementieren kann. Die diesbezüglichen Anstrengungen gehen aufgrund der fehlenden Kundenkenntnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes „am Markt vorbei“.
Gerade im Kosmetikbereich wird man solche Komponenten der Produktausstattung zweifellos nicht vernachlässigen dürfen. Ein unbekannter Produktname (Flair) und eine unbekannte Unternehmung (Jado GmbH) erzeugen bei den meisten Konsumenten kaum den Eindruck hoher Qualität, die dem Produkt nach den Laborversuchen offenbar zukommt. Als Qualitätszeichen sind neben Produkt- und Unternehmensnamen auch die Verpackung zu nennen. Produkte, deren äußeres Erscheinungsbild keine Qualitätsvermutung erzeugt, werden ohne sonstige Kaufanreize kaum ein erstes Mal gekauft und haben damit auch nicht die Chance, dem potenziellen Käufer ihre „wahre“ Qualität zu verdeutlichen.
Analysiert man das Verhalten von Käufern kosmetischer Produkte, so tauchen unmittelbar noch andere gravierende Probleme für die Jado GmbH auf.
Vor allem wenn es um kosmetische Produkte für die Frau geht, besteht ohne Zweifel ein gewisses Bestreben, für verschiedene Anwendungen Produkte derselben Marke zu verwenden. Begründet liegt dieser Wunsch vor allem darin, eine einheitliche Duftnote zu verwenden. Diese Duftnote soll darüber hinaus der Vorstellung von der eigenen Persönlichkeit entsprechen, wobei auch hier regelmäßig von einer Harmonie der Parfümnote mit der „Persönlichkeit“ die Rede ist, in Wirklichkeit aber eine Harmonie der Parfümnote mit der vermuteten bzw. gewünschten „Persönlichkeit“ gemeint ist. Es bietet sich damit an, dem Angebot eines After-Shave-Produktes zumindest ein Pre-Shave-Produkt hinzuzufügen. Ein Produkt wie Flair nicht isoliert zu offerieren, gebietet allerdings nicht nur der Wunsch der Konsumenten nach einer Produktfamilie, sondern ergibt sich auch aus Gründen der Ersparnis beispielsweise von Werbekosten. Der Aufwand, um eine Marke oder Firma durch Werbung bekannt zu machen, ist kaum größer, wenn in diese Werbung eine größere Zahl zusammengehöriger Produkte eingeschlossen wird o. ä.
Die Geschäftsleitung beabsichtigt, mit Flair einen Zugang zu den oberen Preis-undQualitätsstufen zu gewinnen. Erscheint dies schon aufgrund der regionalen Herkunft des Produktes und aufgrund der fehlenden Einbindung in eine Produktfamilie kaum erreichbar, so wird es vollends illusorisch, wenn einer der derzeit diskutierten Vertriebswege beschritten wird. Geht man wiederum von plausiblen Verhaltensannahmen aus, so erscheint es kaum sinnvoll, ein Produkt, das von den Käufern als qualitativ hochwertig eingestuft werden soll, über Verbrauchermärkte zu vertreiben, die regelmäßig durch niedrige Preise den Markt zu erobern versuchen. Da die sonstigen Möglichkeiten, die Qualität eines Rasierwassers zu beurteilen, beschränkt sind, werden von den Konsumenten häufig zum einen der Name bzw. die Herkunftsbezeichnung und zum anderen der Preis bzw. die Verkaufsstätte als Qualitätsindikatoren herangezogen. „Teure“ Geschäfte verkaufen teure, d. h. qualitativ hochwertige Produkte und billige Geschäfte verkaufen billige, d. h. qualitativ weniger hochwertige Produkte, so kann vereinfacht der Gedankengang von manchen Konsumenten gekennzeichnet werden. Ob das Spezialversandhaus, das neben dem Verbrauchermarkt als Vertriebsweg zur Diskussion steht, als „teures“ oder „billiges“ Geschäft zu qualifizieren ist, soll hier offenbleiben. Zumindest hinsichtlich der Verbrauchermarktgruppe bestehen erhebliche Zweifel, ob es auf diese Weise möglich ist, Flair als hochwertiges Produkt am Markt zu etablieren.
Das Marketing der Jado GmbH verfolgt vorwiegend eine Ausrichtung auf den unmittelbar erzielbaren, d. h. kurzfristigen Absatzerfolg und bezieht nur am Rande die langfristigen Marktchancen ins Kalkül ein. Ein Indiz dafür ist die Vernachlässigung des Endverbrauchermarktes, was eine vollständige Abhängigkeit vom Handel zur Folge hat. Dem entspricht der Tatbestand, dass keine Überlegungen hinsichtlich der „Art“ und der speziellen Wünsche und Bedürfnisse der Abnehmer angestellt werden. Auf einem so konkurrenzintensiven Markt wie dem Kosmetikmarkt erscheint es wenig Erfolg versprechend, als unbedeutender Anbieter gewissermaßen den Gesamtmarkt in Angriff zu nehmen, da man Gefahr läuft,
zum einen nur Gelegenheitskäufer und keine Stammkäufer gewinnen zu können, wenn das Produkt auf keine spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten ist, und
zum anderen keine differenzierte Bearbeitung ausgewählter Konsumentengruppen bzw. Handelsgruppen vornehmen zu können, weil das notwendigerweise beschränkte Marketingbudget auf zu viele und zu unterschiedliche potenzielle Konsumenten bzw. Handelsunternehmen verteilt wird.
Den soeben skizzierten Gefahren kann nur dadurch begegnet werden, dass ein Teil des Marktes als Zielgruppe gewählt wird und alle marketingpolitischen Anstrengungen auf dieses Marktsegment konzentriert werden. Diese Strategie bietet die Möglichkeit, einerseits das Produkt selbst (Duftnote) und die Werbeaussage auf die Wünsche dieser Zielgruppe auszurichten und andererseits die Vertriebsanstrengungen und die Werbemittel (z. B. Social Media, Zeitschriften) so zu steuern, dass möglichst nur die Zielgruppe angesprochen wird. Gelingt es einem Unternehmen, seine Leistung einem Teil des Marktes als maßgeschneidert darzustellen, so kann das Unternehmen bei diesem Teil des Marktes eine relativ starke Position erlangen.
Insgesamt gesehen ermangelt es den Plänen im Marketing der Jado GmbH an einem einheitlichen Konzept, das seinen logischen Ausgang von vertrauenswürdigen Informationen über eine klar definierte Zielgruppe nimmt und die Anstrengungen am Letztverbrauchermarkt mit denen am Handelsmarkt sinnvoll miteinander kombiniert.
Als gravierendste Defizite des Marketings bei der Jado GmbH können damit festgehalten werden:
Fehlende (wissenschaftlich fundierte) Marktforschung und damit fehlende Orientierung an den Bedürfnissen der potenziellen Kunden.
Keine Kenntnisse hinsichtlich der Interaktivität verschiedener Marketinginstrumente.
Keine langfristig orientierte Strategie der Marktbearbeitung.
Die in der Praxis typischen Sachverhalte aus diesem Fallbeispiel werden nachfolgend im Einzelnen beleuchtet. Zur besseren Nachvollziehbarkeit wird das, worüber diskutiert werden soll, vorab inhaltlich klar bestimmt.
Bis vor einigen Jahrzehnten erforderte es bei vielen Unternehmen nur bescheidene Anstrengungen, um die produzierten Güter auch abzusetzen. Dennoch gab es natürlich auch Anbieter, die im Zeitverlauf immer weniger erfolgreich waren und schließlich vom Markt verschwanden (z. B. der Premium-Automobilhersteller Borgward). Scheinbar war demnach bei der Mehrzahl der Unternehmen ein aktives MarketingMarketing nicht notwendig, es beschränkte sich vielfach auf die werbliche Bekanntmachung und Verteilung des eigenen Angebots. Dies stellt so lange keine ernsthafte Herausforderung dar, wie die Nachfrage das Angebot übersteigt. Nichts anderes hat der Begriff MarketingMarketingursprünglich zum Ausdruck gebracht – Werbung und Verkauf. Fälschlicherweise wird teilweise auch heute noch das Marketing allein damit in Verbindung gebracht.
Diese Situation hat sich seitdem in den meisten Märkten von B2C- aber auch von B2B-Unternehmen drastisch verändert. Nicht mehr die Herstellung, sondern der Absatz der Sach- und Dienstleistungen bildet jetzt den Dreh- und Angelpunkt der Bemühungen. Heute müssen sich die Unternehmen in aller Regel bei gegebener Nachfrage um die potenziellen Kunden bemühen, die sich bei einem attraktiven Gesamtangebot für oder gegen den Konsum einer neuen Leistung bzw. die Investition in diese neue Leistung entscheiden und dabei gleichzeitig Einsparungen in anderen Konsum- bzw. Investitionsbereichen vornehmen müssen. Hier stellt dann nicht nur die Erstellung des innovativen Angebots, sondern auch dessen Marketing eine Herausforderung dar.
Mit dem beschriebenen Übergang ist man in zunehmendem Maße gezwungen, Märkte systematisch zu erschließen und zu pflegen. Der Verkäufermarkt von einst wurde vom Käufermarkt abgelöst.
Wissen | Mit dem Begriff Verkäufermarkt kennzeichnet man eine Marktsituation, bei der sich der Verkäufer in der verhandlungstaktisch besseren Position befindet, mit einem Käufermarkt aufgrund des Nachfrageengpasses die entgegengesetzte Konstellation.
Es entspricht allerdings keineswegs der Realität, wenn ein natürlicher Trend hin zum Käufermarkt postuliert wird. So haben beispielsweise Kartellabsprachen oder kriegerische Ereignisse den Erdölmarkt bisweilen in einen Verkäufermarkt zurückverwandelt. Auch bei bestimmten Handwerksdienstleistungen besteht in manchen Gebieten ein ausgeprägter Verkäufermarkt. Den zügigen Ausgleich verhindert in einem solchen Fall etwa die eingeschränkte Mobilität der Handwerker. Letztendlich ist aber heute das Marketing für einen Großteil der Unternehmen weit mehr als Werbung und Vertrieb.
Marketing ist deshalb immer mehr zu einem Schlagwort für eine gewisse Grundhaltung geworden. Dies lässt sich mit einer konsequenten Ausrichtung aller unmittelbar und mittelbar den Markt berührenden Entscheidungen an den Erfordernissen und Bedürfnissen der Verbraucher bzw. Bedarfsträger umschreiben (Marketing als Maxime). Man sieht sich dabei unablässig herausgefordert, sich auf den Nutzen, den eine Leistung den Abnehmern vermittelt, zu konzentrieren und ein Höchstmaß an Kundenzufriedenheit zu erreichen. Dies ist nicht nur eine Frage der Mentalität, der grundsätzlichen Einstellung gegenüber den Marktpartnern, sondern auch ein Ergebnis des gezielten Einsatzes von Instrumenten (Marketing als Mittel) und einer systematischen Entscheidungsfindung (Marketing als Methode), die bewusst auf Erkenntnisse von Nachbarwissenschaften (z. B. Psychologie, Soziologie und Volkswirtschaftslehre) zurückgreift und sich vielfältiger Hilfsmittel (z. B. Statistik, Kostenrechnung) bedient.
Allerdings ist es nicht bei der einseitigen Ausrichtung des Denkens und Handelns an den Belangen der Bedarfsträger (Kundenorientierung) geblieben. Ein Hersteller von Konsum- oder Produktionsgütern z. B., der sich des indirekten Absatzes bedient, muss sich mittlerweile mindestens ebenso stark um den Handel als Mittler zwischen Produktion und Konsumtion kümmern wie um die Endverbraucher. Der Akzent wird dabei von der Überlegung, welchen Nutzen er Letzteren stiftet, auf die Frage verlagert, weshalb ein Absatzmittler genau jenes Produkt in seinem Sortiment führen soll. Insofern ist eine klassische Front, an der Marketing betrieben wird, hinzugekommen. Damit verschärfte sich die Notwendigkeit einer integrativen Sichtweise. Von daher erscheint es verständlich, wenn Marketing heute schlechthin als Führungskonzeption verstanden werden muss.
Marketing MarketingDefinitionsollte daher alle Entscheidungen beinhalten, die primär die aktive Gestaltung der Absatzbedingungen eines Unternehmens zum Gegenstand haben und deren Realisation. Versteht man demnach Marketing vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Entwicklungen als absatzmarktorientierte Planung und Steuerung von Unternehmen, so lässt sich folgende Definition festhalten:
Wissen | MarketingMarketing ist ein ganzheitlicher Prozess im Unternehmen, der unter Berücksichtigung der Bedürfnisse aktueller und potenzieller Nachfrager sowie dem relevanten Konkurrenzangebot alle Aktivitäten systematisch und auf Marktinformationen basierend so ausrichtet, dass übergeordnete Unternehmensziele erreicht werden können.
Dies beinhaltet auf der Ebene des Leistungsangebots (Produkte und/oder Dienstleistungen) die Konzeption, Implementierung und Kontrolle eines Bündels von Produkt-Leistungsmerkmalen, Preisen und Konditionen, Vertriebs- und Distributionskanälen sowie Kommunikationsstrategien, um mit Nachfragern eine optimale KundenbeziehungKundenBeziehung aufbauen zu können.
Damit finden sich zwei, aufeinander abzustimmende Ebenen des Marketings:
Die erste Ebene umfasst die Gesamtplanung und -steuerung des Unternehmens („Was wollen wir tun?“) – und ist damit von konkreten Produkten bzw. Leistungen des Unternehmens relativ weit entfernt.
Die zweite Ebene beinhaltet die einzelnen Produkte bzw. Leistungen des Unternehmens und betrifft die Ausgestaltung der Inhalte der ersten Ebene („Wie wollen wir das tun?“).
Das Bestreben von Marketing betreibenden Organisationen kann – vereinfacht ausgedrückt – darin gesehen werden, den potenziellen Abnehmern ihrer Leistungen ein Angebot darzubieten, das zum einen dem der konkurrierenden Anbieter vorgezogen wird und das zum anderen dem Anbieter einen als ausreichend eingestuften Ertrag verspricht.
Marketing in diesem Sinne treiben sowohl die Hersteller von Konsumgütern und von Industriegütern als auch diejenigen Organisationen, die Dienstleistungen wie etwa Handels- oder Transportdienste, Ausbildungsdienste oder Bankdienstleistungen im Wettbewerb gegen Entgelt anbieten. Marketing treiben insofern auch soziale Dienste bzw. andere öffentliche (Non-Profit-)Organisationen, die prinzipiell mit Hilfe des erwerbswirtschaftlichen Prinzips gesteuert werden können.
Wenn im weiteren Verlauf der Darstellung zumeist implizit auf Unternehmen Bezug genommen wird, die Konsumgüter produzieren und vermarkten, so lediglich deshalb, weil diese Organisationen ihr Marketing zur vergleichsweise größten Reife entwickelt haben und somit im guten wie im schlechten Sinne als besonders ergiebige Erkenntnisobjekte einzustufen sind.
Schwerpunkte von Unternehmensstrategien auf verschiedenen Märkten | Quelle: Kramer 1987, S. 8.
In Abhängigkeit der Marktsituation ergeben sich für die Unternehmensführung unterschiedliche Kernprobleme sowie unterschiedliche Schwerpunktaufgaben, wie sie in → Darstellung 1.1 verdeutlicht sind.
Aufgrund der unterschiedlichen EngpasssituationenEngpassorientierungDominanz des Minimumfaktorsbeim Verkäufer- und beim Käufermarkt folgen aus der „Dominanz des Minimumsektors“ recht unterschiedliche Konsequenzen.
Wissen | Nach der Hypothese von der Dominanz des Minimumfaktors ist derjenige betriebliche Funktionsbereich als der das Gesamtsystem des Unternehmens bestimmende anzusehen, welcher der „schwächste“ (d. h. der Engpass) ist.
Der Minimumsektor wirkt auf die Gesamtplanung in Analogie zum so genannten Ausgleichsgesetz der PlanungAusgleichsgesetz der Planungvon Gutenberg (vgl. Schneider, 2001).
Wissen | Das Ausgleichsgesetz der Planung besagt, dass die Dominanz des Minimumfaktors kurzfristig das Einregulieren der Gesamtplanung auf den Engpass erfordert. Langfristig resultiert aus der Dominanz des Engpassfaktors das Bestreben, die betriebliche Planung disharmonisch voranzutreiben, d. h. den Engpassbereich vorrangig zu entwickeln.
Folgt man diesen Aussagen, so besteht im Käufermarkt in zweierlei Hinsicht ein Primat des Absatzbereiches: Zum einen formen kurzfristig die Absatzmöglichkeiten die übrigen betrieblichen Funktionsbereiche, zum anderen wird aus langfristiger Sicht vor allem versucht, die Absatzchancen kontinuierlich zu verbessern.
Damit ist klar, dass unter solchen Marktgegebenheiten die Marketingplanung nicht mehr am Ende der Planungsüberlegungen steht, sondern zum Ausgangspunkt der kurz- und langfristigen Unternehmensplanung werden muss. Unter solchen Umständen ist Marketingplanung nahezu identisch mit Gesamtunternehmensplanung. Man muss demnach eine systematische, zielgerichtete, am Absatzmarkt orientierte Gesamtunternehmenspolitik betreiben. Eine solche Zentrierung des Planungs- und Führungsverhaltens wird als marketingorientierte Unternehmensführung bezeichnet.
Ursprünglich war Marketing, wie beschrieben, mit einfacher Vermarktung gleichzusetzen. Darauf folgte eine Phase, die sich mit konsequenter Kundenorientierung kennzeichnen ließ. Diesem Ziel sollten sich alle Mitarbeiter eines Unternehmens, vom Vorstand bis zum Pförtner, quer durch alle betrieblichen Funktionen hindurch unterwerfen und verpflichtet fühlen. Es würde nicht angehen, wenn zwar die für den Absatz Verantwortlichen marktbezogen dächten und handelten, während Konstrukteure, Einkäufer, Arbeiter am Fließband etc. ganz verschiedene Vorstellungen davon entwickeln dürften, woran man sich zu orientieren habe.
In diesem Zusammenhang ist es für die Unternehmensleitung elementar zu realisieren, dass im Unternehmen nicht eine Stelle bzw. Abteilung oder Ähnliches existiert, die sich mit „dem“ Marketing beschäftigt; vielmehr ist das Unternehmen selbst als Marketingorganisation zu sehen. Parallel zu dieser Argumentation sind beispielsweise auch Personalfragen sinnvollerweise nicht ausschließlich in der Personalabteilung angesiedelt.
Dies hat zur Folge, dass der Marketinggedanke in alle Bereiche der betrieblichen Wertschöpfung einbezogen wird, eine vorhandene Marketingabteilung MarketingAbteilungMarketingorganisationdamit lediglich die diesbezüglichen Aktivitäten koordiniert. Empirische Studien zeigen die entsprechende Erfolgswirksamkeit dieser Überlegungen – in wenig dynamischen Märkten (vgl. Krohmer et al., 2002), in Bezug auf spezifische Marketingaspekte (vgl. Bauer et al., 2020; Endres et al., 2020a; Helm et al., 2020). In → Darstellung 1.2 sind diese Überlegungen zusammenfassend dargestellt.
Besonders zu beachten sind vor dem Hintergrund der in → Abschnitt 1.2 behandelten Fallstudie folgende Aspekte des Marketings, wobei die Funktionen der Produktion bzw. der Leistungserstellung, der Distribution bzw. des Handels, der Marktforschung sowie der Werbung nicht zwingend außerhalb des Unternehmens erbracht werden müssen:
Bestehende Informationsdefizite hinsichtlich verschiedener Vermarktungsaspekte von betrieblichen Leistungen werden durch die Marktforschung behoben. Diese liefert empirische Befunde zu den aufgeworfenen Fragestellungen.
Es werden Vorgaben zur adäquaten Kommunikation der Leistungen gemacht, die sich aus Positionierungsüberlegungen etc. ergeben haben. Werbeagenturen oder Ähnliches setzen diese so um, dass die anzusprechende Zielgruppe, d. h. die potenziellen Konsumenten im Marktsegment, die Vorzüge entsprechend den Marketingplanungen erkennen.
Einbindung des Marketings in den Wertschöpfungsprozess | Quelle: in Anlehnung an Dalrymple u. Parsons, 2000, S. 9.
Ideen kommen aus der Kenntnis der Konsumentenbedürfnisse (nachfrageinduzierte Innovationen) und werden innerhalb der F&E-Abteilungen in Produkte umgesetzt. Ideen kommen aber auch direkt aus dem F&E-Bereich (technologieinduzierte Innovationen).
Der Vertrieb des Unternehmens bekommt nicht das Produkt per se, sondern vielmehr ein absatzorientiertes Gesamtkonzept, das auf die Bedürfnisse der Konsumenten abgestimmt ist. Der Nutzen für den Kunden wird so ausgestaltet, dass man sich einerseits von der Konkurrenz abhebt und andererseits die Kundenwünsche berücksichtigt sind. Im Fall der Jado GmbH müssten beispielsweise ein geeigneter Markenname oder auch weitere Produkte aus dem Produktbereich „hinzugefügt“ werden.
Eine weitere Entwicklungsstufe sieht Marketing als eine Konzeption zur dauerhaften Bewältigung von Engpässen. Diese basiert auf dem Verständnis, dass weniger die Aneinanderreihung von einzelnen Transaktionen (mit einem Kunden), sondern vielmehr der Aufbau und die Pflege langfristiger und – durch verringerte Einzeltransaktionskosten der Akquisition, Verhandlung und Durchführung des Kaufakts – profitabler Austauschbeziehungen zum Kunden zu verfolgen ist. Diese Perspektive wird als Relationship-Marketing BeziehungsmarketingRelationship-Marketingbezeichnet (vgl. dazu Bruhn, 2022).
Es kommt jedoch auch vor, dass die Wettbewerbs- und Überlebensfähigkeit eines Unternehmens nicht nur vom Absatzmarkt abhängt. Die Restriktionen liegen dann in mehr oder minder erheblichem Ausmaß im Bereich der Rohstoff-, Anlagen- oder Kapitalbeschaffung bzw. bei den Mitarbeitern oder beim Staat. Vor diesem Hintergrund fokussiert das Marketing nicht nur Kunden und Wettbewerber, sondern verfolgt das Ziel, alle Anspruchsgruppen bzw. Stakeholder (vgl. Bea u. Haas, 2019, S. 119ff.) Stakeholdermöglichst gut zu bedienen. Dies führt dazu, dass man sich mindestens in gleichem Maße wie über das Wie („can it be sold?“) über das Ob („should it be sold?“) Gedanken machen muss. In vielen Fällen tritt deshalb neben Gewinnprinzip, Wirtschaftlichkeitskriterien und Nutzenerwägungen eine Haltung, die von gesamtwirtschaftlicher Verantwortung gekennzeichnet ist. Aktuelle Entwicklungen hierfür sind die ESG-Regularien der Europäischen Union oder die CSR-Bemühungen vieler Unternehmen.
Die Entwicklung eines grundlegenden Verständnisses für die Anliegen des Marketings erfordert eine Klarstellung einiger ganz elementarer Zusammenhänge, auf welche in den nachfolgenden Kapiteln zurückgegriffen wird. Dies erleichtert sowohl die zusammenfassenden Aussagen in → Abschnitt 1.5 als auch die dargestellten Probleme in der Fallstudie in → Abschnitt 1.2.
In Käufermarktsituationen wird man angesichts der Konkurrenzsituation nur dann langfristig erfolgreich sein, wenn man in einem ausreichenden Maße der stärkeren Marktposition der Nachfrager gerecht wird. Damit wird es geradezu zwingend, die Analyse der Nachfragesituation an den Anfang aller marketingbezogenen Überlegungen zu stellen.
Nach der Art der nachgefragten Produkte kann die Marktsituation einfach charakterisiert werden. Produkte können in verschiedener Hinsicht beschrieben werden, z. B. nach Verwendungszweck und individueller Beschaffungssituation. Unterteilt man Produkte nach ihrem Verwendungszweck, so sind zweimal zwei Produktarten zu bilden:
Zum einen Produkte, die für die Verwendung in der Privatsphäre (Konsumgüter) bzw. im gewerblichen Bereich (Produktivgüter) bestimmt sind.
Zum anderen solche, die bei der Verwendung gebraucht (längerfristige bzw. mehrmalige Nutzung; Investitionsgüter) bzw. verbraucht (einmalige Nutzung; Produktionsgüter) werden.
Die Unterteilung der Produkte nach dem Verwendungszweck ist keineswegs immer durch die Produktart bestimmt; so sind Personenkraftwagen oder Strom sowohl als Konsum- als auch als Produktivgüter einsetzbar.
Die Relevanz der Unterteilung der Produkte nach ihrem Verwendungszweck ergibt sich insbesondere auch daraus, dass für einen Teil der Produkte die Nachfrage derivativer Natur NachfragederivativDerivative Nachfrageist.
Wissen | Derivative Nachfrage bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Nachfrage nach dem jeweiligen Produkt von der Nachfrage nach einem anderen Produkt abhängt.
Beispiel | Ein besonders augenfälliges Beispiel hierfür ist die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Akkus, die in fast vollkommener Weise von der Nachfrage nach mobilen Elektrogeräten abhängt.
Als derivativ anzusehen ist speziell die Nachfrage nach Produktivgütern und gegebenenfalls auch die Nachfrage nach Rohstoffen und Zwischenprodukten im Konsumgüterbereich. Die Nachfrage nach Do-it-yourself-Materialien (z. B. Klebstoff) kann insofern als derivativ angesehen werden, als sie eine Funktion der Nachfrage etwa nach Wohnraum bestimmter Qualität ist, da diese nachgefragten Leistungen mindestens eine Weiterverarbeitungs-, Nutzungs- und/oder Handelsstufe durchlaufen, bevor sie zum Endverbraucher gelangen. Die derivative Nachfrage ist daher für die Planungen vieler Unternehmen relevant, so dass die Ausführungen in → Kapitel 2 und → Kapitel 4 auch für Unternehmen, die explizit nicht auf Konsumgütermärkten zu finden sind, von erheblicher Bedeutung sind.
Die Marketingaktivitäten sind daher nicht nur auf die unmittelbar nachfolgende Wertschöpfungsstufe auszurichten, sondern es ist ein mehrstufiges Marketing Marketingmehrstufigzu installieren, das marketingpolitische Maßnahmen (z. B. das Co-Branding von Dolby, Gore-Tex) umfasst, die auf eine oder mehrere den unmittelbaren Abnehmern nachfolgende(n) Marktstufe(n) („Kunden des Kunden“) gerichtet sind (→ Darstellung 1.3).
Mehrstufiges Marketing bei derivativer Nachfrage.
Eine in diesem Zusammenhang ebenfalls diskutierte Unterteilung der Produkte ist diejenige nach der Beschaffungssituation. Auch wenn die Klassifizierung nicht immer einheitlich ist, kann in diesem Zusammenhang (für den Konsumgüterbereich) eine Unterteilung gemäß → Darstellung 1.4 vorgenommen werden.
hohe Markttransparenz
geringe Markttransparenz
hohes Selbstvertrauen
geringes Selbstvertrauen
Denkprozess während des Kaufs durch Markenvergleich
Denkprozess vor dem Kauf durch Informationssuche
geringes Risiko
hohes Risiko
geringer Anschaffungspreis
geringes Involvement
geringer Einkaufsaufwand
Convenience-Typ
Preference-Typ
hoher Anschaffungspreis
hohes Involvement
hoher Einkaufsaufwand
Shopping-Typ
Speciality-Typ
Beschaffungstypologie.
Für das Marketing ist eine Typisierung der Beschaffungssituation von Produkten nach dem soeben diskutierten Raster insofern von Bedeutung, als etwa bei Convenience Goods anders als bei Shopping Goods (Pkw für einen Laien) oder Specialty Goods (Pkw für einen Hobbybastler) potenzielle Käufer kaum bereit sind, besondere physische oder psychische Anstrengungen zu unternehmen, um eine bestimmte Marke zu erwerben. Ist etwa die präferierte Marke nicht in der Nähe erhältlich, bestehen für sie längere Lieferzeiten (Versand) oder ist sie in einem bestimmten Geschäft ausverkauft, so wird der Kunde bei einem Convenience Good oft ohne zu zögern die Marke wechseln.
Dies hat zur Folge, dass ein und dasselbe Produkt je nach potenziellem Kunden (differenzierte Nachfrage) mit anderen Marketinginstrumenten aufgrund der unterschiedlichen Ausgangssituation im Beschaffungsprozess vermarktet werden muss.
Stufen zunehmender Konkretisierung des Kaufentscheidungsprozesses und Einflussmöglichkeiten der Marketinginstrumente.
Bereits zu Beginn dieses Abschnitts wurde die Nachfragesituation als Ausgangspunkt der Analyse thematisiert. Es bietet es sich daher an, den Erwerb einer Sach- oder Dienstleistung einer näheren Betrachtung zu unterziehen, um auf die grundlegenden Aspekte einer marktorientierten Unternehmensführung einzugehen.
Der Zusammenhang zwischen den Konstrukten Bedürfnis, Bedarf, Nachfrage und schließlich Kaufvolumen ist in → Darstellung 1.5 wiedergegeben.
BedürfnisseBedürfnisstellen den gedanklichen Startpunkt des menschlichen Kaufentscheidungsprozesses dar (vgl. Kroeber-Riel u. Gröppel-Klein, 2019, S. 157ff.)
Wissen | Bedürfnisse können als Mangelgefühle oder Probleme beschrieben werden, denen das Bestreben zugeordnet ist, diese zu beheben.
Bedürfnisse sind demnach intrapersonale und damit nicht beobachtbare Tatbestände, auf deren Vorhandensein man nur aufgrund bestimmter Verhaltensweisen indirekt schließen kann. Anders als Bedürfnisse sind Bedarfsgrößen bereits auf bestimmte Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung hin orientiert; der BedarfBedarfist das durch die Konfrontation mit Objekten, die grundsätzlich zur Bedürfnisbefriedigung geeignet sind, konkretisierte Bedürfnis.
Beispiel | So kann eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt etwa ein Bedürfnis nach Erfrischung besitzen, das nach Analyse der alternativen Formen der Befriedigung dieses Bedürfnisses (Bier, Mineralwasser, Eis, Freibad etc.) dann zum Bedarf nach einem Bad in einem Gebirgssee konkretisiert wird.
Das Marketing wird zuweilen auch dem Vorwurf ausgesetzt, Bedürfnisse zu kreieren, um diesen dann entsprechende Produkte gegenüberzustellen.
Beispiel | Lange, bevor es diesen Begriff gab, griffen beispielsweise schon Standard OilStandard Oil oder Steinway & SonsSteinway & Sons diese Idee der aktiven Bedürfniskreierung auf. Sie verschenkten Petroleumlampen bzw. stifteten Konzertsäle, um den Bedarf nach Öl bzw. Klavieren zu stimulieren.
An der Umformung von Bedürfnissen zu Bedarfsgrößen sind insbesondere eigene Erfahrungen hinsichtlich der Eignung der alternativen Objekte, das entsprechende Bedürfnisse zu befriedigen, und Erfahrungen oder Meinungen anderer Personen, die einen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten des entsprechenden Individuums besitzen, beteiligt.
Der Bedarf ist lediglich objektorientiert, nicht aber auf einen bestimmten Kaufzeitpunkt oder Kaufort bezogen. Damit es zu einer solchen weiteren Konkretisierung der Nachfrage kommt, sind bestimmte Beschaffungsdispositionen vorzunehmen.
Zunächst einmal muss eine entsprechende Kaufkraft disponiert werden, was stets eine Abwägung der Dringlichkeit alternativer Bedarfskategorien beinhaltet. Insofern konkurrieren etwa Ausgaben für einen Theaterbesuch mit solchen für einen Kinobesuch. Es ist allerdings nicht nur eine Disposition der Kaufkraft vorzunehmen, sondern auch eine der Zeit, die sich etwa in der Frage niederschlägt: „Kann ich mir angesichts der bevorstehenden Arbeitsbelastung einen Theaterbesuch (zeitlich) leisten?“ Wie unmittelbar einsichtig, hängt der zeitliche Bedarf für die Befriedigung eines bestimmten materiellen Bedarfs stark von der räumlichen Verteilung der Bedarfsbefriedigungsmöglichkeiten ab. Eine Folgerung aus dieser Erkenntnis besteht darin, dass es möglich ist, durch eine hohe räumliche Angebotsdichte die Nachfrage nach einem Produkt merklich zu beeinflussen.
Die Nachfrage ist der zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort marktwirksam gewordene Bedarf. Aus der Gegenüberstellung von Nachfrage und Angebot ergibt sich schließlich das Kauf- oder Marktvolumen.MarktVolumen Letzteres wird insbesondere dann vom Nachfragevolumen abweichen, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort ein üblicherweise dort zum Kauf angebotenes Produkt nicht verfügbar ist. Dividiert man die Zahl an getätigten Absätzen in einem bestimmten Zeitraum durch das Marktvolumen ergibt sich der eigene Marktanteil.
Wissen | Die vielfältigen Möglichkeiten, aus denen eine konkrete Nachfrage eines Nachfragers entstehen kann, führt dazu, dass bei einem identischen Bedürfnis zu Beginn des Kaufentscheidungsprozesses die verschiedensten Nachfragekonstellationen entstehen können, d. h. es ergibt sich eine differenzierte Nachfrage bei gegebenem Bedürfnis bzw. Problem.
Die Ausgestaltung der verschiedenen Marketinginstrumente (linke Seite von → Darstellung 1.5) MarketingInstrumentesetzt dabei an verschiedenen Punkten des Kaufentscheidungsprozesses an.
Innerhalb der Produktpolitik sollte sichergestellt werden, dass aufgrund adäquater Informationen eine maßgeschneiderte „Problemlösung“ zur Befriedigung des Kundenbedürfnisses zur Verfügung gestellt wird.
Durch die Instrumente der Preispolitik wird einerseits die relative Wertigkeit der angebotenen Problemlösung beachtet, da der gebotene Nutzen – d. h. die vom Konsumenten geschätzte Eignung des Produkts zur Befriedigung seines Bedürfnisses – das Entgelt, das der Kunde dafür zu zahlen hat, rechtfertigen muss, es muss also ein Nettonutzen entstehen. Andererseits kann die finanzielle (zu welchen Konditionen wird gekauft?) und zeitliche (wann wird gekauft?) Komponente ebenso durch dieses Instrument beeinflusst werden. Man denke hierbei an bestimmte Rabatte oder Finanzierungsangebote, wenn bspw. antizyklisch gekauft wird.
Mittels der Distributionspolitik wird schließlich die Verfügbarkeit der Leistung am Ort und zum Zeitpunkt der Nachfrage gewährleistet. Nur dann kann der potenzielle Kunde beispielsweise Leistungsvergleiche zwischen verschiedenen Alternativen anstellen. Dieser Aspekt wurde oben beim Aspekt der Beschaffungsanstrengungen bereits deutlich.
Last but not least ist dem Nachfrager innerhalb der Kommunikationspolitik das Angebotsbündel mit allen für einen Kauf relevanten Informationen („welche Leistung kann mit welchen Nutzenkomponenten, zu welchen Konditionen, an welchen Orten und zu welchen Zeitpunkten erworben werden“) zielgruppengerecht zu vermitteln.
Wissen | Das Marketing(-Instrumentarium) ist dementsprechend so zu gestalten, dass die Bedürfnisse der potenziellen Kunden(-gruppen) zu einer Nachfrage nach dem eigenen Angebot am Markt führen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn diese und die weiteren Einflussmöglichkeiten dem planenden Unternehmen bekannt sind!
Bisher war stets nur die Rede von Produkten; dies stellt allerdings insofern eine grobe Vereinfachung dar, als man in der Realität regelmäßig Produkte und Marken nebeneinander zu betrachten hat.
Unter Produkt soll dabei im Gegensatz zur Marke eine Objektmenge verstanden werden, die zur Befriedigung eines bestimmten Bedarfs bzw. Bedürfnisses geeignet ist. Im obigen Beispiel wären etwa Bier, Mineralwasser oder auch – umfassender klassifiziert – Erfrischungsgetränke relevante Produkte. Marken sind demgegenüber Herkunftsbezeichnungen, die bestimmten Produkten (oder Produktgruppen) zur Unterscheidung beigegeben werden. Wie das Beispiel Bier – Mineralwasser – Erfrischungsgetränke bereits deutlich gemacht hat, kann eine Produktdefinition unterschiedlich weit gefasst werden. Je nachdem, ob die Nachfrager Bier und Mineralwasser als gegenseitig austauschbare Mittel zur Bedürfnisbefriedigung ansehen oder nicht, wird man als Produkt Erfrischungsgetränke oder Bier und Mineralwasser definieren. Dies sei an einem weiteren Beispiel verdeutlicht.
Beispiel | Für einen Nichtraucher sind alle handelsüblichen Zigarettenmarken Teil eines einheitlichen Produktes „Zigaretten“; für einen „eingeschworenen“ Raucher filterloser Zigaretten dagegen ist die Gesamtheit der Zigarettenmarken in die zwei Produkte „Filterzigaretten“ und „filterlose Zigaretten“ zu unterteilen; für den überzeugten Gauloise-Raucher sieht die Welt der Zigaretten wiederum anders aus, für ihn gibt es zum Beispiel drei Gruppen von Zigarettenmarken und -typen: „GauloiseGauloise ohne Filter“, „übrige filterlose Zigaretten“, „Filterzigaretten“ (inkl. Gauloise mit Filter).
Naturgemäß stehen diese drei Produkte nicht völlig isoliert nebeneinander, vielmehr bestehen zwischen ihnen hinsichtlich der Bedürfnisse, die sie befriedigen, mehr oder weniger enge Substitutionsbeziehungen. So mögen etwa „Gauloise ohne Filter“ und „übrige filterlose Zigaretten“ als miteinander enger verbunden angesehen werden als die anderen beiden Paare.
Es ist unmittelbar erkennbar, dass die unterschiedlichen Substitutionalitätsgrade der einzelnen Produkte untereinander für das Marketing erhebliche Relevanz besitzen, wenn es für diese Personen darum geht, wegen Nichterhältlichkeit eine andere Marke bzw. ein anderes Produkt als die am meisten präferierte Zigarette „Gauloise ohne Filter“ zu wählen.
Wissen | Der Grad der Substitutionalität bestimmt je nach Zielgruppe bzw. Marktsegment den so genannten relevanten Markt, Marktrelevanterauf dem sich der Anbieter bewegt, im Sinne der für das Marketing relevanten Konkurrenzprodukte.
Für den Anbieter lautet die Frage demnach: „Welche Konkurrenzprodukte bzw. -marken bzw. -anbieter sind Substitute meines eigenen Angebots?“.
Was hier für den Fall verschiedener Zigarettenprodukte diskutiert wurde, gilt analog für die Relationen zwischen Zigaretten, Zigarren und Pfeifen oder auf einem noch allgemeineren Niveau für die Produkte Tabakwaren und alkoholische Getränke.
Bei der Frage nach dem relevanten Markt ist in einem weiteren Schritt nicht die physische Gleichheit maßgeblich, sondern die Gleichheit des Verwendungszweckes, welcher als Ausgangspunkt der Überlegung gewählt werden muss.
Beispiel | Demnach sind beispielsweise Stahlrohre für die Abwasserführung dem gleichen Markt wie entsprechende Kunststoffrohre, nicht aber dem gleichen Markt wie Stahlrohre gleicher Stärke für sonstige Zwecke zuzurechnen.
Da man in der Regel nicht von „substitutiv: ja oder nein“, sondern nur von „mehr oder weniger substitutiv“ ausgehen kann, ist häufig der relevante Markt nicht eindeutig abzugrenzen.
Beispiel | Vorab keineswegs klar ist etwa, ob der relevante Markt für einen Audi A6Audi A6 derjenige aller Personenkraftwagen, derjenige der oberen Mittelklassewagen oder derjenige der Personenkraftwagen mit einem Preis von € 50.000 bis € 80.000 darstellt. Unklar ist ferner, ob nur die deutschen oder die europäischen oder die europäischen und die japanischen Fahrzeuge eingeschlossen sind.
Das Problem der Marktabgrenzung existiert in gleicher Weise bei regionalen, nationalen oder internationalen Märkten und kann dementsprechend mehrdimensional angegangen werden.
Da der Bedarf Bedarfder potenziellen Abnehmer stark von ihren subjektiven Erfahrungen und Beurteilungskriterien geprägt wird, kann mit einiger Berechtigung davon ausgegangen werden, dass alle potenziellen Abnehmer mit mehr oder weniger unterschiedlichen Bedarfsvorstellungen an den Markt herantreten und auf bestimmte Aktionen der Anbieter unterschiedlich reagieren. Bezieht man diese Erkenntnisse auf Produkte, so bedeutet dies nichts anderes, als dass realistischerweise davon auszugehen ist, dass die potenziellen Abnehmer die Leistungen der Anbieter unterschiedlich einstufen.
Wissen | Die Bewertung und das Urteil der Nachfrager bezüglich ein und desselben Produkts ist heterogen. Die Unterschiedlichkeit der Beurteilung von objektiv gleichen Leistungen ist auf zweierlei Aspekte zurückzuführen:
Kunden nehmen gleiche Objekte unterschiedlich wahr; was aus der Unterschiedlichkeit der merkmalspezifischen Beurteilung der einzelnen Objekte resultiert.
Kunden messen darüber hinaus den einzelnen subjektiv wahrgenommenen Merkmalen von Objekten eine unterschiedliche Bedeutung bei ihren Nachfrageentscheidungen zu.
An einem Beispiel ist der Sachverhalt einfach zu erläutern:
Beispiel | Kaum zwei Personen werden denselben Typ eines Personenkraftwagens (z. B. VW GolfVW Golf) hinsichtlich aller Merkmale gleich beurteilen. Als Merkmale kommen dabei zum Beispiel Sportlichkeit, Sparsamkeit im Benzinverbrauch, Geräumigkeit, Motorleistung, Fahrkomfort und Inspektionskosten in Betracht. Jemand, der beispielsweise ein „Montagsauto“ besitzt, wird wahrscheinlich über die Reparaturanfälligkeit anders urteilen als ein Käufer, der mehr Glück hatte. Darüber hinaus mag für Individuum 1 die Sportlichkeit sehr wichtig, die Sparsamkeit dagegen recht unwichtig sein, während für Individuum 2 genau das Gegenteil zutrifft. Des Weiteren wird es für diese beiden Personen auch unterschiedliche Substitutionsprodukte geben!
Betrachtet man eine sehr große Zahl von möglichen Kunden, so ist es weder plausibel, davon auszugehen, dass alle Personen gleich sind, noch davon, dass alle Personen jeweils paarweise unterschiedlich sind. Man wird erwarten können, dass die Gesamtheit der Personen in einzelne Gruppen von untereinander relativ homogenen, aber zwischeneinander relativ heterogenen Personen unterteilt werden kann. Wie bereits angedeutet, kann sich die Heterogenität bzw. Homogenität der Personen dabei auf jeweils eines oder auch auf beide Beurteilungsphänomene erstrecken:
Homogenität bzw. Heterogenität hinsichtlich der Einstufung der zur Beurteilung anstehenden Objekte bei allen relevanten Merkmalen, d. h. Homogenität bzw. Heterogenität der Objektwahrnehmungen.
Homogenität bzw. Heterogenität hinsichtlich der Beurteilung der Wichtigkeit der einzelnen Objektmerkmale, d. h. Homogenität bzw. Heterogenität der Merkmalsgewichtungen.
Vor dem skizzierten Hintergrund ist das Bemühen von Unternehmen um eine differenzierte Marktbearbeitung,MarktBearbeitung (differenziert) d. h. um eine unterschiedliche Bearbeitung der Summe der potenziellen Abnehmer, unmittelbar einsichtig. Man verzichtet demnach darauf, allen Wünschen von Abnehmern mit einem einheitlichen, standardisierten Angebot gerecht zu werden. Stattdessen wird durch so genannte Line ExtensionsLine Extensions, d. h. Erweiterungen der Produktpalette – zumindest in der Wahrnehmung der Abnehmer, durch Setzen unterschiedlicher Preise, Nutzung verschiedenartiger Absatzwege und Wahl zielgruppenorientierter Kommunikationskonzepte – den spezifischen Bedürfnissen von Gruppen potenzieller Käufer stärker entgegengekommen, um auf diese Weise Nachfrage zu aktivieren und einen möglichst großen Teil davon an sich zu ziehen.
Wissen | MarktsegmentierungMarktSegmentierungbedeutet damit einerseits die systematische Aufteilung eines Marktes in möglichst homogene Teile und andererseits deren differenzierte Bearbeitung mit Hilfe der Marketinginstrumente.
Die Folge dieser Erkenntnis ist, dass der Markt (d. h. die Summe der potenziellen Abnehmer) zumindest differenziertzu betrachten ist (vgl. → Kapitel 4). Sind entsprechende Ressourcen gegeben, ist es sodann möglich, ein oder mehrere Segmente gleichzeitig differenziert zu bearbeiten.
Beispiel | Um noch mal auf das Beispiel im Automobilsektor zurückzugreifen: BMWBMW bearbeitet das unterste Preissegment nicht, während Ford das oberste nahezu außen vor lässt. Porsche beschränkt sich auf einen ganz kleinen Ausschnitt des Marktes, einen Sektor, der gleichzeitig durch Sportlichkeit und Luxus geprägt ist.
Wissen | Bei bekannten Differenzierungspotenzialen des Marktes ist es meist nicht sinnvoll, aufgrund mangelnder Ressourcenkapazität diese zu ignorieren und den Markt insgesamt, d. h. standardisiert zu bearbeiten! Es ist dann eine Auswahl an zu bearbeiteten Segmenten vorzunehmen! Kostenführer können eine Ausnahme darstellen.
Bei den vorangegangenen Ausführungen waren bisweilen schon Folgerungen aus den Gegebenheiten des Absatzmarktes bzw. des jeweiligen Nachfrageverhaltens für das MarketingMarketing gezogen worden. Im Folgenden werden sie systematisiert und integriert. Die daraus abzuleitenden Grundsätze einer marktorientierten Unternehmensführung deuten an, was gemeinhin mit „Marketing als Philosophie“ gemeint ist.
„Marketing“ kann damit als eine Philosophie der Unternehmensführung angesehen werden, die recht treffend durch das Schlagwort „Marketing ist Führung des Unternehmens vom Absatzmarkt her“ (Hammel, 1963) umrissen werden kann. Es ist einleuchtend, dass Engpassorientierungdie Philosophie des Marketings nur dann Relevanz besitzt, wenn der Absatzbereich wirklich der strategische Engpass