Markgraf Iron - Paul Riedel - E-Book

Markgraf Iron E-Book

Paul Riedel

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Beschreibung

Basierend auf dem Original aus dem XIX. Jahrhundert verfasste ich eine neue Version mit historischem Inhalt und kontemporären Moralwerten. Verglichen zum Original sind alle Rollen die gleichen, lediglich die Werte zu Frauen und Diversität sind in meiner Version der Gegenwart angepasst. Die Werte der katholischen Kirche, die viel der ursprünglichen Fassung des XII. Jahrhunderts veränderten, habe ich absichtlich nicht berücksichtigt. Meine Version ist zudem ein Statement gegen Tiermisshandlungen und pro Tierrechte. Wie man dem Original entnehmen kann, ist das Jagen kein Traditionswert, sondern nur Mord.

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Seitenzahl: 108

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Zufälle gibt es nicht

Verfluchte Männer

Herburg

Isolde die Anmutige

Bolfriana

Isolde die Schöne

Am Ende des Tages

Weitere Veröffentlichungen des Autors

Impressum

Vorwort

Mit 1Sturm und Drang erreichte die deutsche Literatur ab Mitte des 2XVIII Jahrhunderts einen Höhepunkt ihrer Geschichte.

Selbst wenn man kein Forscher der Fachliteratur ist, sind Schriftsteller dieser Periode wie z. B. Goethe, Schiller und Kant international höchstgeachtete Autoren, die man kennt. Ihre Charaktere und Strukturen beeinflussen Literaturwelt, Theater und Kino bis heute. Bei der Verfassung dieses Buches überlegte ich auch, warum die moderne Literatur dies zum Teil verlor.

Büchernarren waren zu damaliger Zeit wie die Jahrhunderte davor nicht so verbreitet. Auf Lektüre hatten nur wenige Privilegierte Zugriff. Die Anzahl der mit Lesen befähigten Personen stieg stets, und jüngere Autoren brachten durch einen schwer finanzierbaren Weg neue literarische Strukturen und erstaunliche Archetypen hervor.

Diese Strukturen erzielten moralische Werte zu vermitteln. Die Literarische Werke der Sturm und Drang und alles um den 19. Jh. haben immer eine edleren Botschaft. Die Mutter, die sich der Kindeswohl opfert, der Ehemann, der lieber sich opfert, als seiner Familie zu schaden, etc. Die Gesellschaft kannte solche Botschaften nur aus biblischen Erzählungen. Meine Empfindung nach, war die Gesellschaft ziemlich satt von den herablassende Rhetorik des Klerus bei Ende der 18 Jh. und so haben die Autoren das geschickt aufgegriffen.

Wenn man in der Gegenwart von Helden wie Superman, Batman oder Wonder-Woman spricht, kennt fast jeder diese literarischen Gestalten, ihre moralische Einstellung und Vorbildfunktion. Gleiches galt damals für Figuren wie 3König Salomon, 4König Etzel, Wieland der Schmied5 oder die tapfere Hildegunde6. Meine Entscheidung eine Reihe der Heldensagen in moderner Sprache und Anpassung an unsere modernen Gesellschaftswerte neu zu verfassen, wurde erst durch mein Interesse an der deutschen Literatur erweckt, aber auch durch das Erkennen, dass die Gesellschaft eine neue Erweckung benötigt. Insbesondere deren Beitrag zur Welt künstlerischen Schrifttums.

Die Figuren tauchen in etlichen Sagen wieder auf (wie ebenfalls in Comics), und man wundert sich, dass sie in ihrer Originalfassung (teilweise aus dem XI. Jahrhundert) faktisch nicht in der richtigen Epoche benannt werden. Geografische und politische Einheiten stimmten nicht, oder die erwähnten Königreiche waren längst nicht mehr vorhanden (wie zum Beispiel die Babylonier, die vor langer Zeit vom Perser besiegt wurden), als diese in den Werken benannt werden.

Insgesamt betrachtet sind die Heldensagen aus dem Mittelalter, die im XIX. Jahrhundert erneut auf Papier gebracht wurden, der Albtraum jeden Historikers. Dennoch spiegeln sie Moral und Mission der ihnen folgenden literarischen Bewegungen.

Erstaunlicherweise wurde das damalige Ziel - am Ende der Barockzeit - durch den heutigen Zerfall der Lesekultur zu einem der zahlreichen Opfer des Internets. Das Interesse am Lesen scheint im Laufe der Corona-Krise wieder erweckt zu sein. Für Lesemüde wurde das Audiobuch erfunden, das, neben seltsamen Multitasking-Verpflichtungen wie SMS lesen/schreiben, U-Bahn nehmen, Frühstücken und sonstigen menschlichen Aufgaben erlaubt, Fragmente aus mühevoll geschriebenen Romanen durch oberflächliches Hören abzugreifen.

Unsere kontemporären Werke sind nach meinem Empfinden von Blut und perfiden Morden überschüttet, weil die Empfindsamkeit der Leser durch den Überfluss an Informationen (und Gewalt) abstumpfte. Klar, die Überbevölkerung mindert in vielerlei Hinsicht die Lebensqualität wie auch das Empfinden, doch dies lässt man besser unausgesprochen. Man vermag kaum, eine Krimiserienfolge zu genießen (wie zu Zeiten von 7Columbo mit Peter Falk), ohne mindestens ein Dutzend Leichen auf einem Tisch serviert zu bekommen. Absurditäten, die in der realen Welt niemals existieren wie die Polizei-Labore mit hirnrissigen Datenbanken, in denen Profile fiktiver unwirklicher Menschen gefunden werden.

Mit meinem Vorhaben, die deutschen Heldensagen neu zu verfassen, erziele ich, die Prinzipien der Sturm- und Drangbewegung durch eine unterhaltsame Erzählung näher an den Leser zu bringen und möglichst in realitätsnaher Form, so dass jeder dies durch eine angenehme Lektüre nachvollziehen kann.

In der vorliegenden Sage sind die leitenden Themen: Tierschutz, Tierrechte, Frauenrecht und LGBT-Charaktere werden in Szene gebracht. Vergangene Aspekte, wie der Kampf der Hausfrauen und des Klerus um das Bierbrauen wurden von mir gründlich recherchiert.

Damals nannte man unverheiratete Männer Misogyn oder Frauenhasser, was faktisch jeder Tatsache entbehrte, aber man beabsichtigte, am Thema Homosexualität aufgrund religiöser Dogmen möglichst nicht zu kratzen. So wie 8Kant in einer Biografie von 1804 zu verstehen gab, dass er bei Frauen nicht die erwünschte körperliche Liebe suchte oder fand, diese jedoch nie hasste. Das wird hier in meiner Version mit der Figur des Apollonius‘ behandelt.

Ich ergänzte das Szenario, um die Kontinuität der Geschehnisse besser bildlich darzustellen.

Viel Spaß beim Lesen über Deutschlands letzten wilden Wisent und Rache und Fluch des Markgrafen Iron und den verfluchten Ring der Liebe der Göttin Freya.

1 Deutsche literarische Bewegung.

2 Etwa die Jahre 1765 bis 1785

3 Hebräischer König des 10. Jhd. v. Chr.

4 Attila König der Hunnen herrschte von 434 bzw. 444/45. Sein Königreich lag im heutigen Ungarn.

5 Meine Fassung wurde im Jahr 2019 publiziert.

6 Meine Fassung von Hildegunde mit einer neuen Frauenrolle wurde 2020 veröffentlicht.

7 Amerikanische Fernsehserie

8 Immanuel Kant, preußischer Philosoph des 18. Jhd.

Zufälle gibt es nicht

Als ich mich entschloss, meine Erfahrungen vom letzten Jahr zu verfassen, war ich unentschlossen, wo das Ganze seinen Anfang fand, und vor allem durfte ich diese Erlebnisse nicht vergessen. Etwas darin schien die Mission meines Lebens zu enthalten.

Ich war frisch von der Universität München auf den Arbeitsmarkt gekommen mit einem Beruf, der wenige Optionen bietet.

Mein Abschluss in Geschichte bot mir eine Lehrerkarriere. Mit Glück könnte ich in einer Zeitung arbeiten. Im Berufsleben könnte ich noch einen Posten als Museumswärter belegen. Ein trauriges Dasein, das man vermeiden sollte.

Ich liebe dieses Fach und suchte an einem Mittwochnachmittag auf einem Jobportal auf meinem Tablet nach Möglichkeiten. Ich saß in einem Traditionscafé der Stadt an der Brienner Straße unter dem Lärm der vorbeifahrenden Autos und schaute gelangweilt auf meinen kalten Kaffee und ein kaum berührtes Stück Kuchen. Ich scrollte die Anzeigen hinauf und hinunter, unentschlossen wie auf einem Dating-Portal.

Der kühle Märzwind blies etwas energischer durch die Straße, und einige Gäste an den Nebentischen holten sich Sitzdecken und jaulten im Chor.

Ich gebe zu, meine Verzweiflung ließ zu, dass ich mich über den Wind so aufregte.

„Olaf!“, schrie zum wiederholten Male eine Stimme vor meinem Tisch, und der unerträgliche Duft eines japanischen Frauenparfüms erschreckte mich. Das erste Mal hatte ich diesen Ruf kaum wahrgenommen.

„Ich hasse solche Düfte“, dachte ich insgeheim.

Es war eine Kommilitonin, die ich zwar nicht besonders schätzte, aber sie zu ignorieren wäre keine angemessene Reaktion. Sie war an der Universität München für ihre Beziehungen in die Stadtverwaltung allgemein bekannt, und sie abzulehnen, wäre der Garant für ein Leben mit der Rache ihres Tratsches und ihrer Lügen zu verbringen.

„Ich hasse solche Düfte, und wer sie trägt,“ dachte ich ergänzend.

Ich hob den Kopf und versuchte, ein Lächeln zu formulieren, ohne mein wahres Empfinden zu verraten.

„Gerdi. Was für eine Überraschung.“ Ich nickte mehrmals mit dem Kopf und wünschte, unser Gespräch wäre hier zum Ende gekommen, doch sie setzte sich in einem halbwegs graziösen Schwung auf den Stuhl auf der anderen Seite meines Tisches.

„Was für eine günstige Fügung des Schicksals. Ich sprach mit Professor Günaydin ...“, fing Gerdi an.

„Zufälle gibt es nicht“, rätselte ich und überlegte, wieso sie mir nachstellte.

„Du meinst Professor Gudnason“, korrigierte ich etwas irritiert. Sie verwechselte das türkische ‚Guten-Morgen‘ mit dem schwedischen Nachnamen des Hochschulprofessors, seit wir uns kannten. Immer wieder, aber dies schien ihr kaum bewusst zu sein. So ignorierte sie meine Anmerkung mit einem Wink und sprach ungehemmt weiter.

„Er setzt mich als Projektleiterin für die neue Ausstellung im bayerischen Nationalmuseum ein. Ich wollte Cora als Verfasserin der Schrift über Bringsamen ...“ Ich rang nach Luft und wollte nicht sie anschreien.

„Brisingamen, Freyas Halsschmuck“, korrigierte ich sie erneut. Sie wedelte wieder mit ihrer kleinen Hand und beschwichtigte meine Anmerkung.

„Schatz“, sagte sie laut, um die Aufmerksamkeit der Bedienung zu bewirken. „Auch die Gäste hier wollen etwas trinken. Bringen Sie mir einen Sekt in einem sauberen Glas, ja?“, kokettierte sie herablassend, und der irritierte Kellner entfernte sich, um die Bestellung zu holen und voraussichtlich ins Trinkgefäß zu spucken, hoffte ich.

„Der Professor möchte ein Resümee über die Sage von Markgraf Iron für die Ausstellung haben. Wir haben die Originalmanuskripte digitalisiert, aber Cora ist nicht verfügbar. Ich glaube, sie und der Professor verstehen sich nicht besonders, oder wer weiß, sie haben sich zuvor viel zu gut verstanden. Aber ich möchte auf gar keinen Fall Gerüchte über Coras Verfehlungen in die Welt setzen.“ Sie gab mir einen bedeutenden Blick und hob ihre rechte Augenbraue, um anzudeuten, dass sie alle etwaigen Fehltritte Coras bestens kannte.

„Das glaubte ich ihr nicht“, war ich mir sicher. Höchstwahrscheinlich hat Cora ihr Angebot verschmäht und ihr dabei klargemacht, wie schäbig sie Menschen ausnutzte. Ich war noch nicht an diesen Punkt gekommen, und um zu vermeiden, mir den Mund zu verbrennen, stopfte ich ein Stück Kuchen in den Mund und schaltete das Tablet ab.

„Ich weiß, dass schwule Männer immer Geld brauchen, und Cora meinte, dass du noch auf der Suche nach Beschäftigung bist. Und als ich auf dem Weg zu Wigard war, sehe ich dich hier sitzen. Hach …“ Sie log, und ich bin mir sicher, dass sie die Originalmanuskripte schlicht nicht lesen kann, und bevor sie alles völlig vermasselt, sucht sie Rettung bei einem Kommilitonen.

Ihre Klassifizierung meiner Orientierung sprach sie aus, als wäre dies ein Geheimnis. Sie schien in ihrer Welt nicht begriffen zu haben, dass kein Mensch sich noch für eine solche Information interessierte.

‚Zizzz, Zizzz‘ meldete sich mein Handy, und ich las eine SMS von Vater.

Papa meinte darin, dass in seinem Dorf einige Lehrer gesucht werden, und das Leben in München sei zu teuer. Womit er andeutete, dass er nicht gewillt war, mich ein weiteres Jahr finanziell hier zu unterstützen. Ich überlegte nicht lange, und Wigard würde das Angebot von Gerdi garantiert nicht ablehnen, daher war meine Bedenkzeit ziemlich kurz.

„Was muss getan werden?“, fragte ich trocken und schlürfte den kalten Café Crema.

Die Bedienung setzte den Sektkelch auf dem Tisch auf einen Untersetzer. Ich überprüfte den Inhalt und suchte vergebens nach Quäntchen seiner Rache. Gerdi runzelte ihre Nase, als wäre sie auch auf der Suche nach Spuren und entschloss sich, den Inhalt mit einem delikaten Nippen am Glas zu riskieren. Sie hinterließ eine dicke Schicht rosa-violetten Lippenstift auf dem Sektkelch.

„Es ist nur ein Auftrag von fünf Tagen, schätze ich. Du schaust die digitalisierten alten Papiere an, übersetzt etwas, das interessant für die Besucher ist, und zeichnest eine Skizze oder Zeichnung mit dem Text für die sechs Tafeln am Eingang der Ausstellung. Der Professor will den Bezug zu den nordischen Göttern hervorheben. Ich weiß, das ist dein Thema“, fasste sie zusammen.

„Weder Wigard noch Cora kennen sich damit aus. Das weiß jeder in unsere Klasse“, stellte ich in Gedanken fest.

Das Gespräch dauerte an, und ich akzeptierte die Recherche, obwohl mir klar wurde, dass der Auftrag regulär mindestens zwei Monate umfasste. Höchstwahrscheinlich steckte sie das Geld in ihre eigene Tasche, aber es wäre ein Anfang für mich.

Weitere Herabwürdigungen der armen Cora wurden oberflächlich angesprochen, wobei der Wahrheitsgehalt großzügig unbeachtet blieb. Sie bezahlte meine Rechnung und gab mir eine Mappe mit allen Hinweisen für den Auftrag, wobei sie weiterhin behauptete, sie habe sie nur zufällig mitgebracht. Da wurde klar, dass sie mir unbestreitbar nachgestellt hatte, weil sie im Bilde war, dass ich eine Einladung ablehnen würde.

*

Wir bekamen zwei Arbeitszimmer in der Staatsbibliothek. Die Originaldokumente der Ausstellung waren in der unteren Etage beim Archivar. Auf einem Tisch stand ein altmodischer Computer, und die Zugangsdaten auf einem Zettel verrieten, wie wenig Gerdi über Datenschutz und Sicherheit verstand.

Auf der Webseite des Projekts fand sich bereits einiges über Brisingamen zusammengetragen. Der Halsschmuck der Freya, die Göttin der Walküren, andere Titel, die ihr zugeschrieben werden, sollten im Foyer der Ausstellung präsentiert werden. Ich versuchte, die Anweisungen des Projekts zu verstehen.

Zwei Sicherheitsmänner saßen am Eingang und ließen mich desinteressiert ein. Eine Archivarin würdigte mich nicht mal eines Blickes, als ich in der mir gezeigten Richtung ging. Allein im Raum, die Kühle des Frühlings drängte sich durch die geschlossenen Fenster, empfand ich ihn als extrem einsam. Dem penetranten Geruch nach zu urteilen, fehlte dem Raum seit mindestens zehn Jahren eine Grundreinigung. Ich wagte nicht, meine Jacke auszuziehen, und nach einigem Suchen auf dem Desktop des Computers fand ich die digitalisierten Dokumente, die ich zusammenfassen sollte. Es waren Originale aus dem XII. Jahrhundert und nicht die versprochene Version des XIX. Jahrhunderts, und es wurde mir wieder klar, warum Gerdi mich ausgesucht hatte.

Die erste Seite war eine digitalisierte Aufnahme des Originaldeckblatts eines handgeschriebenen Tagebuchs. Verzierungen und Runensymbole gaben Auskunft, dass der Autor in den alten Religionen gebildet und höchstwahrscheinlich eine Priesterin des germanischen Gottes Baldur war. Durch die Unterdrückung der katholischen Kirche wurden unzählige Gläubige solcher Kulte gezwungen, ihre Werte unter Symbolen zu verbergen. Ich erkannte darin einen vielversprechenden Hinweis für die Ausarbeitung.